Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 21.12.2016


BGH 21.12.2016 - 4 StR 527/16

Revision in Strafsachen: Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme durch den vermindert schuldfähigen Angeklagten


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
21.12.2016
Aktenzeichen:
4 StR 527/16
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:211216B4STR527.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Stendal, 23. August 2016, Az: 502 Ks 2/16
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Revisionen der Beschuldigten vom 24. August 2016 und 26. September 2016 gegen das Urteil des Landgerichts Stendal vom 23. August 2016 wirksam zurückgenommen sind.

2. Die Beschuldigte hat auch die Kosten ihres Rechtsmittels vom 26. September 2016 zu tragen.

Gründe

1

1. Die von der Pflichtverteidigerin der Beschuldigten, Rechtsanwältin A.  , am 22. September 2016 erklärte Rücknahme der am 24. August 2016 eingelegten (ersten) Revision ist wirksam. An der prozessualen Handlungsfähigkeit der Beschuldigten im Zeitpunkt der Ermächtigung ihrer Verteidigerin zur Rücknahme des Rechtsmittels bestehen keine Zweifel.

2

a) Für die Verhandlungsfähigkeit im Revisionsverfahren reicht es aus, dass der Beschwerdeführer mindestens zeitweilig zu einer Grundübereinkunft mit seinen Verteidigern über die Fortführung oder Rücknahme des Rechtsmittels in der Lage ist und diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Entscheidung vorlagen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1995 - 5 StR 434/94, BGHSt 41, 72, 74). Eine Beeinträchtigung der Geschäfts- oder Schuldfähigkeit eines Erklärenden hat nicht zwangsläufig dessen prozessuale Handlungsunfähigkeit zur Folge. Hiervon ist erst dann auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Beteiligter nicht in der Lage ist, die Bedeutung von ihm abgegebener Erklärungen zu erkennen, wobei Zweifel an der prozessualen Handlungsfähigkeit zu seinen Lasten gehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2004 - 2 StR 199/04, NStZ-RR 2004, 341 mwN).

3

b) Danach war von einer prozessualen Handlungsfähigkeit der Beschuldigten im Zeitpunkt der Rücknahme der (ersten) Revision auszugehen. Zwar hat das sachverständig beratene Landgericht bei der Beschuldigten eine das Tatgeschehen überdauernde paranoid-halluzinatorische Psychose festgestellt und angenommen, dass sie bei „Fortbestehen restplausibler Handlungsfähigkeit“ in den Tatsituationen am 1. September 2015 und 13. Februar 2016 nicht mehr befähigt war, das Verbotene ihres Tuns einzusehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte im Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung nicht in der Lage war, mit ihrer Verteidigerin zu einer Grundübereinkunft über die Fortführung oder Rücknahme des Rechtsmittels zu gelangen, bestehen aber nicht. Der Rücknahmeerklärung der Pflichtverteidigerin vom 22. September 2016 ist ein Schreiben der Beschuldigten vom 16. September 2016 beigefügt, in dem sie ausdrücklich erklärt, auf eine Revision zu verzichten und das Urteil anzunehmen. In einem weiteren Schreiben vom 20. September 2016 bestätigte die Beschuldigte überdies ihren Rücknahmewillen, indem sie dem Landgericht mitteilte, sich entschieden zu haben „nicht in Revision zu gehen“. Hiervon sei ihre Verteidigerin in Kenntnis gesetzt. Anders als weitere, später zu den Akten gelangte Schreiben enthalten diese inhaltlich aufeinander bezogenen Schreiben keine Hinweise auf wahnhafte Gedankeninhalte. Auch gibt es keinen Anhaltpunkt für eine fehlende Kenntnis der Beschuldigten von der Bedeutung der abgegebenen Erklärungen.

4

2. Die - ohnehin unzulässige - mit Schreiben vom 26. September 2016 eingelegte (zweite) Revision wurde von der Beschuldigten mit Schreiben vom 9. November 2016 ebenfalls wirksam zurückgenommen. Insoweit war lediglich noch über die Kosten zu entscheiden.

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