Entscheidungsdatum: 31.07.2012
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 15. November 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Zur Straffestsetzung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande" zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schloss sich der Angeklagte mit den gesondert Verfolgten A. H. und I. H. "in der Absicht zusammen, arbeitsteilig vorgehend in einer nicht näher bestimmten Anzahl von Fällen unerlaubt mit Betäubungsmitteln Handel zu treiben, um sich so jeweils eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen" (UA S. 5). Am 15. Oktober 2010 bestellte A. H. beim Angeklagten "in Umsetzung ihres zuvor getroffenen gemeinsamen Tatplanes" (UA S. 6) 20 Kilogramm Heroin. Hiervon abweichend einigte man sich in einem Telefonat am folgenden Tag auf die Lieferung von acht Kilogramm Heroingemisch und acht Kilogramm Streckmittel, weil der Angeklagte kurzfristig keine größere Menge beschaffen konnte. A. H. leistete an den Angeklagten eine Anzahlung in Höhe von 21.000 €, von der dieser 19.000 € für den Erwerb des Betäubungsmittels aufwendete. Nach dem Verkauf des Heroins durch A. und I. H. sollte der Angeklagte weitere 15.000 € erhalten. Nachdem der Angeklagte am 19. Oktober 2011 telefonisch A. H. informiert hatte, dass die Übergabe des Heroingemisches in der folgenden Nacht in Braunschweig stattfinden solle, begab er sich mit dem in einer Sporttasche verstauten Betäubungs- und Streckmittel von Rotterdam nach Eindhoven, wo er es der Kurierin B. übergab, die ihm durch seinen Cousin und einen mit diesem bekannten Marokkaner vermittelt worden war. In der Sporttasche befanden sich 7,923 Kilogramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 126,5 Gramm Heroinhydrochlorid sowie 8,9 Kilogramm Streckmittel. Während B. nach Braunschweig fuhr, koordinierte der Angeklagte telefonisch mit A. H. die Übergabe an dessen zur Entgegennahme der Betäubungsmittel in Begleitung des A. nach Braunschweig angereisten Bruder I. H. . Unmittelbar nach der Übergabe erfolgte die Festnahme von I. H. , A. und B. sowie die Sicherstellung der Sporttasche mit den Betäubungsmitteln.
2. Die Annahme bandenmäßiger Begehungsweise wird von den Feststellungen nicht getragen. Wesentliches Merkmal einer Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321; Urteile vom 22. April 2004 – 3 StR 28/04, NStZ 2004, 696, und vom 29. Februar 2012 – 2 StR 426/11). Daran fehlt es, wenn sich die Beteiligten eines Betäubungsmittelgeschäfts auf der Verkäufer- und der Erwerberseite selbständig gegenüber stehen, auch wenn sie in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung handeln (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 – 3 StR 129/11, StraFo 2011, 413 mwN). Ob eine Person, die regelmäßig von einem bestimmten Verkäufer Betäubungsmittel zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs bezieht, in dessen Absatzorganisation als verlängerter Arm eingebunden ist oder dieser auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenüber steht, beurteilt sich wesentlich nach der getroffenen Risikoverteilung. Der Abnehmer in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem, der die Betäubungsmittel zum vereinbarten Preis erwirbt und diese anschließend ausschließlich auf eigenes Risiko verkauft, insbesondere die Verkaufspreise selbst festsetzt und über die von ihm erzielten Gewinne allein disponiert, ist regelmäßig als selbständiger Käufer anzusehen und nicht als Teil der Verkäuferseite. Von einer Einbindung in die Absatzorganisation des Verkäufers ist demgegenüber in der Regel auszugehen, wenn dieser dem Abnehmer die Höhe des Verkaufspreises vorgibt, Zeitpunkt und Umfang der Weiterveräußerungen bestimmt sowie an deren Gewinn und Risiko beteiligt ist (BGH aaO; Urteil vom 22. April 2004 – 3 StR 28/04, NStZ 2004, 696).
Im hier zu entscheidenden Fall lassen die Urteilsfeststellungen keinerlei unmittelbare Beteiligung des Angeklagten an dem mit dem Weiterverkauf verbundenen Risiko des A. H. und seines Bruders erkennen. Vielmehr sollte der Angeklagte nach der mit A. H. getroffenen Abrede den Kaufpreis von 36.000 € – auch den erst nach dem Weiterverkauf zu zahlenden Anteil von 15.000 € – unabhängig von den im Rahmen des Weiterverkaufs erzielten Erlösen erhalten. Ferner ist den Feststellungen nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte Vorgaben zur Abwicklung des Weiterverkaufs und den Verkaufspreisen gemacht hat. Allein daraus, dass der Angeklagte gegenüber A. H. äußerte, er "möchte auch, dass es für dich gut funktioniert" und – bezogen auf die zu schlechte Qualität für ihn erhältlichen Heroins – bemerkte, sie würden beide Verluste machen, sie würden "zusammen verlieren" (UA S. 18), folgt keine Einbindung H. s in die Absatzorganisation des Angeklagten. Dies stellt die unabhängig von dem im Rahmen des Weiterverkaufs erzielten Erlös bestehende Verpflichtung H. s zur Zahlung des Kaufpreises an den Angeklagten nicht in Frage und belegen nicht eine unmittelbare Risikobeteiligung des Angeklagten. Einer solchen steht schon entgegen, dass der Angeklagte von H. bereits eine die Einkaufskosten übersteigende Summe als Anzahlung erhalten hat, so dass auch abgesehen von der Verpflichtung H. s zur Zahlung des vollen Kaufpreises allenfalls die Höhe des Gewinns des Angeklagten vom Erfolg des Weiterverkaufs abhängen kann. Ein Interesse des Angeklagten an einem erfolgreichen Weiterverkauf seiner Abnehmer besteht im Übrigen bereits im Hinblick auf die geplante Fortführung der Geschäftsbeziehung und lässt für sich genommen nicht auf eine weitergehende Risikobeteiligung schließen. Noch weniger erlaubt die aus der fehlenden Rückmeldung H. s nach der Übergabe folgende Besorgnis des Angeklagten einen solchen Rückschluss. Auch im Rahmen von Betäubungsmittelgeschäften, bei denen sich Verkäufer und Erwerber in typischer Weise selbständig gegenüberstehen, muss der Verkäufer bei einer – durchaus üblichen – Vereinbarung einer Restkaufpreiszahlung nach Weiterverkauf im Falle der Festnahme der Abnehmer in der Regel mit dem Ausfall seiner Restforderung rechnen und zudem strafrechtliche Verfolgung befürchten.
Da somit nach den Urteilsfeststellungen die Annahme bandenmäßigen Handelns bereits deshalb ausscheidet, weil A. H. dem Angeklagten selbständig auf der Abnehmerseite gegenüberstand, braucht der Senat nicht der Frage nachzugehen, ob die Feststellungen eine Einbindung I. H. s in die zwischen dem Angeklagten und A. H. getroffene Abrede zu künftiger Deliktsbegehung ausreichend belegen.
3. Der Senat ändert den Schuldspruch ab, weil weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten sind. Der Angeklagte hat die Tatbestände der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (vgl. hierzu etwa BGH, Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32) und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG tateinheitlich verwirklicht (vgl. zur Tateinheit BGH, Beschluss vom 25. November 2009 – 2 StR 344/09, NStZ-RR 2010, 119). Da der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können, steht § 265 StPO der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Auch der im Hinblick auf die Auslieferungsbewilligung geltende Spezialitätsgrundsatz hindert eine Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 1986 – 3 StR 177/86, NStZ 1986, 557; Beschluss vom 9. Oktober 2000 – 5 StR 248/00).
Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil lediglich Wertungsfehler vorliegen. Das neue Tatgericht kann hinsichtlich des – entgegen der missverständlichen Wendung auf UA S. 16 – umfassend geständigen Angeklagten ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen. Die im Urteil getroffene Anrechnungsentscheidung gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB bleibt unberührt.
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Dölp Bellay