Entscheidungsdatum: 04.08.2016
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 26. November 2015, soweit es den Angeklagten Z. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall B. II. der Urteilsgründe verurteilt ist,
b) im Gesamtstrafen- und Maßregelausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten Z. wegen Raubes in Tat-einheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall B. II. der Urteilsgründe) und Verabredung zum schweren Raub oder zur schweren räuberischen Erpressung (Fall B. III. der Urteilsgründe) unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger beanstanden jeweils mit der Sachrüge, dass der Angeklagte im Fall B. II. der Urteilsgründe nur wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und nicht wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Nebenklägers haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
I.
Nach den zu Fall B. II. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen begab sich der Angeklagte Z. am 11. März 2015 nach 18.00 Uhr mit drei unbekannt gebliebenen Mittätern zum Hintereingang eines Juweliergeschäfts in M. , um dort auf den Nebenkläger zu warten, der in dem Juweliergeschäft angestellt war und dessen Räumlichkeiten er stets zu dieser Zeit durch die Hintertür zu verlassen pflegte. Alle Täter trugen schwarze Sturmhauben, dunkle Bekleidung und Handschuhe. Als der Nebenkläger gegen 18.25 Uhr die Hintertür nach dem Verlassen des Ladenlokals wieder verschließen wollte, drängten ihn der Angeklagte und seine Mittäter zurück in das Geschäft. Dabei traten und schlugen sie auf ihn ein. Einer der Täter führte einen umwickelten harten Gegenstand bei sich und versetzte dem Nebenkläger damit einen Schlag in das Gesicht. Es konnte nicht festgestellt werden, welcher der Mittäter den Gegenstand nutzte. Zugunsten des Angeklagten ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass die Verwendung dieses gefährlichen Gegenstands nicht Bestandteil der Tatplanung war und er den Einsatz des umwickelten Gegenstands durch einen der Mittäter weder wahrnahm noch billigte. Im Ladengeschäft erhielt der Nebenkläger von dem Angeklagten und mehreren Mittätern Faustschläge und Fußtritte in unbekannter Anzahl gegen den Körper. Sodann forderte einer der Täter, dem gemeinsamen Tatplan entsprechend, von ihm die Herausgabe des Tresorschlüssels. Durch die vorangegangenen Misshandlungen eingeschüchtert, gab der Nebenkläger den Schlüssel heraus. Der Aufforderung, den Tätern zu zeigen, wo er seine Wertgegenstände aufbewahre, kam der Nebenkläger aus Angst ebenfalls nach. Sodann wurde der Nebenkläger von einem der Mittäter in einen Toilettenraum gedrängt. Dort wurden ihm mit einem von den Tätern mitgebrachten Klebeband der Mund zugeklebt und die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Der Angeklagte hinterließ an einem Rest dieses Klebebands Zellmaterial. Einer der Mittäter blieb im Toilettenbereich, um eine Flucht oder einen Notruf des Nebenklägers zu verhindern. Sodann entwendeten die Mittäter in arbeitsteiligem Handeln aus dem Tresor Uhren, Schmuck und Bargeld in einem Gesamtwert von 20.000 Euro. Außerdem zerstörten der Angeklagte und seine Mittäter diverse Vitrinen, aus denen sie weitere Wertgegenstände entnahmen. Insgesamt entstand ein Schaden in Höhe von ca. 30.000 Euro. Ferner wurde die Brieftasche des Nebenklägers entwendet, in der sich mehrere Kredit- und Bankkarten befanden. Der Nebenkläger konnte sich kurze Zeit später selbst befreien. Er erlitt mehrere Schwellungen und Unterblutungen. Er war 14 Tage arbeitsunfähig krank.
Das Landgericht hat in dem Einsatz des umwickelten Gegenstandes einen nicht vom Vorsatz des Angeklagten Z. umfassten Exzess eines Mittäters gesehen und die Tat als Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 249 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 52 StGB bewertet. Es hat für diese eine Einzelstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe verhängt.
II.
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf den Schuldspruch im Fall B. II. der Urteilsgründe beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Nebenklägers führen zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilaufhebung des landgerichtlichen Urteils. Denn die Strafkammer hätte aufgrund der von ihr getroffenen Feststellungen prüfen müssen, ob der Angeklagte im Fall B. II. der Urteilsgründe wegen des zur Fesselung des Nebenklägers und zum Verkleben seines Mundes verwendeten Klebebands eines schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB schuldig ist.
1. Ein schwerer Raub gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB liegt vor, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Als Mittel kommen dabei auch Fesselungs- und Knebelungswerkzeuge in Betracht, wenn sie einem der angeführten Zwecke dienen sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2007 – 5 StR 216/07, NStZ-RR 2007, 375; Urteil vom 18. Januar 2007 – 4 StR 394/06, NStZ 2007, 332, 334; Beschluss vom 17. Juni 2003 –3 StR 177/03, NStZ-RR 2003, 328, 329 zu § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB; Urteil vom 6. Oktober 1992 – 1 StR 554/92, NStZ 1993, 79 zu § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB aF). Für die Annahme des Qualifikationsmerkmals des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB reicht es aus, dass ein Beisichführen und eine Verwendungsabsicht zu irgendeinem Zeitpunkt vom Ansetzen zur Tat bis zu deren Beendigung gegeben sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2013 – 2 StR 583/12, NStZ-RR 2013, 244, 245; Urteil vom 13. Oktober 1959 – 5 StR 377/59; BGHSt 13, 259 f.).
2. Nach den Feststellungen wurde der Nebenkläger noch vor der Wegnahme der Uhren, des Bargeldes und der übrigen Wertgegenstände aus dem Tresor und den Vitrinen mit mitgebrachtem Klebeband gefesselt und ihm der Mund verklebt. Dies diente unter anderem auch der Vermeidung eines Notrufes. Zwar lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob die Mitnahme des Klebebandes und dessen Einsatz der von vornherein getroffenen Tatabrede entsprachen oder ob es während der Tatausführung insoweit zu einer – sei es auch nur stillschweigenden – Absprache zwischen dem Angeklagten und seinen Mittätern kam. Auch ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte an dessen Verwendung zum Nachteil des Nebenklägers unmittelbar beteiligt war. Mit Rücksicht auf das an einem Rest des Klebebandes aufgefundene Zellmaterial und den Umstand, dass sich der Angeklagte nach dessen Einsatz an der Ausführung der Tat weiter beteiligt hat (zur mittäterschaftlichen Zurechnung in solchen Fällen vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 – 4 StR 265/03, NStZ 2004, 263; Urteil vom 19. September 2001 – 2 StR 224/01, NStZ-RR 2002, 9), hätte sich das Landgericht aber zu einer Prüfung der Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB gedrängt sehen müssen.
3. Die im Rahmen des Anfechtungsumfangs nach § 301 StPO gebotene Überprüfung des Urteils auch zugunsten des Angeklagten hat keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
Da zwischen einer möglichen Verurteilung nach § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB und der – an sich rechtsfehlerfreien – Verurteilung wegen § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB Tatidentität bestünde, ist auch diese aufzuheben. Denn nur auf diese Weise kann verhindert werden, dass der nicht vom Rechtsfehler betroffene Teil in Rechtskraft erwächst, was einer weiteren Verfolgung derselben Tat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, der Anlass zur Aufhebung gegeben hat, wegen des Verbots aus Art. 103 Abs. 3 GG entgegenstünde (BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Die Aufhebung entzieht auch der Gesamtstrafe die Grundlage.
Die Maßregelanordnung nach § 64 StGB kann ebenfalls nicht bestehen bleiben. Zwar ist mit der (nicht angefochtenen) Verurteilung im Fall B. III. der Urteilsgründe eine Symptomtat rechtskräftig festgestellt. Die Entscheidung über die Unterbringung knüpft aber auch an die Verurteilung im Fall B. II. der Urteilsgründe an und ist dadurch mit dem aufgehobenen Schuldspruch untrennbar verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2012 – 2 StR 605/11, NStZ-RR 2013, 54 mwN).
Im Fall einer Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als drei Jahren und gleichzeitiger Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wird der neue Tatrichter auch die Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB in den Blick zu nehmen haben.
Sost-Scheible Cierniak Mutzbauer
Bender Quentin