Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 09.12.2014


BVerwG 09.12.2014 - 5 C 3/14

Anrechnung des ausgezahlten Kindergeldes bei Vorausleistung von Ausbildungsförderung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
09.12.2014
Aktenzeichen:
5 C 3/14
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2014:091214U5C3.14.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OVG Lüneburg, 24. Januar 2014, Az: 4 LC 158/11, Beschlussvorgehend VG Hannover, 12. Mai 2011, Az: 3 A 44/09, Urteil
Zitierte Gesetze
AföRG

Leitsätze

Bei der einem Auszubildenden nach § 36 Abs. 1 BAföG gewährten Vorauszahlung ist das ihm ausgezahlte Kindergeld mindernd zu berücksichtigen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob der Klägerin Vorausleistung von Ausbildungsförderung ohne Anrechnung des von ihr bezogenen Kindergeldes zu gewähren ist.

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Die im Jahr 1985 geborene Klägerin war in dem Leistungszeitraum von Juni 2008 bis April 2009 als ordentliche Studentin an einer Fachhochschule immatrikuliert. Ihre Mutter verfügte seinerzeit nur über ein geringfügiges bzw. über kein anrechenbares Einkommen. Ihr zur gleichen Zeit in Großbritannien lebender Vater kam weder seiner Unterhalts- noch seiner Auskunftspflicht nach. Die Familienkasse zahlte der Klägerin das für sie festgesetzte Kindergeld unmittelbar aus.

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Mit Bescheiden vom 29. August 2008 und 30. Januar 2009 bewilligte die Beklagte ihr eine monatliche Vorausleistung im Umfang von 372 € bzw. 405 €. Dabei rechnete sie jeweils das Kindergeld in Höhe von 154 € auf den Bedarf der Klägerin an.

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Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für den Leistungszeitraum Vorausleistung von Ausbildungsförderung ohne Anrechnung des Kindergeldes zu bewilligen, und die Bescheide vom 29. August 2008 und vom 30. Januar 2009 aufgehoben, soweit sie entgegenstehende Regelungen treffen. Die hiergegen erhobene Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Klägerin habe für den streitigen Bewilligungszeitraum einen Anspruch auf Vorausleistung von Ausbildungsförderung nach § 36 Abs. 1 BAföG ohne Anrechnung des auf den Antrag ihrer Mutter direkt an sie ausgezahlten Kindergeldes. Ihr Vater habe im Bewilligungszeitraum keinen Unterhalt geleistet. Hierdurch sei ihre Ausbildung gefährdet gewesen, da sie über keine anderweitigen Mittel verfügt habe, mit denen sie ihren Bedarf habe decken können. Als solche Mittel seien nicht die empfangenen Kindergeldleistungen zu verwenden gewesen. Diese habe der Auszubildende im Bereich nicht nur der Regelförderung, sondern auch der Vorausleistung nicht für seinen Ausbildungsbedarf zu verwenden. Diejenigen Gründe, die den Gesetzgeber veranlasst hätten, bestimmte Beträge vom Einkommen und Vermögen des Auszubildenden bei der staatlichen Förderung anrechnungsfrei zu lassen, seien auch im Bereich der Vorausleistung unverändert tragfähig. Die Vorschriften der Abschnitte IV und V des Bundesausbildungsförderungsgesetzes gälten grundsätzlich auch für die in Abschnitt VII geregelte Vorausleistung. Dass das Kindergeld zivilrechtlich den Barbedarf des Kindes decke, ändere nichts daran, dass der Gesetzgeber mit dem Ausbildungsförderungsreformgesetz vom 19. März 2001 Kindergeldleistungen für den Bereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes nicht mehr als zu berücksichtigendes Einkommen angesehen und auch an der Anrechnung des dem Auszubildenden ausgezahlten Kindergeldes auf den ausbildungsförderungsrechtlichen Bedarf zur Vermeidung einer Doppelleistung nicht mehr festgehalten habe. Kindergeldleistungen hätten keine Auswirkungen mehr auf die Höhe der Ausbildungsförderung zeitigen sollen.

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Zur Begründung ihrer Revision führt die Beklagte im Wesentlichen aus, der angefochtene Beschluss und die darin zum Ausdruck gelangende Würdigung, Kindergeld dürfe im Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden, verstießen gegen § 36 BAföG. Das an den Auszubildenden ausgezahlte Kindergeld sei als Unterhaltsleistung der Eltern im Sinne der Norm zu würdigen. Als steuerfinanzierte Sozialleistung sei es im Rahmen des ebenfalls eine steuerfinanzierte Sozialleistung betreffenden Vorausleistungsverfahrens nicht unberücksichtigt zu lassen. Aus dem Grundsatz, dass auf die vom Amt für Ausbildungsförderung zu erbringende Leistung das Kindergeld in keiner Form angerechnet werde, sei nicht zu folgern, dass der Auszubildende im Rahmen der Regelförderung den vollen BAföG-Bedarfssatz zuzüglich des Kindergeldes beanspruchen könne. Ebenso wenig lasse sich aus der durch das Ausbildungsförderungsreformgesetz bewirkten Änderung, dass sich bei der Vorausleistung allein die Möglichkeit, das Kindergeld auf den Auszubildenden umzuleiten, nicht mindernd auswirken solle, der Schluss ziehen, dass tatsächlich geleistetes Kindergeld ebenfalls nicht mindernd zu berücksichtigen sei. Dass das Kindergeld kein Einkommen des Auszubildenden sei, lasse nicht darauf schließen, dass es nicht weiterhin Teil der Unterhaltsleistung der Eltern sei. Zwar stünden Einkommen und Vermögen des Auszubildenden unterhalb der Freibeträge einer Gefährdung der Ausbildung im Vorausleistungsverfahren nicht entgegen; eine Anrechnung des tatsächlich erhaltenen Kindergeldes werde hierdurch indes nicht ausgeschlossen.

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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht tritt der Rechtsauffassung der Beklagten bei. Habe der Auszubildende Kindergeld erhalten, könne eine Gefährdung der Ausbildung nur in Höhe des fehlenden Differenzbetrages bestehen. Nur dieser Differenzbetrag sei als Vorausleistung zu erbringen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Beschluss steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, Kindergeldleistungen seien im Rahmen der Vorausleistung von Ausbildungsförderung nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen, beruht auf einem unrichtigen Verständnis des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 (BGBl. I S. 645, 1680), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch die Gesetze vom 23. Dezember 2007 (BGBl I S. 3254), vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2403) und vom 20. Dezember 2008 (BGBl I S. 2846). Die Beklagte ist gemäß § 36 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Halbs. 1 BAföG nicht verpflichtet, der Klägerin Vorausleistung von Ausbildungsförderung ohne Anrechnung des ihr ausgezahlten Kindergeldes zu bewilligen.

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Gemäß § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG wird auf Antrag nach Anhörung der Eltern Ausbildungsförderung ohne Anrechnung des nach den Vorschriften dieses Gesetzes angerechneten Unterhaltsbetrages geleistet, wenn der Auszubildende glaubhaft macht, dass seine Eltern diesen Betrag nicht leisten, und die Ausbildung - auch unter Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten im Bewilligungszeitraum - gefährdet ist. Diese Bestimmung ist nicht unmittelbar anzuwenden, da es hinsichtlich des Vaters der Klägerin an einem nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag fehlt. Ein Unterhaltsbetrag ist im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BAföG angerechnet, wenn nach § 25 BAföG konkret ein Unterhaltsbetrag der Eltern aus ihrem Einkommen angerechnet worden ist (vgl. Lackner, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl. 2014, § 36 Rn. 6). Da das Einkommen des Vaters unbekannt ist, konnte insoweit eine solche Anrechnung nicht erfolgen. Deshalb kann Vorausleistung nur nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 BAföG beansprucht werden. Nach dieser Bestimmung ist § 36 Abs. 1 BAföG entsprechend anzuwenden, wenn - erstens - der Auszubildende glaubhaft macht, dass seine Eltern den Bedarf nach den §§ 12 bis 14a BAföG nicht leisten, und die Eltern entgegen § 47 Abs. 4 BAföG die für die Anrechnung ihres Einkommens erforderlichen Auskünfte nicht erteilen oder Urkunden nicht vorlegen und darum ihr Einkommen nicht angerechnet werden kann, und wenn - zweitens - Bußgeldfestsetzung oder Einleitung des Verwaltungszwangsverfahrens nicht innerhalb zweier Monate zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte geführt haben oder rechtlich unzulässig sind, insbesondere weil die Eltern ihren ständigen Wohnsitz im Ausland haben. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 BAföG liegen hier vor.

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Zwischen den Beteiligten steht allein im Streit, ob das der Klägerin ausgezahlte Kindergeld bei der Bemessung der Vorausleistung im Sinne des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG mindernd zu berücksichtigen ist. Hiervon ist entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts auszugehen (1.). Dieses Normverständnis begegnet auch im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bedenken (2.).

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1. Die Ausbildung ist im Umfang des dem Auszubildenden ausgezahlten Kindergeldes nicht gefährdet. Für ein entsprechendes Verständnis des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG sprechen insbesondere der Wortlaut (a) sowie der Sinn und Zweck (b) der Norm. Dieser Befund wird durch die Gesetzessystematik (c) und die historisch-genetische Auslegung der Vorschrift (d) nicht in Frage gestellt.

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a) Der Wortsinn des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG weist deutlich in die Richtung, dass das der Klägerin ausgezahlte Kindergeld bei der Vorausleistung mindernd zu berücksichtigen ist. Es spricht aus grammatikalischer Sicht Überwiegendes dafür, dass das Merkmal der „Gefährdung“ einen tatsächlichen Zustand beschreibt, der in einer durch den Ausfall einer Unterhaltsleistung der Eltern hervorgerufenen finanziellen Notlage besteht. Bei diesem Verständnis liegt es nahe, eine Gefährdung in dem Umfang auszuschließen, in dem dem Auszubildenden finanzielle Mittel, wie etwa das Kindergeld, tatsächlich zufließen.

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b) Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG bekräftigen dieses Normverständnis.

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Mit der Vorausleistung von Ausbildungsförderung ist ein doppelter Zweck verbunden. Zum einen zielt diese auf die Sicherung der Ausbildung, die dadurch gefährdet ist, dass Eltern ihrer bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht dem Auszubildenden gegenüber nicht oder nicht in Höhe des angerechneten Betrages nachkommen, obwohl sie wirtschaftlich dazu in der Lage wären; zum anderen schließt sie die durch die zahlreichen typisierenden und pauschalierenden Regelungen im Anrechnungssystem des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bedingte Lücke zwischen dem Förderungsrecht und dem bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht mit dem Ziel, Härten für den Auszubildenden aufzufangen (BTDrucks VI/1975 S. 35; vgl. Urteil vom 14. Dezember 1994 - BVerwG 11 C 22.93 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 14 S. 3; Beschluss vom 25. November 1987 - BVerwG 5 B 43.86 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 10 S. 3; ferner Urteile vom 27. Oktober 1977 - BVerwG 5 C 9.77 - BVerwGE 55, 23 <28> = Buchholz 436.36 § 37 BAföG Nr. 9 S. 36, vom 18. Oktober 1979 - BVerwG 5 C 64.77 - Buchholz 436.36 § 37 BAföG Nr. 11 S. 47 und vom 17. April 1980 - BVerwG 5 C 50.78 - BVerwGE 60, 99 <102> = Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 4 S. 5).

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Diese Zwecke sprechen ebenfalls für die Berücksichtigung des dem Auszubildenden tatsächlich zugeflossenen Kindergeldes. Die Vorausleistung ergänzt die Regelförderung mit dem Ziel, die Gefahr eines Ausbildungsabbruchs infolge aktueller Mittellosigkeit abzuwenden. Sie tritt hierfür an die Stelle des seitens der Eltern oder eines Elternteils nicht geleisteten Anrechnungsbetrages und ersetzt diesen (Urteil vom 23. Februar 2010 - BVerwG 5 C 2.09 - BVerwGE 136, 109 = Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 16, jeweils Rn. 25).

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Die Vorausleistung ist mithin keine Ausbildungsförderungsleistung, auf die der Auszubildende nach den allgemeinen Regelungen über die Anrechnung von Einkommen und Vermögen einen Anspruch hat, sondern eine außerordentliche Zusatzleistung des Staates zur Abwendung einer in engem zeitlichem Zusammenhang drohenden Gefährdung der Ausbildung infolge von Mittellosigkeit im Umfang des den Eltern angerechneten, aber nicht geleisteten Betrages (Urteil vom 23. Februar 2010 a.a.O., jeweils Rn. 25 und 27). An dieser Mittellosigkeit fehlt es, soweit dem Auszubildenden das seinen unterhaltsrechtlichen Barbedarf bestimmungsgemäß mindernde Kindergeld (vgl. § 1612b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB) tatsächlich zur Verfügung steht. Ist dem Auszubildenden Kindergeld tatsächlich ausgezahlt worden, so ist in dieser Höhe sein ausbildungsförderungsrechtlicher Bedarf gedeckt und eine Gefährdung der Ausbildung nicht zu besorgen. Die Gewährung einer außerordentlichen Förderung in der Form der Vorausleistung würde insoweit ihr Ziel, eine Gefährdung der Ausbildung abzuwenden, verfehlen.

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c) Systematische Erwägungen stehen der Berücksichtigung des dem Auszubildenden tatsächlich zur Verfügung stehenden Kindergeldes im Rahmen der Berechnung der Vorausleistung nicht entgegen.

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Dies gilt zunächst für das Verhältnis des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG zu dem den Einkommensbegriff definierenden § 21 BAföG. Der Umstand, dass nach § 21 BAföG Kindergeld kein Einkommen des Auszubildenden darstellt, ist für die hier in Rede stehende Auslegung des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG ohne Bedeutung. Dass Kindergeld nicht als Einkommen angesehen wird, wirkt sich insbesondere bei der Ermittlung des regulären Bedarfs des Auszubildenden aus. Die Bedarfsermittlung ist hingegen nicht Gegenstand des § 36 BAföG, sondern diesem „vorgeschaltet“. Die Frage der Vorausleistung stellt sich nämlich erst, wenn sich nach Anrechnung von Einkommen und Vermögen ein ungedeckter Bedarf ergibt. Daher ist aus der Nichtberücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen nicht zugleich auf die Nichtberücksichtigung des Kindergeldes im Rahmen des Merkmals der Gefährdung der Ausbildung zu schließen.

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Der Annahme einer die Gefährdung der Ausbildung partiell ausschließenden Wirkung des Kindergeldes im Rahmen des § 36 Abs. 1 BAföG steht auch nicht entgegen, dass Einkommen des Auszubildenden, das die Freibeträge des § 23 BAföG unterschreitet, und Vermögen des Auszubildenden, das unterhalb der Freibeträge des § 29 BAföG bleibt, auch im Vorausleistungsverfahren anrechnungsfrei bleiben. Diese Anrechnungsfreiheit dient dazu, zum einen dem Auszubildenden einen Anreiz zu vermitteln, die Sozialleistungen im Wege der Selbsthilfe aufzustocken, und zum anderen die Förderungsverwaltung im Interesse der Verwaltungsvereinfachung davon zu entlasten, Einkommen und Vermögen in jedem Einzelfall auch dann zu ermitteln und zu überprüfen, wenn es die Schwelle der Erheblichkeit nicht überschreitet (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1994 - BVerwG 11 C 22.93 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 14 S. 3 f.). Beide Zielrichtungen sind hinsichtlich des Kindergeldes nicht berührt. Von diesem vermag eine dem Einkommens- und Vermögenserwerb auch nur annähernd entsprechende Anreizwirkung schon deshalb nicht auszugehen, da seine Gewährung im Kern lediglich von einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Auszubildenden im Inland abhängt. Ebenso wenig ist die Anrechnung des pauschalierten Kindergeldes für die Förderungsverwaltung mit einem erheblichen Ermittlungs- und Prüfungsaufwand verbunden.

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d) Die historisch-genetische Auslegung des § 36 BAföG zwingt nicht zu einer abweichenden Würdigung. Eine solche ist insbesondere nicht im Lichte der durch das am 1. April 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung (Ausbildungsförderungsreformgesetz - AföRG) vom 19. März 2001 (BGBl I S. 390) geschuldet. Die durch dieses Gesetz mit dem Ziel der Entlastung der Familien bewirkten Änderungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vermögen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, das Kindergeld habe im Rahmen des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG außer Betracht zu bleiben, nicht zu stützen.

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Für die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung spricht nicht die Herausnahme des Kindergeldes aus dem Einkommensbegriff. Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG in der am 31. März 2001 geltenden Fassung - BAföG 2000 - galt Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz oder dem Einkommensteuergesetz in Höhe der tatsächlich geleisteten Beträge als Einkommen, es sei denn, der Auszubildende erhielt das Kindergeld für seine Kinder. Zweck der Regelung war es, Einnahmen, die dazu bestimmt waren oder üblicherweise dazu verwendet wurden, den Lebensunterhalt zu decken und daher von der Besteuerung ausgenommen waren, bei der förderungsrechtlichen Entscheidung nicht unberücksichtigt zu lassen (BTDrucks VI/1975 S. 30). Die Aufhebung der Norm durch das Ausbildungsförderungsreformgesetz trägt dem Umstand Rechnung, dass Kindergeld steuerrechtlich im Kern nicht als Einkommen, sondern als Steuervergütung gewertet wurde, weshalb eine Anrechnung als Einkommen als zweifelbehaftet angesehen wurde. Die Herausnahme des Kindergeldes aus dem Einkommensbegriff lässt dagegen nicht auf den gesetzgeberischen Willen schließen, dass das Kindergeld im Rahmen des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG zu vernachlässigen ist. Das folgt schon daraus, dass - wie aufgezeigt - dem Einkommen des Auszubildenden für die Frage der Vorausleistung keine unmittelbare Bedeutung zukommt. Soweit die Aufhebung des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG mit der Erwägung begründet wurde, dies diene der „generellen Nichtanrechnung des Kindergeldes“ (BTDrucks 14/4731 S. 38), bezog sich dies auf die Vernachlässigung des Kindergeldes als Einkommen und lässt nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe auch ausschließen wollen, dass das dem Auszubildenden ausgezahlte Kindergeld bei der Bemessung der Vorausleistung mindernd berücksichtigt wird.

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Nichts anderes folgt aus der Aufhebung des § 21 Abs. 3 Satz 3 BAföG 2000, dem zufolge in den Fällen des § 11 Abs. 3 BAföG 2000 unter anderem das auf den Auszubildenden entfallende Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz oder dem Einkommensteuergesetz als sein Einkommen galt.

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Gemäß § 23 Abs. 4 Nr. 3 BAföG 2000 wurde abweichend von § 23 Abs. 1 BAföG 2000, wonach bestimmte Beträge vom Einkommen des Auszubildenden monatlich anrechnungsfrei blieben, unter anderem das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz oder dem Einkommensteuergesetz, das an den Auszubildenden ausgezahlt wurde oder das nach § 21 Abs. 3 Satz 3 BAföG 2000 als sein Einkommen galt, voll auf den Bedarf angerechnet. Die Regelung diente der Vermeidung von Doppelleistungen (BTDrucks 9/410 S. 14). Die Streichung der Anrechnungsregelung des § 23 Abs. 4 Nr. 3 BAföG 2000 ist eine Folgeregelung zur Streichung der Regelung des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG 2000. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass das Kindergeld nicht länger als Einkommen des Auszubildenden gilt, und wirkt sich im Rahmen der Ermittlung des ungedeckten Bedarfs aus. Dass sie sich auch auf den Ausschluss der Gefährdung der Ausbildung im Rahmen des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG auswirken sollte, ist der Entstehungsgeschichte des Ausbildungsförderungsreformgesetzes nicht zu entnehmen.

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Aus der Streichung des § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 2000 folgt nicht, dass dem Auszubildenden tatsächlich zugeflossenes Kindergeld im Rahmen des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG zu vernachlässigen ist. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 2000 wurde Ausbildungsförderung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BAföG 2000 nicht geleistet, soweit der Auszubildende über eigenes Einkommen oder Vermögen verfügte, auch wenn diese die Freibeträge nach den §§ 23 und 29 BAföG 2000 nicht überstiegen. Die Streichung des § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 2000 wurde unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 1994 (BVerwG 11 C 22.93 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 14) auch damit begründet, dass Einkommen und Vermögen unterhalb der Freibeträge der Annahme einer Gefährdung der Ausbildung nicht entgegenstehen (BTDrucks 14/4731 S. 40). Dem lagen - wie aufgezeigt - maßgeblich die Erwägungen zugrunde, dem Auszubildenden einen Anreiz zu bieten, seine finanzielle Lage zu verbessern, und die Förderungsverwaltung von der Ermittlung und Überprüfung geringer Einkünfte zu entlasten. Beiden Zwecken kommt - wie ebenfalls bereits dargelegt - im Zusammenhang mit dem einem Auszubildenden geleisteten Kindergeld keine Bedeutung zu.

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Schließlich ist auch aus der Streichung des § 36 Abs. 3 Nr. 2 BAföG 2000 nichts für die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts herzuleiten. Nach dieser Bestimmung wurde Ausbildungsförderung insoweit nicht vorausgeleistet, als der Auszubildende unter anderem die Auszahlung von Kindergeld an sich bewirken konnte (BTDrucks 9/410 S. 14). Der Streichung des § 36 Abs. 3 Nr. 2 BAföG 2000 ist kein Wille des Gesetzgebers dahin zu entnehmen, dass für den Fall, dass dem Auszubildenden das Kindergeld unmittelbar ausgezahlt worden ist, im Umfang der Auszahlung eine Gefährdung der Ausbildung anzunehmen sein soll. Soweit in der Gesetzesbegründung auch die Streichung des § 36 Abs. 3 Nr. 2 BAföG 2000 in Zusammenhang mit der „generellen Nichtanrechnung des Kindergeldes im BAföG“ gebracht wird (BTDrucks 14/14731 S. 41), rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass das dem Auszubildenden ausgezahlte Kindergeld bei der Bemessung der Vorausleistung zu vernachlässigen ist. Jedenfalls hat ein solcher Wille des Gesetzgebers, der nicht mit den Ergebnissen der grammatikalischen und der teleologischen Auslegung im Einklang stände, im Gesetz keinen erkennbaren Ausdruck gefunden.

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2. Der Berücksichtigung des dem Auszubildenden tatsächlich zur Verfügung stehenden Kindergeldes im Rahmen der Prüfung des Merkmals der Gefährdung der Ausbildung im Sinne des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG steht auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG entgegen.

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Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <69 m.w.N.>).

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Sofern eine Ungleichbehandlung darin besteht, dass der Bezug von Kindergeld durch den Auszubildenden im Rahmen der für die Regelförderung maßgeblichen Ermittlung seines ungedeckten Bedarfs nicht zu berücksichtigen ist, während eine solche Berücksichtigung im Zusammenhang mit der Feststellung einer Ausbildungsgefährdung im Sinne des § 36 Abs. 1 Halbs. 1 BAföG zu erfolgen hat, ist diese jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Im Unterschied zur Regelförderung fungiert die Vorausleistung als außerordentliche Zusatzleistung des Staates zur Abwendung einer drohenden tatsächlichen Gefährdung der Ausbildung infolge einer akuten Mittellosigkeit des Auszubildenden (Urteil vom 23. Februar 2010 - BVerwG 5 C 2.09 - BVerwGE 136, 109 = Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 16, jeweils Rn. 25). Die diesbezüglichen Strukturunterschiede lassen eine unterschiedliche Behandlung von Kindergeldzahlungen unschwer zu. Dies gilt umso mehr, als das Kindergeld der partiellen Sicherung des Existenzminimums des Kindes und der Reduzierung der hiermit einhergehenden Unterhaltslasten der Eltern, nicht hingegen der Aufstockung des Grundbedarfs des Auszubildenden um einen „Mehrbedarfsbonus“ zu dienen bestimmt ist. Die Gewährung der Vorausleistung zielt nicht wie die Regelförderung auf die Deckung des Bedarfs für Lebensunterhalt und Ausbildung, sondern allein auf die Abwendung der von § 36 Abs. 1 Satz 1 BAföG vorausgesetzten Gefährdung der Ausbildung.

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Eine Ungleichbehandlung liegt auch nicht vor hinsichtlich der Gruppe der vorausleistungsberechtigten Auszubildenden, die kein Kindergeld ausgezahlt erhalten, und denjenigen vorausleistungsberechtigten Auszubildenden, an die Kindergeld geleistet wird. Die erste Gruppe erlangt den ungeschmälerten Vorausleistungsbetrag, die zweite erhält die um das Kindergeld geminderte Vorausleistung. Im Ergebnis stehen sich beide Gruppen insoweit in finanzieller Hinsicht gleich.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 GKG. Die Entscheidung über die Gerichtskostenfreiheit gründet auf § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.