Entscheidungsdatum: 19.03.2013
1. Die jugendhilferechtlichen Kostenbeitragsvorschriften der §§ 93, 94 SGB VIII (juris: SGB 8) genügen dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot.
2. Die Höhe des Kostenbeitrags orientiert sich bei Selbständigen am durchschnittlichen Monatseinkommen eines Jahres (Fortführung der im Urteil vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - NJW 2013, 629 begründeten Rechtsprechung).
Die Beteiligten streiten um die Erhebung eines jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags von einem selbständig tätigen Elternteil.
Der Kläger ist Vater einer heute 17-jährigen Tochter, die bereits kurz nach ihrer Geburt in einer Pflegefamilie untergebracht wurde. Das Jugendamt der Beklagten kam aufgrund der vom Kläger vorgelegten Unterlagen, insbesondere des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2006, zu dem Ergebnis, dass der Kläger kostenbeitragspflichtig sei. Es setzte mit Bescheid vom 16. April 2009 einen vorläufigen Kostenbeitrag in Höhe von 425 € monatlich (rückwirkend) ab 1. April 2008 fest.
Der Kläger hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen die Höhe des Kostenbeitrags gewandt und die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2008 und 2009 sowie diverse weitere Belege nachgereicht. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte eine erneute Berechnung durchgeführt und mit Schriftsatz vom 8. September 2011 erklärt, dass für das Jahr 2008 ein monatlicher Kostenbeitrag in Höhe von 575 € und für das Jahr 2009 in Höhe von 185,83 € zu fordern sei. Die Neuberechnung hat der Kläger mit dem Argument angefochten, dass tatsächlich geleistete Einkommenssteuer- und Gewerbesteuerzahlungen zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Kostenbeitragsvorschriften seien zu unbestimmt, um bei Selbständigen einen Kostenbeitrag erheben zu können. Die gesetzlichen Regelungen träfen keine Anordnung darüber, welcher Zeitraum für die Erfassung der der Einkommensermittlung zugrunde liegenden Faktoren maßgeblich sein solle. Der maßgebliche Zeitraum sei auch nicht durch Auslegung zu bestimmen. Die Praxis der Jugendämter sei uneinheitlich. Auch werde die Frage, ob für die Beitragserhebung ein monatliches Durchschnittseinkommen zu bilden sei, von den Gerichten unterschiedlich beantwortet. Unabhängig davon sei der angegriffene Bescheid deswegen rechtswidrig, weil er eine vorläufige Kostenbeitragsfestsetzung treffe. Dafür fehle die erforderliche Rechtsgrundlage. Eine analoge Anwendung von § 165 AO komme nicht in Betracht. Außerdem genüge der Bescheid nicht den Bestimmtheitsanforderungen, die an vorläufige Verwaltungsakte zu stellen seien.
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Revision vor, dass die gesetzlichen Vorschriften für die Beitragserhebung hinreichend bestimmt seien. Der Kostenbeitrag müsse bei Selbständigen wie im Unterhaltsrecht aufgrund des durchschnittlichen Einkommens der letzten drei Jahre ermittelt werden. Solange die maßgeblichen Einkommensteuerbescheide nicht vorlägen, sei eine vorläufige Beitragserhebung zulässig und notwendig. Im vorliegenden Fall sei die vorläufige Beitragsfestsetzung indes mit Schriftsatz vom 8. September 2011 abgeändert worden, so dass nur noch die endgültig festgesetzte Beitragshöhe für die Jahre 2008 und 2009 im Streit stehe.
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und führt im Wesentlichen aus, im Kostenbeitragsrecht fehle eine Regelung zu dem für die Einkommensberechnung maßgeblichen Zeitraum. Diese Lücke könne auch nicht durch Analogie geschlossen werden, da der Gesetzgeber sowohl die Fortgeltung unterhaltsrechtlicher Regelungen als auch die Anwendung sozialhilferechtlicher Berechnungsvorschriften ausgeschlossen habe. Der Rückgriff auf die im Sozialhilferecht geltenden Berechnungsregelungen überschreite die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung. Darüber hinaus fehle es für eine vorläufige Kostenbeitragsfestsetzung an einer Ermächtigungsgrundlage. Der umstrittene vorläufige Beitragsbescheid sei auch nicht durch die im Prozess vorgelegte Neuberechnung obsolet geworden. Sollte man dies anders sehen, habe der Kläger die Neuberechnung jedenfalls umgehend angegriffen.
Der Vertreter des Bundesinteresses teilt die Rechtsauffassung der Beklagten, dass sich das für die Kostenbeitragserhebung maßgebliche Einkommen durch Auslegung ermitteln lasse.
Die zulässige Revision ist begründet. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich das für die Beitragserhebung maßgebliche Einkommen bei Selbständigen nicht bestimmen lasse, verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Weil der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Kostenbeitragspflicht des Klägers vom 1. April 2008 bis 31. Dezember 2009 (a). Der Beklagte hat für diesen Zeitraum mit Bescheid vom 16. April 2009 zunächst eine vorläufige Regelung der Kostenbeitragshöhe getroffen, die er später mit Schriftsatz vom 8. September 2011 in eine endgültige Beitragsfestsetzung für das Jahr 2008 in Höhe von 525 € und für das Jahr 2009 in Höhe von 185,83 € abgeändert hat. Der so geänderte Ausgangsbescheid ist Gegenstand des Klageverfahrens geworden (b).
a) Der Bescheid vom 16. April 2009 ist dahin auszulegen, dass mit ihm eine Kostenbeitragspflicht bis Ende des Jahres 2009 begründet wurde. Das Verwaltungsgericht hat zwar nicht festgestellt, dass der vorläufige Bescheid nur eine bis Ende 2009 begrenzte Regelung enthielt. Das Revisionsgericht darf jedoch den Inhalt des umstrittenen Verwaltungsakts selbst auslegen, sofern es hierzu - wie im vorliegenden Fall - keiner neuen Tatsachenermittlungen bedarf, die über den aus den Akten ersichtlichen Wortlaut des Verwaltungsakts hinausgehen (Urteil vom 26. August 2010 - BVerwG 3 C 35.09 - BVerwGE 137, 377 Rn. 13 = Buchholz 11 Art. 34 GG Nr. 5 Rn. 13). Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts ist in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB nicht der innere Wille der Behörde maßgebend, sondern der in der Erklärung zum Ausdruck kommende, also der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. Urteile vom 18. Juni 1980 - BVerwG 6 C 55.79 - BVerwGE 60, 223 <228 f.> = Buchholz 448.0 § 25a WPflG Nr. 2 S. 5 f. und vom 26. August a.a.O. Rn. 12).
Der vorläufige Beitragsbescheid bezog sich nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nur auf die Zeit ab 1. April 2008 und nennt für die Dauer der Beitragsverpflichtung keine auf einen bestimmten Zeitpunkt festgelegte Begrenzung. Da nach der dem Kläger bekannten Berechnungspraxis des Beklagten für die Ermittlung der Höhe der Beitragspflicht auf das Durchschnittseinkommen der vorangegangenen drei Jahre abzustellen war und lediglich Unterlagen für die Jahre 2007 und 2008 nachgefordert wurden, ist hinreichend deutlich erkennbar, dass die im Bescheid begründete Zahlungsverpflichtung im Dezember 2009 auslaufen sollte. In der Revisionsverhandlung haben beide Parteien bestätigt, dass der Bescheid ihres Erachtens entsprechend zu verstehen sei.
b) Die Beklagte hat während des erstinstanzlichen Verfahrens durch die in ihrem Schriftsatz vom 8. September 2011 enthaltene Erklärung den Bescheid vom 16. April 2009 insoweit geändert, als von den vorläufig erhobenen Kostenbeiträgen abweichende Beiträge endgültig festgesetzt worden sind. Zwar sind im Prozess abgegebene Äußerungen und Erklärungen von Beteiligten, insbesondere auch schriftsätzliche Äußerungen, in erster Linie auf den Fortgang des Rechtsstreits und nur ausnahmsweise auch auf die Änderung der materiellen - streitigen - Rechtslage gerichtet. Verbindliche Erklärungen zur Änderung der streitigen Rechtslage führen, soweit ihr Verpflichtungsinhalt reicht, zur Erledigung eines auf entsprechende Verpflichtung gerichteten Rechtsstreits. Deshalb müssen besondere Umstände vorliegen, um annehmen zu können, ein Prozessbeteiligter wolle sich durch eine schriftsätzliche Äußerung materiell-rechtlich binden (Urteil vom 7. Februar 1986 - BVerwG 4 C 28.84 - BVerwGE 74, 15 <17> = Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 231 S. 149).
Im vorliegenden Fall kommt der Wille der Beklagten, gegenüber dem Prozessgegner eine verbindliche Änderung der streitigen Rechtslage herbeizuführen, eindeutig zum Ausdruck. Der Bescheid vom 16. April 2009 sah die Erhebung eines vorläufigen Kostenbeitrags in Höhe von 425 € bis zur Berechnung des Beitrags auf der Grundlage von vom Kläger einzureichender Unterlagen über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse für die Jahre 2008 und 2009 vor. Nachdem der Kläger die angeforderten Unterlagen vorgelegt hatte, wird in dem Schriftsatz vom 8. September 2011 das Ergebnis der angekündigten Berechnung mitgeteilt. Es wird nicht lediglich in Gestalt einer Wissensmitteilung das Ergebnis einer Berechnung präsentiert. Vielmehr wird der Wille, dass für das Jahr 2008 ein Beitrag von 525 € und für das Jahr 2009 ein Betrag von 185,83 € monatlich zu fordern sei, bereits eingangs formuliert und am Ende des Schriftsatzes vom 8. September 2011 nochmals ähnlich wie ein Bescheidtenor durch Fettdruck hervorgehoben. Diese mit keinerlei Einschränkungen, Abschwächungen oder Vorbehalten verbundene Willenserklärung musste der Kläger als die verbindliche Abänderung der Kostenbeitragshöhe ansehen, die die Beklagte im Bescheid vom 16. April 2009 ausdrücklich angekündigt hatte. Bei verständiger Würdigung war nicht davon auszugehen, dass die Beklagte gleichsam wider besseres Wissen prozessual an einer auf veralteten Berechnungsgrundlagen beruhenden und damit nach ihrer eigenen Ansicht rechtswidrig gewordenen vorläufigen Beitragserhebung festhalten wollte. Vielmehr ist im Schriftsatz vom 8. September 2011 die Absicht erkennbar, eine erneute und endgültige Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NW in Bezug auf die umstrittene Kostenbeitragshöhe für die Jahre 2008 und 2009 zu treffen.
Davon ist anscheinend auch der Kläger ausgegangen, der mit seiner Replik vom 6. Oktober 2011 ausschließlich die Neuberechnung angegriffen und die darin fehlende Berücksichtigung der von ihm geleisteten Einkommens- und Gewerbesteuerzahlungen moniert hat. Darin liegt jedenfalls eine den Änderungsbescheid erfassende Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO, auf die sich die Beklagte rügelos eingelassen hat. Folglich kommt es auf die Frage, ob auch eine nach § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 264 ZPO zulässige Antragserweiterung vorliegt, nicht an.
2. Soweit das Verwaltungsgericht den Kostenbeitragsbescheid der Beklagten aufgehoben hat, beruht dies auf einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts genügen die für die Kostenbeitragserhebung maßgeblichen Rechtsvorschriften dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Insbesondere kann das Einkommen auch bei Selbständigen durch Auslegung der für die Jahre 2008 und 2009 jeweils maßgeblichen §§ 93 und 94 des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 26. Juni 1990 (BGBl I S. 1163), in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) - für das Jahr 2008 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2403) - für das Jahr 2009 - in der Folge: SGB VIII) bestimmt werden.
a) Das Verwaltungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger in den Jahren 2008 und 2009 dem Grunde nach kostenbeitragspflichtig gewesen ist. Da seine Tochter Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII erhalten hat, sind nach § 91 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a SGB VIII Kostenbeiträge zu erheben. Die Eltern werden hierbei getrennt entsprechend ihrem Einkommen unter Berücksichtigung ihrer Belastungen und ihrer sonstigen Unterhaltspflichten durch Leistungsbescheid zu einem Kostenbeitrag herangezogen (vgl. §§ 92 bis 94 SGB VIII). Ein Kostenbeitrag kann vom Kläger seit Juli 2007 erhoben werden, weil er nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts Ende Juni 2007 über die Hilfegewährung und die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter aufgeklärt worden ist (vgl. § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII).
b) Es trifft jedoch nicht zu, dass sich das für die Beitragserhebung maßgebliche Einkommen des Klägers nicht durch Auslegung der §§ 93, 94 SGB VIII bestimmen lässt. Diese Vorschriften genügen dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Bestimmtheitsgebot verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 <263>; Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <396>). Die Auslegungsbedürftigkeit einer Regelung nimmt ihr jedoch nicht die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit. Dies gilt auch für Bestimmungen, auf deren Grundlage der Betroffene zu finanziellen Leistungen herangezogen wird (vgl. Urteil vom 1. Dezember 2005 - BVerwG 10 C 4.04 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 100 Rn. 49). Der Normgeber braucht nicht jede einzelne Frage zu entscheiden und ist hierzu angesichts der Vielgestaltigkeit der zu erfassenden Vorgänge oft nicht in der Lage. Vielmehr ist es Sache der Behörden und Gerichte, die bei der Gesetzesauslegung mangels ausdrücklicher Regelungen auftretenden Zweifelsfragen mithilfe der anerkannten Auslegungsmethoden zu beantworten (BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 a.a.O. S. 397; BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2005 a.a.O.).
Nach diesen Maßstäben genügt es, dass der Gesetzgeber in § 91 SGB VIII die für das Entstehen der Kostenbeitragspflicht maßgeblichen Umstände festgelegt hat. Der Kostenbeitragspflichtige wird zusätzlich durch die in § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII enthaltene Aufklärungspflicht auf das Entstehen der Zahlungspflicht hingewiesen. Ferner wird der Umfang der Kostenbeitragsschuld vom Gesetzgeber hinreichend genau umrissen. In § 93 SGB VIII wird die grundlegende Entscheidung getroffen, dass die Höhe des Kostenbeitrags vom bereinigten Nettoeinkommen des Pflichtigen und damit von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängig ist. Dabei werden sowohl die in Ansatz zu bringenden Einkünfte (§ 93 Abs. 1 SGB VIII) als auch die zu berücksichtigenden Belastungen näher präzisiert (§ 93 Abs. 2 und 3 SGB VIII). Sodann wird in § 94 SGB VIII bestimmt, dass der Kostenbeitrag in angemessener Höhe durch einkommensabhängig gestaffelte Pauschalbeträge nach Maßgabe der Kostenbeitragsverordnung zu erheben ist. Damit werden alle wesentlichen Entscheidungen zur Höhe des Kostenbeitrags durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes getroffen.
Es trifft zwar zu, dass der Gesetzgeber nicht jede sich im Einzelfall bei der Ermittlung der Kostenbeitragshöhe stellende Frage ausdrücklich entschieden hat. Insbesondere bei der Auslegung des unbestimmten Begriffs des Einkommens bestehen Zweifelsfragen hinsichtlich des maßgeblichen Zeitraums und der damit verbundenen Frage der Durchschnittsbildung. § 93 Abs. 1 SGB VIII beschränkt sich darauf, die anzurechnenden Einkünfte zu umschreiben, ohne die Details der Einkommensberechnung explizit zu regeln. Diese Fragen lassen sich jedoch - wie der Senat im Urteil vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - (NJW 2013, 629 = juris Rn. 18 f.) ausgeführt hat - mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Berücksichtigung der Gesetzessystematik, und im Wege richterlicher Rechtsfortbildung beantworten.
Soweit die Gesetzesauslegung nicht zu einer endgültigen Gewissheit mit Blick auf die bei der Einkommensermittlung anzulegenden Maßstäbe führt, enthält das Gesetz eine planwidrige Lücke, die durch eine analoge Anwendung von im Sozialhilferecht geltenden Grundsätzen über die Berechnung des Einkommens zu schließen ist. Das Gesetz erweist sich insbesondere insoweit als lückenhaft, als es an Einzelheiten über Ermittlung des Einkommens fehlt, wie sie für das Sozialhilferecht in der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (VO zu § 82 SGB XII) vom 28. November 1962 (BGBl I S. 692), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. März 2005 (BGBl I S. 818), geregelt sind. Diese Lücke entspricht nicht dem gesetzgeberischen Willen. Die hier anwendbaren Fassungen des § 93 SGB VIII gehen u.a. zurück auf das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729). Im Rahmen des dieses Regelungswerk betreffenden Gesetzgebungsverfahrens war vorgesehen, in § 93 SGB VIII eine Regelung aufzunehmen, nach der für die Berechnung des Einkommens die Bestimmungen der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend gelten (vgl. BTDrucks 15/3676 S. 16). Eine solche Regelung hat keinen Eingang in das Gesetz gefunden. Dabei ging der Gesetzgeber erkennbar davon aus, dass die jugendhilferechtlichen Bestimmungen zur Ermittlung des Einkommens ausreichen. Dies ist hingegen nicht der Fall, soweit es an Bestimmungen über die Berechnung des Einkommens fehlt, wie sie im Sozialhilferecht vorhanden sind. Dies gebietet eine - wenn auch eingeschränkte - analoge Anwendung der einschlägigen sozialhilferechtlichen Normen über die Einkommensermittlung.
§ 93 Abs. 1 SGB VIII enthält zwar einen eigenständigen jugendhilferechtlichen Einkommensbegriff (vgl. BTDrucks 16/9299 S.19). Die darin enthaltene Definition des Einkommens ist jedoch der Einkommensdefinition des Sozialhilferechts nachgebildet (vgl. § 76 Abs. 1 BSHG 2002, § 82 Abs. 1 SGB XII und § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Angesichts der deutlichen Parallelen zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch liegt es daher nahe, zur Lückenschließung auf die Berechnungsmethoden des Sozialhilferechts zurückzugreifen. Zwar scheidet eine pauschale Übernahme der gesamten sozialhilferechtlichen Berechnungsvorschriften aus, weil der Gesetzgeber - wie aufgezeigt - den im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagenen Verweis auf die sozialhilferechtliche Einkommensberechnungsverordnung nicht übernommen hat. Jedoch können die im Sozialhilferecht geltenden Einkommensberechnungsregeln sinngemäß Anwendung finden, wenn sie dem gesetzgeberischen Ziel einer einfachen und schnellen Einkommensberechnung Rechnung tragen und wenn sie mit den sonstigen Besonderheiten des jugendhilferechtlichen Kostenbeitragsrechts im Einklang stehen (Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 18).
An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Entgegen der Auffassung des Klägers überschreitet der Senat nicht die von Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gezogenen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Eine Verletzung dieser Grenzen liegt insbesondere nicht darin, dass die entsprechende Anwendung sozialhilferechtlicher Bestimmungen bei der Einkommensermittlung in krassem Widerspruch zu den einschlägigen jugendhilferechtlichen Bestimmungen stände (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 <209>). Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil die Analogie ein anerkanntes und verfassungsmäßiges methodisches Instrument richterlicher Rechtsfortbildung ist und hier - wie aufgezeigt - die Voraussetzungen eines Analogieschlusses gegeben sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990 - 1 BvR 1186/89 - BVerfGE 82, 6 <11 ff.>). In der entsprechenden Anwendung sozialhilferechtlicher Bestimmungen liegt kein von der Befugnis zur richterlichen Rechtsfortbildung nicht gedeckter Wechsel des vom Gesetzgeber vorgesehenen Systems der Berechnung des Einkommens im Jugendhilferecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 a.a.O. <211 ff.>). Insbesondere verhält es sich nicht so, dass der Gesetzgeber durch den Verzicht auf die ursprünglich vorgesehene Bezugnahme auf die Bestimmungen der Durchführungsverordnung zu § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ein Berechnungssystem begründen wollte, das eine entsprechende Anwendung jener Regelungen ausschließt. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Definition des Einkommens in § 93 Abs. 1 SGB VIII unverändert gelassen und damit die Anlehnung des jugendhilferechtlichen Einkommensbegriffs an den sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff nicht aufgegeben. Mit der Streichung des Verweises auf die sozialhilferechtliche Berechnungsverordnung hat er das Näheverhältnis lediglich gelockert. Diesem gesetzgeberischen Modell trägt der Senat Rechnung, indem er die sozialhilferechtlichen Berechnungsgrundsätze nur anwendet, wenn und soweit sie mit den Besonderheiten des jugendhilferechtlichen Kostenbeitragsrechts in Einklang stehen.
c) Nach diesen Maßstäben kann auch das Einkommen Selbständiger ermittelt werden. Es begegnet keinen Bedenken, dass die Beklagte bei der Ermittlung des Einkommens im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auf die zum Sozialhilferecht entwickelte Zuflusstheorie zurückgegriffen hat (vgl. Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 19). Danach gehört zum Einkommen alles, was jemand in der Bedarfs- oder Hilfezeit wertmäßig dazu erhält. Vermögen ist das, was er in der Bedarfs- oder Hilfezeit bereits hat (vgl. Urteil vom 18. Februar 1999 - BVerwG 5 C 35.97 - BVerwGE 108, 296 <299 f.>). Bei einem selbständig Erwerbstätigen kann indes nicht jede seinem Unternehmen zufließende Einnahme auch als privates Einkommen gewertet werden. Vielmehr steht nur der nach Abzug der betriebsbedingten Ausgaben verbleibende steuerliche Gewinn zur Verwendung als persönliches Einkommen zur Verfügung. Davon geht auch § 4 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 VO zu § 82 SGB XII aus. Der steuerliche Gewinn aus dem Gewerbebetrieb oder aus der freiberuflichen Tätigkeit ist bei Selbständigen häufig nur der wichtigste Teil des jugendhilferechtlich relevanten Einkommens. Es können auch Einkünfte aus anderen Einkommenssteuerarten (z.B. aus Vermietung und Verpachtung) hinzutreten und die für die jugendhilferechtliche Berechnung als Ausgangspunkt maßgebliche Summe der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG erhöhen. Ferner können nicht einkommenssteuerpflichtige Einkünfte (insbesondere Einkommenssteuererstattungen, Entlohnungen für ehrenamtliche Tätigkeiten etc.) nach dem Zuflussprinzip zusätzlich zu berücksichtigen sein.
Ebenfalls zutreffend hat die Beklagte für die Kostenbeitragsberechnung auf das bereinigte Monatseinkommen abgestellt. Dies ergibt sich bereits aus der zu § 94 Abs. 5 SGB VIII erlassenen Kostenbeitragsverordnung, deren Anlage auf das bereinigte Monatseinkommen Bezug nimmt (vgl. Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 19). Maßgeblich kann jedoch nicht der in jedem einzelnen Monat exakt erzielte Einkommenszufluss sein, weil bei Selbständigen berufsbedingte Einnahmen und Ausgaben monatsweise häufig stark schwanken. Der Senat hat jedoch bereits im Fall eines angestellten Kostenbeitragspflichtigen entschieden, dass eine Verpflichtung zu einer streng an den jeweiligen Monatsbezügen ausgerichteten Einzelberechnung dem im Jugendhilferecht geltenden Grundsatz der einfachen und schnellen Einkommensberechnung widerspräche (vgl. Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 20). Für selbständige Kostenbeitragspflichtige ist daher erst recht auf das durchschnittliche Monatseinkommen abzustellen. Dementsprechend sehen auch die Regelungen des Sozialhilferechts bei Selbständigen die Ermittlung eines monatlichen Durchschnittseinkommens vor. Nach § 4 Abs. 2 VO zu § 82 SGB XII sind bei Selbständigen die Einkünfte für das Jahr zu berechnen, in dem der Bedarfszeitraum liegt. Als Monatseinkommen gilt der zwölfte Teil der Jahreseinkünfte (vgl. § 11 Abs. 1 VO zu § 82 SGB XII). Diese Regelungen können entsprechend im Jugendhilferecht herangezogen werden, weil eine vergleichbare Interessenlage besteht. Eines Rückgriffs auf die davon abweichende unterhaltsrechtliche Ermittlung des durchschnittlichen Monatseinkommens bedarf es - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht. Auch wäre damit für die endgültige Festsetzung des Kostenbeitrags keinerlei Verwaltungsvereinfachung verbunden.
Für die endgültige Kostenbeitragserhebung ist das Einkommen maßgeblich, das im Zeitraum der Durchführung der beitragspflichtigen Hilfemaßnahme, also im Hilfe- oder Bedarfszeitraum, erzielt wird. Denn der Kostenbeitrag der Eltern tritt an die Stelle der Unterhaltspflicht, solange der Jugendhilfeträger im Rahmen der Hilfemaßnahme den Unterhalt abdeckt. Anhaltspunkte dafür, dass für die Kostenbeitragspflicht frühere oder spätere Einkommenszeiträume maßgeblich sein könnten, enthält das Gesetz nicht. Die Betrachtung anderer Einkommenszeiträume würde die Gefahr zu hoher finanzieller Belastungen in sich bergen und die Lebensbedingungen der Familien - entgegen dem Gesetzeszweck des § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII - übermäßig belasten. Daher kann auch bei Selbständigen für die abschließende Kostenbeitragsberechnung nur das tatsächlich im Hilfezeitraum erzielte monatliche Durchschnittseinkommen ausschlaggebend sein. Dies schließt es nicht aus, bei Beginn der Beitragserhebung als Prognosegrundlage für das zu erwartende monatliche Durchschnittseinkommen auf ein in der Vergangenheit erzieltes monatliches Durchschnittseinkommen zurückzugreifen (Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 21 f.).
Nach allem ist auch bei Selbständigen eine Einkommensermittlung nach § 93 Abs. 1 SGB VIII grundsätzlich möglich. Die gegenteilige Annahme des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht.
3. Auf diesem Bundesrechtsverstoß beruht die angegriffene Entscheidung auch. Das Verwaltungsgericht hat für den Zeitraum von April 2008 bis Dezember 2009 die Einkommensberechnung nicht überprüft und die von den Parteien zur Höhe des Einkommens aufgestellten Tatsachenbehauptungen und die vorgelegten Beweismittel nicht gewürdigt. Auf die vom Verwaltungsgericht zusätzlich für die Aufhebung des Bescheids gegebene Begründung, dass eine vorläufige Kostenbeitragserhebung generell oder jedenfalls im vorliegenden Verfahren nicht zulässig sei, kommt es nicht an. Wie ausgeführt hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. September 2011 die vorläufige Kostenbeitragserhebung durch eine endgültige Beitragserhebung ersetzt. Da eine tatrichterliche Überprüfung dieser endgültigen Beitragsfestsetzung nicht stattgefunden hat, ist der Rechtsstreit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Dabei wird das Verwaltungsgericht zu beachten haben, dass nach § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII "auf das Einkommen gezahlte Steuern" abzuziehen sind. Nach dem in dieser Bestimmung enthaltenen Tatsächlichkeitsprinzip sind die entrichteten einkommensbezogenen Steuern grundsätzlich in der tatsächlich geleisteten Höhe anzurechnen. Unter den Begriff der auf das Einkommen gezahlten Steuern können nach dem Zweck des § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII auch tatsächlich geleistete Einkommensteuervorauszahlungen fallen (Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 23 f.). Allerdings müssen sich die einkommensbezogenen Steuern oder Vorauszahlungen auf das im maßgeblichen Jahr erwirtschaftete Einkommen beziehen und dürfen nicht bereits bei den Betriebsausgaben abgesetzt worden sein. Werden - wie vorgetragen - auch Steuerrückstände aus Vorjahren getilgt, muss über die Anrechnung dieser Schuldverpflichtungen nach § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, Satz 4 SGB VIII entschieden werden.
Soweit der Kläger Gewerbesteuern entrichtet hat, handelt es sich nicht um auf das Einkommen gezahlte Steuern im Sinne des § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII. Denn die Gewerbesteuer stellt eine auf das Unternehmen gerichtete Real- oder Objektsteuer (§ 3 Abs. 2 AO) dar. Zwar konnte sie bis zum Jahr 2007 als Betriebsausgabe von den Betriebseinnahmen abgezogen werden, so dass sie den für die Einkommensberechnung nach § 92 Abs. 1 SGB VIII maßgeblichen Gewinn minderte. Seit dem Jahr 2008 ist ein solcher Abzug aber nach § 4 Abs. 5b EStG nicht mehr statthaft. Das bedeutet jedoch nicht, dass Gewerbesteuern oder Gewerbesteuervorauszahlungen seither unberücksichtigt bleiben könnten. Vielmehr gehören sie zu den mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben im Sinne von § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII, sofern sie im Berechnungsjahr entstanden sind. Bei der Rückführung von Gewerbesteuerschulden aus Vorjahren ist wie bei Einkommensteuerrückständen eine Anrechnung nach Maßgabe der § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, Satz 4 SGB VIII möglich.