Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.08.2011


BPatG 18.08.2011 - 33 W (pat) 537/10

Markenbeschwerdeverfahren – " SanExpert[s] (Wort-Bild-Marke)" – Freihaltungsbedürfnis - keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
33. Senat
Entscheidungsdatum:
18.08.2011
Aktenzeichen:
33 W (pat) 537/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 063 391.6

hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Bender, den Richter Kätker und die Richterin Dr. Hoppe am 18. August  2011

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Am 27. Oktober 2009 hat die Anmelderin die Wort-/Bildmarke

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2

für Dienstleistungen der Klasse 37:

3

"Gebäude-, Hausrat- und Inventarsanierung, insbesondere Beseitigung von Brand-, Wasser- und Schimmelpilzschäden; Trocknung von feuchten Gebäuden und Gebäudeteilen; Ortung und Reparatur von Leitungsleckagen in Gebäuden; Bauwesen; Reparaturwesen; Installationsarbeiten"

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angemeldet.

5

Die Markenstelle für Klasse 37 hat die Anmeldung mangels hinreichender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG mit Beschluss vom 6. April 2010 zurückgewiesen.

6

Sie hat hierzu ausgeführt, dass es sich um eine sprachüblich gebildete, beschreibende Wortkombination mit der Bedeutung "Sanierungsexperte(n)" handele, deren grafische Ausgestaltung keine charakteristischen Merkmale aufweise, die eine kennzeichnungskräftige Verfremdung des Gesamteindrucks der übrigen beschreibenden Elemente bewirke.

7

Die begehrten Dienstleistungen würden sämtlich die Sanierung von Immobilien einschließlich deren Ausstattung zum Inhalt und Gegenstand haben oder für eine Sanierung bestimmt oder deren Voraussetzung sein.

8

Der Zeichenbestandteil "San" werde regelmäßig im Zusammenhang mit der Beschreibung oder Verbesserung des Zustands von Immobilien oder Bauten als Kurzform für "saniert" oder "Sanierung" verwendet. Selbst wenn dieser Zeichenbestandteil auch für andere Begriffe stehen könne, sei dies nicht geeignet, die Schutzfähigkeit der Marke zu begründen, da die Bedeutung stets im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu prüfen sei.

9

Bei dem weiteren Zeichenbestandteil "Expert[s]" handele es sich um ein leicht verständliches Wort der englischen Sprache, das schon aufgrund seiner Nähe zu dem deutschen Wort "Experte(n)" von den Verkehrskreisen in seiner Bedeutung verstanden werde.

10

Auch die Zusammensetzung des Zeichens aus der im deutschen Sprachraum verwendeten Kurzform "San" und dem englischen Wort "Expert" könne nicht automatisch die Eignung zur betrieblichen Herkunft begründen. Da die zu unterstellende Zweisprachigkeit nicht zu einer phantasievollen Mehrdeutigkeit oder Interpretationsfähigkeit führe.

11

Die grafische Gestaltung könne die Schutzfähigkeit der Wort-/Bildmarke nicht begründen, da der Verkehr aufgrund der Vielzahl von grafischen Ergänzungen oder Ausgestaltungen nicht dazu neige, einzelne Schriftbilder und deren Bestandteile nach Farbe, Zeilenzahl, Schriftform oder Größe zu analysieren. Einfache und gebräuchliche Gestaltungen und Verzierungen könnten den sachbezogenen Charakter einer Angabe regelmäßig nicht beseitigen. Vorliegend könne die eckige Klammer mit einem gewöhnlichen Zeichensatz dargestellt werden. Durch die gewählte rote Klammer werde lediglich farblich betont, dass sowohl die Singular- als auch die Pluralform des Begriffs "SanExpert" in einem dargestellt sei. Derartige Schreibweisen mit Klammern seien üblich, so dass grafische Elemente vorliegend in der Gesamtheit keine charakteristischen Merkmale aufweisen würden, die der Verkehr als Herkunftshinweis ansehen könnte.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 37 vom 6. April 2010 aufzuheben.

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Sie ist der Auffassung, dass die von der Markenstelle für Klasse 37 vorgebrachten Belege für die beschreibende Verwendung der Abkürzung "San" nicht aussagekräftig seien, da die Benutzung einer Kurzform in amtlichen und ähnlichen Schriftstücken nichts über die außergewöhnliche Bekanntheit einer derartigen Abkürzung besage. Gegen ein entsprechendes Verkehrsverständnis spreche im Übrigen, dass es sich bei dem ersten Zeichenbestandteil der begehrten Marke "Expert[s]" um ein englisches Wort handele, weshalb der Verkehr auch bei dem weiteren Wortzeichen "San" nicht an eine deutschsprachige Abkürzung denke.

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Aufgrund der Zweisprachigkeit handele es sich auch nicht um eine sprachgemäße Wortneubildung und dieser sei auch kein eindeutiger Begriffsinhalt zuzuweisen.

16

Eine Unterscheidungskraft ergebe sich darüber hinaus aufgrund der unterschiedlichen Bedeutungsinhalte der Abkürzung mit entweder "saniert" oder "Sanierung". Darüber hinaus bildeten auch die unterschiedlichen Schreibweisen der Abkürzung, nämlich mit oder ohne einen Punkt am Ende eine ausreichende Unterscheidungskraft. Die Gewöhnung des Verkehrs an die Abkürzung "San" dürfe nicht aus entsprechenden Firmenbezeichnungen geschlossen werden.

17

Im Hinblick auf die grafische Ausgestaltung handele es sich um eine auffällige, fantasievolle und daher einprägsame Schreibweise und farbliche Gestaltung. Die rote eckige Klammer falle jedem Betrachter sofort auf und habe einen hohen Wiedererkennungswert, da derartige farbige eckige Klammern in Marken äußerst ungewöhnlich seien. In Kombination mit der auch sonst unüblichen Schreibweise der Anmeldemarke, nämlich unterschiedlichen Buchstabentypen und Großschreibung in der Wortmitte, ergebe sich somit ein Gesamteindruck, der vom Verkehr – anders als der beschreibende Begriff "Sanierungsexperten" - nicht als Merkmalsbezeichnung, sondern als Betriebshinweis aufgefasst werde.

18

Ergänzend weist die Anmelderin auf die Voreintragungen der Wort-/Bildmarke "SanExpert" (302010012889.5-7) und "Seno-Expert" (302010013105.5) hin.

19

Der Anmelderin sind Kopien des Ergebnisses einer vom Senat durchgeführte Recherche übersandt worden.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

21

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

22

Der angemeldeten Marke stehen hinsichtlich der begehrten Waren und Dienstleistungen die Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Anmeldung ist deshalb von der Markenstelle zu Recht gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen worden.

1.

23

a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können.

24

Bei der Auslegung der absoluten Eintragungshindernisse ist nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 Abs. 1 der MarkenRL (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union 2008/95/EG) das Allgemeininteresse, das der Regelung zugrunde liegt, zu berücksichtigen (EuGH GRUR 2008, 608 (Nr. 66) - EUROHYPO m. w. N.). Die auf Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der MarkenRL zurückzuführende Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, sämtliche Zeichen oder Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beschreiben, frei zu halten (EuGH GRUR 2008, 503 (Nr. 22, 23) - ADIDAS II). Es gibt nämlich - insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit eines unverfälschten Wettbewerbs - Erwägungen des Allgemeininteresses, die es ratsam erscheinen lassen, dass bestimmte Zeichen von allen Wettbewerbern frei verwendet werden können. Solche Zeichen oder Angaben dürfen deshalb nicht aufgrund einer Eintragung nur für ein Unternehmen monopolisiert werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 25) - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 146 (Nr. 31) - DOUBLEMINT; EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 54, 56) - Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Nr. 35 - 36) - BIOMILD; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rd. 222 m. w. N.).

25

b) Bei der Prüfung von Eintragungshindernissen ist auf die Wahrnehmung des angesprochenen Verkehrs abzustellen. Dieser umfasst alle Kreise, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Dienstleistungen Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 65) - Henkel).

26

Im Hinblick auf die hier begehrten Waren und Dienstleistungen zählen zum angesprochenen Verkehr sowohl Fachkreise als auch Endverbraucher. Auszugehen ist dabei von dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 29) - Chiemsee; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rd. 23 ff.).

27

c) Ausgehend von diesen Vorgaben ist das begehrte Zeichen für die angemeldeten Dienstleistungen aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs beschreibend im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da es mit seiner Bedeutung "Sanierungsexperte(n)" den Erbringer der Dienstleistung und damit ein Merkmal des Produkts bezeichnet. Die begehrte Marke darf daher nicht monopolisiert werden.

28

aa) Das angemeldete Zeichen setzt sich aus den Bestandteilen "San(s)" und "Expert" zusammen. Beide Begriffe wird der angesprochene Verkehr, wenn ihm das Zeichen im Zusammenhang mit den begehrten Dienstleistungen begegnet, als Hinweis auf einen bzw. mehrere Sanierungsexperten erkennen.

29

Aus den von der Markenstelle vorgelegten Anlagen ergibt sich, dass der Zeichenbestandteil "San" in Zusammenhang mit Gebäuden, Immobiliendienstleistungen und Baudienstleistung insbesondere in Zusammenhang mit Sanierungsmaßnahmen als Abkürzung für "Sanierung" oder "saniert" benutzt wird. Soweit die Anmelderin hiergegen einwendet, dass die Benutzung einer Abkürzung in amtlichen und ähnlichen Schriftstücken nichts über die außerbehördliche Bekanntheit besage, ist dem entgegenzuhalten, dass zahlreiche Belege der Markenstelle nicht aus dem behördlichen Umkreis stammen, sondern allgemeine Zeitungs- und Werbeanzeigen oder Artikel betreffen. Im Übrigen wird ergänzend auf die Anlagen aus der Internetrecherche des Senats (im Folgenden: Anlagen) Bezug genommen. Insbesondere findet sich die Bedeutung "Sanierung" für die Abkürzung "San" auch in Abkürzungswörterbüchern (vgl. Anlage).

30

Darüber hinaus belegen zahlreiche Bildungen von Marken bzw. Unternehmenskennzeichen, dass der Verkehr es gewöhnt ist, durch die Buchstabenfolge "San" auf Sanierungsmaßnahmen hingewiesen zu werden (vgl. hierzu Anlagen: "sanartec GmbH", "san-tax Gesamtschadensanierung", "weber.san-Mauerwerksanierung; "Rekosan"; "Renosan"; Bio-San-Tec", "Aquasan", "IMMO-SAN", " trisan".

31

Das Wort "Expert" bzw. "Expert[s]" ist in der konkret angemeldeten Schreibweise dem englischen Wortschatz zuzuordnen und wird schon aufgrund der Ähnlichkeit zu dem entsprechenden deutschen Wort "Experte/Experten" vom angesprochenen Verkehr, bei dem es sich sowohl um Fachverkehrskreise als auch um Endverbraucher handeln dürfte, ohne weiteres sachbezogen in dem Sinne verstanden, dass die beanspruchten Dienstleistungen von Experten erbracht werden (in diesem Sinne ebenfalls: BPatG 28 W (pat) 59/00 - XPERT; BPatGE 17, 261 - X-pert).

32

bb) Auch die bei zusammengesetzten Zeichen vorzunehmende Gesamtbetrachtung der beiden Wortbestandteile der beanspruchten Wort-/Bildmarke führt vorliegend nicht zu einer Aussage, die über die der Einzelelemente hinausgeht. Vielmehr wird der Verkehr die Marke dahingehend verstehen, dass Sanierungsmaßnahmen von Sanierungsexperten erbracht werden, zumal der Begriff "Sanierungsexperte" in Zusammenhang mit baulichen Sanierungsmaßnahmen sehr häufig verwendet wird (vgl. Anlagen) und für die begehrten Dienstleistungen beschreibend ist, was auch die Anmelderin zugesteht.

33

Durch die Verkürzung auf "SanExpert(s)" wird der beschreibende Sachinhalt nicht verändert. Zwar handelt es sich um eine lexikalisch nicht nachweisbare, neue Wortschöpfung. Dies allein genügt indes nicht, um von dem beschreibenden Gehalt wegzuführen, vielmehr wäre darüber hinaus erforderlich, dass die Wortzusammensetzung zu einem von der Summe ihrer Einzelbestandteile abweichenden Eindruck führt, der wesentliche Elemente wie die Form des Zeichens oder seine Bedeutung betrifft. Dies setzt voraus, dass das, woran das zusammengesetzte Zeichen denken lässt, nicht exakt mit der Summe der Angaben der beschreibenden Elemente übereinstimmt. Eine Marke, die sich aus einer sprachlichen Neuschöpfung mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jede Merkmale der Waren oder Dienstleistungen beschreibt, für die die Eintragung beantragt wird, hat nämlich selbst einen beschreibenden Charakter, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung und der Summe ihrer Bestandteile besteht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 28) - SAT.2; EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 96) - Postkantoor; BGH GRUR 2008 710 (Nr. 13) - VISAGE). Eine derartige Abweichung des Gesamteindrucks von der Summe der Einzelbestandteile des angemeldeten Wortzeichens ist hier indes nicht zu erkennen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der verständige Durchschnittsverbraucher es gewöhnt ist, mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, die in ihrer sprachlichen oder grammatikalischen Ausgestaltung oder Zusammensetzung nicht unmittelbar zum deutschen Sprachschatz zählen, sondern den in der Werbesprache üblichen Kurzfassungen folgen. Gleichwohl nimmt der Durchschnittsverbraucher durch derartige prägnante Formulierungen sachbezogene Informationen auf. Insoweit können auch Abkürzungen als beschreibende Art- oder Beschaffenheitsangaben in Betracht kommen, zumal bei der Typisierung von Waren oder Dienstleistungen häufig eine möglichst knappe und griffige Ausdrucksweise bevorzugt wird (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rd. 264 m. w. N.). Auch Abkürzungen sind daher schutzunfähig, soweit diese – wie hier - für die beteiligten Verkehrskreise verständlich sind und ebenso wie die betreffende vollständige Beschaffenheitsangabe eingesetzt werden können (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rd. 264 m. w. N.).

34

Selbst wenn der Wortkombination darüber hinausgehend weitere Bedeutungen zukommen würden, würde dieser Umstand im Übrigen nicht zur Überwindung des Eintragungshindernisses führen. Das Eintragungshindernis besteht vielmehr schon dann, wenn nur eine von mehreren Deutungsmöglichkeiten einen beschreibenden Inhalt hat (EuGH GRUR 2004, 146 (Nr. 32) - Doublemint; EuGH GRUR 2004, 680 (Nr. 38) - BIOMILD. Der Grundsatz, dass eine Angabe, die jedenfalls mit einer Bedeutung zur Beschreibung der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen kann, gilt für alle beschreibenden Angaben und damit auch für Abkürzungen (EuG GRUR Int. 2004, 328 (Nr. 36) - TDI; EuG GRUR Int. 2008, 838 (Nr. 25 - 30, 36, 37).

35

d) Entgegen der Auffassung der Anmelderin genügt auch die grafische Ausgestaltung des Zeichens nicht, um der Marke zur Eintragung zu verhelfen.

36

Bei der gewählten Binnengroßschreibung handelt es sich um ein werbeübliches Mittel (vgl. EuGH GRUR 2006, 229 (Nr. 71) - BioID; EuG GRUR Int. 2008, 1037 (Nr. 30) - BioGeneriX), das den beschreibenden Inhalt der einzelnen Wortbestandteile eher hervorheben dürfte, als von diesem hinweg zu führen. Gleiches gilt für den im Vergleich zum zweiten Wortbestandteil in Fettdruck hervorgehobenen Begriff "San". Auch die übrigen grafischen Elemente, nämlich die Ergänzung des Buchstabens "s" in einer eckigen, roten Klammer hebt sich bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht derart von üblichen, rein dekorativen Hervorhebungsmitteln ab, dass sie eine hinreichende, den schutzunfähigen Charakter der üblichen Markenbestandteile aufhebende, kennzeichnungskräftige Verfremdung des Gesamteindrucks der Marke bewirken könnten (vgl. dazu: BGH GRUR 2001, 1153 - anti KALK; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rd. 126 f.) Insoweit ist zu berücksichtigen, dass selbst bei mehrfarbigen Bildmarken, die neben einfachen Unterstreichungen sogar symbolische Verzierungen aufwiesen oder auch für Bildzeichen mit zusätzlichen Besonderheiten bei der Wortdarstellung, eine solche Eignung verneint worden ist (vgl. EuG T-425/07 (Nr. 27) - Einhundert; EuG GRUR Int. 2003, 834 (Nr. 33 - 37) - Best Buy, bestätigt durch EuGH C-92/10 (Nr. 56) - Best Buy). Unauffällige grafische Gestaltungen, die das Schriftzeichen nur durch einfache Striche/ Unterstreichungen, Rahmen oder ähnliches  hervorheben, sind noch nicht einmal als eigenständiges Element der Marke anzusehen, sondern lediglich als akzessorisches Annex des Wortzeichens. In einem solchen Fall besteht die Bildmarke daher ausschließlich aus einem beschreibenden Element (vgl. zu anderen Bildmarken im Ergebnis ebenso: EuG T-64/09 (Rd. 42) - >packaging; BGH GRUR 1997, 634 Ziff.3b) – TURBO; BPatG 33 W (pat) 47/09 – Stubengasse Münster).

37

Die hier gewählte Kombination von schwarzer bzw. schwarz-grauer Farbe mit rotem Bestandteil ist in der Werbung üblich. Gleiches gilt für die Verwendung eckiger Klammern in Markenbezeichnungen (vgl. Anlagen). Auch die Verwendung einer Klammer als Mittel einer Ellision und Addition ist ein gebräuchliches Mittel und wird vom Verkehr entsprechend verstanden (vgl. dazu: Anlagen). Dieses Stilmittel wird auch in Zusammenhang mit dem Wort "Expert" genutzt (siehe Anlagen: "Expert(en) /-innen"; "Wie Lehrlinge zu Expert(en) werden…").

38

e) Auch der Umstand, dass eine tatsächliche beschreibende Verwendung der Wortkombination bislang nicht zu erkennen ist, steht dem Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen, da es sowohl nach der Formulierung der entsprechenden Norm im Markengesetz, als auch nach der rechtlichen Grundlage in Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe c MarkenRL ausreicht, wenn die Angaben zur Beschreibung von Waren und Dienstleistungen "dienen können" ohne dass bereits eine tatsächliche Verwendung erfolgt sein müsste (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 97) - Postkantoor). Hiermit wird klargestellt, dass bereits die bloße Eignung einer Angabe oder eines Zei-chens zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 30) - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 146 (Nr. 32) - Doublemint; EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 97) - Postkantoor; BGH GRUR 2008, 900 (Nr. 12) - SPA II). Hintergrund ist die Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren mögliche künftige beschreibende Verwendung (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 241). Zur Prüfung bedarf es einer realitätsbezogenen Prognose, die auch mögliche, nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen berücksichtigt, welche eine beschreibende Verwendung der betreffenden Angabe vernünftigerweise erwarten lassen. Dies ist vorliegend ohne weiteres zu bejahen, da die Kombination der Wortzeichen in ihrem Aussagegehalt lediglich die Summe der Einzelbestandteile mit den in ihnen verkörperten Sachinformationen zur Beschreibung der angemeldeten Waren und Dienstleistungen verkörpert. Es ist daher zu erwarten, dass ein Bedarf besteht, auch die Wortkombination zur prägnanten Beschreibung des Erbringers der betroffenen Dienstleistungen zu nutzen.

2.

39

Dem begehrten Zeichen fehlt auch die Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

40

Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 29) - Maglite; EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 30 f.) - Henkel). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 23, 24) - Thomson LIFE; EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 23) - SAT.2; BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 12) - VISAGE). Der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist. In Anbetracht des Umfangs des einer Marke verliehenen Schutzes gehen das Allgemeininteresse, das § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zugrunde liegt, und die wesentliche Funktion der Marke, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, um diese ohne Verwechslungsgefahr von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden, offensichtlich ineinander über (EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 23, 27) - SAT.2). Die Prüfung der Herkunftsfunktion hat dabei streng und umfassend zu erfolgen, um die ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 45) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; EuGH GRUR 2003, 604 (Nr. 59) - Libertel; EuGH GRUR 2003, 58 (Nr. 20) - Companyline; BGH GRUR 2009, 949 (Nr. 11) - My World; BGH BlPMZ 2010, 273 (275) - Roche-Kugel).

41

Das hier beanspruchte Zeichen ist im Hinblick auf die angemeldeten Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig, denn das angesprochene Publikum wird ihm nicht den Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen können. Eine Wortmarke, die, wie die hier begehrte Marke Merkmale von Dienstleistungen beschreibt, fehlt regelmäßig die Unterscheidungskraft in Bezug auf diese Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 86) - Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Nr. 19) - BIOMILD). Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 16) - VISAGE; BGH GRUR 2006, 850 (Nr. 19) FUSSBALL WM 2006 m. w. N.).

3.

42

Soweit die Anmelderin auf Voreintragungen Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass diese keine Bindungswirkung haben (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 (Nr. 18) - Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2008, 1093 (Nr. 8) - Marlene-Dietrich-Bildnis; zuletzt: BGH GRUR 2011, 230 – SUPERgirl; BGH MarkenR 2011, 66 - Freizeit Rätsel Woche). Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist. Ausgehend von Art. 20 Abs. 3 GG ist die rechtsprechende Gewalt allein an Recht und Gesetz gebunden, nicht aber an vorangehende Entscheidungen eines Amtes, dessen Tätigkeit gerade überprüft werden soll. Aus dem Gebot rechtmäßigen Handelns folgt zudem, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen.

43

Im Übrigen fehlt es auch wegen der Unterschiede bei der Zeichenbildung an der Vergleichbarkeit des angemeldeten Zeichens mit den von der Anmelderin erwähnten Voreintragungen. So ist im Hinblick auf die Anmeldung 30201001 2889.5-7 zu berücksichtigen, dass die grafische Ausgestaltung mit einer Vielzahl verschiedener Farben und symmetrisch angeordneter Rechtecke in ihrer grafischen Ausgestaltung deutlich über die der vorliegend begehrten Marke hinausgeht. Die Anmeldung 302010013105 betrifft die Wortmarke "SenoExpert" und beinhaltet daher einen anderen Wortbestandteil als die hier begehrte Marke.