Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 13.12.2012


BVerwG 13.12.2012 - 5 C 23/11

Vertriebenenrechtlicher Aufnahmebescheid; Härtefallantrag muss zeitnah zur Aussiedlung geltend gemacht werden


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
13.12.2012
Aktenzeichen:
5 C 23/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 27. Mai 2011, Az: 12 A 2561/09, Urteilvorgehend VG Minden, 18. September 2009, Az: 2 K 2003/07, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Der Antrag auf Aufnahme als Spätaussiedler im Bundesgebiet muss auch in den von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG erfassten Härtefällen in zeitlichem Zusammenhang mit der Aussiedlung gestellt werden.

Tatbestand

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Die Parteien streiten um die Erteilung eines vertriebenenrechtlichen Aufnahmebescheids.

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Die 1954 in Kasachstan geborene Klägerin ist väterlicherseits deutschstämmig. Am 28. Juni 2002 kam die Klägerin ins Bundesgebiet, um ihre Eltern zu besuchen. Während des Besuchsaufenthalts heiratete sie am 13. September 2002 einen deutschen Staatsangehörigen. Sie erhielt aufenthaltsrechtliche Erlaubnisse als ausländische Ehegattin eines Deutschen.

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Am 4. Juni 2007 beantragte sie die Erteilung eines Aufnahmebescheids als Spätaussiedlerin. Mit diesem Begehren hatte sie außergerichtlich und erstinstanzlich keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht gab der Berufung statt und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin einen Aufnahmebescheid zu erteilen. Die Klägerin habe nach § 27 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BVFG einen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids, weil sie als deutsche Volkszugehörige die Spätaussiedlervoraussetzungen erfülle und nach der Härtefallregelung des § 27 Abs. 2 BVFG die Aufnahme vom Inland aus beantragen könne. Dabei sah das Oberverwaltungsgericht es als erwiesen an, dass die Klägerin von einem Deutschen abstamme, sich durchgehend zum deutschen Volkstum bekannt habe und aufgrund familiärer Vermittlung zum Zeitpunkt der Aussiedlung (Eheschließung) im Jahr 2002 ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache habe führen können. Dass die Klägerin erst mehr als vier Jahre nach der Einreise den Aufnahmeantrag gestellt habe, lasse nicht auf einen mangelnden Spätaussiedlerwillen im Sinne des § 26 BVFG schließen. Die gesetzliche Vermutung für ein vertreibungsbedingtes Verlassen der Aussiedlungsgebiete gelte auch im Rahmen dieser Vorschrift und sei nicht eindeutig widerlegt. Auch kenne das Bundesvertriebenengesetz keine Frist für die Stellung eines Aufnahmeantrags. Ebenso wie im regulären Verfahren eine späte Antragstellung nicht schade, habe der Gesetzgeber auch für das Verfahren nach § 27 Abs. 2 BVFG - anders als in § 5 Nr. 2c BVFG - keine Frist eingeführt. Soweit in den Verwaltungsvorschriften eine Jahresfrist bestimmt werde, entfalte dies keinerlei Bindungswirkung für die Gerichte. Wenn der Gesetzgeber von einer solchen Regelung absehe, stehe es nicht in der Zuständigkeit der Gerichte oder der Exekutive, hier modifizierend einzugreifen.

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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen verletze die bundesrechtlichen Bestimmungen der §§ 26, 27 Abs. 2 BVFG. Der Aufnahmeantrag müsse auch im Ausnahmefall des § 27 Abs. 2 BVFG in zeitlichem Zusammenhang mit der Wohnsitznahme gestellt werden. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass Spätaussiedler bei Vorliegen eines Härtefalles nur auf dem Weg des § 27 Abs. 2 BVFG ein Bleiberecht im Bundesgebiet erhalten könnten und daher den Antrag zeitnah stellten. Auch setze § 26 BVFG den Willen voraus, den ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet als Spätaussiedler zu nehmen. § 4 Abs. 1 BVFG verlange, dass das Herkunftsgebiet tatsächlich "im Wege des Aufnahmeverfahrens" verlassen werde. Erforderlich sei demnach das Bewusstsein, als deutscher Volkszugehöriger Deutschland um Aufnahme zu ersuchen, und das tatsächliche Beschreiten dieses Weges. Wer erst Jahre nach seiner Ausreise aufdecke, dass er als Spätaussiedler gelten möchte, sei gerade nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens, sondern auf anderen Wegen aus vertreibungsfremden Gründen ausgesiedelt.

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Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. § 27 Abs. 2 BVFG erfordere nur das Vorliegen einer besonderen Härte. Wie vom Oberverwaltungsgericht zutreffend festgestellt, sei es der Klägerin aufgrund ihrer Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen nicht zuzumuten, für die Durchführung des Aufnahmeverfahrens ins Aussiedlungsgebiet zurückzukehren. Die Forderung der Beklagten, einen Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides innerhalb eines gewissen Zeitrahmens zu stellen, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Von dieser eindeutigen Gesetzeslage könne weder im Wege der Interpretation, noch durch eine teleologische Reduktion noch durch eine negative Analogie abgewichen werden. Des Weiteren sei die Frage, ob die Klägerin aus vertreibungsbedingten oder vertreibungsfremden Gründen ausgereist sei, nach der Neuregelung des Spätaussiedlerbegriffes nicht mehr zu prüfen.

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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass ein Härtefallantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG bereits aus systematischen Gründen zeitnah gestellt werden müsse.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Aufnahmeantrag nach der ständigen Wohnsitznahme im Bundesgebiet zeitlich unbegrenzt gestellt werden kann, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). § 27 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl I S. 1902), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Oktober 2012 (BGBl I S. 2246), setzt vielmehr voraus, dass der Aufnahmeantrag in zeitlichem Zusammenhang mit dem Aussiedlungsvorgang gestellt wird (1.). Auf diesem Rechtsverstoß beruht die angegriffene Entscheidung. Da nach den tatrichterlichen Feststellungen der Antrag erst mehr als vier Jahre nach der Übersiedlung gestellt worden ist, ist das Berufungsurteil abzuändern und die Berufung zurückzuweisen (2.).

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1. Das Oberverwaltungsgericht führt zutreffend aus, dass die Klägerin sich auf Grund der Eheschließung mit einem Deutschen auf einen Härtefallgrund im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG berufen kann, weil das Ansinnen, zum Zwecke der Durchführung des regulären Aufnahmeverfahrens in das Aussiedlungsgebiet zurückzukehren, mit der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar wäre (Urteile vom 18. November 1999 - BVerwG 5 C 3.99 - BVerwGE 110, 99 <105> und BVerwG 5 C 4.99 - BVerwGE 110, 106 <109 f.>). Der Antrag auf Aufnahme als Spätaussiedler im Bundesgebiet muss aber auch in den von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG erfassten Härtefällen in zeitlichem Zusammenhang mit der Aussiedlung gestellt werden.

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a) Es trifft zwar zu, dass § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG keine Frist für die Stellung eines Härtefallantrags enthält. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Wortlaut der Norm für die Frage, ob der Antrag im zeitlichen Zusammenhang zum Aussiedlungsvorgang gestellt werden muss, unergiebig ist. Vielmehr lassen die in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in Bezug genommenen Begriffe "Aufnahme" und "Aufnahmebescheid" mittelbar auf die Notwendigkeit eines zeitlichen Zusammenhangs schließen. Denn üblicherweise werden nur Personen staatlicherseits in ein Land "aufgenommen", die gerade erst eintreffen oder noch nicht lange angekommen sind. Insofern vermittelt das Wort "Aufnahme" die Assoziation eines engen zeitlichen Zusammenhangs zur Einreise. Denn der Begriff der Aufnahme wird jedenfalls im allgemeinen Sprachgebrauch nicht im Zusammenhang mit Personen verwendet, die sich schon vor mehreren Jahren mit behördlicher Erlaubnis in einem Land niedergelassen haben.

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b) In diese Richtung deutet auch die Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG. Die Vorschrift geht auf das Gesetz zur Regelung des Aufnahmeverfahrens für Aussiedler (Aussiedleraufnahmegesetz - AAG) vom 28. Juni 1990 (BGBl I S. 1247) zurück. Dieses Gesetz war eine Reaktion darauf, dass bedingt durch den Fall des Eisernen Vorhangs Spätaussiedler aus dem ehemaligen Ostblock bessere Reisemöglichkeiten hatten und in steigender Anzahl im Bundesgebiet ankamen. Im Jahr 1987 waren es noch 80 000, im Jahr 1988 bereits 200 000 und im Jahr 1989 schon 380 000 (BTDrucks 11/6937 S. 5). Der Gesetzgeber hielt es daher für notwendig, den Zuzug von Aussiedlern zu begrenzen. Da sich die Verhältnisse in den ehemaligen Ostblockstaaten für die verbliebenen Deutschen erheblich verbessert hatten, sollten ausreisewillige Aussiedler auf ein Vorprüfungsverfahren in den Herkunftsgebieten verwiesen werden, um auf diese Weise den Zuzug zu regulieren (vgl. Urteil vom 19. April 1994 - BVerwG 9 C 343.93 - DVBl 1994, 938 = juris Rn. 21).

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Dementsprechend sollte nach § 27 Abs. 1 BVFG das Aufnahmeverfahren im Regelfall von den Herkunftsstaaten aus betrieben werden und nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines Härtefalls im Bundesgebiet. Der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG (BTDrucks 11/6937 S. 6) lässt sich zwar nicht entnehmen, in welchem Zeitraum ein Härtefallantrag gestellt werden sollte. Der Gesetzgeber ging aber von der Situation aus, dass die Aufnahmebewerber "fast ausnahmslos ... mit einem Besuchs- oder Touristenvisum" einreisten (BTDrucks 11/6937 S. 5) und daher zur Erlangung eines dauerhaften Bleiberechts nach Ablauf des im Regelfall auf drei Monate begrenzten Visums einen Antrag nach dem Bundesvertriebenengesetz stellen mussten. Insofern liegt die Annahme der Beklagten nahe, dass der Gesetzgeber von einer Antragstellung in zeitlichem Zusammenhang mit der Ausreise ausging.

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c) Diese Annahme wird durch die systematische Auslegung bestätigt. Dafür sprechen sowohl die speziell für das Aufnahmeverfahren geltenden Regelungen der §§ 26, 27 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 BVFG als auch die allgemein für die Anerkennung als Spätaussiedler geltenden Regelungen der § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG.

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Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass nach § 26 BVFG nur Personen, die bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen, einen Aufnahmebescheid erhalten können. Dieser Spätaussiedlerwille ist zwingende Tatbestandsvoraussetzung für den Erhalt des Aufnahmebescheids (von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Stand September 2012, B 2 § 26 BVFG n.F. Anm. 3. S. 9). Hierfür genügt die Absicht, zeitweise im Bundesgebiet zu leben, nicht. Vielmehr muss der Wille bestehen, auf Dauer als Deutscher unter Deutschen zu leben und sich mit Spätaussiedlerstatus im Bundesgebiet endgültig niederzulassen. Es reicht nicht, wenn sich ein deutscher Volkszugehöriger auf einen Vertriebenen-, Aussiedler- oder Umsiedlerstatus nach altem Recht oder auch nur auf seine deutsche Staatsangehörigkeit beruft. Vielmehr muss er gerade den Willen haben, nach endgültiger Wohnsitznahme den Spätaussiedlerstatus gemäß § 4 i.V.m. § 6 BVFG zu erwerben (Beschlüsse vom 2. November 1999 - BVerwG 5 B 17.99 - juris Rn. 3 und vom 17. August 2004 - BVerwG 5 B 72.04 - juris Rn. 7 m.w.N.).

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Dieser Wille kann aber nur durch einen entsprechenden Antrag auf Aufnahme als Spätaussiedler nach außen hin betätigt werden. Die Auffassung, dass der Spätaussiedlerwille gleichsam "nur im Herzen getragen" werden müsse, vor der Aufnahmebehörde aber über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg geheim gehalten werden dürfe, verkennt die systematische Stellung des § 26 BVFG in den das behördliche Aufnahmeverfahren regelnden Vorschriften. Das Willenserfordernis ist Teil des Vierten Abschnitts "Aufnahme" im Bundesvertriebenengesetz, in dem das vom Bundesverwaltungsamt zu führende Verfahren für den Zuzug von Spätaussiedlern geregelt ist. Damit ist der Spätaussiedlerwille keine mit dem Vertreibungsdruck nahezu wesensgleiche materiell-rechtliche Anerkennungsvoraussetzung, sondern ein eigenständiges verfahrensrechtliches Erfordernis für den Erhalt des Aufnahmebescheids. Der Spätaussiedlerwille muss dementsprechend auch gegenüber der Aufnahmebehörde zum Ausdruck gebracht werden.

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Da § 26 BVFG vorschreibt, dass der Spätaussiedlerwille bereits beim Verlassen des Aussiedlungsgebietes, d.h. bei der endgültigen Aufgabe des Wohnsitzes im Herkunftsstaat, vorliegen muss, legt die Vorschrift die Schlussfolgerung nahe, dass dieser Wille auch in zeitlichem Zusammenhang mit dem Verlassen der Aussiedlungsgebiete betätigt werden muss. Im Normalfall des § 27 Abs. 1 BVFG wird dieser Wille bereits vor dem Verlassen des Aussiedlungsgebietes durch einen Aufnahmeantrag zum Ausdruck gebracht. Liegen Härtefallgründe vor, die es ausnahmsweise unzumutbar erscheinen lassen, das Aufnahmeverfahren vom Aussiedlungsgebiet aus zu betreiben, befreit § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG vom Erfordernis der Antragstellung im Herkunftsstaat. Die Vorschrift entbindet aber nicht von den "sonstigen Voraussetzungen" des Aufnahmeverfahrens, so dass der Spätaussiedlerwille in gleicher Weise im zeitlichen Zusammenhang mit dem Verlassen des Aussiedlungsgebietes nicht nur vorliegen, sondern auch gegenüber der Aufnahmebehörde betätigt werden muss. Ist ein solcher Zusammenhang nicht gegeben, stellt dies ein gewichtiges Indiz gegen das Vorliegen eines Aussiedlungswillens zum Zeitpunkt der Ausreise dar.

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Dass der Aussiedlungsvorgang aus der Sicht des Gesetzgebers in zeitlicher Hinsicht begrenzt ist und dass eine Aufnahme nach endgültigem Abschluss des Aussiedlungsvorgangs grundsätzlich nicht mehr möglich ist, zeigt auch die Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG. Diese Vorschrift regelt die Frage, wie lange nach dem Verlassen des Aussiedlungsgebietes geborene Kinder in den Aufnahmebescheid aufgenommen werden können. Die Frage wird vom Gesetz dahingehend beantwortet, dass die Kinder noch während des Aussiedlungsvorgangs geboren sein müssen. Nach der endgültigen Niederlassung geborene Kinder können nicht mehr nachträglich in den Aufnahmebescheid einbezogen werden. Ebenso können Ehegatten, wenn die Ehe erst nach der Niederlassung geschlossen wird, nicht mehr einbezogen werden (BTDrucks 12/3212 S. 26). Damit wird klargestellt, dass das Aufnahmeverfahren einen temporären Bezug zum Aussiedlungsvorgang hat und dass mit dem Abschluss des Aussiedlungsvorgangs eine rechtliche Grenze für die im Aufnahmeverfahren berücksichtigungsfähigen Umstände erreicht ist.

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Schließlich spricht auch die Vorschrift des § 27 Abs. 4 Satz 1 BVFG dafür, dass das Aufnahmeverfahren im zeitlichen Zusammenhang mit dem Aussiedlungsvorgang betrieben werden muss. Nach dieser Vorschrift dürfen für jedes Kalenderjahr nur so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der im Jahre 1998 vom Bundesverwaltungsamt verteilten Personen nicht übersteigt. Im Jahre 1998 wurden 103 080 Personen vom Bundesverwaltungsamt verteilt (von Schenckendorff, a.a.O. § 27 BVFG n.F. Anm. 6.a). Die damit gesetzlich vorgegebene jährliche Höchstquote von Spätaussiedlern dient der Verstetigung des Spätaussiedlerzuzugs unter Berücksichtigung der hiesigen Wohnungs- und Arbeitsmarktsituation (vgl. BTDrucks 12/3597 S. 45). Sie kann zwar nach § 27 Abs. 4 Satz 2 BVFG vom Bundesverwaltungsamt um höchstens 10 vom Hundert nach oben verändert werden, ist darüber hinaus aber nicht erweiterungsfähig. Die Einhaltung der Höchstgrenze kann vom Bundesverwaltungsamt nur überwacht werden, wenn ihm auch tatsächlich alle Aussiedlungsvorgänge eines Jahres mitgeteilt werden. Dies setzt voraus, dass auch in den Härtefällen des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG der Aufnahmeantrag in zeitlichem Zusammenhang zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete und zur Niederlassung im Bundesgebiet gestellt wird.

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Die Beklagte weist auch zu Recht darauf hin, dass § 4 Abs. 1 BVFG für die Anerkennung als Spätaussiedler voraussetzt, dass der deutsche Volkszugehörige den Herkunftsstaat "im Wege des Aufnahmeverfahrens" verlassen hat. Der subjektive Spätaussiedlerwille allein genügt also nicht, wenn objektiv das Aufnahmeverfahren nicht betrieben wird. Zwar sind die Fälle des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG dadurch gekennzeichnet, dass das Aufnahmeverfahren zumutbarer Weise nicht vorab vom Aussiedlungsgebiet aus durchgeführt werden kann. Insoweit schadet es nicht, wenn die Einreise ins Bundesgebiet im ausländerrechtlichen Visumsverfahren erfolgt ist. Die gesetzliche Formulierung "im Wege des Aufnahmeverfahrens" legt aber die Interpretation nahe, dass dann jedenfalls im zeitlichen Zusammenhang mit der Aussiedlung und der dauerhaften Wohnsitznahme im Bundesgebiet das Aufnahmeverfahren betrieben werden muss.

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Dafür spricht auch das Erfordernis der behördlichen Sprachprüfung. Nach § 6 Abs. 1 BVFG ist deutscher Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird. Insbesondere muss die Zuordnung zur deutschen Nationalität in der Regel durch eine familiäre Vermittlung der deutschen Sprache bestätigt werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG). Diese ist nach § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG nur festgestellt, wenn jemand im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in Fällen des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen kann. Zur Überprüfung dieses Bestätigungsmerkmals ist im Rahmen des Aufnahmeverfahrens nach dem Willen des Gesetzgebers von der zuständigen Behörde ein Gespräch mit dem Aufnahmebewerber zu führen. Dies folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BVFG. In diesem Gespräch muss der entsprechende Nachweis der ausreichenden Beherrschung der deutschen Sprache erbracht werden. § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG entbindet nicht von dem Erfordernis, dass ein entsprechendes Gespräch im Aufnahmeverfahren zu führen ist. Vielmehr verschiebt § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG lediglich den maßgeblichen Zeitpunkt. Während im Regelfall die Sprachprüfung vor der Aussiedlung im Herkunftsgebiet durchgeführt wird, ist im Ausnahmefall des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG die Sprachbeherrschung im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet zu prüfen.

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Diese vom Gesetz vorgesehene behördliche Überprüfung der Sprachkenntnisse im Zeitpunkt der ständigen Wohnsitznahme kann aber nur erfolgen, wenn der Betroffene in zeitlichem Zusammenhang zur Begründung des ständigen Aufenthalts einen Aufnahmeantrag stellt. Wenn der Aufnahmeantrag erst - wie hier - mehrere Jahre nach Einreise gestellt wird, ist eine zweifelsfreie Überprüfung der Sprachbeherrschung bei Wohnsitznahme vielfach nicht mehr möglich. Außerdem würde den Aufnahmebewerbern für einen unbegrenzten Zeitraum die Möglichkeit des Nacherwerbs der deutschen Sprache im Inland eröffnet. Dies entspräche nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers.

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d) Schließlich sprechen auch die Zwecke des Aufnahmeverfahrens und des Bundesvertriebenengesetzes dafür, dass der Härtefallantrag zeitnah zur Aussiedlung geltend gemacht wird.

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Wie bereits ausgeführt dient das Aufnahmeverfahren der Verstetigung und Kontrolle des Spätaussiedlerzuzugs (Urteil vom 19. April 1994 a.a.O., BTDrucks 11/6937 S. 5 f.). Soweit in der Ausnahmeregelung des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in Härtefällen von dem Erfordernis der Auslandsantragstellung befreit wird, wird damit nicht die Konzeption des Aufnahmeverfahrens als Zuzugsregelungsverfahren aufgegeben. Insbesondere muss aus Gründen der Zuzugskontrolle zeitnah geprüft werden, ob überhaupt besondere Härtefallgründe vorliegen, die eine Antragstellung im Bundesgebiet rechtfertigen. Nimmt der Aufnahmebewerber dies irrtümlich an, dann muss er nach der Ablehnung des Härtefallantrags - wie § 27 Abs. 1 Satz 6 BVFG zeigt - in das Aussiedlungsgebiet zurückreisen, um einen Folgeantrag erfolgreich stellen zu können. Auch diese im Interesse der Zuzugskontrolle bestehende Rückreisepflicht würde unterlaufen, wenn ein dauerhafter Zuzug auf ausländerrechtlicher Grundlage unschädlich wäre und wenn der Betroffene im Bundesgebiet das Entstehen eines Härtefallgrundes über mehrere Jahre gleichsam folgenlos abwarten oder fehlende deutsche Sprachkenntnisse über mehrere Jahre ungeprüft nacherwerben könnte. Denn § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG erfasst nicht Fallgestaltungen, die der Antragsteller oder andere Personen durch ein ihm oder ihnen zuzurechnendes Verhalten mit der Absicht herbeigeführt haben, das Regelerfordernis des § 27 Abs. 1 BVFG zu umgehen (Urteil vom 18. November 1999 a.a.O. ). Ließe man aber eine Antragstellung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG zu einem beliebig späten Zeitpunkt nach der dauerhaften Wohnsitznahme zu, könnte dies eine Anreizwirkung für eine Umgehung der Regelerfordernisse haben.

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Schließlich spricht auch der Gesichtspunkt, dass das Bundesvertriebenengesetz die Integration der Aussiedler im Bundesgebiet fördern will, gegen die vom Oberverwaltungsgericht befürwortete Möglichkeit, Aufnahmeanträge erst mehrere Jahre nach der Niederlassung stellen zu können. Das Bundesvertriebenengesetz will - wie der Senat bereits entschieden hat - "dem Volksdeutschen, wenn er auf Grund seines eigenen Entschlusses das Vertreibungsgebiet verlassen hat, die Eingliederung in das Leben der Bundesrepublik Deutschland erleichtern" (Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 266.86 - BVerwGE 78, 147 <151>). Zu diesem nunmehr in § 7 Abs. 1 Satz 1 BVFG ausdrücklich niedergelegten Zweck sieht es eine Reihe von "Starthilfen" vor, die zeitlich unmittelbar an die Wohnsitznahme im Bundesgebiet anknüpfen. Dazu zählen etwa die Integrationskurse (§ 9 Abs. 1 BVFG), das Überbrückungsgeld (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 BVFG) und der einstweilige Krankenversicherungsschutz (§ 11 BVFG). Ferner wird der Einstieg ins Berufsleben durch die §§ 10 und 14 BVFG erleichtert. Dabei dienen insbesondere der Besuch der Integrationskurse (§ 9 BVFG) und die Anerkennung von Prüfungen und Befähigungsnachweisen (§ 10 BVFG) nicht nur dem individuellen Interesse der Spätaussiedler, sondern auch dem Interesse der Allgemeinheit an einer zeitnah zur Niederlassung im Bundesgebiet stattfindenden sozialen und beruflichen Integration der Spätaussiedler im Bundesgebiet. Bliebe es dem Spätaussiedler überlassen, den Aufnahmeantrag zu einem Zeitpunkt zu stellen, bei dem ein zeitlicher Zusammenhang zu der Niederlassung im Bundesgebiet nicht mehr gewahrt ist, würde das Ziel des Bundesvertriebenengesetzes, die Integration ankommender Spätaussiedler durch staatliche Hilfen zu beschleunigen, verfehlt. Daher spricht auch der Integrationszweck des Bundesvertriebenengesetzes für die Annahme, dass Aufnahmeanträge nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG zeitnah zum Verlassen des Aussiedlungsgebiets gestellt werden müssen.

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Die aufgezeigten Gesichtspunkte gebieten jedenfalls in ihrer Gesamtheit die Annahme, der Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheids müsse in den Fällen des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in zeitlichem Zusammenhang mit der Ausreise gestellt werden.

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2. Somit verletzt die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, dass § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG eine zeitlich unbegrenzte Antragstellung zulässt, Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Auf dieser Verletzung revisiblen Rechts beruht die angegriffene Entscheidung auch, weil das Oberverwaltungsgericht dem Verpflichtungsbegehren der Klägerin auf Erteilung eines Aufnahmebescheids stattgegeben hat, obwohl der von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG geforderte zeitliche Zusammenhang zur Aussiedlung im vorliegenden Fall nicht besteht. Ob ein Härtefallantrag in einem hinreichenden zeitlichen Zusammenhang zu dem mit dem Verlassen des Aussiedlungsgebiets beginnenden und mit der endgültigen Wohnsitznahme im Bundesgebiet endenden Aussiedlungsvorgang steht, ist eine Frage, die nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls beantwortet werden kann. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen Antragstellung und Aussiedlungsvorgang - wie die Beklagte unter Berufung auf die einschlägigen Verwaltungsvorschriften meint - regelmäßig spätestens mit Ablauf eines Jahres nach Verlassen der Aussiedlungsgebiets verloren geht. Denn jedenfalls steht ein Antrag, der - wie hier - mehr als vier Jahre nach der endgültigen Wohnsitznahme im Bundesgebiet gestellt wird, nicht mehr im erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zur Aussiedlung.

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Da sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts schon wegen dieses Bundesrechtsverstoßes als unrichtig erweist, ist es nach § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO abzuändern. Die Berufung ist zurückzuweisen, weil die Klägerin - wie vom Verwaltungsgericht entschieden - keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids hat. Ob das Urteil das Oberverwaltungsgerichts - wie die Beklagte vorträgt - auch in anderer Hinsicht rechtsfehlerhaft ist, kann offenbleiben.