Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 19.12.2018


BGH 19.12.2018 - 3 StR 516/18

Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
19.12.2018
Aktenzeichen:
3 StR 516/18
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:191218B3STR516.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Düsseldorf, 28. Juni 2018, Az: 8 KLs 1/18
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten S.     wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28. Juni 2018, soweit es ihn betrifft,

a) im Fall II. 2. der Urteilsgründe (Tat vom 28. September 2017),

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und

c) in der Einziehungsentscheidung

mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Auf die Revision des Angeklagten H.   wird das vorgenannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass er des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

4. Der Angeklagte H.   hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten S.      wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, mit vorsätzlicher Körperverletzung und mit gefährlicher Körperverletzung, wegen "vorsätzlichen unerlaubten Besitzes von Munition und verbotenen Gegenständen nach § 2 Abs. 3 WaffG" sowie wegen "vorsätzlichen unerlaubten Besitzes in Tateinheit mit unerlaubter Mitnahme von verbotenen Gegenständen nach § 2 Abs. 3 WaffG" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen den Mitangeklagten H.    hat es wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verhängt. Zudem hat das Landgericht gegen die beiden Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 4.000 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten S.     , mit welcher er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit einer Verfahrensrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten H.    führt lediglich zur geringfügigen Korrektur des Schuldspruchs. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

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I. 1. Die vom Angeklagten S.    bezüglich des Falles II. 2. der Urteilsgründe erhobene Verfahrensrüge, mit welcher er die rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags rügt (§ 244 Abs. 6 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO), dringt durch.

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a) Nach den Urteilsfeststellungen schlug am 28. September 2017 der Angeklagte H.    gemäß dem mit dem Mitangeklagten S.     verabredeten Tatplan, Geld oder geldwerte Gegenstände zu erlangen, in Gegenwart des gesondert verfolgten K.  einem der beiden Tatopfer, dem A.   T.   , mit der Faust gegen dessen Auge. Das blutende Auge musste nach der Tat im Krankenhaus behandelt werden. Der Angeklagte S.    , der zuvor eine unechte Pistole gegen Al.       T.     gerichtet hatte, stieß dessen Cousin A.   T.  mit einem Beil gegen die hintere Schulterseite und drohte beiden Opfern, sie mit dem Beil zu töten. Daher übergab Al.       T.    aus Furcht seine Halskette dem Angeklagten S.      ; dem A.   T.   riss der Angeklagte S.      eine ähnliche Kette vom Hals.

4

Die Angeklagten haben diesen Tatvorwurf in der Hauptverhandlung abgestritten. Seine Überzeugung stützt das Landgericht vornehmlich auf die Angaben der beiden Geschädigten.

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b) Der Angeklagte S.    hat in der Hauptverhandlung beantragt, den Zeugen Ke.   zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, der Angeklagte H.   habe nach der Tat nicht jenem gegenüber gesagt, "wenn er (der Angeklagte H.   ) von der Polizei abgeholt werde, würden die anderen beiden ihn (den A.   T.  ) platt machen". Solches hatte aber der Geschädigte A.   T.   gegenüber einem polizeilichen Vernehmungsbeamten nach dessen Vermerk vom 4. Oktober 2017 geäußert. Damit hat die Verteidigung des Angeklagten S.     - neben weiteren ähnlich gelagerten Beweisanträgen - ersichtlich die Glaubwürdigkeit des Zeugen A.   T.   angreifen wollen. Das Landgericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Beweistatsache sei aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung. Selbst wenn diese Tatsache erwiesen sei, folge daraus nicht, dass der Zeuge A.   T.   die Unwahrheit gesagt habe.

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c) Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Antrags nicht.

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aa) Zwar darf das Tatgericht Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung tatsächlich bedeutungslos erachten (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO), wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Hierzu ist die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie erwiesen, in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen und im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung - gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelsatzes - in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220). Diese antizipierende Würdigung ist in dem den Antrag ablehnenden Beschluss (§ 244 Abs. 6 StPO) näher darzulegen. Denn dieser hat zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Tatgerichts zu unterrichten ("formalisierter Dialog"), dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können; zum anderen muss der Ablehnungsbeschluss dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist sowie ob seine Feststellungen und Schlussfolgerungen mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserhebliche Schlussfolgerung ziehen will.

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Nach diesen Maßstäben erweist es sich in aller Regel als rechtsfehlerhaft, wenn die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit allein auf die Aussage gestützt wird, die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ließe keinen zwingenden, sondern lediglich einen möglichen Schluss zu, den das Gericht nicht ziehen wolle (BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 3 StR 322/15, NStZ-RR 2016, 117 f.; vom 9. Juli 2015 - 1 StR 141/15, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 29; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 225).

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bb) An diesen Grundsätzen gemessen hält der Ablehnungsbeschluss der Überprüfung nicht stand.

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(1) Der Antrag ist seinem Wortlaut nach zwar auf eine sogenannte Negativtatsache gerichtet. Dennoch stellt er eine bestimmte Tatsache unter Beweis, denn er ist bei verständiger Auslegung dahin zu verstehen (vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 117 mwN), der Angeklagte H.   habe nach der Tat nur zu anderen Personen Kontakt aufgenommen oder im Falle eines Zusammentreffens mit Ke.   habe er diesem anderes berichtet.

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(2) Das Tatgericht hat nicht begründet, warum es dem Zeugen A.   T.   zum Tatgeschehen weiterhin geglaubt hat, auch wenn dieser zum Randgeschehen gelogen haben sollte. Es hätte die für die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen sprechenden Gesichtspunkte und gegebenenfalls die weiteren Umstände, auf die es in den Urteilsgründen rechtsfehlerfrei seine Überzeugungsbildung gestützt hat (§ 261 StPO), bereits in seinem Ablehnungsbeschluss mitteilen müssen. Freilich kann und muss die Beschlussbegründung in der Regel weder die Ausführlichkeit noch die Tiefe der Beweiswürdigung der späteren Urteilsgründe aufweisen; die wesentlichen Hilfstatsachen wären indes jedenfalls in Grundzügen mitzuteilen gewesen. Nur dann hätte sich die Verteidigung auf die Umstände, die nach Ansicht des Landgerichts für die Glaubwürdigkeit des Zeugen A.   T.   sprachen, einstellen und diese gegebenenfalls mit weiteren Beweisanträgen angreifen können.

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cc) Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass der Antragsteller auf eine den Anforderungen des § 244 Abs. 6 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO genügende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte reagieren können, naheliegend mit weiteren Beweisanträgen. Dem Beschluss hat er zwar entnehmen können, dass das Landgericht den Zeugen ungeachtet einer Lüge zum Nachtatgeschehen für glaubwürdig gehalten hat. Der Angeklagte S.      hatte jedoch ein berechtigtes Interesse daran, die dafür maßgeblichen Umstände zu erfahren, um diese zum Gegenstand seines weiteren Prozessverhaltens machen zu können.

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2. Die Verfahrensrüge betrifft nicht die beiden Waffendelikte (§ 52 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. b WaffG, § 53 StGB), welche der Angeklagte nach Würdigung der Kammer glaubhaft gestanden hat.

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3. Die Aufhebung des Falls II. 2. der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und der Einziehungsentscheidung (Einziehung des Werts der Taterträge nach Veräußerung der Halsketten) nach sich. Der Senat schließt indes aus, dass die Strafzumessung zu Fall II. 2. die Straffindung bei den Waffendelikten beeinflusst hat. Die beiden diesbezüglichen Einzelstrafen von je sechs Monaten Freiheitsstrafe bleiben damit bestehen.

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II. Der Schuldspruch hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten H.   hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht im vollen Umfang stand. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Körperverletzung entfällt.

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1. Das Landgericht hat nicht bedacht, dass die vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) innerhalb des rechtsfehlerfrei als eine Tat (§ 52 Abs. 1 StGB) gewürdigten Geschehens durch die Qualifikation der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) verdrängt wird (BGH, Beschluss vom 6. März 2018 - 2 StR 41/18, juris Rn. 2).

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2. Es ist indes auszuschließen, dass das Landgericht ohne diesen Rechtsfehler auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Denn dem Umstand, dass der Angeklagte H.   mit dem Faustschlag die am schwersten wiegende Körperverletzung herbeiführte, hat das Landgericht auch bei zutreffender Bewertung des Konkurrenzverhältnisses weiterhin rechtsfehlerfrei maßgebliches Gewicht beimessen dürfen.

Schäfer     

      

Spaniol     

      

Tiemann

      

Berg     

      

Leplow