Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 21.06.2018


BVerwG 21.06.2018 - 4 CN 8/17

Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
21.06.2018
Aktenzeichen:
4 CN 8/17
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:210618U4CN8.17.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 4. April 2017, Az: 3 K 58/16, Urteil
Zitierte Gesetze

Tatbestand

1

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist der am 16. Februar 2015 bekannt gemachte Bebauungsplan "Wohnen am Eichenweg". Dieser überplant ein bebautes, bisher nach § 34 BauGB zu beurteilendes Gebiet als sonstiges Sondergebiet zur Unterbringung von Anlagen und Einrichtungen des Dauerwohnens und der Fremdenbeherbergung. Die textlichen Festsetzungen bestimmen u.a.:

"I.1. Art der baulichen Nutzung (§ 9 (1) Nr. 1 BauGB)

So: Sonstige Sondergebiete nach § 11 BauNVO "Wohnen mit Beherbergung"

Das Sondergebiet "Wohnen mit Beherbergung" dient der Errichtung von Wohngebäuden, für deren Eigentümer regionaltypische Erwerbsmöglichkeiten durch eine ergänzende touristische Vermietung eines Ferienzimmers oder einer Wohnung mit Fremdenbeherbergung gesichert werden sollen.

I.1.1) Zulässig sind:

- Wohngebäude,

- Gebäude und Räume für freie Berufe,

- bis zu ein Fremdenzimmer oder bis zu eine Ferienwohnung/Wohnung mit Fremdenbeherbergung in Wohngebäuden,

- die der Versorgung des Gebiets dienenden nicht störenden Handwerksbetriebe,

- Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

I.1.2) Ausnahmsweise sind zulässig:

- sonstige nicht störenden Gewerbebetriebe,

- Anlagen für Verwaltungen."

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Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Er bewohnt darin eine Wohnung selbst und vermietet drei weitere Wohnungen an Feriengäste.

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Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag abgelehnt. Der einfache Bebauungsplan sei rechtmäßig nach § 13a BauGB beschlossen worden. Er verstoße nicht gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB; ein etwaiger Fehler sei im Übrigen gemäß § 214 Abs. 2a und Abs. 2 Nr. 2 BauGB unbeachtlich. Auch die städtebauliche Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) sei gegeben. Die Festsetzung eines sonstigen Sondergebietes "Wohnen mit Beherbergung" sei mit § 11 BauNVO vereinbar. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2013 - 4 CN 7.12 - (BVerwGE 147, 138) stehe dem nicht entgegen. Abwägungsfehler seien nicht zu erkennen.

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Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er hält den Bebauungsplan für unwirksam. Dieser sei bereits verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das Oberverwaltungsgericht unzutreffend von der Zulässigkeit des beschleunigten Verfahrens nach § 13a Abs. 1 BauGB ausgegangen sei. Tatsächlich seien jedoch die von dem unmittelbar angrenzenden Bebauungsplan "Wohnen am Sportplatz" überplanten Flächen zumindest partiell bei der Berechnung der zulässigen Grundfläche zu berücksichtigen, so dass der Schwellenwert von 20 000 m² überschritten werde und damit § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB einschlägig sei. Die danach erforderliche Vorprüfung auf erhebliche Umweltauswirkungen sei nicht durchgeführt worden. Mit der Frage der Zusammenrechnung der Flächen habe sich das Oberverwaltungsgericht nicht befasst. Der Bebauungsplan sei aber auch deshalb unwirksam, weil die Festsetzung eines Sondergebietes von § 11 BauNVO nicht gedeckt sei. Es liege mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein unzulässiger Nutzungsmix vor.

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Die Antragsgegnerin verteidigt die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angegriffene Urteil steht mit revisiblem Recht im Einklang.

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1. Die Festsetzung eines sonstigen Sondergebietes "Wohnen mit Beherbergung" ist von § 11 BauNVO gedeckt. Das sieht das Oberverwaltungsgericht richtig.

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Voraussetzung für die Festsetzung eines sonstigen Sondergebietes ist nach § 11 Abs. 1 BauNVO, dass sich dieses wesentlich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO unterscheidet. Da sich die Festsetzungsmöglichkeiten aus den Katalogen der Baugebietsvorschriften in einem Sondergebiet nicht beliebig kombinieren lassen, ist ein "Nutzungsmix" außerhalb der Möglichkeiten der §§ 2 bis 10 BauNVO jedoch nur zulässig, wenn sich die Verträglichkeit der Nutzungen aus den Regelungen der Baunutzungsverordnung herleiten lässt (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2009 - 4 CN 2.08 - BVerwGE 134, 117 Rn. 15, vom 11. Juli 2013 - 4 CN 7.12 - BVerwGE 147, 138 Rn. 12 und vom 18. Oktober 2017 - 4 C 5.16 - NVwZ 2018, 824 Rn. 25).

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Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, die Antragsgegnerin habe mit der Ausweisung eines sonstigen Sondergebietes "Wohnen mit Beherbergung" die im Plangebiet bereits vorhandene Vermietung von Ferienwohnungen legalisieren und festsetzen wollen. Es hat die Zweckbestimmung des Baugebietes dahin ausgelegt, dass der Charakter des Gebietes von der Dauerwohnnutzung durch ortsansässige Personen und von einer der Erzielung von Einkünften dienenden Ferienwohnungsnutzung im selben Gebäude geprägt werde, wobei der untergeordnete Charakter des Ferienwohnens daraus folge, dass das Ferienwohnen in einem "Wohngebäude" als zulässig festgesetzt werde. Auf der Grundlage dieser Auslegung hat das Normenkontrollgericht angenommen, dass sich der Gebietscharakter des sonstigen Sondergebietes wesentlich von den Gebieten der §§ 2 bis 9 BauNVO unterscheide und auch ein Ferienhausgebiet nach § 10 BauNVO nicht in Betracht komme. Dauerwohnen einerseits und Ferienwohnen in einem Gebäude mit (mindestens) einer Dauerwohnung andererseits seien auch keine miteinander unverträglichen Nutzungen, so dass sie in einem sonstigen Sondergebiet zulässigerweise kombiniert werden könnten. Hiergegen ist nichts zu erinnern.

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Die vorinstanzliche Auslegung des Ortsrechts ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend. Dafür, dass sich das Normenkontrollgericht bei der Anwendung und Auslegung irrevisiblen Rechts so weit vom zugrunde liegenden Gesetz entfernt haben könnte, dass der Zusammenhang mit dem Gesetz nicht mehr hinreichend erkennbar und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt - auch nicht als richterliche Rechtsfortbildung - verständlich ist (BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 2008 - 9 B 81.07 - Buchholz 401.0 § 171 AO Nr. 1 Rn. 8), bestehen keine Anhaltspunkte.

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Dass in einer Konstellation wie der danach festgestellten die Kombination von Dauerwohnen und Ferienwohnen in einem sonstigen Sondergebiet zulässig ist, hat der Senat bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2017 - 4 C 5.16 - NVwZ 2018, 824) und wird vom Antragsteller nicht mehr in Zweifel gezogen.

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2. Die Rüge des Antragstellers, Bundesrecht sei verletzt, weil das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen sei, dass der angefochtene Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren ergehen konnte, bleibt ohne Erfolg; dieser Vortrag kann in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung mehr finden.

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Nach § 137 Abs. 2 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht sind. Es hat folglich seiner rechtlichen Beurteilung den festgestellten Sachverhalt zugrunde zu legen und kann seine Entscheidung nicht auf Tatsachen stützen, die das Tatsachengericht nicht festgestellt hat. Es ist gehindert, ergänzenden oder abweichenden Tatsachenvortrag der Beteiligten zu berücksichtigen (BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 1975 - 5 C 2.75 - BVerwGE 50, 64 <70>, vom 3. Juni 1977 - 4 C 37.75 - BVerwGE 54, 73 <75> und vom 23. Januar 1981 - 4 C 82.77 - BVerwGE 61, 285 <286>). In der Revisionsinstanz können mithin keine neuen Tatsachen eingeführt werden (BVerwG, Urteile vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 21, vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 18, vom 29. Juni 2011 - 8 C 7.10 - Buchholz 451.04 Statistik Nr. 12 Rn. 35, vom 11. Dezember 2008 - 3 C 33.07 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 109 Rn. 28, vom 18. Dezember 1991 - 4 C 23.88 - Buchholz 406.39 Denkmalschutzrecht Nr. 5 = juris Rn. 14).

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Der Antragsteller wirft im Revisionsverfahren die Frage auf, ob der angefochtene Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren hätte ergehen dürfen. Er stellt das in Abrede, weil nach seiner Auffassung die durch den Bebauungsplan "Wohnen am Sportplatz" überplanten Flächen zumindest teilweise über § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Halbs. 2 BauGB zu den Flächen des angefochtenen Bebauungsplans hinzuzurechnen seien und damit die maßgebliche Grundfläche i.S.v. § 19 Abs. 2 BauNVO von 20 000 qm überschritten werde. Im Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht war die Frage jedoch nicht aufgeworfen worden. Insofern fehlt es auch an entsprechenden Feststellungen der Vorinstanz. Das Oberverwaltungsgericht hat lediglich ausgeführt, dass der Schwellenwert des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB aufgrund einer zulässigen Grundfläche nach § 19 Abs. 2 BauNVO von insgesamt 19 696 qm nicht erreicht sei. Diese Feststellung ist überdies in sich widersprüchlich. Wie das Oberverwaltungsgericht selbst dargelegt hat, enthält der angefochtene Bebauungsplan keine Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung; von einer zulässigen Grundfläche i.S.v. § 19 Abs. 2 BauNVO durfte es deshalb nicht ausgehen. Die angesetzten 19 696 qm bilden auch nicht die nach § 13a Abs. 1 Satz 3 BauGB maßgebliche voraussichtlich versiegelte Fläche ab, sondern entsprechen nach der Begründung des Bebauungsplans (1.2.1 Planungsziele) der Gesamtfläche der überplanten Baugrundstücke im Plangebiet.

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Der Vortrag des Antragstellers musste deshalb im Revisionsverfahren unberücksichtigt bleiben. Dass hier ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 18 und vom 17. Juni 1997 - 9 C 10.96 - BVerwGE 105, 60 = juris Rn. 14), ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.