Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 24.02.2010


BGH 24.02.2010 - 5 StR 38/10

Zurückverweisung einer Strafsache durch das Revisionsgericht: Verschlechterungsverbots nach einer verständigten Strafobergrenze


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
24.02.2010
Aktenzeichen:
5 StR 38/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Bremen, 21. September 2009, Az: 61 KLs 903 Js 18785/09 - 3 AR 9/10, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 21. September 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

2

1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:

3

Der 21 Jahre alte Angeklagte konsumierte vor seiner Verhaftung am 22. Juli 2009 vier bis fünf Gramm Marihuana am Tag und zusätzlich an Wochenenden gelegentlich Kokain und Ecstasy. Am 28. Mai 2009 besaß der Angeklagte 166 g Cannabiskraut mit 25 g THC-Anteil sowie nahezu 11 g mit einem Wirkstoffanteil in Höhe von 15 % und ferner zwei Schreckschusspistolen nebst geladenen Magazinen. Der Angeklagte verwahrte 90 g Cannabiskraut für den Zeugen Sch. Aus der größeren, nicht näher festgestellten, gemeinsam mit Sch. gekauften Menge „gab (der Angeklagte) weitere Teilmengen in seinem Wohnzimmer an die Zeuginnen K. und G. gegen Bezahlung ab“ (UA S. 6). Hierzu hat das Landgericht die Aussage der Zeuginnen referiert. Die Zeugin K. habe bekundet, einmal direkt vom Angeklagten erworben und für das Cannabiskraut zehn Euro bezahlt zu haben. Die Zeugin G. habe ausgesagt, sie hätte ungefähr zwei bis drei Monate lang vom Angeklagten sowohl Cannabiskraut als auch Kokain und LSD bekommen und dafür ertrogene Mobiltelefone und einen Laptop übergeben.

4

2. Hierdurch ist der Schuldspruch des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht bewiesen.

5

Das Landgericht hat in seine Feststellungen zu Recht nicht den von der Zeugin G. bekundeten Ankauf von Kokain und LSD einbezogen. Diese Vorgänge waren von der Anklageschrift nicht erfasst.

6

Die Feststellungen belegen das - schlüssig angeklagte - unerlaubte Handeltreiben mit den sichergestellten 177 g Cannabiskraut nicht.

7

Die dem Zeugen Sch. zugeordneten 90 g scheiden aus. Das Landgericht hat nicht beweiswürdigend erwogen, dass insoweit für den Angeklagten ein mittäterschaftliches Handeltreiben gegeben sei. Aber auch für die restlichen 87 g fehlt es an einer beweiswürdigend fundierten Feststellung, dass der Angeklagte diese Menge für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt hatte. Das „nach einer Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten vollumfängliche Geständnis“ (UA S. 8) des Angeklagten bezieht sich lediglich auf den Erwerb von Cannabiskraut (UA S. 8). Eine ergänzende Bezugnahme auf den Anklagesatz ist dem Hinweis, dass der Angeklagte den Anklagevorwurf eingeräumt habe (UA S. 8), nicht zu entnehmen. Die Voraussetzungen des § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO für eine Ermächtigung zur Bezugnahme liegen nicht vor (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 267 Rdn. 2 und 8).

8

Hinsichtlich der Verkäufe von Cannabiskraut an die Zeuginnen K. und G. hat es das Landgericht unterlassen, die Tatzeiten und die Handelsmengen festzulegen. Zudem hat es die gebotene Eigennützigkeit (vgl. BGHSt - GS - 50, 252, 256) nicht beweiswürdigend belegt. Der Angeklagte hat gewinnbringende Verkäufe nicht eingeräumt. Solche anzunehmen, lag zwar im Blick auf den erheblichen Finanzbedarf des Angeklagten für den eigenen Drogenkonsum nahe. Sie traten indes im Zusammenhang mit dem festgestellten Verdienst des Angeklagten noch nicht in einem solchen Ausmaß zutage, dass jede - notwendigerweise über das Geständnis hinausgehende - beweiswürdigende Erwägung entbehrlich gewesen wäre.

9

3. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung.

10

Dabei wird das - die Anklage freilich nicht erschöpfende - Geständnis des Angeklagten nicht dem Verwertungsverbot des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO unterliegen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Bei Einhaltung der auch vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung akzeptierten Strafobergrenze führt das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu deren Perpetuierung im weiteren Verfahren. Zudem ist bei dem hier zu Lasten des Angeklagten vom Tatgericht unzutreffend bewerteten Geständnis nach Korrektur des Wertungsfehlers durch das Revisionsgericht zugunsten des Angeklagten die „Vertragsgrundlage“ für das Geständnis nicht entfallen (vgl. Meyer-Goßner aaO § 257c Rdn. 28).

11

Schon die weitergehenden, vom Landgericht bisher nicht präzisierten Angaben der Zeuginnen K. und G. könnten die Annahme eines nicht unwesentlichen Rauschgifthandels des Angeklagten nahelegen, aus dem sich indiziell der Anklagevorwurf erhärten könnte (vgl. BGH wistra 2002, 430).

12

Zur gegebenenfalls erforderlichen Bewertung des Verhältnisses der Handels- zur Eigenverbrauchsmenge verweist der Senat auf BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5.

Basdorf                                         Brause                                  Schaal

                           König                                        Bellay