Entscheidungsdatum: 19.02.2015
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 4. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünfzehn Fällen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erwarb der gesondert verfolgte F. im Zeitraum vom 6. Juni bis 6. August 2013 in vierzehn Fällen jeweils zwischen 20 g und 70 g Heroin sowie einmal 10 g Kokain in den Niederlanden und führte die Rauschmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf nach Deutschland ein. Die Überzeugung, dass sich der Angeklagte an diesen Taten beteiligte, hat die Strafkammer sich nicht zu verschaffen vermocht. Dies hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
2. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2012 - 3 StR 180/12, NStZ-RR 2013, 20).
Danach erweist sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft.
Der Angeklagte hat sich zur Sache nicht eingelassen. Der gesondert verfolgte F. hatte in dem gegen ihn geführten Strafverfahren den Angeklagten zwar belastet, in der Hauptverhandlung aber von seinem Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch gemacht. Weil der Angeklagte den Zeugen deshalb zu keinem Zeitpunkt befragen oder befragen lassen konnte (Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK) und dieser zudem die Angaben in Erwartung einer Strafmilderung nach § 31 BtMG gemacht hatte, hat sich das Landgericht nicht in der Lage gesehen, eine Verurteilung des Angeklagten allein auf die Aussage des gesondert Verfolgten zu stützen.
a) Zwar erfordert das Recht auf konfrontative Befragung nach Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK die besonders sorgfältige und kritische Überprüfung der Aussagen von Belastungszeugen, wenn der Angeklagte diese nicht befragen oder befragen lassen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2009 - 2 BvR 547/08, NJW 2010, 925, 926; BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 - 1 StR 169/00, BGHSt 46, 93, 104 f.). Hiervon werden auch die Einlassungen eines möglichen Mittäters erfasst, der in der Hauptverhandlung von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch macht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2005 - 2 StR 4/05, NStZ-RR 2005, 321; vom 9. Juni 2009 - 4 StR 461/08, NStZ 2009, 581; vom 15. Juni 2010 - 3 StR 157/10, NStZ 2010, 589; Urteil vom 16. April 2014 - 1 StR 638/13, NStZ-RR 2014, 246, 248). Es bedarf dann regelmäßig einer Bestätigung der belastenden Bekundungen durch andere wichtige Indizien außerhalb der Aussage selbst (vgl. BVerfG aaO; BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2005 - 2 StR 4/05, NStZ-RR 2005, 321; vom 17. März 2010 - 2 StR 397/09, BGHSt 55, 70, 74 f.; Urteil vom 16. April 2014 - 1 StR 638/13, NStZ-RR 2014, 246, 248 f.).
b) Dass das Landgericht die Aussagen des gesondert Verfolgten einer kritischen Überprüfung unterzogen hat, entspricht deshalb zwar im Ansatz den rechtlichen Vorgaben. Die Beweiswürdigung ist indes lücken- und damit fehlerhaft; denn den Urteilsgründen lässt sich entnehmen, dass der Strafkammer in den Fällen 12. und 13. der Anklage (Vorwurf der gemeinsamen Einfuhr von 50 g bzw. 70 g Heroin zum gewinnbringenden Weiterverkauf am 27./28. Juli und 31. Juli 2013) über die Aussagen des Zeugen F. hinaus weitere Beweismittel zur Beteiligung des Angeklagten an den Taten vorgelegen haben. So gibt das Urteil mehrere Telefongespräche zwischen dem Angeklagten und dem gesondert verfolgten F. vom 27./28. Juli und 31. Juli 2013 wieder, deren Inhalt nach der Bewertung durch die Strafkammer die Planung gemeinsamer Beschaffungsfahrten an diesen beiden Tagen "nahelegen". Warum es sich dennoch die Überzeugung, dass sich der Angeklagte an den Betäubungsmitteltaten des F. beteiligt hat, nicht hat verschaffen können, hat das Landgericht jedoch nicht erläutert. Soweit es ausgeführt hat, die Telefongespräche bestätigten nicht die Aussagen des Zeugen F. , wonach der Angeklagte die "treibende und finanzierende Kraft" der Betäubungsmittelgeschäfte gewesen sei, hat es unerörtert gelassen, ob dieser nicht auf andere Art und Weise als Teilnehmer an den Straftaten des gesondert Verfolgten in Betracht kommt.
3. Die rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung zu den beiden genannten Fällen führt auch zur Urteilsaufhebung hinsichtlich der dreizehn übrigen angeklagten Taten. Zwar ergeben die Urteilsgründe insoweit keine den Angeklagten eindeutig belastenden Erkenntnisse, die außerhalb der Aussage des gesondert Verfolgten liegen. Doch kann ein Nachweis der Beteiligung an den Taten vom 27./28. Juli und 31. Juli 2013 auch für die übrigen Fälle von indizieller Bedeutung sein.
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