Entscheidungsdatum: 09.02.2012
Bei der Berechnung von Wohngeld sind Zinseinkünfte auch dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie aus angelegtem Schmerzensgeld hervorgehen.
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Berechnung von Wohngeld Zinseinkünfte, die aus der Anlage von Schmerzensgeld auf einem Bankkonto erzielt wurden, als Einkommen zu berücksichtigen sind.
Der Kläger beantragte bei der beklagten Stadt die Gewährung von Wohngeld für das Jahr 2009. Für seine Wohnung hatte er eine monatliche Miete einschließlich Nebenkosten in Höhe von 320 € aufzuwenden. Er bezog eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die monatlich 638,11 € betrug. Anfang Januar 2009 wurde ihm wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers ein Schmerzensgeld in Höhe von 107 500 € auf der Grundlage einer Abfindungsvereinbarung gezahlt. Der Kläger gab an, dass er Zinseinnahmen aus dem Schmerzensgeld für das Jahr 2009 in Höhe von 2 400 € erwarte.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 22. Januar 2009 ab. Die Inanspruchnahme von Wohngeld sei wegen des nunmehr erheblichen Vermögens des Klägers missbräuchlich im Sinne von § 21 Nr. 3 Wohngeldgesetz (WoGG).
Mit seiner Klage hat der Kläger die Gewährung von Wohngeld ohne Berücksichtigung des Schmerzensgeldes und der daraus erzielten Zinsen begehrt. Das Verwaltungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides verpflichtet, dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2009 Wohngeld in Höhe von monatlich 33 € zu gewähren. Zwar sei die Inanspruchnahme von Wohngeld nicht missbräuchlich, weil das an den Kläger gezahlte Schmerzensgeld nicht als Vermögen anzurechnen sei. Die Zinseinnahmen aus dem angelegten Schmerzensgeld seien aber bei der Berechnung des Wohngeldes als Einkommen zu berücksichtigen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dem Kläger stehe ein höheres Wohngeld nicht zu. Zwar dürfe bei der Berechnung des Wohngeldes das Schmerzensgeld als solches weder zum Gesamteinkommen des Klägers gerechnet noch als dessen Vermögen berücksichtigt werden. Allerdings gehörten die Zinserträge aus dem angelegten Schmerzensgeld nach § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG zum Jahreseinkommen, weil diese Vorschrift auf das Steuerrecht verweise und Zinserträge nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer unterlägen. Entgegen der Ansicht des Klägers finde der Rechtsgedanke der Härtefallregelung des § 88 Abs. 3 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bei der Berechnung von Wohngeld keine Anwendung. Während Vermögen wohngeldrechtlich nur ausnahmsweise im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme zu berücksichtigen sei, seien Kapitalerträge grundsätzlich als Einkommen in Ansatz zu bringen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG (jetzt: § 90 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII). Diese Vorschrift müsse ihrem Rechtsgedanken nach auch auf die Zinsen aus angelegtem Schmerzensgeld angewendet werden. Dem Betroffenen müsse es wegen der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes möglich sein, auch dessen Früchte zu ziehen. Von dieser Funktion sei auch die freie Verfügung über das Schmerzensgeld umfasst. Würde man die Zinsen als Einkommen anrechnen, hätte er, der Kläger, letztlich nur die Wahl, entweder das Schmerzensgeld zu verbrauchen oder einen erheblichen Wertverlust durch Inflation oder Anrechnung im Leistungsfall in Kauf zu nehmen. Von einer freien Verfügung über das Schmerzensgeld könne dann nicht mehr die Rede sein.
Die Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigen den angegriffenen Beschluss.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) in Einklang.
Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Zinseinkünfte des Klägers, die er aus der Anlage des Schmerzensgeldes auf einem Bankkonto erzielt hat, bei der Berechnung des Wohngeldes als Einkommen zu berücksichtigen sind.
Das Wohngeldgesetz (WoGG) vom 24. September 2008 (BGBl S. 1856) verweist hinsichtlich des zu berücksichtigenden Einkommens auf die nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) steuerpflichtigen Einkünfte. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG ist das Jahreseinkommen eines zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieds grundsätzlich die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG zuzüglich der Einnahmen nach § 14 Abs. 2 WoGG abzüglich der Abzugsbeträge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Zinsen, die aus der Anlage eines Schmerzensgeldbetrages erzielt werden, sind einkommensteuerpflichtige Einkünfte (1.). Aus dem Wohngeldgesetz ergibt sich nicht, dass solche Zinserträge bei der Berechnung des Wohngeldes außer Acht gelassen werden dürfen (2.).
1. Bei den hier in Rede stehenden Zinsen handelt es sich einkommensteuerrechtlich um steuerbare Einkünfte.
a) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG unterliegen Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer. Zu diesen Einkünften gehören Erträge aus (sonstigen) Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt; dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Hiervon werden Zinsen aus Kapitalforderungen erfasst (vgl. BFH, Urteil vom 13. November 2007 - VIII R 36/05 - BFHE 220, 35 <36 f.> m.w.N.). Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG und des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind Zinsen unabhängig von dem Ursprung des ihnen zugrunde liegenden Kapitalvermögens steuerbar. Eine Ausnahme für Kapitalerträge, die aus der Anlage von Schmerzensgeld erzielt werden, lässt der Wortsinn der Bestimmungen nicht zu.
b) Der aus der grammatikalischen Auslegung gewonnene Befund wird bestätigt durch die Systematik des Einkommensteuergesetzes. Dieses begründet für die Erzielung von Kapitalerträgen - losgelöst vom Kapital und dessen Steuerbarkeit - einen eigenen Steuertatbestand, der bei den (Überschuss-)Einkünften (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG) mit dem Zufluss der Kapitalerträge im Besteuerungszeitraum verwirklicht wird; es lässt dessen Verwirklichung unabhängig von der Herkunft des Hauptkapitals eintreten. Dem ist auch zu entnehmen, dass es für die Steuerbarkeit von Zinsen nicht auf die Herkunft des ihnen zugrunde liegenden Kapitalvermögens ankommt.
c) Die aus dem von der Gesetzessystematik bestätigten Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes folgende Steuerbarkeit von Zinsen kann nicht im Wege einer teleologischen Reduktion dahin eingeschränkt werden, dass aus der Anlage von Schmerzensgeld stammende Zinsen steuerfrei zu stellen sind.
Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten nur begrenzt zu. Sie ist unter anderem dann gegeben, wenn die Beschränkung des Wortsinns einer gesetzlichen Regelung aufgrund des vom Gesetzgeber mit ihr verfolgten Regelungsziels geboten ist, die gesetzliche Regelung also nach ihrem Wortlaut, Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der sogenannten teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen (Urteil vom 27. Juni 1995 - BVerwG 9 C 8.95 - DVBl 1995, 1308 <1309>; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. April 1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Zwar sind Zahlungen von Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB (früher: § 847 BGB) unabhängig davon, ob sie als einmalige Kapitalabfindung oder als Schmerzensgeldrente gezahlt werden, als solche grundsätzlich nicht einkommensteuerpflichtig (vgl. BFH, Urteile vom 29. Oktober 1963 - VI 290/62 U - BFHE 78, 32 und vom 25. Oktober 1994 - VIII R 79/91 - BFHE 175, 439 <448>; vgl. auch Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 8. November 1995 - IV B 3-S 2255-22/95 - BStBl I 1995, 705 und vom 15. Juli 2009 - IV C 3-S 2255/08/10012 - BStBl I 2009, 836). Weder der Zweck der Steuerfreiheit des Schmerzensgeldes (aa) noch derjenige des Schmerzensgeldes selbst (bb) lassen jedoch die steuerliche Freistellung der aus der Anlage von Schmerzensgeld gewonnenen Zinsen zu.
aa) Sinn und Zweck der steuerlichen Privilegierung von Schmerzensgeld rechfertigen es nicht, die Zinsen von der Steuerpflicht auszunehmen.
Die Erhebung von Einkommensteuer beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der den von der Rechtsgemeinschaft bereitgestellten Markt genutzt und dadurch seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht hat, die Rechtsgemeinschaft an diesem Markterfolg steuerlich teilhaben lassen muss. Deshalb unterliegt der Einkommensteuerpflicht nur das Einkommen, das durch die Nutzung der in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Erwerbsgrundlagen am Markt erzielt wurde. Das Schmerzensgeld ist einkommensteuerfrei, weil es nicht durch die Teilnahme am Marktgeschehen erlangt wird, sondern seinen Grund in der Privatsphäre des Geschädigten findet (vgl. Kirchhof, EStG, 10. Aufl. 2011, Einl. Rn. 5 und § 2 Rn. 56). Dies ist bei Zinserträgen nicht der Fall. Sie werden unter Nutzung des Marktes erzielt. Deshalb rechtfertigt der Zweck der Steuerfreiheit von Schmerzensgeld nicht die steuerliche Freistellung der Zinsen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der die fehlende Steuerbarkeit der Hauptleistung sich im Hinblick auf die unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen und Steuertatbestände nicht zugleich auf die Zinsen erstreckt (stRspr des BFH, vgl. Urteile vom 25. Oktober 1994 a.a.O.
bb) Der Zweck des Schmerzensgeldes führt zu keiner anderen Bewertung.
Das Schmerzensgeld dient seiner gesetzlichen Funktion nach ausschließlich zur Abdeckung eines Schadens immaterieller Art. Es soll insbesondere Erschwernisse, Nachteile und Leiden, die über den Schadensfall hinaus anhalten und die nicht durch die materielle Schadensersatzleistung abgedeckt sind, ausgleichen. Zugleich trägt es dem Gedanken Rechnung, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. März 2011 - 1 BvR 591/08 - NZS 2011, 895 <898> und Urteil vom 11. Juli 2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229 <240> m.w.N).
Entgegen der Rechtsansicht des Klägers kann aus dieser Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion nicht geschlossen werden, dass die aus dem Schmerzensgeld erzielten Kapitalerträge hinsichtlich der Steuerbarkeit genauso wie der Kapitalstock behandelt werden müssten, weil es dem Betroffenen ohne für ihn negative steuerliche Folgen möglich sein müsse, die "Früchte" des Schmerzensgeldkapitals zu ziehen. Die Steuerfreiheit des Kapitalvermögens setzt sich nämlich - wie aufgezeigt - nicht bei den daraus erzielten Kapitaleinkünften fort. Das gilt auch dann, wenn diese Einkünfte einem sozialen oder sozialrechtlichen Zweck dienen (vgl. BFH, Urteil vom 13. November 2007 a.a.O.
Selbst wenn mit der Anlage des Schmerzensgeldes bei einer Bank - wie der Kläger sinngemäß geltend macht - nur oder in erster Linie erreicht werden soll, dass kein Wertverzehr des (Schmerzensgeld-)Kapitals durch Inflation eintritt und das Schmerzensgeld für seine Zwecke erhalten bleibt, ändert dies nichts an der steuerrechtlich maßgebenden Funktion der Zinsen als Entgelt für die Nutzung des Kapitals. Eine abweichende Beurteilung würde voraussetzen, dass der Gesetzgeber von der ihm zustehenden Befugnis Gebrauch gemacht hätte, die Erfassung derartiger Zinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen von vornherein auszuschließen, z.B. durch Aufnahme in den Katalog der steuerfreien Einnahmen nach § 3 EStG (BFH, Urteil vom 13. November 2007 a.a.O.
Der Steuerbarkeit von Zinsen aus der Anlage von Schmerzensgeld steht auch nicht entgegen, dass - wie der Kläger meint - die Verwendung des Schmerzensgeldes im autonomen Ermessen des Begünstigten steht. Durch die Besteuerung der Zinserträge wird dem Kläger nicht die Möglichkeit genommen, frei über das Schmerzensgeld zu verfügen. Der Empfänger, der das Schmerzensgeld steuerfrei erhält, trifft die autonome Entscheidung, wie und wofür er diese Mittel verwendet. Er kann sie für Zwecke des Konsums nutzen oder die Mittel ansparen und ggf. gewinnbringend als Kapitalanlage einsetzen. Wenn er das Schmerzensgeld in bestimmter Weise nutzt, muss er auch die daraus erwachsenden steuerrechtlichen Folgen tragen. Der Zweck des Schmerzensgeldes rechtfertigt weder im Fall der Kapitalanlage noch in den Fällen, in denen sich der Betroffene für den Konsum entscheidet, eine steuerrechtliche Privilegierung. Auch im Fall des Einsatzes des Schmerzensgeldes für den Konsum fallen die dafür von der Rechtsordnung vorgesehenen Steuern (z.B. Verbrauchssteuern, Grunderwerbsteuer etc.) an. Erworbene Konsumgüter unterliegen zudem regelmäßig ebenfalls dem Wertverzehr.
2. Auch dem Wohngeldgesetz ist nicht zu entnehmen, dass die hier in Rede stehenden Zinserträge bei der Berechnung des Wohngeldes unberücksichtigt bleiben dürfen.
a) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG sind bei der Berechnung des Wohngeldes alle nach § 2 Abs. 1 und 2 EStG steuerbaren Einkünfte zu berücksichtigen, also - wie aufgezeigt - auch Zinsen aus der Anlage von Schmerzensgeld. Der Wortlaut der Bestimmung lässt es nicht zu, diese Zinserträge zu vernachlässigen.
b) Die Systematik des Gesetzes bestätigt das Ergebnis der grammatikalischen Auslegung. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 15 WoGG gehören Kapitalerträge - soweit sie 100 € übersteigen - zum Jahreseinkommen. Dadurch hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass bei der Ermittlung des Wohngeldes Kapitalerträge unabhängig von ihrer Herkunft nur bis zu dem dort festgelegten Betrag (von bis zu 100 €) von der Berücksichtigung als Einkommen auszunehmen sind, während alle diesen Betrag übersteigenden Erträge Berücksichtigung zu finden haben. Dafür, dass aus der Anlage von Schmerzensgeld stammende Zinsen nicht als Einkommen anzusetzen sind, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.
Soweit der Kläger der Auffassung ist, bei der Bemessung des nach dem Wohngeldgesetz zu berücksichtigenden Einkommens seien mit Blick auf den Grundgedanken des früheren § 88 Abs. 3 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und der Härtefallregelungen des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Sozialgesetzbuch (SGB) - Zweites Buch - (II) sowie des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB - Zwölftes Buch - (XII) Zinseinkünfte aus angelegtem Schmerzensgeld zu vernachlässigen, kann dem bereits aus systematischen Gründen nicht gefolgt werden. Nach den genannten Bestimmungen durfte bzw. darf die Gewährung von Hilfe nicht vom Einsatz und der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden bzw. ist Vermögen nicht zu berücksichtigen, soweit dies eine Härte bedeuten würde. Der darin zum Ausdruck kommende Grundgedanke, dass durch die Anrechnung von Vermögen keine Härte für den Betroffenen bewirkt werden soll, kann auf die hier vorliegende Fallgestaltung nicht übertragen werden.
Zum einen beziehen sich die genannten Härtefallregelungen des Sozial- und Grundhilferechts nicht auf die hier in Rede stehende Frage der Berücksichtigung von Zinseinkünften als Einkommen, sondern auf das in diesen Rechtsgebieten grundsätzlich einzusetzende Vermögen. Zu der Frage, ob und ab welcher Höhe Vermögen bei der Wohngeldberechnung zu berücksichtigen ist, enthält das Wohngeldgesetz eine eigene spezielle Regelung, nach der Vermögen nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen für den Wohngeldanspruch Bedeutung erlangen kann (vgl. § 21 Nr. 3 WoGG).
Zum anderen hält das Wohngeldgesetz durch seine Bezugnahme auf das Einkommensteuerrecht und die diese ergänzenden eigenen Bestimmungen einen speziellen Regelungskomplex für die Berücksichtigung von Einkommen bei der Wohngeldberechnung bereit, der auch die Kapitalerträge erfasst. Auch dies schließt insoweit einen Rückgriff auf (Härtefall-)Regelungen des Sozialhilfe- und Grundhilferechts aus. Im Gegensatz zum Sozialhilfe- und Grundsicherungsrecht, das zwar im Grundsatz alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen ausweist (§ 11 Abs. 1 SGB II, § 82 Abs. 1 SGB XII), davon aber zahlreiche Ausnahmen vorsieht und Einschränkungen festlegt (vgl. §§ 11a, 11b SGB II; §§ 82 bis 85 SGB XII), ist nach dem Wohngeldrecht Einkommen nur anzurechnen, wenn es unter eine der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG fällt oder von dem Katalog des § 14 Abs. 2 WoGG erfasst wird und nicht einer der eng begrenzten Ausnahmetatbestände (Abzugs- und Freibeträge gemäß §§ 16 bis 18 WoGG) vorliegt. Die wohngeldrechtliche Einkommensermittlung weist daher gegenüber derjenigen im Sozialhilfe- und Grundsicherungsrecht zahlreiche Unterschiede und Besonderheiten auf. Während etwa im Recht der Grundsicherung und Sozialhilfe die Nichtberücksichtigung von Schmerzensgeld als Einkommen ausdrücklich normiert ist (§ 11a Abs. 2 SGB II, § 83 Abs. 2 SGB XII), findet sich hierzu im Wohngeldgesetz weder eine eigene Regelung noch ein Verweis auf die zuvor genannten Rechtsgebiete. Es beschränkt sich vielmehr auf die allgemeine Bezugnahme (§ 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG) auf das Einkommensteuergesetz. Gleiches gilt für die Frage, ob und in welchem Maße Kapitalerträge als Einkommen Berücksichtigung finden.
c) Die nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG und der Gesetzessystematik gebotene Berücksichtigung der Zinsen ist keiner Einschränkung dahin zugänglich, dass Kapitalerträge aus der Anlage von Schmerzensgeld zu vernachlässigen sind. Auch insoweit liegen die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion nicht vor. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber entgegen Wortlaut und Gesetzessystematik eine solche Einschränkung, etwa wegen der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes, vornehmen wollte. Auch der Gesetzesgeschichte ist dafür nichts zu entnehmen (vgl. BTDrucks 14/1636 S. 184 f. zu § 10).