Entscheidungsdatum: 07.12.2010
STUBENGASSE MÜNSTER
Unauffällige grafische Gestaltungen, die die Wortelemente eines Zeichens nur durch einfache Striche/Unterstreichungen, Rahmen oder ähnliches hervorheben und übliche Farben verwenden, wie rote und graue Farbtöne, sind nicht als eigenständiges Element einer Marke anzusehen, sondern lediglich als akzessorisches, nebensächliches Annex des Wortzeichens, was es rechtfertigt, eine derartige Bildmarke als ausschließlich beschreibendes Zeichen nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückzuweisen.
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 043 100.8
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Bender, den Richter Kätker und die Richterin Dr. Hoppe am 7. Dezember 2010
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Am 4. Juli 2008 hat die Anmelderin die Wort-/Bildmarke
als farbige Eintragung unter Inanspruchnahme der Farben Dunkelgrau, Grau und Weinrot für das nachfolgende Verzeichnis von Dienstleistungen angemeldet:
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; betriebswirtschaftliche Planung von Immobilienobjekten und Einrichtungen, insbesondere von Einzelhandels- und Dienstleistungsobjekten; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu Präsentations- und Verkaufszwecken; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien für den Einzelhandel;
Klasse 36: Immobilienwesen; Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich finanzielle Vorbereitung von Bauvorhaben; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Immobilienverwaltung, sowie Vermittlung, Vermietung und Verpachtung von Immobilien (Facility management); Vermietung von Büros (Immobilien); Vermietung von Wohnungen;
Klasse 37: Bauwesen
Klasse 42: Technische Planung von Immobilienobjekten und Einrichtungen, insbesondere von Einzelhandels- und Dienstleistungsobjekten;
Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen.
Mit Beschluss vom 8. Januar 2009 hat die Markenstelle für Klasse 36 die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Sie hat hierzu ausgeführt, dass es sich bei der sprachüblich gebildeten Wortfolge des begehrten Zeichens um die Kombination eines Straßennamens mit einer geografischen Angabe handele. Die Bezeichnung werde im Internet häufig zur Beschreibung und/oder als Hinweis auf ein Einzelhandels- und Dienstleistungszentrum, welches in Münster neu erbaut werde, verwendet. Die angemeldete Bezeichnung könne somit durchaus als Ursprungs- bzw. Entwurfsort oder als Erbringungsstätte der angebotenen Dienstleistungen verstanden werden. Dies gelte insbesondere, weil gerade die begehrten Dienstleistungen von einem bestimmten Ort aus organisiert und/oder konzipiert würden und dann an anderen Plätzen, beim Kunden, durch Mittelspersonen oder Medien angeboten und durchgeführt würden.
Auch die grafische Gestaltung der angemeldeten Marke verleihe ihr keine Unterscheidungskraft und führe nicht von der Sachangabe fort. Die zweifarbige grafische Gestaltung beschränke sich auf die Untereinanderschreibung einzelner Wörter in Großschreibung. Dabei handle es sich um gängige und bekannte Gestaltungsmittel zur Hervorhebung von Sach- und Werbeangaben, an die der Verkehr gewöhnt sei. Die grafische Ausgestaltung sei daher nicht geeignet, die Sachaussage der Wortelemente zu überwinden und der Marke in ihrem Gesamteindruck die Eignung zur Unterscheidung der betrieblichen Herkunft der verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen zu verleihen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, dass sich aus der begehrten Wortfolge keine beschreibende Information über die unter dieser Marke angebotenen Dienstleistungen ergebe. Allenfalls könne darin ein Hinweis auf den Ort gesehen werden, an dem die Dienstleistungen angeboten würden. Ein schlagwortartiger Hinweis auf den Inhalt und Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen liege nicht vor. Insbesondere ergebe sich kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt. Vielmehr sei unter der Marke „STUBENGASSE MÜNSTER“ jegliches Waren- oder Dienstleistungsangebot denkbar.
Auch der Hinweis des Amtes auf die Nennung des begehrten Zeichens unter Bezugnahme auf ein Einzelhandels- und Dienstleistungszentrum gehe fehl, da es sich bei der Stubengasse in Münster um eine äußerst kurze Straße handele. Das vom Amt erwähnte Einzelhandels- und Dienstleistungszentrum umfasse letztlich die gesamte Stubengasse und werde von der Anmelderin erbaut. Letztlich sei die Anmelderin daher die „Stubengasse Münster“. Des Weiteren sei die wirtschaftliche Bedeutung der Stubengasse erst infolge des von der Anmelderin initiierten Projekts entstanden. Im Übrigen sei ausweislich der Rechtsprechung des BPatG bei Straßennamen nur dann von einer fehlenden Unterscheidungskraft auszugehen, wenn der Verbraucher der Verwendung des Straßen- bzw. Ortsnamens eine bestimmte Symbolik beimesse und wenn der genannte Ort für den angeblichen Geschäftszweig eine so grundlegende Bedeutung entfalte, dass sich bei seiner Nennung die Assoziation mit einer Ware aufdränge. Dies sei bei dem hier begehrten Zeichen nicht der Fall.
Schließlich meint die Anmelderin, die Abweichung von der üblichen Formulierung „ aus der Stubengasse in Münster“, führe von der rein beschreibenden Bedeutung weg. Im Übrigen bleibe es den Inhabern der in der Stubengasse ansässigen Unternehmen gemäß § 23 Nr. 1 MarkenG unbenommen, auf ihren Geschäftssitz in dieser Straße hinzuweisen.
Ergänzend weist die Anmelderin auf verschiedene Voreintragungen und Gerichtsentscheidungen hin, in denen Zeichen, die (auch) geografische Bezeichnungen enthalten, eingetragen worden sind.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 8. Januar 2009 aufzuheben.
Mit Schreiben vom 21. September 2010 hat der Senat die Anmelderin unter Vorlage von Belegen aus dem Internet (im Folgenden als Anlage zitiert) darauf hingewiesen, dass die Beschwerde wegen Eintragungshindernissen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg.
Der angemeldeten Marke stehen hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen die Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Anmeldung ist deshalb von der Markenstelle zu Recht gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen worden.
1.
a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können.
Bei der Auslegung der absoluten Eintragungshindernisse ist nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 Abs. 1 MarkenRL (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union 2008/95/EG) das Allgemeininteresse, das der Regelung zugrunde liegt, zu berücksichtigen (EuGH GRUR 2008, 608 (Rd. 66) - EUROHYPO m. w. N.). Die auf Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c MarkenRL zurückzuführende Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, sämtliche Zeichen oder Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beschreiben, frei zu halten (EuGH GRUR 2008, 503 (Rd. 22, 23) - ADIDAS II). Es gibt nämlich - insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit eines unverfälschten Wettbewerbs - Erwägungen des Allgemeininteresses, die es ratsam erscheinen lassen, dass bestimmte Zeichen von allen Wettbewerbern frei verwendet werden können. Solche Zeichen oder Angaben dürfen deshalb nicht aufgrund einer Eintragung nur für ein Unternehmen monopolisiert werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Rd. 25) - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 146 (Rd. 31) - DOUBLEMINT; EuGH GRUR 2004, 674 (Rd. 54, 56) - Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Rd. 35 - 36) - BIOMILD; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rd. 222 m. w. N.).
b) Bei der Prüfung von Eintragungshindernissen ist die Auffassung des beteiligten inländischen Verkehrs maßgeblich, wobei dieser alle Kreise umfasst, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Dienstleistungen Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 (Rd. 65) - Henkel).
Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen zählen im vorliegenden Fall sowohl der Geschäftsverkehr als auch allgemeine Verbraucherkreise. Die angemeldeten Dienstleistungen der Klassen 36, 37, 42 und 43, sowie die unter der Klasse 35 angemeldeten Büroarbeiten richten sich neben dem Geschäftsverkehr auch an breite Verbraucherkreise, wobei von dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszugehen ist (EuGH GRUR 2006, 411 (Rd. 24) - Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 (Rd. 29) - Chiemsee; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rd. 23 ff.). Die übrigen unter der Klasse 35 angemeldeten Dienstleistungen setzen das Bestehen eines Unternehmens voraus und richten sich dementsprechend ausschließlich an das mit der Unternehmensführung oder -verwaltung betraute Fachpersonal.
c) Ausgehend von diesen Vorgaben ist die begehrte Wortfolge für die angemeldeten Dienstleistungen aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs beschreibend, denn bei der Bezeichnung „STUBENGASSE MÜNSTER“ handelt es sich um einen geografischen Herkunftshinweis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Die vom EuGH aufgestellten und aufgrund der Harmonisierung des Markenrechts durch die MarkenRL auch für nationale Marken in der Europäischen Gemeinschaft anzuwendenden Kriterien gelten nicht nur für Waren, sondern in gleicher Weise für Dienstleistungen, da die MarkenRL und damit entsprechend auch das deutsche Markenrecht bezüglich der Eintragungsvoraussetzungen keine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Waren- und Dienstleistungsmarken treffen (EuGH GRUR Int. 2010, 45 (Rd. 75 - 80, 47 – 52) - Ahornblatt; BGH GRUR 2008, 900 (Rd. 11 f.) - SPA II).
aa) § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfasst grundsätzlich auch Straßennamen, da diese geeignet sein können, als geografische Herkunftsangabe zu dienen (st. Rspr. des BPatG: BPatGE 7, 53 - Broadway ; BPatGE 12, 215 - Park Avenue; BPatGE 38, 157 - Broadway; BPatG 32 W (pat) 393/99 - Unter den Linden; BPatG 33 W (pat) 53/09 - 5TH AVENUE; BPatG 33 W (pat) 109/99 - Friedrichstadt-Center). Dies gilt insbesondere, wenn - wie hier - die Straßenangabe mit der Ortsbezeichnung kombiniert ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die die frühere deutsche Rechtsprechung korrigiert hat (näher hierzu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rd. 273 ff.), besteht eine Vermutung dafür, dass eine Ortsbezeichnung vom Verkehr als geografischer Hinweis und nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrgenommen wird (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Rd. 31 - 34) - Chiemsee). Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass entgegen streng grammatikalischen Regeln auf Attribute wie „aus“ oder „in“ verzichtet wird, da der Verkehr daran gewöhnt ist, in Adressen und im Wirtschaftsverkehr durch verkürzte und knappe Nennung von Ortsangaben auf einen geografischen Herkunftsort hingewiesen zu werden.
Allerdings ist bei Stadtteilbezeichnungen oder Straßennamen stets besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob tatsächlich ein Interesse der Allgemeinheit an der Freihaltung des Begriffs für die begehrten Waren oder Dienstleistungen besteht. Insoweit ist zu prüfen, welche Bedeutung der Örtlichkeit oder Gegend als geografische Herkunftsangabe beizumessen ist. Dabei ist die Eintragung nicht nur zu versagen, wenn die Ortsangabe für die betroffene Produktgruppe bereits bekannt ist, sondern es ist unter Berücksichtigung zukünftiger wirtschaftlicher Entwicklungen zu untersuchen, ob eine beschreibende Verwendung zu erwarten ist (EuGH GRUR 1999, 723 (Rd. 31 - 34) - Chiemsee; BGH GRUR 2003, 882 (883) - Lichtenstein; BPatG GRUR 2009, 491 (494 f.) - Vierlinden). Hierbei sind die Gesamtumstände, insbesondere die zukünftige wirtschaftliche Bedeutung des Ortes und der zugehörigen Infrastruktur zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Rd. 37) - Chiemsee).
Die Stubengasse ist die amtliche Bezeichnung für eine Straße in Münster, wie auch im weiteren Markenbestandteil angegeben. Es handelt sich zudem um eine historisch bedeutsame Ausgrabungsstätte (siehe Anlage 1), die in der historischen Altstadt im Zentrum liegt. Münster selbst gilt als modernes Dienstleistungs- und Verwaltungszentrum, in dem wichtige Behörden, Versicherungsunternehmen und Banken ihren Firmensitz haben. Gerade das regionale Oberzentrum, dem die Stubengasse zuzurechnen ist, gilt als beliebter Zukunftsstandort für Unternehmen unterschiedlichster Branchen (vgl. Anlagen 1a - c, 2). Der Stubengasse wird als Standort eine übergeordnete Bedeutung zugesprochen, die als zentral gelegenes innerstädtisches Handelszentrum „… mit attraktiven Angeboten Münsters City bereichert“ (Anlage 4) und über das Stadtzentrum hinaus „eine herausragende, nachhaltige qualitative städtebauliche und architektonische Attraktion“ darstellt (Anlage 3). Angesichts dieser besonderen Bedeutung, die der Stubengasse in Münster beigemessen wird, ihrer zentralen Lage und der dort angesiedelten Unternehmen verschiedenster Branchen mit großer Anziehungskraft für Verbraucher unterschiedlicher Waren und Dienstleistungen (siehe Anlagen 1a - c, 2, 3, 4a - b) ist davon auszugehen, dass auch für andere Unternehmen ein Interesse daran besteht, diesen Standort als geografischen Herkunftshinweis für ihre Dienstleistungen zu benennen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Bedeutung der Stubengasse in Münster durch das von der Anmelderin initiierte Bauprojekt wesentlich zugenommen hat, da die Eintragungshindernisse stets losgelöst von der Person des Anmelders, ausgerichtet an den der Norm zugrundeliegenden Allgemeininteresse zu untersuchen sind (vgl. BGH GRUR 2006, 503 - Casino Bremen; BGH GRUR 1993, 43 (45) - Römigberg; BGH GRUR 2008, 900 (Rd. 24) - SPA II).
Für die angemeldeten immobilienbezogenen Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 37 und 42, die in Zusammenhang mit der Planung, Betreuung und Vermittlung von Immobilien stehen, stellt der Hinweis auf eine bestimmte geografische Lage, nämlich „STUBENGASSE MÜNSTER“, ein wesentliches Merkmal der Dienstleistung dar. Zum einen kann dergestalt die Immobilie oder das Bauprojekt, auf das sich die Dienstleistung bezieht, lokalisiert werden (z. B. Verkauf oder Vermietung von Immobilien in der Stubengasse in Münster), wobei nicht nur die konkrete Position, sondern auch die Einbindung in eine hochentwickelte Infrastruktur eine wesentliche Rolle spielt. So ist insbesondere der Hinweis auf die Nähe zu Einkaufszentren wegen der damit einhergehenden einfachen Erledigung von geschäftlichen oder persönlichen Angelegenheiten für an Immobiliendienstleistungen interessierte Verbraucher oder Unternehmen wichtig (vgl. BPatG 33 W (pat) 109/99 - Friedrichstadt-Center; vgl. Anlage 6). Zum anderen kann der geografische Hinweis auch den Ort beschreiben, von dem aus eine Dienstleistung erbracht wird, wobei damit zugleich eine besondere Ortskenntnis des Dienstleisters und somit ein Merkmal der Dienstleistung selbst bezeichnet werden kann. Eine derartige Ortskenntnis stellt für den Verbraucher ein wichtiges Merkmal dar, weil damit auch besondere Kenntnisse über ortsansässige Handwerker, örtliche Infrastruktur, Behörden, Miet-/Kaufpreisstruktur, Emissionsbelastung, Bevölkerungsstruktur etc. verbunden werden, die gerade für immobilienbezogene Dienstleistungen von besonderer Bedeutung sind.
Auch für Dienstleistungen in Zusammenhang mit der Verpflegung und Beherbergung von Gästen (Klasse 43) kann mit einem spezifischen geografischen Hinweis zugleich ein besonderes Qualitätsmerkmal der angebotenen Dienstleistungen bezeichnet werden, da auch hier eine zentrale oder historisch wertvolle Lage von besonderer touristischer bzw. wirtschaftlicher Bedeutung ist.
Für die in Klasse 35 angemeldeten Einzelhandelsdienstleistungen und betriebswirtschaftlich geprägten Dienstleistungsangebote wird der Verkehr das begehrte Zeichen ebenfalls als Hinweis auf die Lokalisation des Dienstleistungsanbieters in der Stubengasse in Münster und damit als Ursprungs-, Entwurfs- oder Erbringungsort der angebotenen Leistung ansehen, was als Schutzversagungsgrund bereits genügt, weil auch Mitbewerber unbehindert durch Rechte Dritter auf den Ausgangsort ihrer Dienstleistungen hinweisen können müssen (BPatG 33 W (pat) 52/08 - Burg Lissingen). Zudem bietet die zentrale Lage des Anbieters Vorteile, selbst wenn derartige Dienstleistungen häufig nicht am Ort des Dienstleisters erbracht werden. So ermöglicht die Nähe zum Anbieterunternehmen beispielsweise einen problemlosen Austausch von Mitarbeitern (z. B. im Rahmen der Unternehmensverwaltung, bei Geschäftsführung und Büroarbeiten), vereinfacht die unmittelbare persönliche Kommunikation und erleichtert die Nutzung sachlicher Ressourcen des Anbieterunternehmens (Besprechungs-/Konferenzräume, Kopiergeräte etc.).
Ausweislich der Internetrecherche des Senats kommt der Stubengasse in Münster auch in Zusammenhang mit Werbe- und Marketingdienstleistungen sowie Warenpräsentation in den Medien (Klasse 35) eine besondere Bedeutung zu (Anlagen 4, 4a - b). Die Anlagen zeigen, dass es bereits jetzt Unternehmen, wie „Münster Marketing“ gibt, die bei der Erbringung ihrer Marketingdienstleistungen die besondere Infrastruktur in der Stubengasse Münster hervorheben. Das Unternehmen „Münster Marketing“ sieht seine Aufgabe gerade darin, Münster als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort zu stärken. Die Bildung derartiger Unternehmens- oder Werbegemeinschaften, die Werbe- und Marketingleistungen nur für bestimmte Unternehmen bzw. für einen kleinen örtlich begrenzten Bereich anbieten, ist durchaus üblich. Für solche Dienstleistungsanbieter besteht ein Bedürfnis, auf die regionale Begrenzung ihres Aktionsbereichs durch eine geografische Herkunftsangabe hinzuweisen. Angesichts der Vielfalt der in Münsters Stubengasse ansiedelnden Unternehmen ist zu erwarten, dass es Unternehmen geben wird, die sich gerade mit Werbe- und Marketingdienstleistungen, Warenpräsentationen und mit Aufgaben in Zusammenhang mit der Unternehmensverwaltung befassen werden, die speziell auf die in der Stubengasse in Münster angesiedelten Unternehmen abzielen.
Insgesamt spricht daher die Bedeutung der Stubengasse Münster trotz ihrer geringen Größe dafür, dass ein konkretes Interesse der Mitbewerber besteht, in Zusammenhang mit ihren Dienstleistungen durch das begehrte Zeichen auf den konkreten geografischen Ort, an dem oder von dem aus ihre Dienstleistungen erbracht werden, hinzuweisen.
bb) Entgegen der Auffassung der Anmelderin ändert die Vorschrift des § 23 Nr. 2 MarkenG am Vorliegen des Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Abs. 2 MarkenG nichts. Zwar hat der Bundesgerichtshof dieser Norm früher eine maßgebliche Bedeutung für die (restriktive) Auslegung von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG beigemessen. Dieser Rechtsprechung ist der Europäische Gerichtshofs indes ausdrücklich entgegengetreten (EuGH GRUR 1999, 723 (Rd. 25/28) - Chiemsee; EuGH GRUR 2003, 604 (Rd. 57 - 59) - Libertel).
cc) Schließlich vermag auch der Umstand, dass es sich bei der Stubengasse in Münster um eine kleine Straße handelt und dass das dort zu errichtende Einzelhandels- und Dienstleistungszentrum nahezu die gesamte Stubengasse erfasst, die Eintragungshindernisse nicht zu überwinden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass Art und Anzahl der Unternehmen, die sich im maßgeblichen örtlichen Bereich ansiedeln werden, nicht vorhersehbar sind. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass das Projekt von der Anmelderin geleitet wird oder wurde, denn Eintragungshindernisse sind grundsätzlich unabhängig von der Person des Anmelders zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 2006, 503 (Rd. 10) - Casino Bremen). Insbesondere bestehen stets erhebliche Bedenken gegen die Berücksichtigung bestehender „Monopolstellungen“, weil diese sich auf Grund von Eigentumsübertragungen oder Besitzübergaben jederzeit ändern können (BGH GRUR 1993, 43 (45) - Römigberg; vgl. BGH GRUR 2008, 900 (Rd. 24) - SPA II). Dementsprechend ist auch vorliegend ein Eigentumswechsel an den Immobilien in der Stubengasse ohne weiteres denkbar und ausweislich der Internetrecherche auch bereits erfolgt (vgl. Anlage 5). Zudem haben auch die Unternehmen, die die Immobilien nur anmieten, ein Interesse an der Nutzung des örtlichen Herkunftshinweises im Wirtschaftsverkehr.
d) Die grafische Darstellung des Zeichens, die sich auf die Verwendung von Großbuchstaben für das Wort „STUBENGASSE“ mit geringfügig vergrößerten Anfangs- und Endbuchstaben, eingefasst durch zwei horizontale weinrote Striche unterschiedlicher Länge, und das mittig darunter gesetzte zweite, ebenfalls in Großbuchstaben gehaltene Wort „MÜNSTER“ beschränkt, vermag - entgegen der Auffassung der Anmelderin - nicht von der beschreibenden Sachaussage des Zeichens wegzuführen. Der Verkehr ist an derartige einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbilds durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt (vgl. BGH GRUR 2008, 710 (Rd. 20) - VISAGE; BGH GRUR 2001, 1153 - antiKALK), so dass diese nicht geeignet sind, den beschreibenden Gehalt der Marke aufzuwiegen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rd. 338 ff.). Dementsprechend sind unauffällige grafische Gestaltungen, die die Wortelemente nur durch einfache Striche/Unterstreichungen, Rahmen oder ähnliches hervorheben, nicht als eigenständiges Element der Marke anzusehen, sondern lediglich als akzessorisches, nebensächliches Annex des Wortzeichens, was es rechtfertigt, eine derartige Bildmarke als ausschließlich beschreibendes Zeichen nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 Nr. 2 MarkenG zurückweisen (EuGH GRUR 2003, 514 - Gabelstapler (Rd. 69, 73); vgl. zu anderen Bildmarken im Ergebnis ebenso: EuG T-64/09 (Rd. 42) - packaging; BGH GRUR 1997, 634 (Ziff.3b) - TURBO). Daran ändern auch die beanspruchten Farben nichts, zumal ein roter Farbton für Unterstreichungen oder Einrahmungen - gerade bei Straßennamen - allgemein gebräuchlich ist und die unterschiedlichen Grausequenzen der Wortelemente kaum erkennbar sind.
2.
Dem begehrten Zeichen fehlt auch die Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
a) Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR Int. 2005, 135 (Rd. 29) - Maglite; EuGH GRUR 2004, 428 (Rd. 30 f.) - Henkel). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2005, 1042 (Rd. 23, 24) - Thomson LIFE; EuGH GRUR 2004, 943 (Rd. 23) - SAT.2; BGH GRUR 2008, 710 (Rd. 12) - VISAGE). Der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist.
In Anbetracht des Umfangs des einer Marke verliehenen Schutzes gehen das Allgemeininteresse, das § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zugrunde liegt, und die wesentliche Funktion der Marke, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, um diese ohne Verwechslungsgefahr von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden, offensichtlich ineinander über (EuGH GRUR 2004, 943 (Rd. 23, 27) - SAT.2).
Die Prüfung der Herkunftsfunktion hat streng und umfassend zu erfolgen, um die ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2004, 1027 (Rd. 45) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; EuGH GRUR 2003, 604 (Rd. 59); - Libertel; EuGH GRUR 2003, 58 (Rd. 20) - Companyline; BGH GRUR 2009, 949 (Rd. 11) - My World; BGH BlPMZ 2010, 273 (275) - Roche-Kugel).
Die hier beanspruchte Marke ist bei Zugrundelegung der dargelegten Prüfungskriterien im Hinblick auf die angemeldeten Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig, denn das angesprochene Publikum wird darin keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen erkennen.
Zeichen, die Waren oder Dienstleistungen gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c MarkenRL (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) beschreiben, fehlt in Bezug auf diese Waren oder Dienstleistungen auch die Unterscheidungskraft (EuGH GRUR 2004, 674 (Rd. 86) - Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Rd. 19) - Biomild). Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es nämlich keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH GRUR 2008, 710 (Rd. 16) - VISAGE; BGH GRUR 2006, 850 (Rd. 19) - FUSSBALL WM 2006 m. w. N.). Dies gilt auch für eine Marke, die ohne zusätzliche unterscheidungskräftige Elemente nur den Hinweis auf eine örtliche Lage enthält und damit die geografische Herkunft der angebotenen Waren oder Dienstleistungen bezeichnet.
So liegt es hier, da die grafische und farbliche Ausgestaltung - wie oben dargelegt - unauffällig und werbeüblich ist und daher nicht als eigenständiges Element wahrgenommen wird, das geeignet wäre, eine Unterscheidungskraft zu begründen (vgl. EuGH GRUR 2006, 229 (Rd. 71) - BioID; EuG GRUR Int. 2008, 1037 (Rd. 30) - BioGeneriX). Bei rein beschreibenden Angaben bedarf es vielmehr einer auffallenden grafischen Ausgestaltung, damit der Verkehr das Zeichen als Herkunftshinweis wahrnimmt (BGH GRUR 2001, 1153 (1153 f.) - antikalk).
3.
Soweit die Anmelderin auf Voreintragungen Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass diese keine Bindungswirkung haben (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 (Rd. 18) - Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2008, 1093 (Rd. 8) - Marlene-Dietrich-Bildnis). Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis der Markenämter zu beurteilen ist. Ausgehend von Art. 20 Abs. 3 GG ist die rechtsprechende Gewalt allein an Recht und Gesetz gebunden, nicht aber an vorangehende Entscheidungen eines Amtes, dessen Tätigkeit gerade überprüft werden soll. Aus dem Gebot rechtmäßigen Handelns folgt zudem, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen.
Zum anderen fehlt es zum Teil auch wegen der großen Unterschiede bei der Zeichenbildung an der Vergleichbarkeit des angemeldeten Zeichens mit den von der Anmelderin erwähnten Voreintragungen, die andere Wortkombinationen betreffen und zum Teil auffällige Bildelemente beinhalten. Schließlich existiert auch keine - der hier getroffenen Bewertung zuwiderlaufende - allgemeine Entscheidungspraxis, da auch andere Anmeldungen, die der hier beanspruchten Wortkombination in der Struktur ähneln, wegen absoluter Schutzhindernisse nicht eingetragen wurden. Im Übrigen ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welche wirtschaftliche Bedeutung die geografische Bezeichnung für die konkret begehrten Dienstleistungen hat, so dass schon aus diesem Grund unterschiedliche geografische Hinweise kaum miteinander vergleichbar sind.
Dem oben dargestellten Ergebnis steht auch nicht die von der Anmelderin zitierte Entscheidung BPatG 29 W (pat) 522/10 - Rhein-Center Neuss entgegen. Das dort angemeldete Zeichen wurde nämlich weitestgehend zurückgewiesen. Lediglich für die Dienstleistung „Starten und Aussetzen von Satelliten für Dritte“ hat der 29. Senat keine Schutzhindernisse feststellen können, weil die Erbringung dieser außergewöhnlichen Dienstleistung vom Rheinpark-Center aus unwahrscheinlich erschien. Derartige oder vergleichbare Dienstleistungen hat die Anmelderin hier indes nicht angemeldet.
Auch zu der Entscheidung BPatG 27 W (pat) 514/10 - Ulmer Münster bestehen keine Widersprüche. Der 27. Senat hat dort nämlich festgestellt, dass das Ulmer Münster weder gegenwärtig noch zukünftig als Herstellungs- oder Vertriebsstätte für die im dortigen Verfahren beanspruchten Waren und Dienstleistungen in Betracht komme. Selbst wenn man dieser Wertung folgen würde, unterscheidet sich der Fall erheblich von dem hiesigen Sachverhalt, weil hier - wie oben dargelegt - die Stubengasse Münster als Erbringungsort der angemeldeten Dienstleistungen ohne weiteres in Betracht kommt.
Die Entscheidung BPatG 27 W (pat) 43/09 - Halle Münsterland (BlPMZ 2009, 406) schließlich befasst sich mit dem Sonderfall von Kennzeichen, die aus dem Namen einer Region oder eines Ortes und einem am Unternehmensgegenstand orientierten Begriff zusammengesetzt sind. Da es vorliegend indes nicht um ein entsprechend strukturiertes Zeichen geht, sondern um eine isolierte geografische Angabe, können die dort festgestellten Grundsätze hier schon aus diesem Grunde keine Anwendung finden.