Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 05.02.2015


BPatG 05.02.2015 - 30 W (pat) 708/13

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
05.02.2015
Aktenzeichen:
30 W (pat) 708/13
Dokumenttyp:
Beschluss

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Geschmacksmusteranmeldung …

(hier: Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 5. Februar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Winter und Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Geschmacksmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. März 2013 wird zurückgewiesen, soweit der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe hinsichtlich der Muster Nr. 2, 3, 4, 6, 14, 15 und 16 zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird der Beschluss der Geschmacksmusterstelle vom 14. März 2013 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer hat am 5. November 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die Eintragung eines Geschmacksmusters als Sammelanmeldung von 16 Mustern für Erzeugnisse der Klasse 19-07 „Lehrmittel“ beantragt und gleichzeitig unter Einreichung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren für folgende Muster gestellt:

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Mit Beschluss vom 14. März 2013 hat die Geschmacksmusterstelle des DPMA dem Beschwerdeführer Verfahrenskostenhilfe für die Kosten des Geschmacksmustereintragungsverfahrens hinsichtlich des Musters lfd. Nr. 1 vor dem Deutschen Patent- und Markenamt bewilligt und den Verfahrenskostenhilfeantrag hinsichtlich der 15 weiteren Muster zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, hinsichtlich der Muster mit den laufenden Nummern 2 bis 16 habe die Anmeldung keine Aussicht auf Eintragung in das Geschmacksmusterregister. Die Muster offenbarten keine Erscheinungsmerkmale industrieller oder handwerklicher Gegenstände, sondern zeigten Texte, Tabellen und Bilder teils mit Darstellungen des menschlichen Körpers und teils von Tieren. Körper von Menschen und Tieren seien jedoch nicht geschmacksmusterfähig. Ferner handele es sich nicht um Erzeugnisse, die ein einheitliches Bild ergäben. Ein den Schutz begründendes Design sei nicht ersichtlich. Die von dem Anmelder zum Beleg für die Schutzfähigkeit vorgelegten Geschmacksmustereintragungen seien nicht relevant, da Voreintragungen keine bindende Wirkung entfalteten. Sie seien den vorliegenden Mustern auch nicht vergleichbar, da es den nunmehr eingereichten Mustern an Einheitlichkeit fehle. Die vorgelegten Darstellungen ergäben kein einheitliches Gesamtbild und stellten deshalb kein musterfähiges Erzeugnis im Sinne eines Lehrmittels dar.

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Hiergegen hat der Anmelder und Antragsteller „Einspruch“ eingelegt, mit dem er sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Geschmacksmusterstelle vom 14. März 2013 aufzuheben.

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Er trägt vor, durch den angegriffenen Beschluss werde sein einheitlicher Antrag in rechtswidriger Weise ohne faktische und angemessene Grundlage in zwei Teile zerrissen. Die Geschmacksmusterstelle gehe schon fälschlich davon aus, dass die Anordnung der Zahlen und Buchstaben auf dem ersten Blatt spitz nach oben zulaufe. Tatsächlich laufe die Anordnung auf den Gipfel zu, der sich aber nicht an der Spitze, sondern unten befinde. Dies entspreche der Offenbarung des Johannes Kapitel 1,8: „Ich bin das A-alpha und das Ω-omega“. Die abgebildeten Buchstaben seien keine griechischen Buchstaben, sondern in Wahrheit Bestandteil eines archaischen, grundlegenden und menschlichen, fundamentalen göttlichen Alphabets, genannt ARCINU, was sich von der menschlichen Wirbelsäule her ableite. Deshalb könnten sie nicht von den Darstellungen des menschlichen Körpers getrennt werden; sie seien ohne die Darstellungen auf den anderen Abbildungen nicht erklärbar und somit als einheitliches Lehrmittel anzuerkennen. Die zugrunde liegende Wissenschaft heiße Panspermie und Pangenesistheorie, die sechzehn Blätter stellten ein einheitliches Menschheitslehrmittel dar.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die gemäß §§ 24, 23 Abs. 4 DesignG i. V. m. § 135 Abs. 3 PatG zulässige Beschwerde des Anmelders und Antragstellers gegen die teilweise Versagung der Verfahrenskostenhilfe im Beschluss vom 14. März 2013 hat nur im tenorierten Umfang Erfolg.

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Die Beschwerde gegen den am 21. März 2013 zugestellten Beschluss ist am 19. April 2013, also innerhalb der Monatsfrist des § 73 Abs. 2 PatG, bei dem DPMA eingegangen; Gebühren sind im Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen über die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht zu entrichten.

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Verfahrenskostenhilfe für die Eintragung eines Geschmacksmusters gemäß § 24 Satz 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 DesignG ist gemäß § 114 bis 116 ZPO zu gewähren. § 114 ZPO bestimmt, dass eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe erhält, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen müssen auch bei einem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für eine Designanmeldung erfüllt sein.

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Die Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe liegen für die Muster laufende Nummern 2, 3, 4, 6, 14, 15 und 16 nicht vor. Eine Aussicht auf Eintragung ist bei den genannten Mustern nicht gegeben, weil ihnen die Musterfähigkeit gemäß § 1 Nr. 1 DesignG fehlt.

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Gemäß § 18 DesignG weist das Deutsche Patent- und Markenamt eine Anmeldung zurück, wenn Gegenstand der Anmeldung kein Design im Sinne von § 1 Nr. 1 DesignG ist oder ein Design nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 DesignG vom Designschutz ausgeschlossen ist. Gemäß § 1 Nr. 1 DesignG ist ein Design die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt. Hier ist Schutz für Lehrmittel beantragt. Dies können z. B. Karten oder Tafeln sein, die mit den angemeldeten Darstellungen versehen sind. Schriften können Erzeugnisse im Sinne von § 1 Nr. 2 DesignG sein, wobei die Bedeutungsgehalte der Schriftzeichen, Buchstaben etc. nicht im Anwendungsbereich des DesignG liegen (zum gleichlautenden GeschmacksmusterG Eichmann/von Falkenstein Geschmacksmustergesetz, 4. Aufl. 2010, § 1 Rn. 20). Die Schriftzeichen selbst, also Buchstaben, Wörter, Ziffern etc. sind keine Erzeugnisse, können jedoch als Erscheinungsmerkmale von Erzeugnissen in den Geschmacksmusterschutz Eingang finden. Dazu ist aber eine besondere grafische Ausgestaltung erforderlich (Eichmann/von Falckenstein, a. a. O., § 1 Rn. 28).

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Deshalb ist die erforderliche Erfolgsaussicht eines Antrags auf Verfahrenskostenhilfe für eine Designanmeldung nur dann gegeben, wenn die angemeldete Darstellung über eine minimale graphische Ausgestaltung verfügt, die über die bloße Vermittlung geistiger Inhalte hinausgeht.

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Diese Ausgestaltung fehlt bei den Mustern 2, 3, 4, 6, 14, 15 und 16:

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Die Muster 2, 15 und 16 bestehen aus Tabellen, denen zum Teil blockartige Textteile hinzugefügt sind. Die Tabellen bestehen in Muster 2 aus unterschiedlichen Alphabetreihen mit Erklärungen in griechischer und lateinischer Schrift, in Muster 15 aus Buchstaben und Worten in griechischer Schrift und Lautschrift, in Muster 16 aus Zahlen, in lateinischer Schrift ausgeschriebenen Buchstabennamen und deutschen Übersetzungen. Sie vermitteln ausschließlich Inhalte, ohne über eine darüber hinausgehende grafische Ausgestaltung zu verfügen, die in den Schutzbereich des DesignG fallen könnte.

18

Muster 3 enthält ebenfalls keinerlei grafische Verzierungen oder Ausgestaltungen, sondern einen bloßen Text mit Fotografie. Der Umstand, dass das Stichwort Gipfel senkrecht in fetten Großbuchstaben neben dem ansonsten waagrecht angeordneten Text steht, genügt nicht, um eine Musterfähigkeit zu bejahen.

19

In Muster 4 sind eine Fotografie und ein glasfensterartiges Bild untereinander gefügt, darüber bzw. links daneben ist Text in griechischen und lateinischen Buchstaben positioniert, sodass der Eindruck einer bloßen Zusammenstellung von Inhalten ohne darüber hinausgehende grafische Ausgestaltung entsteht. Gleiches gilt für das Muster 6.

20

Muster 14 ist wiederum ein reiner Text ohne nennenswerte grafische Ausgestaltungen, die die Musterfähigkeit begründen könnten.

21

Der Beschwerdeführer kann bezüglich der Darstellungen, denen die Musterfähigkeit von vorn herein abzusprechen ist, die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe auch nicht unter dem Aspekt der inhaltlichen Verbundenheit dieser Darstellungen zu einem einheitlichen Gesamtwerk verlangen. Die inhaltliche Verbindung ist für die Musterfähigkeit der Darstellungen irrelevant.

22

Hinsichtlich der übrigen eingereichten Abbildungen kann jedoch die Musterfähigkeit nicht von vorn herein ausgeschlossen werden:

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Muster 5 enthält die Fotographie eines Fötus im Mutterleib. Durch die darunter platzierte Schrift wird klar, dass die abgebildete Fruchtblase nicht als Erzeugnis geschützt werden soll, sondern es sich um eine Fotografie handelt, die auf dem Lehrmittel abgebildet werden soll. Deswegen ist das Hindernis, dass ein menschlicher Körper kein Erzeugnis gemäß § 1 Nr. 2 MarkenG ist (Eichmann/von Falkenstein, a. a. O., Rn. 32) hier nicht erfüllt.

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Muster 7 und 8 sind grafische Darstellungen der Wirbelsäule mit Beschriftung neben einer numerischen Auflistung von Bildsymbolen und einer darunter befindlichen kreisförmigen Anordnung dieser Symbole. Den Abbildungen kann ein erforderliches Minimum an graphischer Ausgestaltung nicht abgesprochen werden. Gleiches gilt für die Muster 9 bis 13. Es handelt sich jeweils um Zeichnungen von Skeletten und Skelettteilen mit Beschriftungen. Diese vermitteln jeweils den Eindruck eines einheitlichen graphisch ausgestalteten Bildes.

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Dass der menschliche Körper bzw. Tiere und Pflanzen keine Erzeugnisse im Sinne von § 1 Nr. 2 DesignG sind, steht der Erfolgsaussicht der Anmeldung nicht entgegen. Denn das Hindernis bezieht sich nur auf das Erzeugnis selbst, nicht aber auf die Darstellung entsprechender Abbildungen z. B. auf Lehrmitteln.

26

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 DesignG bestehen nicht.

27

Die Entscheidung war hinsichtlich der Abbildungen, denen die Musterfähigkeit nicht von vorn herein abgesprochen werden kann, gemäß § 23 Abs. 4 DesignG i. V. m. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG aufzuheben und das Verfahren zur weiteren Bearbeitung an das DPMA zurückzuverweisen. Die Designstelle hat sich noch nicht hinreichend mit der Frage der Bedürftigkeit des Beschwerdeführers und der Mutwilligkeit der Anmeldung gemäß § 114 ZPO befasst. In seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Beschwerdeführer angegeben, nicht über Vermögen zu verfügen, obwohl er Inhaber mehrerer Designrechte ist. Es ist ihm zuzumuten, diese zu verwerten, um die Verfahrenskosten für die Anmeldung aufzubringen. Das DPMA hat den Beschwerdeführer daher im Rahmen der weiteren Prüfung seiner Bedürftigkeit aufzufordern, nähere Angaben zur Anzahl, zum Wert und der Verwertbarkeit der für ihn eingetragenen gewerblichen Schutzrechte zu machen.

28

Sollte von einer Wertlosigkeit der bereits eingetragenen Schutzrechte auszugehen sein, müsste sich eine Prüfung der Frage anschließen, ob die jetzige Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers mutwillig erscheint. Von Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung ist auszugehen, wenn eine nicht bedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Verfahrenslage von der Rechtsverfolgung absehen würde (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 81a Rn. 22).