Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 23.12.2015


BVerwG 23.12.2015 - 3 B 63/14

Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Rettungsassistent


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
23.12.2015
Aktenzeichen:
3 B 63/14
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2015:231215B3B63.14.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 8. September 2014, Az: 8 A 1668/13, Beschlussvorgehend VG Gießen, 6. Juni 2013, Az: 8 K 1154/12.GI, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 7 RettAssG
§ 8 Abs 2 S 2 RettAssG
§ 2 Abs 3 RettAssAPrV
§ 12 RettAssAPrV

Gründe

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Rettungsassistent nach dem Rettungsassistentengesetz (RettAssG). Nach Abschluss einer Ausbildung zum Rettungssanitäter legte er im März 1997 die staatliche Prüfung zum Rettungsassistenten ab und begann im Anschluss mit der praktischen Tätigkeit nach § 7 RettAssG. Das Abschlussgespräch nach § 2 Abs. 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten (RettAssAPrV) ergab, dass das Praktikum verlängert werden sollte. Eine abschließende Entscheidung über die Verlängerung der praktischen Tätigkeit erging jedoch nicht mehr, weil dem Kläger gekündigt und das Praktikantenverhältnis im November 1997 beendet wurde. In den Folgejahren war er ehrenamtlich als Rettungssanitäter beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) tätig und besuchte seit 2005 diverse Fortbildungsveranstaltungen. Ab Dezember 2009 war er bei einem Krankentransportunternehmen als Rettungssanitäter und Desinfektor angestellt. Seit Dezember 2011 ist der Kläger beim DRK als Rettungssanitäter auf dem Rettungswagen und im Krankentransport beschäftigt. Seinen im April 2011 gestellten Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Rettungsassistent lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Juni 2011 ab. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe die erforderliche praktische Tätigkeit nicht erfolgreich abgeleistet. Eine Anrechnung seiner Tätigkeitszeiten im Rettungsdienst nach § 8 Abs. 2 RettAssG sei nicht möglich. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil geändert und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger die begehrte Erlaubnis zu erteilen. Die im Rettungsdienst erbrachten Leistungen seien auf die praktische Tätigkeit anzurechnen. Der Kläger habe beim DRK in der Zeit von Januar 2012 bis April 2013 1 510 Stunden auf Rettungswagen abgeleistet. Hinzu kämen 992 Stunden auf Rettungswagen, Krankentransporten mit intensivmedizinischer Betreuung und Notfallkrankenwagen im Zeitraum von Dezember 2009 bis März 2011. Damit seien die erforderlichen 1 600 Stunden im Sinne des § 7 Abs. 1 RettAssG erbracht. Ein enger zeitlicher Zusammenhang wie er für den Lehrgang nach § 4 RettAssG und das Praktikum nach § 7 RettAssG vorgesehen sei, werde im Fall der Anrechnung von Tätigkeiten als Rettungssanitäter nicht verlangt.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beklagten. Während des Beschwerdeverfahrens hat das Landesverwaltungsamt Thüringen dem Kläger die Erlaubnis erteilt, die Berufsbezeichnung Rettungsassistent zu führen. Er hat mitgeteilt, keine Erledigungserklärung abgeben zu wollen und angekündigt, das Klagebegehren auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen, falls die Revision zugelassen werde.

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Die Beschwerde ist zulässig (1.), aber in der Sache ohne Erfolg (2.).

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1. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Kläger seit dem 30. März 2015 über die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Rettungsassistent verfügt. Zwar hat sich dadurch sein Verpflichtungsbegehren erledigt; denn die Erlaubniserteilung durch das Landesverwaltungsamt Thüringen gilt im Geltungsbereich des Rettungsdienstgesetzes und damit auch im Zuständigkeitsbereich des Beklagten (§ 32 Abs. 1 des Notfallsanitätergesetzes vom 22. Mai 2013 i.V.m. § 2 Abs. 1, § 11 Abs. 1 bis 3 des Rettungsassistentengesetzes vom 10. Juli 1989 und § 17 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten vom 7. November 1989 ). Jedoch hat sich mangels beiderseitiger Erledigungserklärung nicht auch der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

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Die Erledigung des Verpflichtungsbegehrens lässt zudem weder die Beschwer des Beklagten entfallen, noch stellt sie sonst dessen Rechtsschutzinteresse an der Fortführung des Beschwerdeverfahrens in Frage (BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 6 B 1.14 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 70 Rn. 14 ff.).

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2. Die Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt weder die von dem Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

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a) Der Beklagte wirft die Frage auf,

ob eine Ausbildung zum Rettungsassistenten unterbrochen und zeitlich unbegrenzt später fortgesetzt werden kann.

8

Er meint, aus den Regelungen über die Ausbildung zum Rettungsassistenten in § 4 und § 7 RettAssG und über die Wiederholung von Ausbildungsteilen im Fall des Nichtbestehens in § 2 Abs. 3 und § 12 Abs. 4 RettAssAPrV sei abzuleiten, dass die Gesamtausbildungsdauer beschränkt sei. Jedenfalls bei einer zeitlichen Unterbrechung von wie hier 14 Jahren komme eine Fortsetzung der Ausbildung nicht mehr in Betracht.

9

Diese Fragestellung rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie betrifft die Auslegung auslaufenden Rechts. Das Rettungsassistentengesetz ist durch das am 1. Januar 2014 in Kraft getretene Notfallsanitätergesetz (NotSanG) abgelöst und mit Wirkung vom 1. Januar 2015 aufgehoben worden. Entsprechend ist die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten durch die am 1. Januar 2014 in Kraft getretene Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSan-APrV) ersetzt und mit Wirkung vom 1. Januar 2015 aufgehoben worden. Die aufgehobenen Vorschriften sind lediglich noch insoweit von Bedeutung, als eine bis einschließlich 31. Dezember 2014 begonnene Ausbildung zur Rettungsassistentin oder zum Rettungsassistenten nach den bisher geltenden Bestimmungen abgeschlossen wird (vgl. die Übergangsregelungen in § 32 Abs. 1 NotSanG und § 25 NotSan-APrV). Rechtsfragen, die sich aus der Anwendung von ausgelaufenem oder auslaufendem Recht ergeben, verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft richtungsweisende Klärung herbeiführen soll (stRspr; BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juni 1993 - 11 B 65.93 - MDR 1994, 320 und vom 6. Juni 2014 - 3 B 58.13 - Buchholz 418.6 TierSG Nr. 24 Rn. 3, jeweils m.w.N.). Gründe für eine Ausnahme von dieser Regel sind hier nicht ersichtlich. Dafür genügt nicht, dass wegen der Übergangsvorschriften noch eine nennenswerte Anzahl von Fällen nach dem auslaufenden Recht zu entscheiden sein mag. Vielmehr muss sich die aufgeworfene Rechtsfrage für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin stellen können. Das hat der Beklagte nicht dargelegt. Allein die Vermutung, es gebe einen relevanten Kreis von Personen, die die Ausbildung zum Rettungsassistenten abgebrochen haben und sie später einmal fortzusetzen wünschen könnten, reicht dazu nicht aus (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juni 1993 - 11 B 65.93 - MDR 1994, 320 und vom 27. Juni 2013 - 4 B 37.12 - UPR 2013, 447 Rn. 5). Schließlich bleibt die Rechtsfrage auch nicht deshalb weiter klärungsbedürftig, weil sie sich bei einer Nachfolgevorschrift in gleicher Weise stellte (BVerwG, Beschluss vom 1. Juni 2010 - 3 B 9.10 - juris Rn. 7). Das Notfallsanitätergesetz regelt die Dauer und die Struktur der Ausbildung (vgl. § 5 NotSanG) abweichend von den Vorschriften des Rettungsassistentengesetzes.

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Aber auch unabhängig davon fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Klärungsbedarf kann nur bestehen, soweit die Fragestellung entscheidungserheblich ist. Entscheidungserheblich ist hier allein, ob es im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG eine zeitliche Grenze gibt, nach deren Ablauf eine nach Abschluss der Ausbildung zum Rettungssanitäter abgeleistete Tätigkeit im Rettungsdienst nicht mehr auf die praktische Tätigkeit nach § 7 RettAssG angerechnet werden kann. Die Klärung dieser Frage bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sie sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts und unter Heranziehung der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung ohne weiteres im Sinne der angegriffenen Entscheidung beantworten lässt. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass sich aus dem Rettungsassistentengesetz und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des Klägers die Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG wegen Zeitablaufs ausgeschlossen ist. Das lässt sich weder dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen, noch sprechen die Regelungssystematik und der Normzweck für eine zeitliche Beschränkung. Das Berufungsgericht hebt zu Recht hervor, dass sich die zeitlichen Beschränkungen für die Wiederholung nicht bestandener Ausbildungsteile nach § 7 RettAssG und § 2 Abs. 3, § 12 RettAssAPrV nicht auf den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG übertragen lassen, weil die zugrunde liegenden Sachverhalte nicht vergleichbar sind.

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Welche Anforderungen an eine Tätigkeit im Rettungsdienst zu stellen sind, um sie nach § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG als gleichwertig mit einem Praktikum nach § 7 RettAssG anzuerkennen, hat der Verordnungsgeber in § 3 RettAssAPrV abschließend normiert. Eine Beschränkung der Anrechenbarkeit auf Zeiten vor Beginn der Ausbildung ist rechtswidrig, weil sie über die Gleichwertigkeitsvoraussetzungen des § 3 RettAssAPrV hinausgeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. November 2008 - 3 C 25.07 - Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 13 Rn. 24). Ob danach eine Gleichwertigkeit der Tätigkeit im Rettungsdienst zu bejahen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einen über den konkreten Streitfall hinausweisenden, grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde in dieser Hinsicht nicht auf.

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Danach kann auch die zweite als klärungsbedürftig bezeichnete Frage,

ob die Möglichkeit einer Verkürzung der praktischen Ausbildung zum Rettungsassistenten nach § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG besteht, nachdem bereits die praktische Ausbildung nach § 7 RettAssG vollständig, aber ohne Erfolg absolviert wurde,

nicht zu einer Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen. Auch diese Fragestellung ist nicht klärungsbedürftig, da sie auslaufendes Recht betrifft und im Übrigen - wie gezeigt - im Streitfall ohne weiteres im Sinne der Berufungsentscheidung zu bejahen ist. Eine andere rechtliche Bewertung wäre nur dann geboten, wenn die Ausbildungsanforderungen unterlaufen würden und sich deshalb das Führen der Berufsbezeichnung Rettungsassistent als missbräuchlich darstellt. Dafür ist hier nichts ersichtlich.

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b) Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

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Der Beklagte meint, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO und die Pflicht zur Spruchreifmachung der Sache nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO verletzt, weil es der Klage stattgegeben habe, ohne den Kläger zur Vorlage aktueller Nachweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 RettAssG aufzufordern. Diese Rüge greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass weder Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 RettAssG) noch an der erforderlichen gesundheitlichen Eignung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 RettAssG) bestehen. Es hat mit anderen Worten die Überzeugung gewonnen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung erfüllt sind. Es stützt sich hierzu auf zwei von dem Kläger zur Gerichtsakte gereichte ärztliche Atteste vom 10. September 2010 und vom 10. Januar 2014, mit denen ihm jeweils die Eignung zur Ausübung des Berufes des Rettungsassistenten bescheinigt worden ist, und auf ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a des Bundeszentralregistergesetzes vom 16. September 2010, das den Vermerk "Keine Eintragung" enthält. Das Berufungsgericht hat diese Unterlagen als ausreichend erachtet, um die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 RettAssG bejahen zu können und zur Begründung darauf verwiesen, dass es keine Veranlassung habe, von einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse auszugehen. Danach musste sich ihm keine weitere Sachaufklärung aufdrängen.

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Der Einwand des Beklagten, den Dokumenten fehle die notwendige Aktualität, ist nicht geeignet, einen Verfahrensfehler zu begründen. Ob die zum Nachweis der Anforderungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 RettAssG vorgelegten Unterlagen verwertbar und hinreichend aussagekräftig sind, ist eine Frage der tatsachengerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die regelmäßig dem materiellen Recht zuzuordnen ist. Ein Verfahrensfehler kommt nur in Betracht, wenn die Würdigung gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder gesetzliche Beweisregeln verstößt oder sonst objektiv willkürlich ist. Einen solchen Verstoß zeigt die Beschwerde nicht auf. Namentlich hat das Berufungsgericht keine Beweislastentscheidung getroffen, sondern hat sich - wie gezeigt - seine eigene Überzeugung gebildet, dass der Kläger über die erforderliche Zuverlässigkeit und gesundheitliche Eignung verfügt. Dementsprechend liegt auch kein Verstoß gegen die prozessuale Pflicht zur Spruchreifmachung vor.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.