Entscheidungsdatum: 10.01.2019
In der Designnichtigkeitssache
…
betreffend das eingetragene Design …
(hier: … Festsetzung des Gegenstandswerts)
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 10. Januar 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
I.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin war Inhaberin des eingetragenen Designs …, das O… betrifft.
Gegen dieses eingetragene Design hat die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin mit am 22. Juli 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingegangenem Schriftsatz Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 34a DesignG gestellt. Zeitgleich hat sie gegen 12 weitere für die Beschwerdeführerin eingetragene Designs einen Nichtigkeitsantrag nach § 34a DesignG gestellt.
Mit Beschluss vom 22. November 2016 hat die Designabteilung 3.5 des DPMA festgestellt, dass das eingetragene Design … nichtig ist und
die Kosten des Verfahrens der Beschwerdeführerin auferlegt. Der Beschluss ist rechtskräftig.
Auf Antrag der Beschwerdegegnerin hat die Designabteilung ferner mit Beschluss vom 23. Mai 2017 den Gegenstandswert für das Nichtigkeitsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Dagegen hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, dass die Festsetzung des Gegenstandswerts in Anbetracht der unter Verwendung des Designs erzielten geringen Umsätze von ca. 10,- Euro bis 20,- Euro pro Jahr zu hoch erfolgt sei. Angemessen sei vielmehr ein deutlich unter dem nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG für nichtvermögensrechtliche Gegenstände geltenden Regelwert von 5.000,- Euro liegender Betrag bis zu 500,- Euro.
Zudem wäre im Kosteninteresse der Beteiligten eine Verbindung der insgesamt 13 beim DPMA gegen die Antragsgegnerin anhängigen Designnichtigkeitsverfahren geboten gewesen.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Designabteilung 3.5 vom 23. Mai 2017 den Gegenstandswert für das Nichtigkeitsverfahren auf bis zu 500,- Euro festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da die von der Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde erstrebte Bestimmung des Gegenstandswertes unterhalb des von der Designabteilung festgesetzten Betrags in Höhe von 10.000,- Euro nicht in Betracht kommt.
1. Der Gegenstandswert für das Designnichtigkeitsverfahren ist nach freiem Ermessen zu bestimmen (§ 34a Abs. 5 Satz 2 DesignG i. V. m. § 23 Abs. 3 Satz 2, § 33 Abs. 1 RVG).
§ 23 Abs. 3 S. 2, 2. Halbsatz RVG mit den dort genannten Hilfswerten ist dabei entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht einschlägig. Denn einem eingetragenen Design ist ein wirtschaftlicher Wert zuzuerkennen, so dass der in § 23 Abs. 3 S. 2, 2. Halbsatz RVG genannte Auffangwert von 5.000,- Euro vorliegend keine Anwendung findet. Dieser gilt nur für nicht bezifferbare nichtvermögensrechtliche Gegenstände und solche, bei denen genügende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung fehlen. So liegt der Fall hier nicht. Als Vermögenswert ist der Wert eines eingetragenen Designs – wie der einer eingetragenen Marke im markenrechtlichen Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse oder eines Patents im Patentnichtigkeitsverfahren – einer Schätzung zugänglich.
Maßstab ist dabei im Hinblick auf den Popularcharakter des Nichtigkeitsantrages wie in Patentnichtigkeits- und Markenlöschungsverfahren grundsätzlich das Interesse der Allgemeinheit an der Nichtigkeitsfeststellung bzw. der Löschung, welches in der Regel dem gemeinen Wert des angegriffenen Designs entspricht (vgl. für die Nichtigkeitswiderklage BGH GRUR 1957, 79, 80; Eichmann/ v. Falckenstein/Kühne, DesignG, 5. Aufl. 2015, § 54 Rdnr. 7).
Für das strukturell ähnliche Markenlöschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 50, 54 MarkenG – dessen Gegenstandswert ebenfalls gemäß § 33 Abs. 1, § 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, 1. Halbsatz RVG nach freiem Ermessen zu bestimmen ist – erachtet der Bundesgerichtshof grundsätzlich bei unbenutzten Marken bzw. Marken, zu deren Benutzung sich keine hinreichend zuverlässigen Feststellungen treffen lassen, einen Gegenstandswert von 50.000.- Euro für angemessen (vgl. m. w. N. Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 71 Rn. 37 ff.). Bei umfangreich eingesetzten und intensiv verteidigten Marken kommen hingegen deutlich höhere Gegenstandswerte in Betracht (vgl. Knoll a. a. O., § 71 Rdnr. 41).
Der Wert eines eingetragenen Designs ist allerdings grundsätzlich höher zu veranschlagen als bei einer Marke, da ein eingetragenes Design nicht nur die Bezeichnung einer Ware, sondern die Ausgestaltung eines Erzeugnisses selbst betrifft. Dementsprechend ist auch das von einem eingetragenen Design ausgehende Behinderungspotential gegenüber einer eingetragenen Marke grundsätzlich höher zu bewerten.
Für die Löschung insoweit vergleichbarer dreidimensionaler Warenformmarken ist im Falle ihrer Benutzung ein Gegenstandswert von 150.000.- Euro angenommen worden (BPatG, 32 W (pat) 308/03 – kuppelförmige Praline).
Vor diesem Hintergrund hat der Senat im Design-Nichtigkeitsverfahren bei einem Design, das entweder unbenutzt oder wenig benutzt ist oder bei dem sich Feststellungen zu Art und Umfang einer Benutzung nicht treffen lassen, einen Mittelwert von 100.000.- Euro als angemessen betrachtet (vgl. Beschl. v. 7.12.2017, 30 W (pat) 801/16 – Tabaktopf).
Aber auch wenn man insoweit mangels weiterer Entscheidungen zur Bemessung des Gegenstandswerts für Designnichtigkeitsverfahren (noch) nicht von einem Regelwert ausgeht, so kommt aus den vorgenannten Gründen jedenfalls eine Festsetzung unterhalb des im markenrechtlichen Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse allgemein anerkannten Regelwertes von 50.000,- Euro grundsätzlich nicht in Betracht.
Insbesondere die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte geringe Benutzung des streitgegenständlichen Designs rechtfertigt keine Herabsetzung eines sich danach zumindest am markenrechtlichen Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse orientierenden (Regel-)Gegenstandswerts, da diese Regelwerte – wie bereits dargelegt – gerade für gering oder nicht benutzte eingetragene Schutzrechte gelten.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang ferner, dass die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin nicht nur außergerichtlich mit anwaltlichem (Abmahn-)Schreiben vom 5. Dezember 2013 auf ihre diesbezüglich bestehenden Designrechte hingewiesen hat, sondern das verfahrensgegenständliche wie auch sämtliche übrigen für sie eingetragenen und mit weiteren Nichtigkeitsanträgen von der Beschwerdegegnerin angegriffenen Designs im vorliegenden Designnichtigkeitsverfahren nach § 34a DesignG verteidigt hat, womit sie zum Ausdruck gebracht hat, dass sie ihre Rechte aus den eingetragenen Designs zur Wahrung ihrer geschäftlichen Interessen wahrnehmen und ggf. auch durchsetzen will. Für die Bemessung des Interesses der Allgemeinheit an der Löschung des Zeichens ist aber neben Art und Umfang der Benutzung auch die Verteidigung des angegriffenen Schutzrechts von Bedeutung (vgl. für das markenrechtliche Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse BPatGE 41, 100, 101 – COTTO), so dass auch vor diesem Hintergrund eine Bemessung des Gegenstandswerts unterhalb des für das markenrechtliche Löschungsverfahren geltenden Regelwerts von 50.000,- Euro nicht angezeigt ist, erst recht nicht in dem von der Beschwerdeführerin beantragten Umfang.
Abweichungen „nach unten“ sind allerdings für den Fall zu erwägen, dass das eingetragene Design nur noch eine geringe Restlaufzeit hat. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
2. Soweit die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren erstmalig geltend macht, dass im Kosteninteresse eine Verbindung der insgesamt 13 gegen sie vor dem DPMA anhängigen Designnichtigkeitsverfahren geboten gewesen wäre, ist zunächst anzumerken, dass eine Verbindung von Verfahren entsprechend § 147 ZPO in erster Linie der Prozessökonomie dient und im pflichtgemäßen Ermessen der Designabteilung steht. Eine Verfahrensverbindung bietet sich danach vor allem dann an, wenn mehrere Nichtigkeits- bzw. Löschungsanträge gegen dasselbe Schutzrecht gestellt werden, nicht unbedingt jedoch in dem hier gegebenen Fall, dass ein Antragsteller verschiedene Schutzrechte (desselben Schutzrechtsinhabers) angreift. Zudem hat die Beschwerdeführerin eine entsprechende Verbindung im patentamtlichen Nichtigkeitsverfahren weder angeregt noch ausdrücklich beantragt.
Unabhängig davon hätte eine seitens der Designabteilung vorgenommene Verbindung der einzelnen Verfahren auch bei einem sich aus dem addierten Wert der Einzelverfahren ergebenden Gegenstandswert (vorliegend 13 x 10.000,- Euro = 130.000,- Euro) keinen Einfluss auf die Höhe der erstattungsfähigen Verfahrenskosten gehabt. Denn die im vorliegenden Designnichtigkeitsverfahren für die anwaltliche Vertretung angefallene 1,3-fache Verfahrensgebühr nach §§ 2, 13 RVG i. V. m. Nr. 3100 VV RVG zzgl. Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro wie auch die bei Einleitung des Nichtigkeitsverfahrens zu entrichtende Gebühr von 300,- Euro waren bereits entstanden, bevor eine Verbindung der Verfahren durch die Designabteilung überhaupt möglich gewesen wäre. Bis zur Verbindung in jedem einzelnen Verfahren angefallene Gebühren bleiben jedoch unberührt; ihr getrennter Ansatz bleibt bestehen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 147 Rdnr. 10). Dies ist auch sachgerecht, da eine durch eine Prozessverbindung bewirkte Zusammenfassung sich grundsätzlich nicht zum Nachteil der Prozessbevollmächtigten auswirken darf. Denn diese haben in aller Regel keinen Einfluss darauf, dass das Gericht durch eine Prozessverbindung aus zuvor gebührenrechtlich verschiedenen Sachen nur eine Angelegenheit macht. Allerdings kann der Verfahrensbevollmächtigte wählen, ob er die ihm bereits vorher erwachsenen Verfahrensgebühren, die er auf keinen Fall verliert, oder lediglich eine Verfahrensgebühr aus dem addierten Wert der Einzelverfahren (vorliegend: 130.000,- Euro) verlangen will (vgl. Zöller/Greger, a. a. O., Rdnr. 10).
Die Beschwerde muss daher erfolglos bleiben.