Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 07.11.2018


BGH 07.11.2018 - 5 StR 449/18

Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
07.11.2018
Aktenzeichen:
5 StR 449/18
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:071118B5STR449.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Hamburg, 23. Mai 2018, Az: 611 KLs 2/18
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. Mai 2018 mit Ausnahme der Feststellungen zu den objektiven Tatgeschehen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Beschuldigte einen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl, drei (Einbruchs-)Diebstähle sowie einen versuchten (Einbruchs-)Diebstahl begangen, indem er im Zeitraum vom 30. Mai bis 24. August 2017 in vier Fällen in Geschäftsräume und in einem Fall in eine Privatwohnung einstieg oder einbrach. Er durchsuchte die Räumlichkeiten jeweils nach Bargeld und leicht veräußerbaren Wertsachen sowie in einem Fall nach verschreibungspflichtigen Psychopharmaka, in drei Fällen mit Erfolg.

3

Zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten hat das Landgericht ausgeführt, dass er an einer seit 2003 bestehenden chronifizierten und im Tatzeitraum unbehandelten undifferenzierten Schizophrenie leide. Sein Zustand sei geprägt gewesen durch eine erhebliche Reizbarkeit und affektive Aufladung sowie erhebliche formale Denkstörungen, verbunden mit einem grundlegenden Kritikverlust insbesondere für die Konsequenzen seines Handelns. Krankheitsbedingt sei sein Bewusstsein bei den Taten auf die Erreichung eng definierter Ziele - die Beschaffung von Barmitteln oder Medikamenten - verengt gewesen, so dass ihm weder die Tragweite seines Tuns noch die Schwere seiner Taten bewusst geworden sei. Auch sei er nicht in der Lage gewesen, sich jeweils dem Impuls zur Tatbegehung zu widersetzen, selbst wenn er zu einem im engeren Sinne gezielten und planvollen Vorgehen ohne weiteres imstande gewesen sei. Bei allen festgestellten Taten sei daher von einer krankheitsbedingten erheblichen Beeinträchtigung sowohl der Einsichts- als auch der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten auszugehen; eine vollständige Aufhebung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit könne in keinem der Fälle ausgeschlossen werden.

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2. Die Unterbringung des Beschuldigten hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

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Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB setzt zunächst voraus, dass die Schuldfähigkeit bei der Begehung der Anlasstaten zumindest erheblich vermindert war und die Tatbegehung des Unterzubringenden auf diesem Zustand beruht. Diese Voraussetzung wird im angefochtenen Urteil nicht rechtsfehlerfrei belegt.

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a) Insoweit lassen die Ausführungen zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten zunächst besorgen, dass das Landgericht die Auffassung vertritt, bereits mit der Feststellung einer erheblichen verminderten Einsichtsfähigkeit sei § 21 StGB erfüllt und damit auch die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB gegeben. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich jedoch erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Unrechtseinsicht zur Folge hat. Ein Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war - voll schuldfähig, womit auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht in Betracht kommt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 - 2 StR 529/65, BGHSt 21, 27, 28; Beschlüsse vom 20. November 2012 - 1 StR 504/12, NJW 2013, 246, 247, und vom 25. April 2017 - 5 StR 78/17 mwN). Angesichts der von der Strafkammer in den Feststellungen durchgängig gewählten unpräzisen Formulierung, dem Beschuldigten sei jeweils die „Tragweite seines Tuns“ und damit die „Schwere seiner Tat“ nicht bewusst geworden (UA S. 10, 11, 13, 15, 18, 36 f.), lässt sich selbst dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht eindeutig entnehmen, ob ihm bei den konkreten Taten die Unrechtseinsicht fehlte. Insofern stellt sie allein im Rahmen der Beweiswürdigung auf ein mangelndes Bewusstsein des Beschuldigten für das Unrecht seiner Taten ab und führt hierfür die extreme Sorglosigkeit bei der Tatausführung verbunden mit Konsequenzen einer möglichen Entdeckung sowie die Art seiner Schilderung der jeweiligen Tathergänge an (UA S. 34 f.). In diesem Zusammenhang hat sich die Strafkammer allerdings nicht damit auseinandergesetzt, welche Bedeutung für eine Unrechtseinsicht des Beschuldigten der Umstand hat, dass er sein jeweiliges Handeln in der Laiensphäre zutreffend als Diebstahl gewertet hat mit der Einlassung, er habe „den Drang verspürt, wieder mal etwas zu stehlen“ (UA S. 19, 34).

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b) Zu dieser Unklarheit tritt hinzu, dass das Landgericht die Anwendung des § 20 StGB zugleich auf beide Alternativen fehlender oder erheblich eingeschränkter Einsichts- und Steuerungsfähigkeit gestützt hat. Die Frage der Steuerungsfähigkeit ist jedoch grundsätzlich erst dann zu prüfen, wenn der Täter in der konkreten Tatsituation einsichtsfähig war. Bleibt nach den Urteilsgründen zweifelhaft, welche Alternative das Tatgericht annehmen wollte, so ist dem Revisionsgericht eine rechtliche Überprüfung, ob die Voraussetzungen der Vorschrift zu Recht bejaht worden sind und damit auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtsfehlerfrei ist, nicht möglich. Die Anordnung nach § 63 StGB kann dann mangels eindeutiger Feststellung ihrer Voraussetzungen keinen Bestand haben (BGH, Beschlüsse vom 9. September 1986 - 4 StR 470/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1; vom 8. April 2003 - 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232 f.; vom 19. Januar 2017 - 4 StR 595/16, NStZ-RR 2017, 203, 205; vom 21. November 2017 - 2 StR 375/17).

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c) Im Hinblick auf die Feststellung einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit hat die Strafkammer bei ihrer Annahme, der Beschuldigte habe sich krankheitsbedingt jeweils dem Impuls zur Tatbegehung nicht widersetzen können, zudem nicht erkennbar die hiermit kaum in Einklang zu bringende Feststellung einer Gewerbsmäßigkeit seiner Taten in den Fällen 2, 3 und 5 bedacht (UA S. 14, 35). Kennzeichen der von ihr auf die geständige Einlassung des Beschuldigten gestützten (UA S. 19) Gewerbsmäßigkeit als eines subjektiven Moments ist das - hier auch mit den Lebensumständen des im Tatzeitraum in einer Notunterkunft untergebrachten Beschuldigten erklärbare - Bestreben, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Eine solche Absicht steht indes der Annahme von jeweils situativ impulsgesteuerten Tatentschlüssen entgegen.

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Weiterhin hat das Landgericht nicht erkennbar berücksichtigt, dass die den Krankheitszustand im Tatzeitraum prägenden Merkmale einer erheblichen Reizbarkeit und affektiven Aufladung (UA S. 9) bei den einzelnen Taten - anders als bei der Aufnahme in der psychiatrischen Klinik im November 2017 - jeweils nicht zu verzeichnen waren. Soweit im Rahmen der Ausführungen zur Gefährlichkeitsprognose hierzu die Annahme des Sachverständigen wiedergegeben wird, in den Fällen 1 und 4, in denen der Beschuldigte den Wohnungs- bzw. Geschäftsinhabern begegnete, sei das Ausbleiben einer Eskalation mit Gewalttätigkeiten des Beschuldigten allein dem Zufall des ungewöhnlich besonnenen Verhaltens der Geschädigten zu verdanken gewesen (UA S. 37), ist sie bezüglich des Verhaltens des Beschuldigten nicht beweiswürdigend belegt.

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3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den äußeren Abläufen der fünf Anlasstaten haben jedoch Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

Mutzbauer     

        

Sander     

        

Schneider

        

Berger     

        

Köhler