Entscheidungsdatum: 07.04.2011
1. Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 16. Juli 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
I.
Der Nebenkläger beanstandet mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts und erstrebt die Verurteilung des Angeklagten wegen eines Tötungsdelikts, zumindest wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte in seiner Wohnung nach einem zunächst verbal ausgetragenen Streit dem Nebenkläger zwei Schläge mit einem Zimmermannshammer gegen den Kopf. Anschließend verließ er die Wohnung bis kurz vor deren Tür, kehrte jedoch um und schlug im Laufe des sich fortsetzenden Kampfgeschehens auf den Nebenkläger mit einer Haschischpfeife und einer Schwarzlichtröhre so heftig ein, dass beide Gegen-stände zersplitterten und das Gehäuse der Röhre verbogen wurde.
Der Nebenkläger hat bekundet, er habe auf dem Sofa des Angeklagten geschlafen, als dieser mit dem Hammer auf ihn eingeschlagen habe. Durch die Schläge sei er erwacht und in Richtung der Wohnungstür geflüchtet. Dort habe der Angeklagte ihm weitere Schläge versetzt. Das Landgericht hat diese Angaben für widerlegt erachtet und seine Überzeugung auf die mit weiteren Beweisergebnissen in Einklang stehende Einlassung des Angeklagten gestützt.
Vor diesem Hintergrund beanstandet der Nebenkläger zu Recht, das Landgericht habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
1. Der Nebenkläger hat die Vernehmung des ihn behandelnden Arztes Dr. S. zum Beweis dafür beantragt, er habe diesem bereits am Tattag berichtet, er habe geschlafen; als er aufgewacht sei, habe ein Freund vor ihm gestanden und mit einem Hammer auf ihn eingeschlagen.
Die Strafkammer hat diesen Antrag durch Beschluss mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellte Tatsache sei für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Es könne dahinstehen, ob der Nebenkläger gegenüber dem behandelnden Arzt die behauptete Äußerung gemacht habe. Dies bedeute nicht zwingend, dass das Geschehen sich so abgespielt habe; denn "aufgrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme geht die Kammer, wie auch in der Erklärung nach § 257b StPO dargestellt, nicht davon aus, dass der Angeklagte den Zeugen A. im Schlaf mit den Hammerschlägen überrascht hat."
Die in Bezug genommene Erklärung nach § 257b StPO lautet - soweit hier von Relevanz - wie folgt: "Es wird nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Zeugen A. mit Hammerschlägen im Schlaf überrascht hat."
2. Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Beweisantrags nicht.
a) Zwar ist es dem Tatgericht grundsätzlich nicht verwehrt, Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Jedoch hat der Beschluss, mit dem das Tatgericht die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache ablehnt, zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können; zum anderen muss er dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist u.a. mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss blieb (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268; vom 3. Dezember 2004 - 2 StR 156/04, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 26).
b) Diese Grundsätze gelten auch für Beschlüsse, mit denen Beweisanträge des Nebenklägers zurückgewiesen werden. Zwar hat der 5. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 28. April 2010 (5 StR 487/09, NStZ 2010, 714) - nicht tragend - angemerkt, ungeachtet des auch dem Nebenkläger nach § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO zugebilligten Beweisantragsrechts erscheine eine weniger restriktive Anwendung der gesetzlich vorgesehenen Ablehnungsgründe auf Beweisanträge des Nebenklägers als beim Angeklagten vertretbar. Dem kann der Senat jedoch nicht folgen.
Gegen die vom 5. Strafsenat erwogene Auffassung sprechen bereits der eindeutige Wortlaut und die Systematik der Strafprozessordnung. § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO bestimmt, dass dem Nebenkläger das Beweisantragsrecht zusteht, und verweist auf § 244 Abs. 3 bis 6 StPO. Dieser Regelung sind Einschränkungen nicht zu entnehmen; der Gesetzgeber hat - im Gegensatz etwa zu der Normierung der Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers in § 400 Abs. 1 StPO - darauf verzichtet, Reichweite und Grenzen der dem Nebenkläger eingeräumten Befugnis zur Stellung von Beweisanträgen gesondert auszugestalten (vgl. Bock, HRRS 2011, 119, 120). Auch den Materialien zum Opferschutzgesetz vom 18. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2496), mit dem das Beweisantragsrecht in § 397 Abs. 1 StPO ausdrücklich aufgenommen wurde, kann ein entsprechender Wille nicht entnommen werden; vielmehr ist der Gesetzgeber bewusst dem Bundesrat nicht gefolgt, der sich gegen das Beweisantragsrecht des Nebenklägers gewandt hatte (BT-Drucks. 10/5305, S. 29, 33; vgl. hierzu auch LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 397 Rn. 8 mwN). Zuletzt hat der Gesetzgeber mit dem 2. Opferrechtsreformgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2280) u.a. den § 397 StPO redaktionell umgestaltet. Dabei hat er allerdings das Beweisantragsrecht von Nebenklägern nicht etwa eingeschränkt, sondern deren Verfahrensrechte insgesamt noch weiter gestärkt (vgl. BT-Drucks. 16/12098, S. 1 f.). Schließlich führt die Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Regelungsgefüges nicht zu einem anderen Ergebnis. Dem 5. Strafsenat ist zwar dahin zuzustimmen, dass das Beweisantragsrecht für den Angeklagten mit Blick auf seine Stellung im Strafverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Dies gilt indes in ähnlicher Weise für den Nebenkläger, dessen Interesse an der Wahrheitsfindung nicht von vornherein geringer zu bewerten ist. Eine gegen den Wortlaut und den gesetzgeberischen Willen restriktive Auslegung des § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO, die dazu führen könnte, die wirksame Wahrnehmung der berechtigten Interessen durch den Nebenkläger zu beeinträchtigen, ist deshalb nicht veranlasst.
c) Nach dem aufgezeigten Maßstab genügen die Ausführungen des Landgerichts in dem genannten Beschluss nicht. Dieser enthält ausschließlich einen pauschalen Hinweis auf das "Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme", der auch durch die in Bezug genommene Erklärung nach § 257b StPO nicht näher konkretisiert wird. Damit ließ er zum einen den Antragsteller über die konkrete Einschätzung der Strafkammer über die Beweislage und die insoweit bestehende Verfahrenssituation im Ungewissen. Zum anderen ist dem Senat die rechtliche Nachprüfung dahin verwehrt, ob das Landgericht die Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO rechtsfehlerfrei angenommen und ohne Rechtsfehler von der Vernehmung des Zeugen Dr. S. in der Hauptverhandlung abgesehen hat.
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Weder vermag der Senat zu prüfen, ob das Landgericht im Rahmen seiner antizipierenden Würdigung der unter Beweis gestellten Behauptung rechtsfehlerfrei keine Bedeutung zugemessen hat, noch kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller sein Prozessverhalten auf eine den Anforderungen entsprechende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte einrichten können.
II.
Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Becker Pfister von Lienen
Schäfer Mayer