Entscheidungsdatum: 05.07.2011
Auf die Revisionen der Angeklagten H. , E. und W. wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 10. Dezember 2010 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es diese Angeklagten betrifft.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagten H. und E. wegen "bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von jeweils 38.750 € angeordnet. Den Angeklagten W. hat es schuldig gesprochen des "bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen sowie des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen", gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Verfall von Wertersatz in Höhe von 46.500 € angeordnet und eine Sperrfrist von zwei Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis ausgesprochen. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben in vollem Umfang Erfolg.
1. Nach den Feststellungen handelten die Angeklagten H. und E. mit Heroin. Nachdem der Angeklagte W. davon erfahren hatte, bat er die Angeklagten H. und E. eindringlich, ihn an ihren Betäubungsmittelgeschäften zu beteiligen. Diese waren damit einverstanden, weil ihnen ein solcher Zusammenschluss zur Arbeitsteilung, zur eigenen Risikominimierung und zur Gewinnmaximierung vorteilhaft erschien. Anfang 2010 schlossen sich daher die drei Angeklagten zusammen, um fortan in Solingen und Umgebung in arbeitsteiliger Weise einen auf Dauer angelegten schwunghaften Handel mit Heroin zu betreiben. Die Angeklagten H. und E. hatten die Aufgabe, das Heroin zu beschaffen und teilweise zu portionieren, während der Angeklagte W. für den Straßenverkauf zuständig war.
Im Zeitraum März 2010 bis 21. April 2010 kauften die Angeklagten H. und E. von einem Drogenhändler aus den Niederlanden in vier Fällen 350 Gramm und in zwei Fällen 400 Gramm Heroin guter Qualität (Wirkstoffgehalt mindestens 34,1 % HHC), wovon jeweils 50 Gramm der jeweiligen Lieferung dem Eigenkonsum dienten. Den überwiegenden Teil des Heroins veräußerte der Angeklagte W. in Kleinstmengen an feste Abnehmer (Fälle II.A. 1. - 5. der Urteilsgründe) bzw. sollte er absprachegemäß veräußern (Fall II.A.6.).
Die Angeklagten H. und E. kauften das Heroin zu einem Preis von 15 € pro Gramm ein. Der Angeklagte W. , der die Betäubungsmittel auf Kommission erhielt, musste an sie 25 € pro Gramm bezahlen. Er verlangte von seinen Abnehmern 30 € pro Gramm, war nach der mit den Angeklagten H. und E. getroffenen Übereinkunft in seiner Preisgestaltung jedoch frei und konnte über seine Gewinne selbst verfügen. Die Angeklagte E. führte zur Kontrolle Buch über die an W. abgegebenen Mengen und die von diesem geleisteten Zahlungen. Der Angeklagte H. unterstützte den Angeklagten W. beim Absatz des Heroins dadurch, dass er ihm Kunden vermittelte und bei Bedarf dafür sorgte, dass die Abnehmer ihre Schulden beglichen.
Der Angeklagte W. fuhr im Tatzeitraum an drei Tagen zur Abwicklung von Betäubungsmittelgeschäften mit einem Personenkraftwagen im Stadtgebiet von S. , obwohl ihm bewusst war, dass er nicht im Besitz der dafür erforderlichen Fahrerlaubnis war.
2. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen hat das Landgericht die Angeklagten rechtsfehlerhaft wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen (§ 30 Abs. 1 Nr. 1, § 30a Abs. 1 BtMG) verurteilt.
An einem Bandenhandel fehlt es, wenn sich die Beteiligten eines Betäubungsmittelgeschäfts auf der Verkäufer- und der Erwerberseite selbständig gegenüber stehen, auch wenn sie in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung handeln (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 259 f.; Beschluss vom 5. Oktober 2007 - 2 StR 436/07, NStZ-RR 2008, 55; Beschluss vom 6. Februar 2007 - 4 StR 612/06, NStZ 2007, 533; Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30 Rn. 58 ff.). Ob eine Person, die regelmäßig von einem bestimmten Verkäufer Betäubungsmittel zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs bezieht, in die Absatzorganisation als deren verlängerter Arm eingebunden ist oder dieser auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenüber steht, beurteilt sich wesentlich nach der getroffenen Risikoverteilung. Der Abnehmer in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem, der die Betäubungsmittel zum vereinbarten Preis erwirbt und diese anschließend ausschließlich auf eigenes Risiko verkauft, insbesondere die Verkaufspreise selbst festsetzt und über die von ihm erzielten Gewinne allein disponiert, ist regelmäßig als selbständiger Käufer anzusehen, der nicht Teil der Verkäuferseite ist. Von einer Einbindung in die Absatzorganisation als deren verlängerter Arm ist demgegenüber in der Regel auszugehen, wenn die Verkäuferseite dem Abnehmer die Höhe des Verkaufspreises vorgibt, Zeitpunkt und Umfang der Lieferungen der Betäubungsmittel bestimmt sowie am Gewinn und Risiko des Weiterverkaufs beteiligt ist (BGH, Beschluss vom 20. August 1997 - 3 StR 385/97, BGHR BtMG § 30a Bande 7; Urteil vom 22. April 2004 - 3 StR 28/04, NStZ 2004, 696; Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30 Rn. 58 ff.). Diese Abgrenzungskriterien gelten auch für den Fall, dass der Abnehmer die Betäubungsmittel auf Kommission bezieht (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 260; Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30 Rn. 63).
Die in den Urteilsgründen dargestellte Risikoverteilung spricht gegen das Vorliegen einer Bande. Danach verkauften die Angeklagten H. und E. das von ihnen für 15 € pro Gramm eingekaufte Heroin zum Preis von 25 € pro Gramm an den Angeklagten W. weiter. Dieser konnte frei darüber entscheiden, zu welchem Preis er die Betäubungsmittel an seine Abnehmer weiterveräußerte. Ihm allein standen die von ihm aus seinem Betäubungsmittelhandel erzielten Gewinne zu, ohne dass die Angeklagten H. und E. von seinen Geschäftserfolgen über die ihnen zugeflossenen Verkaufspreise hinaus noch weitere Vorteile hatten. Auch der Umstand, dass die Angeklagte E. über die an W. gelieferten Betäubungsmittel und die von diesem geleisteten Zahlungen Buch führte, deutet eher auf eine selbständige Geschäftsbeziehung zwischen den Angeklagten H. und E. einerseits und dem Angeklagten W. andererseits hin. Aus den Urteilsgründen ergibt sich insbesondere nicht, dass die Angeklagten H. und E. mögliche Verluste aus dem Betäubungsmittelhandel des Angeklagten W. anteilig tragen sollten. Unter diesen Umständen genügt es für die Annahme einer Bande nicht, dass der Angeklagte H. dem Angeklagten W. Kunden vermittelte und ihn beim Eintreiben von Kaufpreisforderungen unterstützte.
b) Weiterhin hat das Landgericht beim Angeklagten W. rechtsfehlerhaft Tatmehrheit zwischen den drei Fällen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und den von ihm begangenen sechs Fällen des Betäubungsmittelhandels angenommen.
Da der Angeklagte W. nach den Feststellungen in diesen drei Fällen jeweils ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr ohne die erforderliche Fahrerlaubnis führte, um seine Betäubungsmittelgeschäfte abzuwickeln, decken sich die Ausführungshandlungen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis jeweils mit einem Teilakt des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln, nämlich dem Transport des Heroins, sodass Tateinheit (§ 52 StGB) zwischen diesen Delikten gegeben ist (BGH, Beschluss von 6. April 2006 - 3 StR 93/06, StraFo 2006, 342; Weber, BtMG, 3. Aufl., vor §§ 29 ff., Rn. 472 f. mwN).
c) Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Da nicht ausgeschlossen ist, dass die Voraussetzungen für einen Bandenhandel mit Betäubungsmitteln noch festgestellt werden können, kommt eine Änderung des Schuldspruchs durch den Senat nicht in Betracht.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Nach Einstellung der weiteren in Betracht kommenden Betäubungsmittelstraftaten gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 1 StPO durch die Staatsanwaltschaft hat das Landgericht zu Recht davon abgesehen, die Angeklagten H. und E. wegen tateinheitlich begangenen Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu verurteilen. Bei der Berechnung der nicht geringen Menge, mit der die Angeklagten Handel trieben, ist das Heroin, welches sie selbst konsumierten oder konsumieren wollten, nicht zu berücksichtigen. Soweit sie Heroinbase verkauften, ist die Wirkstoffmenge mit dem Faktor 1,1 zu multiplizieren (Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29a Rn. 104).
Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist auf die Vermögenswerte zu beschränken, welche jeder der Angeklagten selbst tatsächlich erlangte, wobei eine wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt ausreicht. Sollten die Angeklagten H. und E. über das gesamte von dem Mitangeklagten W. erhaltene Geld gemeinsam Mitverfügungsgewalt erlangt haben, wäre eine Haftung als Gesamtschuldner auszusprechen (BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2004 - 2 BvR 1136/03, StV 2004, 409; BGH, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 127/03, NStZ 2004, 440; Beschluss vom 10. September 2002 - 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 73 Rn. 16 mwN). Bei der Ermessensausübung im Rahmen der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB ist insbesondere in den Blick zu nehmen, wofür die Angeklagten das ihnen zugeflossene Geld verbrauchten und inwieweit die Abschöpfung des durch die Straftaten Erlangten ihre Resozialisierung durch hohe finanzielle Belastungen gefährden könnte (Fischer, aaO, § 73c Rn. 5).
Becker Pfister von Lienen
Schäfer Menges