Entscheidungsdatum: 10.08.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Design …
(hier: Antrag auf Verfahrenskostenhilfe)
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 10. August 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für die Anmeldung eines Designs.
Am 27. Juli 2015 meldete der Antragsteller das verfahrensgegenständliche Design zur Eintragung in das Designregister an und beantragte die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die Anmeldegebühren.
Die Wiedergabe des angemeldeten Designs zeigt die Fotografie des Intimbereichs einer Frau, auf welchem eine Weltkarte aufgezeichnet ist. An diesen Intimbereich greift die Hand einer Frau und steckt einen Finger in dessen Scheide. Auf der Darstellung sind außerdem verschiedene deutsche Wörter, Zahlen und griechische Schriftzeichen sowie diverse Symbole und Sonderzeichen zu sehen. Die Zeichen, welche die Scheide umgeben, sind in Weiß hervorgehoben. Als Erzeugnisangabe gab der Antragsteller „…“ an.
Mit Beschluss vom 13. Februar 2017 hat die Designstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen, da keine hinreichende Aussicht auf Eintragung des angemeldeten Designs in das Designregister bestehe. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Design stelle einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG dar, so dass ein Eintragungshindernis nach § 18 DesignG vorliege. Durch die Darstellung des weiblichen Intimbereichs, welche den Gesamteindruck des angemeldeten Designs maßgeblich bestimme, werde sich ein beachtlicher Teil des Publikums in seinem Scham- und Sittlichkeitsgefühl verletzt fühlen. Die weibliche Hand, die an den Intimbereich fasse und einen Finger in die Scheide stecke, vermittele den Eindruck einer sexuellen Handlung und verstärke damit die anstößige, die Frau zum bloßen Sexualobjekt herabwürdigende Wirkung. Die auf der Fotografie abgebildeten Schriftzeichen und die graphischen Elemente in Form einer Weltkarte seien nicht geeignet, diesen Eindruck zu mildern. Auch der weitere Vortrag des Antragstellers verhelfe seinem Antrag nicht zum Erfolg. Die von ihm in Bezug genommenen Grafiken der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Thematik „Selbstbefriedigung“ seien mit dem verfahrensgegenständlichen Design nicht vergleichbar. Vermeintlich vergleichbare Voreintragungen entfalteten nach der Rechtsprechung keine Bindungswirkung. Zuletzt könne auch die Erzeugnisangabe „…“ dem angemeldeten Designs nicht zur Eintragungsfähigkeit verhelfen. Das Eintragungshindernis der Sittenwidrigkeit greife unmittelbar, soweit der Inhalt der Wiedergabe der Designs wie hier schon aus sich heraus - also verwendungsunabhängig - wegen seiner besonderen Anstößigkeit die Unzulässigkeit erkennbar mache.
Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 21. März 2017 „Widerspruch“ erhoben, mit dem er sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Designstelle vom 13. Februar 2017 aufzuheben.
Zur Begründung trägt er vor, bei dem verfahrensgegenständlichen Design handele es sich um eine philosophische sowie didaktische Arbeit, die mit der „Wiedergeburt der Rückkehr“ zu tun habe, also mit zwei göttlichen Symbolen, nämlich Erde und Frau. Das angemeldete Design stehe damit im Kontext der Welt und der Entstehung des menschlichen Lebens. Die Markenstelle habe in der Darstellung des Designs einzelne Elemente übersehen, so insbesondere den Kreis („O“), welcher symbolisch für ein Spermium (als Lebenszeichen) stehe. Durch die Darstellung solle die „Wiedergeburt“ hervorgehoben werden, was natürlich mit der Frau, dem Liebesakt sowie der „Reizung durch den Sex“ zusammenhänge. Dies sei nicht sexuell anstößig.
Im Verfahren vor der Designstelle hat der Antragsteller zudem auf zwei Designs, welche bereits im Jahr 2014 unter dem Aktenzeichen … in das Register eingetragen wurden, sowie auf Grafiken, welche von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit ihrem Internetangebot „Zanzu“ zu der Thematik „Selbstbefriedigung“ herausgegeben worden seien, Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Das als Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe auszulegende Rechtsmittel des Antragstellers ist gemäß §§ 24, 23 Abs. 4 DesignG i. V. m. § 135 Abs. 3 PatG zulässig. In der Sache hat es jedoch keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Designstelle den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Anmeldegebühr zurückgewiesen.
Nach § 24 Satz 1 DesignG kann einem Anmelder auf Antrag unter entsprechender Anwendung der §§ 114 bis 116 ZPO Verfahrenskostenhilfe für das Designeintragungsverfahren nur gewährt werden, wenn hinreichende Aussicht auf Eintragung des angemeldeten Designs in das Designregister besteht. Vorliegend fehlt es jedoch an jeglicher Erfolgsaussicht, da das angemeldete Design offensichtlich einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG darstellt, so dass ein Eintragungshindernis nach § 18 DesignG vorliegt.
1. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG sind vom Designschutz ausgeschlossen Designs, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen.
a) Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist, wie auch nach den Parallelbestimmungen der anderen gewerblichen Schutzrechte und im sonstigen Recht, dann anzunehmen, wenn das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt ist (vgl. BGHZ 10, 228, 232). Dies ist dann der Fall, wenn das Design geeignet ist, das Empfinden der angesprochenen Verkehrskreise erheblich zu verletzen, indem es etwa in sittlicher, politischer oder religiöser Hinsicht anstößig oder herabwürdigend wirkt oder eine grobe Geschmacksverletzung darstellt (BGH GRUR 2013, 729, Rn. 9 - READY TO FUCK; Günther/Beyerlein, DesignG, 3. Aufl. 2015, § 3 Rn. 19). Maßgeblich ist insoweit die Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise, wobei nicht nur die Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, an die sich die Erzeugnisse unmittelbar richten, sondern auch die Teile des Publikums, die dem Design im Alltag zufällig begegnen (BGH GRUR 2013, 729, Rn. 9 - READY TO FUCK; EuG GRUR Int. 2012, 247, Rn. 18 - PAKI; Günther/Beyerlein, a. a. O., § 3 Rn. 19).
Zu berücksichtigen ist ferner, dass sich die jeweils geltenden durchschnittlichen sittlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise mit der Zeit auch wandeln können; eine übertrieben laxe oder besonders feinfühlige bzw. strenge Anschauung ist nicht zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2013, 729, Rn. 9 - READY TO FUCK ; BPatG GRUR 2000, 1026, 1027 - Penistrillerpfeife; BPatGE 46, 225, 228 - Vibratoren; BPatG Mitt. 1983, 156 - Schoasdreiber; siehe auch Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, Designgesetz, 5. Aufl. 2015, § 3 Rn. 18; Günther/Beyerlein, a. a. O., § 3 Rn. 19). Auch darf die Prüfung des Schutzversagungsgrundes nicht in einer Geschmackszensur bestehen. Insgesamt ist daher Zurückhaltung bei der Annahme von Verstößen dieser Art angebracht (BPatGE 46, 225, 228 - Vibratoren; BPatG Mitt- 2006, 88 - Flasche in Form eines Sperma). Für die Annahme eines Sittenverstoßes muss vielmehr das sittliche Empfinden eines beachtlichen Teils des Verkehrs verletzt sein (Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3 Rn. 18; Günther/Beyerlein, a. a. O., § 3 Rn. 19).
b) Ausgehend hiervon ist ein Verstoß gegen die guten Sitten wegen sexueller Anstößigkeit aufgrund der fortschreitenden Liberalisierung der Anschauungen über Sitte und Moral nur selten anzunehmen (Günther/Beyerlein, a. a. O., § 3 Rn. 19). Entsprechend den heute herrschenden durchschnittlichen Anschauungen reichen alleine ein sexueller Bezug des Designs bzw. eine gewisse Peinlichkeit oder Anstößigkeit als solche nicht aus, damit sich ein beachtlicher Teil des Verkehrs in seinem sittlichen Empfinden verletzt fühlt (BPatG Mitt. 2006, 88 - Flasche in Form eines Sperma; Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3 Rn. 18; Günther/Beyerlein, a. a. O., § 3 Rn. 19).
Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist aber dann überschritten, wenn Designs einen diskriminierenden, die Menschenwürde verletzenden Eindruck vermitteln, sei es in der Art ihrer bestimmungsmäßigen Verwendung oder in der Art der Darstellung (z.B. wenn sie Frauen als beliebige Sexualobjekte darstellen, vgl. BGH GRUR 1995, 592, 595 - Busengrapscher) oder wenn Sexuelles in reißerischer, grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund gerückt ist oder überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abgezielt wird (BPatGE 46, 225, 229 - Vibratoren; Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3 Rn. 18; Günther/Beyerlein, a. a. O., § 3 Rn. 19).
2. In Anwendung der dargelegten Grundsätze ist vorliegend festzustellen, dass das angemeldete Design offensichtlich geeignet ist, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl eines beachtlichen Teils des Publikums zu verletzen. Wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG ist das Design daher von der Eintragung ausgeschlossen, § 18 DesignG.
Wie die Designstelle zutreffend festgestellt hat, beinhaltet das angemeldete Design die fotografische Darstellung des Gesäßes und Intimbereichs einer Frau. Der Blick und die Aufmerksamkeit des Betrachters werden gezielt auf den weiblichen Schambereich gelenkt. Die weibliche Hand, die an den Intimbereich fasst und einen Finger in die Scheide steckt, vermittelt den Eindruck einer sexuellen Handlung und verstärkt damit die anstößige, die Frau zum bloßen Sexualobjekt herabwürdigende Wirkung. Damit werden sexuelle Inhalte in einer grob aufdringlichen Weise in den Vordergrund gestellt, ohne dass die grafischen Elemente in Form einer auf dem Gesäß angebrachten Weltkarte sowie die Beschriftungen der Abbildung in ihrer Gesamtheit geeignet erscheinen, hiervon wegzuführen. Die Feststellung der Designstelle, dass das angemeldete Design das Scham- und Sittlichkeitsgefühl eines beachtlichen Teils des Publikums unerträglich verletzt, ist daher zutreffend.
3. Dem hiergegen gerichteten Beschwerdevorbringen, es handele sich bei dem Schutzgegenstand um eine „didaktische“ bzw. „philosophische“ Arbeit, steht bereits entgegen, dass der gewerbeorientierte Designschutz nicht das genuine Forum für die Verbreitung künstlerischer oder philosophischer Äußerungen ist (Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3 Rn. 18). Der gegen einen - wie hier - offensichtlich begründeten Pornographievorwurf erhobene Einwand, es handele sich bei dem Schutzgegenstand um das Ergebnis philosophischen Denkens, geht daher fehl (vgl. Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3 Rn. 18). Außerdem sind die vermeintlichen Intentionen des Antragstellers der Darstellung nicht zu entnehmen.
Auch die weiteren Hinweise des Antragstellers auf die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit ihrem Internetangebot „Zanzu“ zu der Thematik „Selbstbefriedigung“ herausgegebenen Grafiken sowie pauschal darauf, dass es „menschliches Leben ohne Sex“ nicht geben könne, gehen ersichtlich fehl. Zum einen handelt es sich bei dem Internetangebot der Bundeszentrale um für die Aufklärung bestimmte Grafiken, während das verfahrensgegenständliche Design die fotografische Abbildung einer Frau zum Gegenstand hat, die aufgrund der Art und Weise der Darstellung zum bloßen Sexualobjekt herabgewürdigt wird. Zum anderen verkennt der Vortrag des Antragstellers, dass der Beurteilung als sittenwidrig weder die Sexualität als solche noch die dargestellte Praktik der Selbstbefriedigung noch die Aufklärung hierüber unterliegen. Es entspricht aber der in der Rechtsgemeinschaft herrschenden Anschauung, dass derartige Praktiken in einen Intimbereich gehören, der fremdem Einblick grundsätzlich nicht zugänglich sein soll und weder öffentlich vorgeführt noch - wie hier im Wege des Designschutzes - kommerzialisiert werden darf (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. September 1997, 7 M 4301/97, juris; siehe auch BVerwGE 64, 280).
Daher muss das vorliegende Design, welches Sexuelles in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rückt und hierdurch das Scham- und Sittlichkeitsgefühl eines beachtlichen Teils des Verkehrs verletzt, gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG von dem Designschutz ausgeschlossen sein. Auf die Erzeugnisangabe „…
“ und die konkrete Art der Verwendung kommt es dabei nicht an, da das
Design aus sich heraus - und also verwendungsunabhängig - wegen seiner besonderen Anstößigkeit die Unzulässigkeit erkennbar macht (Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3 Rn. 19).
4. Auf die von dem Antragsteller in Bezug genommenen, vermeintlich vergleichbaren Voreintragungen kommt es nicht an, da sie nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind und keine Bindungswirkung haben (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Nr. 18 - Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2008, 1093 Nr. 8 - Marlene-Dietrich-Bildnis; BGH GRUR 2011, 230 - SUPERgirl; BGH MarkenR 2011, 66 - Freizeit Rätsel Woche).
5. Da das angemeldete Design nach alledem wegen eines offensichtlichen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG von der Eintragung ausgeschlossen ist (§ 18 DesignG), hat die Designstelle den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe nach § 24 Satz 1 DesignG mit Recht versagt.
Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.
6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 24 Satz 4 DesignG i. V. m. § 135 Abs. 3 Satz 1, letzter Halbsatz PatG (vgl. Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 23 Rn. 45).