Entscheidungsdatum: 31.05.2012
1. Der Erstattungsanspruch eines Landes gegen den Bund nach Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG wegen der Räumung von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg umfasst grundsätzlich auch die Beprobung zur Erlangung einer repräsentativen Gefährdungsabschätzung im Vorfeld der Räumung (hier: Flughäfen Berlin-Tegel und -Tempelhof).
2. Erstattungsfähig sind Sondierungsmaßnahmen, die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich sind. Der mit dem Begriff der Unmittelbarkeit vorausgesetzte Zurechnungszusammenhang wird jedenfalls nicht durch nutzungsadäquate Maßnahmen des Eigentümers oder Besitzers des kampfmittelbelasteten Grundstücks unterbrochen.
Das klagende Land verlangt von der Bundesrepublik Deutschland die Erstattung von Aufwendungen, die ihm in den Jahren 2004 bis 2006 für das Sondieren und Räumen von Kampfmitteln auf den Berliner Flughäfen Tegel und Tempelhof entstanden sind.
Der Flughafen Tegel liegt auf Flächen, die teils im Eigentum des klagenden Landes, teils im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) stehen, die es von der Beklagten durch gesetzlichen Eigentumsübergang mit Wirkung vom 1. Januar 2005 erlangt hat. Entsprechendes galt für den Ende 2008 geschlossenen Flughafen Tempelhof, dessen Grundflächen seit 2009 im Alleineigentum des Klägers stehen. Die Flughäfen werden, der Flughafen Tempelhof bis zu seiner Schließung, von der Berliner Flughafen-Gesellschaft mbH (BFG) betrieben, deren Alleingesellschafterin die Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH ist; deren Gesellschafter sind wiederum der Kläger, die Beklagte und das Land Brandenburg.
Das Gelände des Flughafens Tegel war zunächst als Artillerie-Schieß- und Raketenversuchsplatz genutzt worden, im Zweiten Weltkrieg als Truppenübungsplatz und als Standort von Flugabwehrgeschützen. Das Flughafengelände war Ziel von Luftangriffen. Vor Aufnahme des Flugbetriebs auf der ersten Start- und Landebahn im Jahre 1948 wurden keine Kampfmittel geräumt. Über spätere Räumungen ist wenig bekannt; punktuelle Räumungen wurden zwischen 1968 und 1981 in geringer Bodentiefe vorgenommen.
Im Mai 2004 wurden bei Bau- und Reparaturarbeiten der BFG an der nördlichen Rollbahn des Flughafens Tegel Kampfmittel aus Wehrmachtsbeständen gefunden. Daraufhin verbot das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin der BFG mit Bescheid vom 14. Juli 2004 Tief- und Erdarbeiten auf dem Flughafengelände, bis eine Munitionsbergung durch eine Fachfirma durchgeführt worden sei und eine schriftliche Freigabebescheinigung dieser Firma vorliege. Die Klage der BFG gegen die Beklagte wegen der dadurch angefallenen Kosten blieb vor dem Kammergericht Berlin ohne Erfolg. Die zwei Wochen nach dem Fund durchgeführte Räumung in den Baubereichen förderte knapp 5 200 kg abgabepflichtige Kampfmittel zutage. Im September 2004 bestätigte eine Luftbilduntersuchung den Verdacht einer hohen Kampfmittelbelastung des gesamten Flughafengeländes aus der Zeit bis 1945. Deshalb beauftragte der Kläger das Ingenieurbüro D. mit Testfelduntersuchungen entsprechend den "Arbeitshilfen Kampfmittelräumung" des Bundes. Die Beprobungen erfolgten zwischen Dezember 2004 und August 2005. Wegen von der BFG geplanter Bauarbeiten wurden ab Februar/März 2005 baubegleitend zusätzliche Testfelder angelegt. Insgesamt wurden 35 Testfelder, 15 Zusatztestfelder in Bereichen geplanter Bautätigkeit und 23 Einzelpunkte untersucht; dabei wurden in den meisten Bereichen Kampfmittel gefunden, insgesamt 1 909 Stück unterschiedlicher Gefährlichkeit in verschiedenen Tiefen, teilweise unmittelbar unter der Geländeoberkante. Zu den Testfelduntersuchungen auf dem Flughafen Tegel legte das Ingenieurbüro D. unter dem 23. Oktober 2005 ein Gutachten vor.
Mit Bescheiden vom 19. Mai 2005 wies der Kläger die BImA und die BFG an, geplante Erdarbeiten unverzüglich, spätestens sechs Wochen vor Beginn, im Falle unaufschiebbarer Arbeiten umgehend anzuzeigen sowie bei Übertragung des Eigentums bzw. der Nutzungsrechte an andere als die BFG den neuen Eigentümer oder Nutzer über die Belastung mit Kampfmitteln und die Pflichten aus diesem Bescheid zu informieren. Die Klage der BImA hiergegen wurde vor dem Verwaltungsgericht Berlin durch Mediations-Vereinbarung vom 5. September 2006 erledigt.
Auf dem Flughafen Tempelhof ließ der Kläger zwischen August und September 2005 drei Bombenblindgängerverdachtspunkte sondieren und räumen. Dabei wurden lediglich ungefährliche Kampfmittelreste gefunden. Außerdem wurden zwischen Juli und November 2006 die im Eigentum des Landes stehenden Flächen auf dem Flughafen Tegel - Los 1 - sondiert und geräumt.
Für die Sondierung und Räumung von Kampfmitteln auf den bundeseigenen Flächen der Flughäfen Tegel und Tempelhof forderte der Kläger mit Schreiben vom August 2007 1 128 372,04 €. Die Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben vom 8. April 2009 endgültig ab.
Das Land hat am 23. Dezember 2010 bei dem Verwaltungsgericht Berlin Klage erhoben, die an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen worden ist.
Die Klageforderung von zunächst 1 630 418,30 € hat der Kläger auf 1 346 362,97 € reduziert, die er wie folgt aufgeschlüsselt hat:
Flughafen Tegel | ||
- Bundesflächen | Sondierung und Räumung | 1 060 188,24 € |
projektbezogene Betreuungskosten 3 % | 26 727,43 € | |
- Landesflächen | Sondierung und Räumung reichseigener Kampfmittel (Anteil 58,85 %) | 174 205,43 € |
projektbezogene Betreuungskosten 3 % | 4 505,31 € | |
- Landesflächen, Los 1 | Sondierung und Räumung reichseigener Kampfmittel (Anteil 21,45 %) | 60 888,17 € |
projektbezogene Betreuungskosten 3 % | 1 535,00 € | |
Flughafen Tempelhof | ||
- Bundesflächen | Sondierung und Räumung | 17 295,98 € |
"Verwaltungskosten" 7 % | 1 017,41 € |
Der Kläger stützt seine Forderung auf Art. 120 GG und die dazu geübte Staatspraxis.
Die Maßnahmen seien zwingend erforderlich gewesen. Das Gutachten D. belege, dass die Kampfmittel zum großen Teil wirksam gewesen seien und teilweise jederzeit hätten selbstständig detonieren können. Es habe daher - auch unter Berücksichtigung möglicher Havarien auf dem Flughafen und dadurch ausgelöster Detonationen - eine Gefahr bestanden und kein bloßer Gefahrenverdacht. Ungewiss sei lediglich gewesen, wo, welche und wie viele Kampfmittel auf dem Flughafen vorhanden gewesen seien. Verantwortlich für die Gefahr sei der Bund. Er sei Zustandsstörer als Eigentümer seiner Flächen und der reichseigenen Munition sowie Handlungsstörer als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches.
Die BFG könne demgegenüber nicht in Anspruch genommen werden. Ihre Betriebssicherungspflicht beziehe sich nur auf Gefahren, die nach Übernahme des Flughafens eingetreten seien. Bauarbeiten und Grünpflege gehörten zur ordnungsgemäßen Nutzung des Flughafens und unterbrächen nicht den für die Verantwortlichkeit des Bundes notwendigen Zurechnungszusammenhang.
Die freihändige Vergabe der Arbeiten sei wegen der besonderen Dringlichkeit der Sondierung gerechtfertigt gewesen. Die Dringlichkeit ergebe sich schon daraus, dass es sich um einen großen internationalen Verkehrsflughafen handele. Auch hätten Art und Umfang der Leistung vorab nicht hinreichend präzisiert werden können. Für die Inanspruchnahme eigenen Personals könne das Land nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Staatspraxis 3 % projektbezogene Betreuungskosten beanspruchen; für die Betreuung der Maßnahmen am Flughafen Tempelhof 7 %, weil kein Ingenieurbüro eingeschaltet gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1 346 362,97 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 24. Dezember 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Forderung für grundsätzlich unberechtigt sowie der Höhe nach für überzogen.
Die Räumung auf dem Flughafen Tegel habe nicht der Beseitigung einer unmittelbaren Gefahr gedient, sondern der Entwicklung des Geländes für die Zeit nach Schließung des Flughafens Tegel. Es handele sich um nicht erstattungsfähige Gefahrerforschungsmaßnahmen. Von den vorhandenen Kampfmitteln sei bei bestimmungsgemäßer Nutzung des Flughafengeländes keine Gefahr ausgegangen; daher sei auch der Flugbetrieb nicht gefährdet gewesen. Die Gefahr sei erst durch die Bauarbeiten der BFG entstanden. Das erkenne auch der Kläger selbst an, der den Betrieb des Flughafens nicht untersagt habe. Die BFG hätte vorrangig als Zustandsstörerin in Anspruch genommen werden müssen, zumal sie von der Fortführung des Flugbetriebs profitiert habe. Die Kosten seien überhöht ausgefallen, weil der Kläger keine Ausschreibung vorgenommen habe. Die Mehrkosten, die infolge der Aufrechterhaltung des Flugbetriebs angefallen seien, seien unnötig, ebenso die Kosten für Zusatztestfelder. Diese hätten einer baubegleitenden Kampfmittelsuche gedient, für die sie, die Beklagte, nicht einzustehen habe; denn damit sei eine der BFG zurechenbare Gefahr beseitigt worden. Die Einzelpunkte seien fehlerhaft ausgewählt worden und die Untersuchungsmethode unsachgemäß gewesen. Die Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag gestellt, den der Senat abgelehnt hat (Gerichtsakte Bl. 465 f.). Betreuungskosten am Flughafen Tegel seien dem Kläger nicht entstanden, weil er die Durchführung der Beprobung auf das Ingenieurbüro D. übertragen habe.
Die Kosten für die Räumung auf dem Flughafen Tempelhof seien ebenfalls nicht erstattungsfähig. Dort habe keinerlei Gefahr bestanden, weil Bombenblindgänger nicht vorhanden gewesen seien. Im Übrigen hätte auch dort die BFG als Zustandsstörer vorrangig in Anspruch genommen werden müssen. Die Forderung von 7% Betreuungskosten sei überzogen.
Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO teilweise einzustellen. Der Kläger hat seine Forderung nach Klageerhebung um 284 055,33 € reduziert und in diesem Umfang die Klage zurückgenommen.
Soweit Aufwendungen für den Flughafen Tegel geltend gemacht werden, hat die Klage im Wesentlichen Erfolg (unten 2). Aufwendungen für den Flughafen Tempelhof sind hingegen nicht zu erstatten (unten 3).
1. Die Klage ist zulässig.
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts steht aufgrund der bindenden Verweisung des Rechtsstreits durch das Verwaltungsgericht fest (vgl. § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich um eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit, nämlich um einen Bund-Länder-Streit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO handelt. Maßgeblich für die Abgrenzung zu verfassungsrechtlichen Streitigkeiten ist die Rechtsnatur des geltend gemachten Erstattungsanspruchs. Der Kläger beruft sich auf Art. 120 Abs. 1 GG und die Staatspraxis im Bereich der Kampfmittelräumung, woraus sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein dem Verwaltungsrecht zuzurechnender Erstattungsanspruch ergibt (vgl. im Einzelnen Urteile vom 14. Juni 2006 - BVerwG 3 A 6.05 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 8 Rn. 7 und vom 19. Februar 2004 - BVerwG 3 A 2.03 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 7 S. 5 = NVwZ 2004, 1125 m.w.N.).
2. Die Klage ist hinsichtlich des Flughafens Tegel im Wesentlichen begründet; in Abzug zu bringen ist lediglich ein Teil der Betreuungskosten (unten 2 l).
a) Der Kläger kann Erstattung aus Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG verlangen. Danach trägt der Bund die Aufwendungen für die inneren und äußeren Kriegsfolgelasten. Zwar sieht die Vorschrift eine Erstattung "nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen" vor, die nicht erlassen sind. Diese Vorschrift ist aber ungeachtet dessen in bestimmten Fällen unmittelbar Grundlage für Ansprüche eines Bundeslandes gegen den Bund. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung für die Räumung von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg, für die die Länder zuständig sind (vgl. Urteil vom 18. November 2010 - BVerwG 3 A 1.09 - NVwZ 2011, 307 = Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 9 m.w.N.). Die Beseitigung der aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden reichseigenen und ausländischen (alliierten) Kampfmittel ist eine Kriegsfolgelast. Mit diesem Begriff meint die Verfassung die Lasten solcher Kriegsfolgen, deren entscheidende - und in diesem Sinne alleinige - Ursache der Zweite Weltkrieg ist (BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 1959 - 2 BvF 5/56 - BVerfGE 9, 305 <323>; vgl. auch Urteil vom 16. Dezember 1999 - BVerwG 3 A 1.99 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 6 S. 3). Die Verfassung sieht insofern selbst eine finanzwirtschaftliche Verteilung der Kriegsfolgelasten vor, die den Gesetzgeber bindet, auf die aber auch dann zurückzugreifen ist, wenn das von der Verfassung vorgesehene Gesetz fehlt oder es sich gemessen an Art. 120 GG als unzureichend erweist (stRspr, vgl. Urteil vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.).
b) Mangels gesetzlicher Konkretisierung bestimmt sich die Verteilung der Lasten aus der Beseitigung derartiger Kampfmittel zwischen Bund und Ländern nach der bis zum 1. Oktober 1965 geübten Staatspraxis. Das ergibt sich aus Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG, wonach der Bund zur Übernahme der Aufwendungen für solche Kriegsfolgelasten verpflichtet bleibt, die zu diesem Zeitpunkt von ihm - und nicht von den Ländern, Gemeinden oder Gemeindeverbänden - getragen worden waren (Urteil vom 14. Juni 2006 a.a.O. Rn. 11 und 14; vgl. auch Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 15. August 1964, BTDrucks 4/2524 S. 8 f.).
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Staatspraxis in Kap. 3.2 Abs. 2 der Arbeitshilfen zur wirtschaftlichen Erkundung, Planung und Räumung von Kampfmitteln auf Liegenschaften des Bundes (Arbeitshilfen Kampfmittelräumung - AH KMR - Stand: 31. Oktober 2007, Bl. 73 der Gerichtsakte, vgl. auch www.arbeitshilfen-kampfmittelraeumung.de) zutreffend festgehalten ist. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 14. Juni 2006 a.a.O. Rn. 14) ist dies nicht fraglich. Nach der dort wiedergegebenen Übung trägt der Bund die Beseitigungskosten auf seinen eigenen Liegenschaften, unabhängig davon, ob es sich um ehemals reichseigene oder ausländische Kampfmittel handelt. Auf nicht bundeseigenen Liegenschaften trägt der Bund die Beseitigungskosten hingegen nur für die ehemals reichseigenen Kampfmittel.
Der Anwendungsbereich des Art. 120 Abs. 1 GG ist eröffnet. Die streitigen Aufwendungen macht der Kläger in Übereinstimmung mit der Staatspraxis geltend. Kostenerstattung für die Beseitigung von Kampfmitteln ungeachtet ihrer Herkunft verlangt er nur hinsichtlich der (nunmehr mittelbar) bundeseigenen Flächen; für Maßnahmen auf den Landesflächen des Flughafens Tegel beansprucht er lediglich die anteiligen Kosten für die Beseitigung der reichseigenen Kampfmittel.
c) Auch die weiteren Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs sind gegeben.
Diese Voraussetzungen sind § 19 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz - AKG) vom 5. November 1957 (BGBl I S. 1747) zu entnehmen. Zwar ist dieses Gesetz nicht unmittelbar anwendbar, weil der Bund nicht, wie es § 1 AKG voraussetzt, für frühere Verpflichtungen des Reiches in Haftung genommen wird; die von Art. 120 Abs. 1 GG in Bezug genommene Staatspraxis hat sich aber in Anlehnung an diese Vorschrift entwickelt (vgl. Urteil vom 14. Juni 2006 a.a.O. Rn. 14). Ihr entsprechend sind einem Land Aufwendungen für Kampfmittelbeseitigungen zu erstatten, wenn die Räumung zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich war.
Die Beklagte meint zu Unrecht, dass die Testfeldbeprobungen und die daran anknüpfenden Maßnahmen nicht der Beseitigung von unmittelbaren Gefahren für Leben und Gesundheit der darauf befindlichen Menschen gedient haben.
aa) Die geborgenen Kampfmittel waren nicht sämtlich, aber doch zu einem wesentlichen Teil gefährlich. Der Begriff der Gefahr ist nach allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen zu konkretisieren. Gefahr ist danach die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Welcher Grad an Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, hängt davon ab, welche Rechtsgüter gefährdet werden und welches Schadensausmaß droht. Da § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG Gefahren für die hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit im Blick hat, dürfen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadens keine überzogenen Anforderungen gestellt werden; es genügt, dass die Möglichkeit von Schäden an diesen Rechtsgütern realistischerweise nicht ausgeschlossen werden kann. Dies war hier der Fall, ohne dass es darauf ankommt, dass nicht von allen Kampfmitteln Gefahren in derselben Größe ausgingen.
Die Testfelderkundungen haben eine Belastung mit Kampfmitteln auf nahezu allen untersuchten Bereichen ergeben. Das ergibt sich aus dem Gutachten D. vom 23. Oktober 2005 (vgl. S. 53 ff.), dessen Aussagekraft die Beklagte nicht infrage zu stellen vermocht hat. Gefunden wurden danach insbesondere auch Kampfmittel der Klassen F und G, bei denen eine Detonation durch Fremdeinwirkung prinzipiell möglich ist (Gefährdungsklasse F) oder die sogar selbstdetonationsgefährdet sind (Gefährdungsklasse G). Etwa 25 % der geborgenen Kampfmittel waren wirksam (Gefährdungsklassen Fw und Gw). Knapp 96 % der geborgenen Kampfmittel befanden sich zwischen der Geländeoberkante und einer Tiefe von 120 cm, etwa 35 % in einer Tiefe bis 20 cm unter der Geländeoberkante, in der damit zu rechnen ist, dass die Schutzwirkung überlagernder Böden überwunden werden kann (Klasse w10).
Kampfmittel dieser Art begründen auch dann, wenn sie nicht zur Selbstdetonation neigen, auf intensiv genutzten Grundstücken wie Flughäfen eine allemal hinreichend wahrscheinliche Gefährdung von Leben und Gesundheit. Wie im Gutachten hervorgehoben, ergeben sich solche Gefahren insbesondere durch eine hohe Wahrscheinlichkeit des unbeabsichtigten Auffindens spreng- und zündkräftiger Munition bei Eingriffen in den Boden oder durch Maßnahmen der Pflege auf unbefestigten Flächen. Als ähnlich gefahrträchtig sind Selbstdetonationen einzuschätzen, selbst wenn sie durch überlagernde Bodenschichten gedämpft worden wären; denn auch dann hätte sich nach den Ausführungen des Gutachters eine Schädigung von Personen nicht hinreichend ausschließen lassen.
bb) Am Vorliegen einer Gefahr schon bei Beginn der Testfelduntersuchungen konnte kein Zweifel bestehen, sodass die Untersuchungen nicht der Gefahrerforschung, also der Aufklärung des Bestehens einer Gefahr dienten, sondern der Feststellung ihres Umfangs. Nach den bereits bei Beginn der Beprobungen vorliegenden Erkenntnissen war klar, dass im Erdreich Kampfmittel aller Art vorhanden waren. Das ergab sich schon aus der Nutzungsgeschichte des Flughafengeländes und dem Umstand, dass das Gelände nur punktuell geräumt worden war (Gutachten D. Nr. 2.3 und 4.5.2, S. 7 und 30 ff.). Diese Annahme wurde für den nördlichen Bereich des Flughafens durch den Kampfmittelfund während der Bauarbeiten und der anschließenden planmäßigen Räumung dieser Fläche bestätigt, für das übrige Flughafengelände durch die spätere Auswertung von Luftbildaufnahmen. Daraus ergab sich eine offenkundig hohe Belastung, die Schäden an Leib und Leben konkret besorgen ließ. Unklar waren lediglich die genauen Lagerstellen und die Gefährdungsklassen der Kampfmittel.
d) Die Staatspraxis verpflichtet den Bund indes nicht dazu, für die Beseitigung von Kampfmitteln schlechthin einzustehen. Voraussetzung ist, dass die Gefahr dem Bund (noch) zurechenbar und ihre Beseitigung dringlich ist. § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG bringt dies mit dem Begriff der Unmittelbarkeit zum Ausdruck. Gemeint ist eine zeitliche und wertungsmäßige Nähebeziehung zwischen dem Vorhandensein von Kampfmitteln und den möglichen Schäden dergestalt, dass Abhilfe keinen Aufschub duldet. Diese Nähebeziehung ist anzunehmen, wenn es bei einem Verlauf der Dinge, mit dem nicht nur theoretisch zu rechnen ist, jederzeit unkalkulierbar zu einem dem Bund zurechenbaren Schaden durch Kampfmittel kommen kann (vgl. Féaux de la Croix, Die Kriegsfolgenschlussgesetzgebung, 1959, Erl. C 2 b dd zu § 19 Abs. 2 AKG). Dieser Zurechnungszusammenhang ist bereits im Begriff der Kriegsfolgelast angelegt,
aa) Die Beseitigung der im Gutachten D. beschriebenen Gefahren war dringlich. Dies versteht sich von selbst, soweit detonationsfähige und in Sonderheit selbstdetonationsgefährdete Kampfmittel der Klassen Fw und Gw in geringer Tiefe lagerten. Auch wenn Detonationen nicht konkret absehbar waren, hätten sie bei einigen der aufgefundenen Kampfmittel doch jederzeit stattfinden können, sei es aufgrund der Korrosion von Zündern, sei es infolge von Fremdeinwirkungen. Es besagt wenig, dass sich Gefahren seit dem Einbringen der Kampfmittel in den Boden nicht verwirklicht haben; denn die Detonationsneigung und damit die Wahrscheinlichkeit einer Explosion steigen mit der Zeit an. Dies wird im Gutachten D. (unter Nr. 5.1, S. 41 ff.) eingehend und nachvollziehbar beschrieben. Die Beklagte hat dem keine fundierten abweichenden Erkenntnisse entgegengesetzt. Das Zunehmen der Detonationsneigung ist im Übrigen auch in der Rechtsprechung des Senats bereits anerkannt (vgl. Urteil vom 19. Februar 2004 a.a.O. S. 7).
Gefahren gingen ferner von der sonstigen zündfähigen, wenn auch nicht selbstdetonationsgeneigten Munition aus. Wie im Gutachten D. festgehalten, musste mit die Erdoberfläche durchbrechenden Detonationen jedenfalls bei äußeren Einwirkungen (etwa durch Tiefbauarbeiten, Pflege von Flächen wie Mäharbeiten und bei irregulärem Flugbetrieb wie Havarien, Abkommen von Luftfahrzeugen von befestigten Rollwegen und sonstigen Flugunfällen) auf die in geringer Tiefe liegende wirksame Munition gerechnet werden. Die in diesem Sinne unmittelbar gefährlichen Kampfmittel befanden sich schließlich nicht an Orten, die eine Gefährdung von Leben und Gesundheit als ausgeschlossen erscheinen ließen.
bb) Die Unmittelbarkeit wird hier auch nicht insoweit infrage gestellt, als sich die Gefahren durch nicht selbstdetonationsgeneigte, aber noch wirksame Kampfmittel erst bei äußeren Einwirkungen Dritter auf sie hätten realisieren können. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Bau- und Instandhaltungsarbeiten der Flughafengesellschaft BFG und der Flugbetrieb, nicht aber die Kampfmittel seien die entscheidenden Ursachen für die Gefahren. Zwar trifft es zu, dass im Begriff der Unmittelbarkeit ein Zurechnungszusammenhang vorausgesetzt ist, der beim Dazwischentreten selbstständiger Handlungsbeiträge Dritter unterbrochen werden kann. Jedoch können hier weder die Bauarbeiten der BFG noch der Flugbetrieb als vorrangige (Mit)Ursachen in diesem Sinne bewertet werden. Die Verantwortung des Bundes für die von Kampfmitteln ausgehenden Gefahren wird nicht durch Handeln Dritter verdrängt, mit dem sich diese innerhalb ihres Rechtskreises bewegen oder sonst sozialadäquat verhalten. In diesem Sinne stellen auch die Arbeitshilfen KMR für die Bewertung und Gefährdungsabschätzung auf die Grundstücksnutzung ab (vgl. Kap. 5.1 Abs. 1 und Abs. 4 und Kap. 5.2 Kategorie 3: "Nutzungsänderungen und Infrastrukturmaßnahmen"). Bau- und Pflegearbeiten, die der Unterhaltung und Instandhaltung eines Flughafens dienen, sind nicht nur nutzungsadäquat, sondern entsprechen überdies dem Pflichtenkreis des Flughafenunternehmers, der gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) verpflichtet ist, den Flughafen in betriebssicherem Zustand zu halten und ordnungsgemäß zu betreiben. Zu diesen, den Zurechnungszusammenhang unberührt lassenden Maßnahmen gehören Bau- und Reparaturarbeiten an den Flugbetriebsflächen, wie sie im Jahr 2004 zum Auffinden erster Kampfmittel geführt haben, ebenso Mäh- und Landschaftspflegearbeiten, die aus Gründen der Vorsorge gegen Schäden an Luftfahrzeugen durch so genannte Vogelschläge unabdingbar sind (vgl. Deutscher Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr, www.davvl.de/de).
Dasselbe gilt für den Flugbetrieb, der von luftrechtlichen Erlaubnissen (§§ 6 und 8 Luftverkehrsgesetz) gedeckt ist oder - wie im Fall von Tegel - kraft Gesetzes als genehmigt gilt (vgl. Reidt, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 6 Rn. 71) und damit von der Betriebspflicht des Unternehmers gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO umfasst ist. Dem nutzungsadäquaten Betrieb des Flughafens zuzurechnen sind darüber hinaus Flugunfälle, die infolge des Kontakts mit Kampfmitteln auf den nicht zur Benutzung durch Luftfahrzeuge bestimmten Flughafenbereichen zu Schäden führen können. Derartige Ereignisse sind gemessen an der Zweckbestimmung des Flughafens zwar irregulär; mit ihnen ist aber auch bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt zu rechnen. Daher ist Flugunfällen auf dem Flugplatzgelände nach verbindlichen internationalen Regelwerken etwa durch den Bau von Sicherheitsflächen - auf denen hier ebenfalls Kampfmittel gefunden worden sind - schon bei der Anlegung eines Flughafens Rechnung zu tragen (vgl. Anhang 14 "Aerodromes" des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt
cc) Ist bei wertender Betrachtung das Vorhandensein von Kampfmitteln die prägende und damit maßgebliche Ursache von Gefahren, so ist es rechtlich unerheblich, dass nicht alle aufgefundenen Kampfmittel unmittelbar oder überhaupt gefährlich waren, wie die Fundklassen A bis D (Schrott, Waffen und Waffenteile ohne Munition und Übungsmunition ohne Explosionsstoffe). Ebenso wenig weist es auf das Fehlen von Gefahren hin, dass der Flugbetrieb während der Beprobungen und Räumungen fortgeführt worden ist. Zwar trifft es ausweislich des Gutachtens D. zu, dass der reguläre Flugbetrieb keiner unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt war, weil die befestigten Flugbetriebsflächen nicht mit akut gefährlichen Kampfmitteln belastet waren und die Beprobungen so mit dem Betrieb koordiniert werden konnten, dass Schäden nicht zu erwarten waren (Gutachten D., S. 67 und 20 f.). Daraus folgt aber lediglich, dass Gefahren über die vorhandenen hinaus nicht zu besorgen waren; an der im Übrigen bestehenden Gefährdungslage änderte dies nichts.
dd) Die Unmittelbarkeit lässt sich auch nicht mit den von der Beklagten in Bezug genommenen Erwägungen im Urteil des Senats vom 16. Dezember 1999 (BVerwG 3 A 1.99 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 6) infrage stellen. Nach dem dort zugrunde liegenden Sachverhalt gingen von der auf dem Meeresboden eingesandeten und eingeschlickten Munition keine Gefahren für die Schifffahrt aus, sodass zu ihrer systematischen Entsorgung gerade kein Anlass bestand. Die Notwendigkeit der Beseitigung ergab sich dort vielmehr erst, als bei der Schleppnetzfischerei durch die meeresbodennahe Verwendung von Netzen unbeabsichtigt Kampfmittel zutage gefördert wurden.
e) Die Beklagte kann nicht verlangen, dass der Kläger sie von der Kostenerstattung freistellt, weil vorrangig die BFG als Störerin in Anspruch genommen werden müsste. Nach allgemeinen Grundsätzen ist zwischen der Inanspruchnahme auf Gefahrenbeseitigung und auf Kostenerstattung zu unterscheiden. Was die Kostenbelastung angeht, enthält Art. 120 Abs. 1 GG nicht nur eine Regel über ihre Verteilung zwischen Bund und Ländern, sondern auch Grundentscheidungen zur Frage, wem die Kosten endgültig anzulasten sind. Dieser Vorgabe kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass die BFG zur Gefahrenbeseitigung hätte herangezogen werden können. Selbst wenn dies möglich gewesen wäre, würde sich an der verfassungsrechtlich bindenden Zuordnung der Kosten an den Bund nichts ändern. Die BFG könnte einer Heranziehung zu den Kosten die Wertung des Art. 120 Abs. 1 GG entgegenhalten, wonach nicht sie, sondern der Bund die hier streitigen Kriegsfolgelasten zu tragen hat. Daher ist es unter Kostentragungsgesichtspunkten auch unerheblich, dass die BFG von der Aufrechterhaltung des Flugbetriebs während der Beprobung profitiert hat.
f) Der geforderte Umfang der Erstattung ist im Wesentlichen nicht zu beanstanden.
Der Erstattungsanspruch nach Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst nur die Kosten solcher Arbeiten, die im Hinblick auf die Beseitigung der unmittelbaren Gefahr notwendig sind (Urteil vom 14. Juni 2006 - BVerwG 3 A 6.05 - a.a.O. Rn. 16). Mit dieser Beschränkung der Erstattungspflicht auf notwendige Kosten verpflichtet die Staatspraxis die mit der Räumung befassten Behörden zum Schutz der Beklagten, Aufwendungen nur im unvermeidlichen Umfang zu tätigen. Maßnahmen, für die Erstattung verlangt werden kann, dürfen nicht über dasjenige hinausgehen, was geeignet und erforderlich ist, die Gefahr durch Kampfmittel effektiv und schadlos zu beseitigen.
aa) Die vorgenommenen Beprobungen waren ihrer Art nach ein angemessenes Mittel, den Umfang der Gefahr und der gebotenen Räumungsmaßnahmen aufzuklären. Zwar sind sie durch eine Doppelnatur gekennzeichnet, weil sie einerseits dem Vorfeld der Gefahrenbeseitigung zuzuordnen sind, soweit sie im Anschluss an die historische Erkundung der weiteren technischen Erkundung und Gefahrenabschätzung dienten, andererseits aber der endgültigen Gefahrenbeseitigung, soweit bereits bei der Sondierung aufgefundene Kampfmittel geräumt wurden. Dieses untrennbare Vorgehen wird von der Beklagten zu Unrecht kritisiert; es entspricht dem von ihr vorgegebenen Phasenschema der Kampfmittelräumung, wie es in den Arbeitshilfen KMR (vgl. a.a.O. Kap. 4.2) für die Bearbeitung kampfmittelverdächtiger, aber auch kampfmittelbelasteter Flächen in der Zuständigkeit der Beklagten vorgesehen ist.
bb) Angesichts der bei den Bauarbeiten aufgefundenen Kampfmittel war eine eingehende Beprobung geboten. Die bei Beginn der Erkundung durch Tatsachen untermauerte Befürchtung, dass mit einer unmittelbar gefährdenden Kampfmittelbelastung auf dem gesamten Flughafengelände zu rechnen war, schloss die Notwendigkeit genauerer Lokalisierung nicht aus, sondern begründete sie gerade. Nur so konnte der Zweck der Untersuchungen erreicht werden, ein - mit Blick auf die spätere endgültige Räumung - repräsentatives Belastungsbild der Gesamtfläche zu erlangen. Die Einwände der Beklagten hiergegen greifen nicht durch. Auch die Arbeitshilfen KMR sehen bei unklaren Verdachtslagen Maßnahmen zur Gefährdungsabschätzung vor, die zugleich der Festlegung eventuell anschließend gebotener Maßnahmen - der Erstellung des endgültigen Räumkonzeptes - dienen (a.a.O. Kapitel 4
g) Die Beprobungen gingen nicht über das erforderliche Maß hinaus. Die von der Beklagten vorgebrachten Bedenken gegen den Umfang der Beprobung, die Zahl und Lage der Testfelder, Einzelpunkte und Bohrlöcher sind nicht berechtigt.
aa) Der Anteil reichseigener Kampfmittel an der Gesamtmenge der Kampfmittel, der die Kostenlast der Beklagten auf den Landesflächen bestimmt, steht zur Überzeugung des Senats fest. Die aufgefundenen Kampfmittel sind dem Landeskriminalamt übergeben und von diesem klassifiziert, sortiert und gewogen worden. Dabei hat sich ein Anteil von 58,85 % reichseigener Kampfmittel ergeben, den der Kläger mit der Klage geltend gemacht hat. Fehler der Berechnung dieses Anteils sind nicht ersichtlich. Soweit sich die Beklagte auf den Vermerk des Klägers in der "Übersicht Gesamtkostenaufstellung" (Anlage K 21 zur Klageschrift) beruft, in dem ein abweichender Anteil bezeichnet ist, handelt es sich ersichtlich um den Wert der Anteile der im Abrechnungszeitraum auf allen Flächen gefundenen Kampfmittelarten.
bb) Es wäre den Bodenverhältnissen auf dem Flughafen Tegel nicht angemessen gewesen, die Lage von Kampfmitteln ausschließlich mithilfe kostengünstigerer Methoden wie der Geomagnetik zu erkunden. Der Gutachter hat ebenso wie der Kläger überzeugend aufgezeigt, dass dies vor allem wegen der Geländeaufschüttungen und -verschiebungen nicht zu hinreichend aussagekräftigen Ergebnissen geführt hätte.
cc) Die Testfelder und Zusatzfelder sind auf Flächen angelegt worden, die noch nicht oder nicht systematisch und vollständig geräumt waren. Die gegenteilige Vermutung der Beklagten hat sich als haltlos erwiesen. Richtig ist lediglich, dass nicht an allen beprobten Stellen Kampfmittel gefunden worden sind.
dd) Auch die Anlegung von Zusatztestfeldern war angemessen. Sie wurden in Bereichen geplanter Bautätigkeit der BFG eingerichtet, um dort zum Schutz der Bediensteten zu einer genaueren Gefährdungseinschätzung gelangen zu können. Der Einwand der Beklagten, für eine solche baubegleitende Kampfmittelsuche habe sie nicht einzustehen, trifft nicht zu; denn Bauarbeiten an Flugbetriebsflächen sind - wie oben dargetan - bei einem Flughafen Bestandteil der sozialadäquaten Grundstücksnutzung.
ee) Die Untersuchung von zusätzlichen Einzelpunkten war sachgerecht.
Der Gutachter hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, nach welchen Kriterien die untersuchten Einzelpunkte festgelegt worden sind. Leitend war der Gesichtspunkt, anhand der konkreten Gegebenheiten eine zuverlässige Gefährdungsabschätzung zu ermöglichen. Zwar hat die Beklagte auf einen scheinbaren Widerspruch zwischen dem Gutachten und den Erklärungen des Gutachters in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, der dies infrage stellen könnte. Die Erläuterungen, die der Gutachter daraufhin zur Auswahl der Einzelpunkte gegeben hat, und der Abgleich der Borstellen mit dem Kartenmaterial verdeutlichen aber, dass tatsächlich kein solcher Widerspruch besteht. Entgegen dem Eindruck, den die Darstellung im Gutachten erweckt (S. 53, 65), wurden mit den Einzelpunkten nicht nur Bomben- oder Blindgängerverdachtspunkte untersucht. Vielmehr sind durchweg Punkte ausgewählt worden, für die aufgrund der Luftbildauswertung oder örtlicher Besonderheiten konkrete Verdachtsmomente auf eine Kampfmittelbelastung (wie Bombenkrater, Munitionslager oder andere militärische Strukturen) vorlagen, sodass eine großflächigere Untersuchung wie durch ein Testfeld nicht sinnvoll erschien. Die Beklagte erhebt hiergegen keine substanziierten Einwände; der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag musste daher abgelehnt werden.
Soweit die Beklagte die Anordnung und Zahl der Bohrlöcher bemängelt, verkennt sie, dass verbindliche Regelungen hierüber nicht bestanden. Der - im Beprobungszeitpunkt noch nicht veröffentlichte - Anhang A-9.3.12 der Arbeitshilfen KMR sieht ein festes Bohrlochraster nur für Bombenblindgängerverdachtspunkte vor, lässt im Übrigen aber Raum für die Wahl von Abständen, die den örtlichen Besonderheiten angepasst sind. Die Einwände der Beklagten hiergegen gehen von unzutreffenden Annahmen aus, sodass dem Beweisantrag auch insoweit nicht nachzugehen war.
ff) Ist nichts gegen den Umfang der Gesamtmaßnahmen zu erinnern, so ist auch die Anlastung anteiliger Gemeinkosten, d.h. solcher Aufwendungen, die sich keiner bestimmten Beprobungsmaßnahme zuordnen lassen, zulässig. Die Beklagte wird dadurch nicht an baubegleitenden Beprobungen, unnötigen Testfeldern oder anderen Maßnahmen beteiligt, für die sie nicht einzustehen hat.
h) Erstattungsfähig sind auch die flugbetriebsbedingten Mehrkosten der Beprobungen. Der Kläger war nach Lage der Dinge nicht verpflichtet, in seiner Eigenschaft als zuständige Luftfahrtbehörde zur Kostenreduzierung eine Schließung des Flughafens während der Beprobungen anzuordnen. Es mag dahinstehen, ob dies angesichts der Möglichkeiten zur gefahrminimierenden Koordination von Flugbetrieb und Beprobung überhaupt eine rechtmäßige Handlungsalternative gewesen wäre. Jedenfalls aber muss sich die Beklagte darauf verweisen lassen, dass sie sich an Stelle der BFG schwerlich anders hätte verhalten können; denn das gewählte Vorgehen war in einem objektiven Sinne vernünftig. Die Vorsorgemaßnahmen des Ingenieurbüros D. bewirkten einen angemessenen Ausgleich der Interessen an der reibungslosen Durchführung des Flugbetriebs und der kostengünstigen Testung und Räumung der Flächen. Dann aber kann die Beklagte unter Kostengesichtspunkten nicht verlangen, dass die BFG zu ihren und zu Lasten einer breiten Öffentlichkeit Maßnahmen ergreift, die die Beklagte selbst, wäre sie Nutzungsberechtigte der Flughafenflächen gewesen, vernünftigerweise nicht ergriffen hätte.
j) Es begrenzt hier nicht den Umfang der Kostentragungspflicht der Beklagten, dass der Kläger die Testfeldbeprobung für den Flughafen Tegel - anders als für den Flughafen Tempelhof - nicht ausgeschrieben hat.
aa) Allerdings gehört eine Ausschreibung, soweit sie gesetzlich vorgeschrieben ist, zu den grundsätzlich zu beachtenden Anforderungen im Zusammenhang mit Kampfmittelräumungen. Das Vergaberecht schützt nicht nur die Aufrechterhaltung eines gesunden Wettbewerbs und das Interesse von Konkurrenten, gleichmäßig an öffentlichen Aufträgen teilhaben zu können; es dient auch dem Interesse der öffentlichen Hand, mithilfe von Wettbewerb Vorhaben zu angemessenen Preisen, d.h. geringeren Kosten durchführen zu können. Daher kann die Beklagte die Beachtung des Vergaberechts unter dem Gesichtspunkt der Kostengeringhaltung verlangen.
bb) Der Kläger war grundsätzlich zur Ausschreibung verpflichtet. Zwar ergab sich das nicht aus Bundesrecht, weil die seinerzeit dafür gültigen Schwellenwerte nicht überschritten waren (vgl. § 2 Nr. 4 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge <Vergabeverordnung - VgV> vom 1. Februar 2001, BGBl I S. 110, i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. Februar 2003, BGBl I S. 169). Nach seinem Landesrecht hatte der Kläger die Beprobung jedoch unter Anwendung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) auszuschreiben (§ 55 Abs. 1 der Landeshaushaltsordnung Berlin
cc) Dieser Pflicht nachzukommen, war er nicht deswegen gehindert, weil eine hinreichende Leistungsbeschreibung im Sinne des § 3 Nr. 4 Buchst. b VOB/A 2002 nicht möglich gewesen wäre. Auch wenn die Erstellung einer Leistungsbeschreibung wegen der Besonderheiten einer großflächigen Kampfmittelbelastung auf einem internationalen Verkehrsflughafen mit Schwierigkeiten verbunden war, ist sie doch prinzipiell möglich, wie nicht zuletzt der Umstand belegt, dass der Kläger die auf dem Flughafen Tempelhof durchgeführten Maßnahmen ausgeschrieben hat (vgl. ferner den "Musterleistungskatalog
dd) Von der Ausschreibung durfte aber unter dem Gesichtspunkt der Dringlichkeit der Gefahrenbeseitigung abgesehen werden. Im Bereich der Gefahrenabwehr indiziert nach allgemeinen Grundsätzen eine unmittelbare, sich potenziell jederzeit realisierende Gefahr (hier durch detonationsfähige Munition) eine Dringlichkeit, die schon geringfügigen Verzögerungen der Abhilfe entgegensteht und regelmäßig eine Dringlichkeit der Leistung auch im Sinne des Vergaberechts begründet (vgl. § 3 Nr. 3 Abs. 1 Buchst. c, Nr. 4 Buchst. d VOB/A 2002; dazu auch OVG Münster, Urteil vom 2. September 2008 - 15 A 2328/06 - DVBl 2008, 1450). So lag der Fall hier, nachdem sich der Verdacht einer großflächigen Kampfmittelbelastung im Vorfeld der Beprobung bestätigt hatte. Unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der Gefahrenbeseitigung war auf einem internationalen Verkehrsflughafen wie Tegel die zusätzliche erhebliche Zeitverzögerung durch eine unbeschränkte oder auch beschränkte öffentliche Ausschreibung nicht hinnehmbar. In dem dadurch vorgezeichneten Rahmen eines geordneten und zweckmäßigen Vorgehens hat sich der Kläger schonend verhalten, indem er Firmen (BVS, BSA und Halter) beauftragt hat, die - auch bei der Beklagten - als erfahren und bewährt galten und an Rahmenverträge gebunden waren, die auf der Grundlage von Ausschreibungen zustande gekommen waren.
k) Die Beklagte hat dem Kläger auch die geltend gemachten Kosten für die Sondierung und Räumung der Landesfläche Los 1 zu erstatten. Es handelt sich ebenfalls um notwendige Aufwendungen zur Gefahrenbeseitigung. Die hiergegen erhobenen Einwände der Beklagten bleiben ohne Erfolg; insoweit gelten die Ausführungen zu den vorhergehenden Testfelduntersuchungen entsprechend.
l) Die Erstattung von Betreuungskosten für die Überwachung der Maßnahmen am Flughafen Tegel kann der Kläger nur zu einem Teil verlangen.
Nach der Rechtsprechung des Senats, an der festzuhalten ist, sind so genannte projektbezogene Betreuungskosten vom Bund zu tragende Kriegsfolgelasten in Form von Zweckausgaben, sofern sie nach der von den konkreten Beteiligten vor dem Stichtag geübten Erstattungspraxis gezahlt worden waren (Urteil vom 20. Februar 1997 - BVerwG 3 A 2.95 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5 S. 3). Die Beklagte stellt die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit von projektbezogenen Betreuungskosten nicht infrage, meint aber, dem Kläger sei aufgrund der Beauftragung des Ingenieurbüros Döring kein eigener Betreuungsaufwand entstanden, der abgerechnet werden könnte. Dieser Einwand ist zum Teil berechtigt. Es ist dem Kläger unbenommen, die ihm entstandenen Betreuungskosten konkret zu beziffern oder sich - wie hier - mit einer pauschalen Abgeltung zu begnügen. In diesem Fall sind die Betreuungskosten in Anlehnung an Art. 3 Abs. 3 Satz 2 des Finanzanpassungsgesetzes vom 30. August 1971 (BGBl I S. 1426) zu bemessen (vgl. Urteil vom 20. Februar 1997 a.a.O.). Danach beträgt die Pauschale 2 % der Auftragssumme für die Kosten der Entwurfsbearbeitung und 1 % für Kosten der Bauaufsicht. Nur Letztere sind dem Kläger infolge seiner Pflicht zur Beaufsichtigung der von ihm beauftragten Ingenieurbüros entstanden; die weiteren Kosten sind hingegen bei diesen angefallen und bereits in den abgerechneten Aufwendungen für die Kampfmittelbeprobung enthalten.
3. Die Aufwendungen für Maßnahmen am Flughafen Tempelhof sind schon dem Grunde nach nicht erstattungsfähig.
a) Anders als auf dem Flughafen Tegel dienten die Beprobungen in Tempelhof der Gefahrerforschung. Nach den Luftbildauswertungen konnte nicht davon ausgegangen werden, dass dort überhaupt eine Gefahr bestand. Sonstige greifbare Anhaltspunkte hierfür lagen nicht vor. Nach allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen kann derjenige, der (rechtmäßig) als Anscheinsstörer zur Abwendung einer polizeilichen Gefahr in Anspruch genommen wurde, in entsprechender Anwendung des in den Polizeigesetzen geregelten Ersatzanspruchs für zur Gefahrbeseitigung herangezogene Nichtstörer die Kosten der Maßnahme abwehren, wenn sich die ("ex ante") angenommene Gefahr nach Durchführung der Maßnahme ("ex post") nicht bestätigt (Urteil vom 17. Februar 2005 - BVerwG 7 C 14.04 - BVerwGE 123, 7 <12> = Buchholz 451.222 § 24 BBodSchG Nr. 1 m.w.N.; BGH, Urteile vom 23. Juni 1994 - III ZR 54/93 - BGHZ 126, 279 <283 f.> und vom 12. März 1992 - III ZR 128/91 - BGHZ 117, 303 <307 f.>). Vergleichbar liegt der Fall hier, denn der Gefahrenverdacht hat sich im Ergebnis als unbegründet herausgestellt.
b) Schon aus diesem Grunde besteht auch kein Anspruch auf projektbezogene Betreuungskosten für die Räumung in Tempelhof. Es bedarf daher keiner Erörterung, dass vor dem Hintergrund der Wertung des Finanzanpassungsgesetzes pauschale Kosten in Höhe von 7 % schwerlich gerechtfertigt sein können.
4. Nach alldem ist die Klage in Höhe von 1 306 204,42 € begründet; im Übrigen (in Höhe von 40 158,55 €) ist sie abzuweisen. Die geltend gemachten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus stehen dem Kläger entsprechend § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ab dem Tag nach Klageerhebung zu (Urteil vom 28. Juni 1995 - BVerwG 11 C 22.94 - BVerwGE 99, 53 = Buchholz 310 § 90 VwGO Nr. 6).