Entscheidungsdatum: 28.02.2013
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 2. August 2012 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vierzehn Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Gardelegen vom 5. Juli 2011 und des Amtsgerichts Haldensleben vom 15. Dezember 2012 [richtig: 2011] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dem Verfahren lag eine Verständigung zugrunde. Dem Angeklagten war für den Fall eines Geständnisses eine Gesamtstrafe zwischen drei Jahren und drei Jahren und sechs Monaten zugesichert worden. Mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten eingelegten, auf den Gesamtstrafenausspruch beschränkten und mit der Sachrüge begründeten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Gesamtstrafenbildung. Das Landgericht habe übersehen, dass die Verurteilung vom 5. Juli 2011 Zäsurwirkung entfaltet habe, so dass zwei Gesamtfreiheitsstrafen hätten gebildet werden müssen. Die Revision hat Erfolg.
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt; die weiter gehende Beschränkung auf den Gesamtstrafenausspruch ist hingegen nicht wirksam.
a) Die Feststellungen zum Schuldspruch in den Fällen 1 – 11 der Urteilsgründe stehen einer Beschränkung auf den Strafausspruch nicht entgegen.
Nach den Feststellungen unter II. 1. – 11. des angefochtenen Urteils fuhr der Angeklagte von Anfang Januar 2011 bis 27. Mai 2011 und wieder ab Mitte Juli 2011 bis Anfang August 2011 gemeinsam mit gesondert Verfolgten in mindestens elf Fällen nach E. in den N. , kaufte dort pro Fahrt jeweils mindestens 1 kg Marihuana und führte dieses anschließend zum gewinnbringenden Weiterverkauf nach Deutschland ein. Zwar könnte nach diesen Feststellungen unklar sein, wie viele Taten vor dem 5. Juli 2011 und wie viele danach stattfanden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich jedoch entnehmen, dass die Taten zweimal im Monat stattfanden. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Taten 10, 11 und 12 (1 Tat Mai, 2 Taten Juni) in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurden, erschließt sich hinreichend deutlich, dass der Verurteilung jeweils zwei Taten in den Monaten Januar 2011 bis April 2011, eine Tat im Mai 2011 und zwei Taten von Mitte Juli bis Anfang August 2011 zugrunde liegen.
b) Eine Beschränkung der Revision auf die Anfechtung der Gesamtstrafe ist zwar prinzipiell möglich (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2012 – 2 StR 16/12 mwN.), sie ist hier aber nicht wirksam.
§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB enthält eigene, über § 46 StGB hinausgehende Bewertungsgrundsätze, so dass die Gesamtstrafenbildung grundsätzlich einen gesonderten Strafzumessungsvorgang erfordert (Rissing-van Saan in LK, 12. Aufl., § 54 Rn. 10 mwN). Innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs ist die Gesamtstrafenbildung als Beschwerdepunkt von dem nicht angegriffenen Teil des Strafausspruchs hinsichtlich der Einzelstrafen einer getrennten und umfassenden Überprüfung und Beurteilung durch das Revisionsgericht und den neuen Tatrichter jedenfalls dann zugänglich, wenn bei der Bildung der Gesamtstrafe nicht zur Vermeidung von Wiederholungen (vgl. Rissing-van Saan aaO Rn. 13 mwN) auf die zur Festsetzung der Einzelstrafen niedergelegten Erwägungen Bezug genommen wird (BGH, Urteil vom 8. September 1999 – 3 StR 285/99, NStZ-RR 2000, 13). Eine solche Bezugnahme liegt hier vor, denn die Strafkammer hat die Gesamtstrafe „unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände“ verhängt.
Hinzu tritt hier noch ein weiterer Gesichtspunkt. Die Strafkammer hat die Einzelstrafen ausdrücklich unter Berücksichtigung der in der Hauptverhandlung getroffenen Vereinbarung mit dem Angeklagten über die Höhe der Gesamtstrafe bemessen. Da somit die Verständigung für den gesamten Strafausspruch eine erhebliche Rolle gespielt hat und damit eine Wechselwirkung zwischen den Einzelstrafen und der Gesamtstrafe gegeben ist, ist der gesamte Strafausspruch angegriffen.
2. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur Aufhebung des Strafausspruchs insgesamt.
a) Das Landgericht hat, was es erst bei der Urteilsabfassung erkannt hat (UA 13 f.), den zäsurbildenden Strafbefehl des Amtsgerichts Gardelegen vom 5. Juli 2011 nicht beachtet. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2, § 55 StGB hätte die Strafkammer aus den neun Einzelstrafen für die vor dem 5. Juli 2011 beendeten Taten unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Gardelegen von diesem Tage eine Gesamtfreiheitsstrafe und wegen der fünf restlichen Einzelstrafen für die nach dem 5. Juli 2011 begangenen Taten unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Haldensleben eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe bilden müssen. Dies hätte zwangsläufig zur Verhängung zweier Gesamtfreiheitsstrafen von einmal mindestens einem Jahr und sieben Monaten (Einsatzstrafe ein Jahr sechs Monate) und von mindestens zwei Jahren und vier Monaten (Einsatzstrafe zwei Jahre drei Monate) geführt und für den Angeklagten ein Gesamtstrafübel von zumindest drei Jahren elf Monaten bedeutet. Dieser den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
b) Der Fehler bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe führt auch zur Aufhebung der Einzelstrafen. Die Strafkammer hat bei der Bemessung der Einzelstrafen ausdrücklich auch die Verständigung mit dem Angeklagten berücksichtigt (UA S. 13). Es liegt deshalb nahe, dass sie, wenn sie ihren Fehler bemerkt hätte, niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte, um ein Gesamtstrafübel innerhalb des zugesagten Strafrahmens zu erreichen. Anderenfalls hätte die Strafkammer nach Aufdeckung ihres Irrtums den Angeklagten darauf hinweisen müssen, damit dieser sich im Rahmen der weiteren Hauptverhandlung unter Berücksichtigung der nicht mehr einhaltbaren Zusage umfassend sachgerecht verteidigen konnte (§ 257 c Abs. 4 und 5 StPO).
c) Die Feststellungen sind von dem Fehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Der neue Tatrichter kann ergänzende, den rechtskräftigen Feststellungen nicht widersprechende Feststellungen treffen.
3. Eine Bindungswirkung an die im Rahmen der Verständigung zugesagte Strafobergrenze besteht nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht nicht mehr (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2010 – 5 StR 38/10, StV 2010, 470, und vom 1. März 2011 – 1 StR 52/11, StV 2011, 337; HK-StPO-Temming, 5. Aufl., § 257c Rn. 31; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 257c Rn. 25).
Mutzbauer Roggenbuck Bender
Quentin Reiter