Entscheidungsdatum: 10.11.2015
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 30. April 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg; auf die geltend gemachten sachlichrechtlichen Beanstandungen kommt es deshalb nicht mehr an.
Die Revision rügt zu Recht, dass die Strafkammer einen Beweisantrag mit fehlerhafter Begründung abgelehnt hat.
1. Dem liegt zugrunde:
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte zu zwei nicht näher feststellbaren Zeitpunkten zwischen April und Juni 2008 in der gemeinsamen Ehewohnung seine Frau mit einer Waffe, die jedenfalls wie eine echte Schusswaffe aussah, bedrohte und hierdurch zwang, gegen ihren Willen den vaginalen Geschlechtsverkehr zu dulden. Der Angeklagte hat die Taten in der Hauptverhandlung bestritten. Seine Überzeugung stützt das Landgericht auf die Angaben der Nebenklägerin, denen es Glauben geschenkt hat.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung unter anderem beantragt, zwei Personen als Zeugen zu der Behauptung zu vernehmen, seine Ehefrau habe kurz vor ihrer Trennung im Jahr 2011 ihnen gegenüber erklärt, dass sie alles daran setzen werde, den Angeklagten in den Knast zu bekommen. Dieser Umstand sei für die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Zeugin von erheblicher Bedeutung. Das Landgericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Beweistatsache sei aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung. Es handele sich um eine bloße Indiztatsache, die zwar in einem Sachzusammenhang zum Gegenstand der Urteilsfindung stehe, aus der zwingende Folgerungen aber nicht zu ziehen seien und die Kammer "die möglichen Schlüsse" nicht ziehen wolle.
2. Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Antrags nicht.
Zwar ist es dem Tatgericht grundsätzlich nicht verwehrt, Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie erwiesen, in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen und im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung - gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelssatzes - in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220).
Diese antizipierende Würdigung ist in dem den Antrag ablehnenden Beschluss (§ 244 Abs. 6 StPO) näher darzulegen. Denn dieser hat zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können; zum anderen muss er dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268; vom 7. April 2011 - 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713, 714; Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 3 StR 135/13, NStZ 2014, 110). Nach diesen Maßstäben erweist es sich in aller Regel als rechtsfehlerhaft, wenn die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit allein auf die inhaltsleere Aussage gestützt wird, die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache lasse keinen zwingenden, sondern lediglich einen möglichen Schluss zu, den das Gericht nicht ziehen wolle (vgl. LR/Becker aaO, § 244 Rn. 225).
So verhält es sich hier. Die Strafkammer hat keine konkreten Erwägungen mitgeteilt, aufgrund derer sie das von ihr bisher gefundene Beweisergebnis, das allein auf der Aussage der Nebenklägerin gründet, durch die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht als erschüttert angesehen hat. Die Bedeutungslosigkeit lag auch nicht auf der Hand (vgl. BGH, Urteile vom 15. Mai 1990 - 5 StR 594/89, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 12; 23. September 1999 - 4 StR 700/98, StraFo 2000, 53, 54). Das Landgericht selbst hat einen Sachzusammenhang zwischen der Beweistatsache und dem Gegenstand der Urteilsfindung gesehen. Die unter Beweis gestellte Tatsache betraf tatsächlich einen die Glaubwürdigkeit der Zeugin in der vorliegenden Sache berührenden Umstand (vgl. Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, StraFo 2000, 53, 54 mwN). In der pauschalen Begründung, die vom Angeklagten behauptete Äußerung der Nebenklägerin, sie wolle den Angeklagten "in den Knast bringen", ließe keinen zwingenden Schluss zu, liegt daher ein Rechtsfehler.
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO).
Weder vermag der Senat zu prüfen, ob das Landgericht im Rahmen seiner ihm obliegenden antizipierenden Würdigung den unter Beweis gestellten Behauptungen rechtsfehlerfrei keine Bedeutung zugemessen hat, noch kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller sein Prozessverhalten auf eine den Anforderungen entsprechende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte einrichten können.
Becker Hubert Mayer
Gericke Spaniol