Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 14.04.2011


BVerwG 14.04.2011 - 3 C 24/10

Motorsegler; Altlizenzinhaber; luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeitsüberprüfung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
14.04.2011
Aktenzeichen:
3 C 24/10
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 16. Oktober 2008, Az: 20 A 2921/07, Urteilvorgehend VG Arnsberg, 30. August 2007, Az: 7 K 2608/06

Leitsätze

Auch Altlizenzinhaber haben sich der Überprüfung ihrer luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit nach dem Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben zu unterziehen.

(wie Urteil vom gleichen Tag im Verfahren BVerwG 3 C 20.10)

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Berechtigung zum Führen von Luftfahrzeugen.

2

Der 1951 geborene Kläger erwarb im September 1991 erstmals einen Luftfahrerschein für Privatluftfahrzeugführer; er berechtigte ihn zum Führen von einmotorigen Landflugzeugen bis zu einer Höchstabflugmasse von 2 000 kg. Die Erlaubnis wurde in der Folgezeit mehrfach verlängert. Zuletzt erhielt der Kläger im August 2003 einen bis 24. August 2008 gültigen Luftfahrerschein für Privatluftfahrzeugführer; die dort eingetragene Klassenberechtigung für einmotorige Landflugzeuge galt bis zum 19. August 2005.

3

Mit Schreiben vom 9. August 2005 forderte die Beklagte den Kläger auf, einen Antrag auf Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) zu stellen; sie wies zugleich darauf hin, dass eine Weigerung Zweifel an seiner für die Erteilung von Fluglizenzen erforderlichen Zuverlässigkeit begründe. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach.

4

Daraufhin widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 31. März 2006 die dem Kläger erteilte Erlaubnis für Privatflugzeugführer und forderte ihn zur Abgabe des Luftfahrerscheins binnen einer Woche auf. Da wegen unterbliebener Antragstellung keine Entscheidung der Luftsicherheitsbehörde über seine Zuverlässigkeit vorliege, fehle eine Voraussetzung für die Erteilung dieser Erlaubnis. Die Berechtigung zum Führen von Kleinflugzeugen sei deshalb nach § 4 Abs. 3 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) zu widerrufen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 31. Mai 2006 zurück.

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Seine Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung führt es aus: Die Anfechtungsklage bleibe trotz der mittlerweile abgelaufenen Gültigkeit der Erlaubnisse zulässig; gemäß § 26a der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) vermittelten sie bei bloßem Zeitablauf, anders als im Fall des Widerrufs, ein Recht auf Erneuerung. Die Klage sei aber unbegründet. Die dem Kläger erteilte Lizenz für einmotorige Flugzeuge bis zu einer Höchstabflugmasse von 2 000 kg sei zu Recht widerrufen worden; denn er habe sich keiner Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7 LuftSiG unterzogen, so dass eine positive Feststellung seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit fehle. Mit der Neuregelung in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 2. Alt. LuftVG seien die Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Luftfahrern zur Abwehr von äußeren Gefahren für die Luftsicherheit ("security") angewachsen. Der Gesetzgeber habe dem Bewerber hierfür eine Nachweispflicht auferlegt; sie sei vergleichbar mit der Forderung nach einer Tauglichkeitsuntersuchung. Dieser Nachweis müsse in Form einer durch die Luftsicherheitsbehörde nach einer Überprüfung gemäß § 7 LuftSiG ausgestellten Bescheinigung geführt werden. Einen solchen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht. Entsprechend der Erhöhung der Anforderungen an die Zuverlässigkeit sei die Widerrufsbefugnis angewachsen. Dass die Inhaber früher erteilter Erlaubnisse von der Erweiterung der Zuverlässigkeitsanforderungen verschont bleiben sollten, habe der Gesetzgeber nicht angeordnet. Eine solche Begünstigung sei auch aus dem Wortlaut von § 4 Abs. 3 LuftVG nicht ableitbar. Die Ermächtigung zum Widerruf der Erlaubnis solle nicht der Korrektur einer rechtswidrigen Erteilung dienen, sondern eine Reaktion auf nachträglich eingetretene Umstände ermöglichen. Dadurch solle den aktuellen Sicherheitsanforderungen Rechnung getragen werden. Dass anderweitige Anhaltspunkte für ein Gefährdungspotenzial fehlten, der Betroffene die Überprüfung selbst zu beantragen habe und eine Antragstellung nicht mit Mitteln des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden könne, führe auf kein anderes Verständnis. Dem Zweck der Neuregelung widerspräche es, wenn die Überprüfung von Altlizenzinhabern aufgeschoben würde oder - bei unbefristeten Erlaubnissen - ganz unterbliebe. Dass zum Zeitpunkt des Widerrufs die in § 17 Abs. 1 LuftSiG vorgesehene Durchführungsverordnung noch nicht erlassen gewesen sei, habe den Kläger nicht hindern müssen, seine Überprüfung zu beantragen. Ebenso wenig habe deshalb die Gefahr eines unzulässigen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bestanden; die im Luftsicherheitsgesetz verankerten Verfahrensrechte hätten den Kläger insoweit hinreichend geschützt. Schließlich führe auch die inzwischen in Kraft getretene Luftsicherheits-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung (LuftSiZÜV) nicht zu einer anderen Bewertung; dort sei - schon wegen des Fehlens einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage - für Altfälle nichts verbindlich geregelt. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der den Widerruf tragenden gesetzlichen Grundlagen bestünden nicht. Diese Regelungen seien auch mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar.

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Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend: Das Bundesverfassungsgericht habe sich in seinem Beschluss vom 4. Mai 2010 zwar ausführlich mit der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben befasst, die Frage der Vereinbarkeit der Regelungen mit den Grundrechten jedoch nur knapp und ungenügend behandelt. Es sei nicht gerechtfertigt, von einem Flugzeugführer ohne konkreten Anlass sowie ohne Erläuterung und Belehrung eine Generaleinwilligung zur Einsichtnahme in alle über ihn gespeicherten Daten sowie zu deren Weiterverwendung zu verlangen. Das Gemeinschaftsrecht sehe eine Erstreckung der luftsicherheitsrechtlichen Überprüfung auf Luftfahrer im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG nicht vor; das nationale Recht dürfe darüber nicht hinausgehen, zumal kein entsprechender Handlungsbedarf bestehe. Dem Luftsicherheitsgesetz lasse sich keine Pflicht des Piloten entnehmen, einen Antrag auf Zuverlässigkeitsüberprüfung zu stellen. Diese Überprüfung eigne sich auch nicht zur Gefahrenabwehr. Die bisher bekannt gewordenen Vorfälle seien nicht von Inhabern einer gültigen Fluglizenz, sondern mit gestohlenen oder entführten Flugzeugen begangen worden. Zudem würden Inhaber ausländischer Fluglizenzen nicht überprüft, ebenso wenig andere Personen, wie etwa die Führer von Tanklastzügen, von denen ebenfalls Gefahren ausgehen könnten.

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Der Senat hat das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 20. Mai 2009 ausgesetzt, nachdem dem Bundesverfassungsgericht in einem Normenkontrollverfahren nach Art. 100 GG die Frage zur Entscheidung vorlag, ob § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG verfassungsgemäß ist. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 4. Mai 2010 - 2 BvL 8/07 und 9/07 - (NVwZ 2010, 1146) festgestellt, dass diese Regelungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind, "soweit danach eine Zuverlässigkeitsprüfung für Luftfahrer im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 LuftVG erforderlich ist".

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Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Das Berufungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit auch bei Inhabern von Altlizenzen zu überprüfen sei. Zweifel an der Zuverlässigkeit im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG bestünden bereits dann, wenn wegen eines fehlenden Antrags des Betroffenen eine Überprüfung nicht durchgeführt werden könne. Das Bundesverfassungsgericht habe bestätigt, dass es verfassungsgemäß sei, von Privatpiloten eine Zuverlässigkeitsüberprüfung zu verlangen und ohne diesen Nachweis die Flugberechtigung zu widerrufen.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält die Revision ebenfalls für unbegründet und trägt im Einvernehmen mit den Bundesministerien des Innern und der Justiz vor: Die Beklagte habe die Fluglizenz des Klägers widerrufen dürfen. Wegen dessen Weigerung, sich einer Zuverlässigkeitsüberprüfung zu unterziehen, hätten Zweifel an seiner Zuverlässigkeit im Sinne von § 7 LuftSiG bestanden. Nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Zweck der Regelungen seien auch Altlizenzinhaber zu überprüfen. Der mit der Überprüfung verbundene Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG sowie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei im Hinblick auf das Gefährdungspotenzial im Luftverkehr und die hochrangigen zu schützenden Rechtsgüter gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 2 VwGO) angenommen, dass sich auch Privatpiloten, denen die Fluglizenz noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben erteilt wurde, einer Überprüfung ihrer luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit nach diesem Gesetz zu unterziehen haben. Die entsprechenden Neuregelungen sind formell und materiell verfassungsgemäß; sie beinhalten auch keinen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht.

11

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist beim Widerruf einer Luftfahrererlaubnis nach § 4 Abs. 3 LuftVG der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. zur Feststellung der Zuverlässigkeit nach § 29d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftVG a.F.: Urteil vom 15. Juli 2004 - BVerwG 3 C 33.03 - BVerwGE 121, 257 <260 f.>; ebenso OVG Berlin, Beschluss vom 12. November 2010 - 12 N 71.10 - juris Rn. 11 und VGH München, Urteil vom 3. März 2009 - 8 BV 07.496 - juris Rn. 14; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 15. Juni 2009 - 20 B 148/09 - juris Rn. 7); danach kommt es hier auf den Erlass des Widerspruchsbescheides am 31. Mai 2006 an.

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Abzustellen ist daher auf § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG sowie § 7 LuftSiG in der am 15. Januar 2005 in Kraft getretenen Fassung von Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (BGBl I S. 78). Nach § 4 Abs. 3 LuftVG ist die für das Führen oder Bedienen eines Luftfahrzeuges erforderliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht mehr vorliegen. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG wird die Erlaubnis nur erteilt, wenn keine Tatsachen vorliegen, die den Bewerber als unzuverlässig erscheinen lassen, ein Luftfahrzeug zu führen oder zu bedienen, und keine Zweifel an seiner Zuverlässigkeit nach § 7 des Luftsicherheitsgesetzes bestehen. § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG sieht vor, dass zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs (§ 1) die Zuverlässigkeit von Luftfahrern im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 bis 3 und 5 des LuftVG und entsprechenden Flugschülern zu überprüfen ist. Keine Anwendung findet dagegen die auf der Grundlage von § 17 LuftSiG erlassene Luftsicherheits-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung (LuftSiZÜV) vom 23. Mai 2007 (BGBl I S. 947), da sie erst am 2. Juni 2007 in Kraft getreten ist.

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2. Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2010 (a.a.O.) steht mit bindender Wirkung (§ 31 Abs. 1 und 2 BVerfGG) fest, dass § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG in der hier maßgeblichen Fassung mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit danach eine Zuverlässigkeitsüberprüfung für Privatpiloten erforderlich ist, die wie der Kläger im Besitz einer Lizenz für (Land-)Flugzeuge im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftVG sind. Soweit im Tenor dieser Entscheidung (vgl. BGBl I 2010 S. 885) Nr. 4 des § 1 Abs. 2 LuftVG - statt Nr. 5 - genannt wird, handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit (dazu das Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren BVerwG 3 C 20.10), die für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung hat.

14

Die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Norm ist in formeller und materieller Hinsicht umfassend bestätigt worden. In den Gründen seiner Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur ausgeführt, dass das Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben nicht der Zustimmung des Bundesrates bedurfte (a.a.O. Rn. 126 ff.); es hat darüber hinaus klargestellt, dass die ihm zur Überprüfung vorgelegten Normen weder gegen Grundrechte noch gegen das Rechtsstaatsprinzip verstießen (a.a.O. Rn. 153 ff.). Hiervon hat der Senat bei seiner Entscheidung auszugehen.

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3. Die Beklagte war zum Widerruf der Luftfahrererlaubnis nach § 4 Abs. 3 LuftVG befugt.

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a) Die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG lagen beim Kläger im Zeitpunkt des Widerrufs nicht vor; denn bereits ein Jahr zuvor, am 15. Januar 2005, war § 7 LuftSiG in Kraft getreten, der gegenüber dem bei Erteilung der Luftfahrerlizenz im Jahr 2003 geltenden Rechtszustand erhöhte Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Lizenzinhaber stellte. Diese Anforderungen ergeben sich daraus, dass nach der neuen Konzeption des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG i.V.m. § 7 LuftSiG Zweifel an der Zuverlässigkeit der erfassten Luftfahrer solange zu vermuten sind, bis sie gemäß den Vorgaben des Luftsicherheitsgesetzes ausgeräumt werden. Beim Kläger bestanden, wie unten näher auszuführen ist, die Zweifel in beachtlicher Weise fort, weil seine Zuverlässigkeit nicht überprüft war und eine Überprüfung infolge der Weigerung, den dafür unabdingbaren Antrag zu stellen, aus Rechtsgründen nicht in Betracht kam (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG). Ab diesem Zeitpunkt erfüllte er die in § 4 Abs. 1 LuftVG in Bezug genommenen Voraussetzungen "nicht mehr". Mit dieser Formulierung verlangt das Gesetz, dass erlaubnispflichtige Luftfahrer stets die jeweils aktuellen Anforderungen im Sinne des Absatzes 1 erfüllen. Für den Fall der Verschärfung gesetzlicher Voraussetzungen verwendet das Berufungsgericht das treffende Bild eines "Anwachsens" des individuellen Anforderungsprofils. Der Widerruf ist damit - entgegen der Annahme des Klägers und eines Teils der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. VGH München a.a.O. Rn. 22; VGH Mannheim, Urteil vom 29. Juli 2008 - 8 S 904/08 - ZLW 2009, 721 ) - nicht nur dann zulässig, wenn vom Piloten ursprünglich erfüllte Anforderungen später nicht mehr erfüllt werden.

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b) Die Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG war nach der dargestellten Konzeption ohne Weiteres anwendbar. Die Inhaber bereits erteilter und noch gültiger Lizenzen wie der Kläger (im Folgenden: Altlizenzinhaber) waren von ihr nicht ausgenommen (vgl. auch Meyer, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Kommentar, § 7 LuftSiG Rn. 21 ff.). Insbesondere hatten sie sich nicht erst, wie der Kläger in Übereinstimmung mit obergerichtlicher Rechtsprechung (VGH München a.a.O., VGH Mannheim a.a.O. und OVG Berlin, Beschluss vom 1. Oktober 2007 - 12 S 58.07 - juris) meint, im Falle einer Verlängerung oder Erneuerung der Lizenz einer Überprüfung zu unterziehen. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 7 LuftSiG, der den zu überprüfenden Personenkreis mit dem Begriff "Luftfahrer" umschreibt, ohne danach zu differenzieren, ob der Betroffene Inhaber einer Lizenz ist oder ihre erstmalige Erteilung, Verlängerung oder Erneuerung anstrebt. Zudem entspricht die sofortige Anwendbarkeit den Auslegungsgrundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts, wonach Rechtsänderungen grundsätzlich alle bei ihrem Inkrafttreten einschlägigen Fälle erfassen, sofern das Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimmt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90 u.a. - BVerfGE 87, 48; BVerwG, Urteil vom 26. März 1985 - BVerwG 9 C 47.84 - Buchholz 402.25 § 10 AsylVfG Nr. 1 m.w.N.). Für eine solche Einschränkung fehlen hier Anhaltspunkte, zumal das Luftsicherheitsgesetz für die Durchführung der Überprüfung keine Übergangsregelung enthält. Die Zuverlässigkeitsregelung in § 26a i.V.m. § 24 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung, die in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung keinen Hinweis auf § 7 LuftSiG enthielt, war in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Neuregelung auszulegen und lässt sich daher nicht gegen deren Inhalt einwenden.

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Vor allem aber sprechen Sinn und Zweck der Regelung deutlich dafür, auch Altlizenzinhaber unverzüglich einer Zuverlässigkeitsüberprüfung zu unterziehen. Die im Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vorgenommenen Rechtsänderungen gehen ausweislich der Gesetzesbegründung auf eine Änderung der Beurteilung der Sicherheitslage im Luftraum in Reaktion auf die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 zurück; verwiesen wird in der Gesetzesbegründung zusätzlich auf die Entführung eines Motorseglers in Frankfurt am Main im Januar 2003 durch einen - wie sich später herausgestellt hat - offensichtlich geistig Verwirrten (BTDrucks 15/2361 S. 14). Mit der Regelung in § 7 LuftSiG soll eine umfassendere und effektivere Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfungen ermöglicht werden (a.a.O. S. 16). Ziel der Ausdehnung der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf Luftfahrer sowie Flugschüler ist es, einen besseren Schutz auch auf Kleinflughäfen und der allgemeinen Luftfahrt zu gewährleisten (a.a.O. S. 17). Dem Gesetzgeber ist ausdrücklich an einer raschen Umsetzung gelegen (a.a.O. S. 35). Dass er ein konsequentes Überprüfungsregime einrichten wollte, lässt sich überdies § 17 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG entnehmen, der von der Notwendigkeit von Wiederholungsprüfungen ausgeht. All dies zeigt, dass den neuen Anforderungen an die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit umgehend und umfassend Geltung verschafft werden sollte. Dieses Ziel würde aber - bei einer Geltungsdauer der Flugberechtigungen von regelmäßig fünf Jahren (vgl. § 4 der Verordnung über Luftfahrtpersonal - LuftPersV) - nur mit teils erheblicher Zeitverzögerung erreicht, wenn die Zuverlässigkeitsüberprüfung bei Inhabern von Altlizenzen erst bei der Verlängerung einer bestehenden Berechtigung anstünde. Eine Zuverlässigkeitsüberprüfung würde bei einem solchen Verständnis der Regelung sogar gänzlich entfallen, wenn eine Flugberechtigung zeitlich unbeschränkt erteilt wurde. Dies ist nach § 41 Abs. 1 Satz 1 LuftPersV etwa bei der Berechtigung für Motorsegler der Fall. Motorsegler machen jedoch nach einer Übersicht des Luftfahrt-Bundesamtes rund 14 % der in der Bundesrepublik registrierten Luftfahrzeuge aus (2 948 von 21 327 nach dem Stand von 2008). Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber solche Sicherheitslücken sehenden Auges in Kauf nehmen wollte, zumal er in der Gesetzesbegründung gerade auch auf einen Vorfall mit einem Motorsegler verweist. Ebenso wenig handelt es sich bei der Überprüfung der Altlizenzinhaber um ein bloßes Übergangsphänomen (so gegen VGH Mannheim zutreffend auch Meyer, a.a.O. § 7 LuftSiG Rn. 24).

19

§ 7 Abs. 6 LuftSiG kann einer Einbeziehung der Altlizenzinhaber nicht entgegen gehalten werden (anders OVG Berlin a.a.O. Rn. 7; offengelassen von VGH Mannheim a.a.O. Rn. 20). Dort ist geregelt, dass ohne eine abgeschlossene Zuverlässigkeitsüberprüfung, bei der keine Zweifel an der Zuverlässigkeit verbleiben, dem Betroffenen kein Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen des Flugplatzgeländes gewährt werden (Abs. 1 Nr. 1 und 5) oder er seine Tätigkeiten (Abs. 1 Nr. 2 und 3) nicht aufnehmen darf. Zwar enthält diese Regelung keine vergleichbare Sperre für Luftfahrer im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG; sie werden in § 7 Abs. 6 LuftSiG nicht erwähnt. Doch ergibt sich bei ihnen eine im Wesentlichen wirkungsgleiche Sanktionierung des Unterbleibens oder des nicht erfolgreichen Absolvierens der Zuverlässigkeitsüberprüfung daraus, dass ihre Lizenz gemäß § 4 Abs. 3 LuftVG vollständig oder teilweise zu widerrufen ist. Dadurch werden sie - nicht anders als die in § 7 Abs. 6 LuftSiG genannten Personen - daran gehindert, ihre nach der Wertung des Gesetzgebers potenziell die Luftsicherheit gefährdende spezifische Betätigung, hier das Führen von Luftfahrzeugen, auszuüben. Damit spricht § 7 Abs. 6 LuftSiG nicht gegen, sondern gerade für eine Erstreckung des Überprüfungserfordernisses auf Altlizenzinhaber; denn auch diese Regelung zeigt, dass es dem Gesetzgeber darum ging, die Aufnahme oder Fortführung der von § 7 Abs. 1 LuftSiG erfassten Betätigungen zu unterbinden, solange die betreffenden Personen nicht den Nachweis ihrer luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit erbracht haben.

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Den Widerruf einer bestehenden Flugberechtigung hindert auch nicht, dass zum Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens die in § 17 Abs. 1 LuftSiG vorgesehene Verordnung zu den Einzelheiten der Zuverlässigkeitsüberprüfung noch nicht erlassen war. Die gesetzlichen Regelungen in § 4 Abs. 3, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 2. Alt. LuftVG sowie § 7 LuftSiG bieten für den Widerruf eine ausreichende Rechtsgrundlage. Von einer sofortigen Anwendbarkeit der gesetzlichen Neuregelungen zur Zuverlässigkeitsüberprüfung nach deren Inkrafttreten ging auch der Gesetzgeber selbst aus; nach der Gesetzesbegründung sollten bis zum Erlass der in § 17 LuftSiG vorgesehenen Verordnung die Vorschriften der auf der Grundlage des § 32 Abs. 2b LuftVG a.F. erlassenen Luftverkehr-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung (LuftVZÜV) vom 8. Oktober 2001 (BGBl I S. 2625) fortgelten, soweit § 7 LuftSiG nicht ausdrücklich eine anderslautende gesetzliche Regelung trifft (BTDrucks 15/2361 S. 22).

21

Eine unzulässige Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelungen ist mit der Erstreckung der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf Altlizenzinhaber nicht verbunden. Dass nach Erlaubniserteilung zusätzliche Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Privatpiloten gestellt werden, führt zu keiner echten Rückwirkung. Damit wird nicht gestaltend in einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen; eine bereits erteilte Flugberechtigung wird nicht für die Vergangenheit, sondern nur für die Zukunft in Frage gestellt. Soweit durch den Widerruf eine erteilte Berechtigung in ihrer Geltungsdauer verkürzt wird und darin zumindest eine unechte Rückwirkung liegt, ist dies durch überwiegende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, eine von ihm in Wahrnehmung seiner Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG vorgenommene Verschärfung der Anforderungen an die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit dadurch effektiv umzusetzen, dass er den betreffenden Personenkreis unverzüglich und vollständig der von ihm als geboten erachteten Überprüfung unterzieht. Die Inhaber einer Flugberechtigung haben weder ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die Anforderungen an die Zuverlässigkeit nicht erhöht werden noch darauf, dass deren Durchsetzung unterbleibt oder aufgeschoben wird (vgl. zum Widerruf nach einer Erhöhung der Zuverlässigkeitsanforderungen im Waffenrecht: Urteil vom 16. Mai 2007 - BVerwG 6 C 24.06 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 93). Mit dem Einwand, der Vergleich mit dem Waffenrecht sei untauglich, weil es sich bei Waffen anders als bei Flugzeugen um "Tötungsmaschinen" handele, wird verkannt, dass es hier allein um das Gefährdungspotenzial und die Missbrauchsgefahr geht, die mit einem Flugzeug ebenso wie mit einer Waffe verbunden sein können. Einwendungen in Bezug auf das Rückwirkungsverbot hat im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 4. Mai 2010 (a.a.O.) nicht erhoben, obwohl den beiden Vorlagebeschlüssen des Verwaltungsgerichts jeweils Klagen von Altlizenzinhabern zugrunde lagen und das Vorlagegericht ausdrücklich dargelegt hatte, dass das Überprüfungserfordernis nach seiner Auffassung auch Altlizenzinhaber einschließe.

22

c) Zum Widerruf der Erlaubnis führende Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 2. Alt. LuftVG bestehen auch dann, wenn der nach § 7 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG für die Einleitung des Überprüfungsverfahrens erforderliche Antrag nicht gestellt wurde.

23

§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 2. Alt. LuftVG stellt zur Gewährleistung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit strenge Anforderungen. Soweit es um den Schutz vor Angriffen auf die äußere Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen geht (vgl. § 1 LuftSiG, sog. "security"), ist eine Versagung der Luftfahrererlaubnis und - in Verbindung mit § 4 Abs. 3 LuftVG - der Widerruf einer bestehenden Erlaubnis schon dann vorgesehen, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit bestehen; damit sind die Anforderungen strenger als bei der ersten Alternative von § 4 Abs. 1 Satz 2 LuftVG, der in Bezug auf die flugbetriebstechnische Sicherheit ("safety") das Vorliegen von Tatsachen verlangt, die den Bewerber als unzuverlässig erscheinen lassen. Dieser strenge Maßstab ist wegen des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotenzials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter nicht zu beanstanden. Der Senat hat deshalb in seinem Urteil vom 15. Juli 2004 entschieden, dass es keinen Bedenken begegnet, die Zuverlässigkeit - damals im Sinne von § 29d LuftVG - bereits dann zu verneinen, wenn hieran auch nur geringe Zweifel bestehen (BVerwGE, a.a.O. S. 262). Dem hat sich das Bundesverfassungsgericht in seinem (Kammer-)Beschluss vom 4. August 2009 für die Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7 LuftSiG angeschlossen (1 BvR 1726/09 - NVwZ 2009, 1429 Rn. 11).

24

Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, bestehen Zweifel an der Zuverlässigkeit im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 2. Alt. LuftVG bereits dann, wenn sie - etwa wegen fehlender Antragstellung - nicht positiv durch die zuständige Luftsicherheitsbehörde festgestellt werden konnte. § 7 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG setzt für die luftsicherheitsrechtliche Überprüfung einen Antrag des Betroffenen voraus. Damit hat der Gesetzgeber, nicht anders als beim Nachweis der Tauglichkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 LuftVG, eine Mitwirkungspflicht des Bewerbers um eine Fluglizenz oder des Inhabers einer solchen Lizenz vorgesehen. Eine vergleichbare Mitwirkungspflicht des Betroffenen hatte im Übrigen auch bereits unter der Geltung des früheren § 29d LuftVG bestanden; dort setzte die Überprüfung die Zustimmung des Betroffenen voraus. Wird der nun nach § 7 Abs. 2 LuftSiG erforderliche Antrag nicht gestellt, erfolgt keine Durchsetzung dieses Mitwirkungserfordernisses im Wege des Verwaltungszwanges, sondern eine Sanktionierung dieses Unterlassens dadurch, dass die Luftfahrtbehörde die Erteilung der Berechtigung verweigert oder eine bestehende Berechtigung nach § 4 Abs. 3 LuftVG widerruft. Die Antragstellung nach § 7 Abs. 2 LuftSiG ist damit als Obliegenheit des Betroffenen ausgestaltet. Dabei handelt es sich um ein grundsätzlich zulässiges Regelungsmodell. Auch in anderen Zusammenhängen, etwa im Fahrerlaubnisrecht, kann bei Verweigerung einer vom Betroffenen zu Recht geforderten Mitwirkung auf seine fehlende Eignung geschlossen werden (vgl. § 11 Abs. 8 FeV). Eine solche Mitwirkungslast darf hier deswegen auferlegt werden, weil die Zuverlässigkeitsüberprüfung an die freie Entscheidung des Betroffenen anknüpft, eine Fluglizenz erwerben oder behalten zu wollen, und die Tatsachen, die Anlass zu Zweifeln an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit geben können, für die zuständige Luftsicherheitsbehörde selten offen zutage liegen, sondern sich regelmäßig erst durch eine Nachfrage insbesondere bei den allgemein für die Abwehr von terroristischen Bestrebungen zuständigen Behörden nach dort vorliegenden Erkenntnissen ergeben.

25

d) Das Unterlassen eines Antrags auf Überprüfung berechtigt die Behörden freilich nur dann zu einem Widerruf, wenn das Überprüfungsverfahren, dem sich der Betroffene verweigert, rechtskonform ausgestaltet ist. Dies zu überprüfen ist dem Senat trotz der Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts nicht verschlossen, weil es ausdrücklich klargestellt hat, dass seine Entscheidung allein das Erfordernis der Zuverlässigkeitsüberprüfung betrifft, nicht aber deren nähere Ausgestaltung (a.a.O. Rn. 155). Indes bestehen auch in dieser Hinsicht keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zuverlässigkeitsüberprüfung. Insbesondere greifen die Einwände des Klägers nicht durch, der in der Verfahrensausgestaltung einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht.

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Dabei scheiden die §§ 4a, 4f und 5 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) als Überprüfungsmaßstab für die Regelungen des Luftsicherheitsgesetzes zur Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten aus. Es handelt sich jeweils um bundesgesetzliche Regelungen. Welcher Regelung im Verhältnis zu einer zweiten Regelung gleicher Normqualität der Vorrang zukommt, bestimmt sich nach den Kriterien der Spezialität ("lex specialis derogat legi generali") und der zeitlichen Reihenfolge ("lex posterior derogat legi priori"). Danach kommt den im Luftsicherheitsgesetz zum Umgang mit personenbezogenen Daten getroffenen Regelungen als den gegenüber dem Bundesdatenschutzgesetz spezielleren und später erlassenen Bestimmungen der Vorrang zu. Abgesehen davon beansprucht das Bundesdatenschutzgesetz nach seinem § 1 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen des Landes, auch wenn sie Bundesrecht ausführen, ohnehin nur Geltung, soweit der Datenschutz nicht durch Landesrecht geregelt ist.

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Damit können die angegriffenen Verfahrensregelungen des Luftsicherheitsgesetzes nur unmittelbar am Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gemessen werden. Es gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Dieses Recht ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Einschränkungen sind im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie bedürfen einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muss. Bei seinen Regelungen hat der Gesetzgeber ferner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Auch hat er organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, die einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken (grundlegend BVerfGE 65, 1 <42 ff.>).

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Die in § 7 LuftSiG getroffenen Regelungen über das Verfahren der Überprüfung genügen, auch ohne dass zum hier maßgeblichen Zeitpunkt die in § 17 Abs. 1 LuftSiG vorgesehene Rechtsverordnung zur Regelung der Einzelheiten der Zuverlässigkeitsüberprüfung erlassen war, den Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Eingriffsnorm. Die Vorschrift legt ausdrücklich die Stellen fest, an die die Luftsicherheitsbehörde Anfragen richten oder wohin sie die Übermittlung von personenbezogenen Daten vornehmen kann. Dass wesentliche Regelungslücken in Bezug auf die Speicherung personenbezogener Daten bestehen, hat der Kläger nicht dartun können. Grenzen für die Speicherung ergeben sich inhaltlich aus der Zweckbindung der erhobenen Daten, die gemäß § 7 Abs. 7 LuftSiG nur zum Zwecke der Überprüfung der Zuverlässigkeit verwendet werden dürfen, und in zeitlicher Hinsicht aus den in § 7 Abs. 11 LuftSiG geregelten Löschungsfristen. Nötigenfalls kann subsidiär auf die allgemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz oder - wie hier - im jeweiligen Landesdatenschutzgesetz zurückgegriffen werden (vgl. § 6 Abs. 1 LuftSiG).

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§ 7 LuftSiG enthält zudem ausreichende verfahrensrechtliche Schutzvorkehrungen zugunsten des Betroffenen. Er ist nach § 7 Abs. 2 Satz 3 LuftSiG bei der Antragstellung über die zuständige Luftsicherheitsbehörde, den Zweck der Datenerhebung und -verarbeitung, die beteiligten Stellen sowie mögliche Übermittlungsempfänger zu unterrichten. Danach trifft der Einwand des Klägers nicht zu, er werde nicht hinreichend über den Umfang der Eingriffe in sein Grundrecht informiert und er wisse auch nicht, worin er konkret einwillige. Dem Betroffenen muss nach § 7 Abs. 5 LuftSiG vor der Entscheidung Gelegenheit zur Äußerung zu den eingeholten Auskünften gegeben werden, soweit sie Zweifel an seiner Zuverlässigkeit begründen und Geheimhaltungspflichten nicht entgegenstehen. Damit hat er - entgegen der Behauptung des Klägers - auch die Möglichkeit, die eventuelle Unrichtigkeit bestimmter Angaben geltend zu machen. Schließlich sieht § 7 Abs. 7 LuftSiG - wie bereits erwähnt - eine Zweckbindung der erhobenen Daten vor, und § 7 Abs. 11 LuftSiG enthält Regelungen über die Löschung von im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung gespeicherten Daten.

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Dass der Gesetzgeber mit den zur Zuverlässigkeitsüberprüfung getroffenen Verfahrensregelungen die Grenzen der Erforderlichkeit des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung überschritten hat, ist ebenfalls nicht zu erkennen. Entgegen dem Einwand des Klägers hat er keine generelle Rundumabfrage bei allen möglichen Stellen vorgesehen, sondern insoweit differenziert. Anfragen beim Bundeskriminalamt, dem Zollkriminalamt, den Nachrichtendiensten des Bundes und dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sind nicht ohne Weiteres vorgesehen, sondern nur, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 2 LuftSiG). Gleiches gilt nach Nr. 4 für Anfragen bei den Ausländerbehörden und nach Nr. 5 für Anfragen an den Flugplatzbetreiber, Luftfahrtunternehmen sowie den gegenwärtigen Arbeitgeber. Weitergehende Einschränkungen bestehen nach § 7 Abs. 4 LuftSiG für das Einholen von Auskünften bei den Strafverfolgungsbehörden; Voraussetzung dafür ist, dass die Auskünfte der in Absatz 3 Nr. 2 und 3 genannten Behörden Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen begründen. Der Einwand, die Einbeziehung anhängiger Ermittlungsverfahren und nicht nur rechtskräftig erfolgter Verurteilungen verletze die Unschuldsvermutung, ist unbegründet. Damit wird der rechtliche Zusammenhang verkannt, in dem die Unschuldsvermutung von Bedeutung ist (vgl. BVerfGE 22, 254 <265>). Bei der Überprüfung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit geht es nämlich nicht um die Feststellung eines strafwürdigen Verhaltens, sondern es handelt sich um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. Ungeachtet dessen wird die Luftsicherheitsbehörde bei der Würdigung der ihr zugänglich gemachten Erkenntnisse zu berücksichtigen haben, ob es sich um noch laufende Ermittlungen oder um eine bereits rechtskräftige Verurteilung handelt. Auch dass die Luftsicherheitsbehörde nach § 7 Abs. 7 Satz 2 LuftSiG unter anderem den gegenwärtigen Arbeitgeber des Betroffenen über das Ergebnis der Überprüfung unterrichtet, führt zu keinem unverhältnismäßigen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Überprüften. Mit dem Begriff "Arbeitgeber" ist, wie sich aus der Systematik von § 7 LuftSiG erschließt, nicht jeglicher Arbeitgeber gemeint; vielmehr kommt es darauf an, ob das Arbeitsverhältnis gerade der Wahrnehmung einer der in § 7 Abs. 1 LuftSiG genannten Tätigkeiten dient.

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Soweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die sogenannte Nachberichtspflicht des § 7 Abs. 9 LuftSiG verletzt sein soll, ist zu berücksichtigen, dass diese in aller Regel nicht die hier in Rede stehende Erstentscheidung über die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit und die Konsequenzen einer unterbliebenen Überprüfung betrifft, sondern Folgefragen. Abgesehen davon ist diese Regelung auch der Sache nach nicht zu beanstanden. Wegen des besonderen Gefährdungspotenzials von Anschlägen auf die Sicherheit des Luftverkehrs und in Bezug auf den in Betracht kommenden Täterkreis besteht ein berechtigtes Interesse daran, dass die Luftsicherheitsbehörde über Veränderungen bei den Beurteilungsgrundlagen für die Zuverlässigkeit unterrichtet wird. Ansonsten könnten diese Erkenntnisse erst bei der nächsten turnusmäßigen Überprüfung einfließen (vgl. dazu BTDrucks 15/2361 S. 18).

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4. Die Erstreckung der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf Privatpiloten steht mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht in Einklang. Sie verstößt insbesondere nicht gegen die Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit der Zivilluftfahrt (ABl Nr. L 353 S. 1). Dort ist zwar eine Überprüfung von Privatpiloten nicht vorgesehen, doch steht es den Mitgliedstaaten nach Art. 6 Satz 1 frei, Maßnahmen anzuwenden, die strenger sind als die Maßnahmen dieser Verordnung (vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 19). Insoweit bleibt es der Einschätzung des jeweiligen Mitgliedstaates überlassen, ob er ein entsprechendes Gefährdungspotenzial sieht. Mit der Ausdehnung des von der luftsicherheitsrechtlichen Überprüfung betroffenen Personenkreises in Deutschland ist keine unzulässige Inländerdiskriminierung verbunden. Dabei handelt es sich weniger um ein Problem des Gemeinschaftsrechts, als um einen möglichen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ist jedoch, wie das Bundesverfassungsgericht bindend entschieden hat, nicht zu erkennen (Beschluss vom 4. Mai 2010 a.a.O. Rn. 156).