Entscheidungsdatum: 05.08.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 396 12 858
(Löschungsverfahren S 240/11)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker sowie der Richterinnen Kortge und Uhlmann
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die Beschwerdeführerin hat am 10. August 2011 die Löschung der am 7. März 1996 angemeldeten und am 4. Januar 2010 für die Waren "zweisprachige Wörterbücher in Printform" eingetragenen abstrakten Farbmarke 396 12 858 "Gelb" HKS 5
beantragt.
Die Eintragung erfolgte aufgrund des Beschlusses des BPatG vom 22. Oktober 2009 mit der Begründung, dass das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft durch Verkehrsdurchsetzung überwunden sei. Dabei stützte sich der Senat auf die von der Anmelderin glaubhaft gemachten Umsatzzahlen, ihren jährlichen Werbeaufwand sowie das demoskopische Gutachten der G… …, wonach der Durchsetzungsgrad zwischen 66 % und 72 % der Befragten betrug, die zweisprachige Wörterbücher nutzten oder verwendeten.
Mit Beschluss vom 10. Juni 2012 hat das DPMA den Löschungsantrag unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung zurückgewiesen. Bei der Bestimmung der maßgeblichen Verkehrskreise sei im damals vorgelegten G…-Gutachten zutreffend auf die Verwender von zweisprachigen Wörterbüchern abgestellt worden, da es sich bei zweisprachigen Wörterbüchern nicht um Gegenstände des täglichen Bedarfs handele. Der Durchsetzungsgrad von mindesten 66 % genüge. Der Umstand, dass die Verkehrsdurchsetzung erst für das Jahr 2009 nachgewiesen sei, gleichwohl eine Zeitrangverschiebung der Anmeldung vom Jahr 1996 auf den Zeitpunkt des Nachweises gemäß § 37 Abs. 2 MarkenG nicht stattgefunden habe, sei kein Löschungsgrund gemäß § 50 MarkenG.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie beantragt,
den Beschluss des DPMA vom 19. Juni 2012 aufzuheben.
Sie trägt vor, die Markeninhaberin benutze die angegriffene Farbmarke um zu verhindern, dass andere Gelbtöne auf andersartigen Produkten wie Sprachlernsoftware angebracht werden. Der angegriffenen Farbmarke habe bereits bei Anmeldung und auch im Zeitpunkt der Eintragung von Haus aus die erforderliche Unterscheidungskraft gefehlt. Dieses Hindernis sei auch nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwunden worden. Das dazu vorgelegte Gutachten weise schwere Mängel auf. Es habe für die Bekanntheit nicht auf den Zeitpunkt der Anmeldung, sondern auf die aktuellen Kenntnisse im Jahr 2009 abgestellt. Die maßgeblichen Verkehrskreise seien fehlerhaft zu eng gefasst, weil das Gutachten nicht alle Befragten, sondern nur die Nutzer und Verwender von zweisprachigen Wörterbüchern einbezogen habe, obwohl derartige Waren auch von Personen gekauft und verschenkt werden könnten, die selbst keine Wörterbücher nutzten. Dadurch habe sich zudem der Kreis der Befragten auf unter 1.000 Personen reduziert, was Zweifel an der Repräsentativität der Befragung wecke. Es fehlten ferner aussagekräftige Anlagen und Statistiken zu der Befragung. Die Befragung habe sich nicht auf zweisprachige Wörterbücher in Papierform beschränkt, so dass auch elektronische Wörterbücher erfasst worden seien. Fälschlich sei bei der Befragung von der isolierten Farbe ausgegangen worden, obwohl die Marke immer in Kombination mit dem blauen "L" der Markeninhaberin erscheine. Richtigerweise habe man von der benutzten Kombinationsmarke ausgehen und durch Zusatzfragen die Bedeutung der Farbe klären müssen. Ein von der Antragstellerin eingeholtes Gutachten der I… GmbH vom Juli 2012 belege, dass die angesprochenen Verkehrskreise nicht in der angemeldeten Farbe, sondern in dem mit der Farbe immer in Kombination auftauchenden blauen Buchstaben "L" der Markeninhaberin einen betrieblichen Herkunftshinweis sähen und die Farbe nur als dekoratives Element wahrnähmen. Für Grundfarben, zu denen die angegriffene Farbe gehöre, bestehe ein besonderes Freihaltebedürfnis, das einen höheren als den festgestellten Bekanntheitsgrad für die Zuerkennung der Verkehrsdurchsetzung erfordere. Zudem habe das Gutachten aus dem Jahr 2009 keinerlei Aussagekraft für den Zeitpunkt der Anmeldung im Jahr 1996 gehabt. Da das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft mithin – wenn überhaupt - erst im Jahr 2009 überwunden worden sei, habe als Anmeldetag gemäß § 37 Abs. 2 MarkenG dieser Zeitpunkt festgesetzt werden müssen. Die Inhaberin hätte durch aktive Mitwirkung auf die Verschiebung des Anmeldezeitpunktes hinwirken müssen. Da sie dies nicht getan habe, sei es gerechtfertigt, die Marke zu löschen.
Die Beschwerdeführerin weist weiter darauf hin, dass das Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlagebeschlüsse des 33. Senats des Bundespatentgerichts ausgesetzt werden müsse, da die dort gestellten Fragen auch hier von Bedeutung seien (C-218/13 und C-217/13 = 33 W (pat) 103/09 und 33 W (pat) 33/12). Sie regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
Die Beschwerdegegnerin stellt den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die angegriffene Marke sei schon bei Anmeldung von Haus aus eintragungsfähig sowie schon bei Anmeldung im Verkehr als Herkunftshinweis für die Markeninhaberin durchgesetzt gewesen. Die Beschwerdegegnerin nutze die Farbe Gelb bereits seit Jahrzehnten nicht nur im Zusammenhang mit dem blauen "L", sondern für alle ihre Sprachlernprodukte. Die Annahme, Wörterbücher würden in maßgeblichem Umfang auch verschenkt, widerspreche der rückläufigen Marktentwicklung für Wörterbücher, die wohl darauf zurückzuführen sei, dass Jugendliche elektronische Wörterbücher bevorzugten. Die in dem Gutachten angewendete Systematik, ausschließlich nach der isolierten Farbe zu fragen, sei korrekt. Eine Aussetzung wegen der Vorlagebeschlüsse des 33. Senats sei nicht erforderlich. Die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Löschungsentscheidung in § 50 Abs. 2 MarkenG stelle eine durch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 RL 2008/95 EG ausdrücklich zugelassene Abweichung von dem nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 RL 2008/95 EG maßgeblichen Zeitpunkt der Markenanmeldung dar.
Zum weiteren Vortrag wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das DPMA hat den Löschungsantrag zu Recht zurückgewiesen. Ein Löschungsgrund gemäß § 50 MarkenG liegt nicht vor. Der Senat ist wie schon in seiner Entscheidung vom 22. Oktober 2009 davon überzeugt, dass die angegriffene Marke die Schutzhindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Wege der Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG zum Eintragungszeitpunkt überwunden hatte.
1.
Gemäß §§ 50 Abs. 1 und 2, 54 MarkenG wird die Eintragung einer Marke auf Antrag gelöscht, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist. Entscheidend ist insoweit, ob ein Schutzhindernis tatsächlich vorlag, und nicht, ob die Eintragung fehlerhaft erfolgt ist (BPatG GRUR 2009, 669 f. – POST II, Nr. 31 m. w. N.). Das Schutzhindernis muss dabei, wie sich aus § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG ergibt, sowohl im Eintragungszeitpunkt bestanden haben als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch bestehen. Diese Löschungsvoraussetzungen sind nicht erfüllt.
a)
Die angegriffene Farbmarke verfügte zwar von Haus aus nicht über das für die Eintragung erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft, sodass ihrer Eintragung das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegenstand. Dies führt jedoch nicht zu einer Löschung der angegriffenen Marke, weil sie sich bereits vor dem Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Eintragung infolge ihrer Benutzung für zweisprachige Wörterbücher in Printform in den beteiligten Verkehrskreisen gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt hatte.
Die Eintragung einer Marke im Wege der Verkehrsdurchsetzung setzt voraus, dass das Zeichen infolge seiner kennzeichenmäßigen Verwendung für die fraglichen Waren und Dienstleistungen von einem wesentlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkannt wird (BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 23 – VISAGE). Maßgebliche Kriterien sind dabei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft insbesondere der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung dieser Marke, der Werbeaufwand für die Marke, der Anteil der angesprochenen Verkehrskreise, der die Ware oder Dienstleistung aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt, sowie die Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen Berufsverbänden (EuGH GRUR 2006, 1022, Rdnr. 75 – Wicklerform; GRUR 2002, 804, Rdnr. 60 – Philips; GRUR 1999, 723, Rn. 51 – Chiemsee). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Verkehrsbefragung nur eine von mehreren möglichen Mitteln zur Feststellung der Verkehrsdurchsetzung ist und insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Beurteilung der Unterscheidungskraft besondere Schwierigkeiten aufwirft. Die Tatsache, dass die angesprochenen Verkehrskreise die betreffende Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen, muss auf der Benutzung des Zeichens als Marke beruhen, also einer Benutzung, die der Identifizierung der Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend dient (EuGH a. a. O. Rdnr. 49 – Chiemsee; a. a. O. Rdnr .64 - Philips; BGH a. a. O. - VISAGE).
Bei der Prüfung der Verkehrsdurchsetzung abstrakter Farbmarken ist zusätzlich zu beachten, dass eine Wahrnehmung abstrakter Farben als betriebliche Herkunftshinweise nach der Rechtsprechung regelmäßig nur in einem überschaubaren Bereich von Waren und Dienstleistungen mit eigenen Kennzeichnungsgewohnheiten in Betracht kommt (29 W (pat) 64/06 – freenet). Die beanspruchten Waren müssen Teil eines in sich abgeschlossenen, von den Kennzeichnungsgewohnheiten anderer Branchen unabhängigen und damit "spezifischen" Marktes sein, der sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abgrenzen lässt (EuGH GRUR 2003, 604, Nr. 66 – Libertel; BPatG a. a. O. freenet).
b)
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien sieht der Senat keinen Anlass, die Eintragungsfähigkeit des Zeichens abweichend von seiner Entscheidung im Eintragungsverfahren zu beurteilen. Dies gilt unabhängig von der bislang noch nicht geklärten Problematik der Selbstbindung des Senats an seine vorangegangene Entscheidung, ohne dass sich die Tatsachen- oder Rechtslage geändert hätte. Sie ist hier nicht weiter zu vertiefen, da es nicht entscheidungserheblich ist, ob der Senat allein auf Vorbringen eines Dritten, eines Mitbewerbers, von seiner Entscheidung abweichen kann, was einem in anderen Verfahrensordnungen vorgesehenen Wiederaufnahmeverfahren gleich käme, ohne dass dessen Voraussetzungen vorliegen.
c)
Der Senat kommt auch ohne Demoskopie bereits aufgrund einer Gesamtschau der von der Inhaberin der angegriffenen Marke im Anmeldeverfahren vorgelegten Unterlagen sowie gerichtsbekannter Umstände zu dem Ergebnis, dass der Nachweis einer Durchsetzung der abstrakten Farbmarke (Gelb HKS 5) für die Waren "zweisprachige Wörterbücher in Printform" in den maßgeblichen Verkehrskreisen bereits zum Anmelde- sowie zum Eintragungszeitpunkt erbracht worden ist.
Die beanspruchten Waren, zweisprachige Wörterbücher in Printform, gehören einem spezifischen Warensegment im oben genannten Sinne an. Sie werden auf dem wirtschaftlich eigenständigen und eng umgrenzten Markt der Wörterbücher als Übersetzungshilfen angeboten.
Die Antragsgegnerin hat schon im Eintragungsverfahren glaubhaft dargelegt, dass sie bereits im Jahr 2009 in der Branche der zweisprachigen Wörterbücher über einen herausragenden Marktanteil von 60 Prozent verfügte. Der nächste Wettbewerber wies nur einen Marktanteil von ca. 20 Prozent auf. Sie hatte in den vorangegangenen elf Jahren rund 21,4 Mio zweisprachige Wörterbücher verkauft und ihr jährlicher Werbeaufwand lag in den acht Jahren vor der Eintragung bei rund 1,4 Mio €. Dabei war sie in stets gleichbleibender Weise mit gelber Farbe und blauem "L" am Markt aufgetreten, was auch dem Senat als Teil der angesprochenen Verkehrskreise bekannt ist. Aus den im Anmeldungsverfahren vorgelegten Unterlagen der Beschwerdegegnerin ergab sich, dass erstmals im Jahr 1956 ein zweisprachiges Wörterbuch der Beschwerdegegnerin in damals noch hellgelber Farbe erschienen war, wobei die von ihr vertriebenen Wörterbücher seit 1986 in dem angemeldeten Farbton gehalten waren.
Die Tatsache, dass auf den Waren nicht nur die Farbe Gelb verwendet worden ist, sondern jedes Buch auch noch zusätzlich mit dem blauen Buchstaben "L" der Markeninhaberin und der Wortmarke "Langenscheidt" auf dem Markt präsent war, ändert nichts an der Nachweiskraft der oben genannten Fakten und Zahlen für die Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke. Zwar setzt die Verkehrsdurchsetzung auch bei abstrakten Farbmarken voraus, dass die Farbe isoliert für sich als Marke dem Publikum in der Wahrnehmung näher gebracht worden ist. Dies dient der Abgrenzung zu der schutzhindernden Tatsache, dass eine Farbe für gewöhnlich nur als Hervorhebungsmittel oder rein dekoratives Element eingesetzt wird und beim Publikum nicht als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen wird (BGH GRUR 2002, 271-275 – Malboro-Dach; GRUR 2008, 710 - Visage). Dieser allgemeine Grundsatz ist jedoch vor dem Hintergrund der jeweiligen Besonderheiten in dem beanspruchten Warengebiet zu sehen. Unter Beachtung dieser Prämisse ergibt sich für den Senat hier Folgendes: Das Warensegment der Wörterbücher – wie im übrigen die ganze Branche der Druckereierzeugnisse "Bücher" - zeichnet sich durch besondere Kennzeichnungsgewohnheiten aus. Das angesprochene Publikum ist bei Druckereierzeugnissen an die gleichzeitige Verwendung mehrerer Zeichen auf dem Einband wie Farben, Bildzeichen und Wortzeichen, etwa in Form von Eigennamen, als betrieblicher Herkunftshinweis gewöhnt und kann daher auch die Farbe als selbständige Marke erkennen (vgl. dazu BPatG GRUR 2012, 1148, 1149, Rdnr. 34 - Robert Enke; GRUR 2008, 428, 430 - Beck-Rot; GRUR 2009, 167, 170 - Sonnengelb). Die isolierte Verwendung eines Zeichens auf einem Bucheinband entspricht nicht der Realität. Nach Auffassung des Senats kann daher in dieser Branche keine isolierte markenmäßige Benutzung der Farbe Gelb verlangt werden. Es können keine Anforderungen gestellt werden, die aufgrund des tatsächlichen Marktverhaltens und der daraus entstandenen Prägung des Publikums bei seiner Wahrnehmung, nicht einzuhalten sind.
d)
Aber selbst wenn die von der Antragsgegnerin eingereichten Unterlagen zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen abstrakten Farbmarke nicht ausreichten, ist deren Durchsetzung für "zweisprachige Wörterbücher in Printform" in den maßgeblichen Verkehrskreisen jedenfalls durch das demoskopische Gutachten der G1… vom Juli 2009 belegt worden.
aa)
Diesem Verkehrsgutachten ist zu entnehmen, dass der Durchsetzungsgrad der Farbmarke "Gelb" (HKS5) für zweisprachige Wörterbücher innerhalb der beteiligten Verkehrskreise bei 66 % liegt.
bb)
Das Gutachten stammt von einem anerkannten Institut zur Durchführung von Verkehrsbefragungen. Befragungsumfang, Repräsentativität der Stichproben sowie der Ablauf der Befragung sind nachvollziehbar dargestellt. Die Zahl der befragten 1.231 Personen ist hinreichend groß, sie bewegt sich nämlich über der für Einzelbefragungen regelmäßig geforderten Zahl von 1.000 Teilnehmern (BPatG GRUR 2011, 68, 72 – Goldhase in neutraler Aufmachung). Auch der Inhalt der Fragebögen steht in Übereinstimmung mit Kapitel IV Punkt 5.17 der Prüfungsrichtlinie des Deutschen Patent- und Markenamtes für Markenanmeldungen.
cc)
Die angesprochenen Verkehrskreise sind mit den Nutzern und Verwendern von zweisprachigen Wörterbüchern zutreffend bestimmt. Dabei handelt es sich um 931 von 1.231 befragten Personen ab einem Alter von 10 Jahren. Zweisprachige Wörterbücher gehören nicht zu den Gegenständen des täglichen Bedarfs und sprechen deshalb nur einen Teil der Bevölkerung an. Bei ihnen handelt es sich um sehr spezifische Waren, die auf dem eng umgrenzten Markt der Übersetzungshilfen angeboten werden. Deshalb war es gerechtfertigt, die beteiligten Verkehrskreise im Rahmen der demoskopischen Befragung dadurch näher zu ermitteln, dass Befragte, die niemals als Verwender in Frage kommen, unberücksichtigt blieben. Der Einwand der Beschwerdeführerin, damit seien Käufer von zweisprachigen Wörterbüchern ausgeschlossen, die diese zwar nicht selbst nutzten, sie aber anderen zum Geschenk machten, geht fehl. Zum einen sind diese Personen schon nach dem Inhalt des Begriffs "verwenden" erfasst. Denn auch das Verschenken eines Buches ist eine Art der Verwendung. Zum anderen handelt es sich bei zweisprachigen Wörterbüchern nicht um Gegenstände, die üblicherweise verschenkt werden. Wenn zweisprachige Wörterbücher ausnahmsweise zum Geschenk gemacht werden, dürfte dies in erster Linie durch Personen geschehen, die ihrerseits jedenfalls gelegentlich Nutzer dieser Bücher und damit Teil der angesprochenen Verkehrskreise sind. Wörterbücher sind keine typischen Geschenkartikel.
dd)
Auch die Verwendung des Begriffs "zweisprachige Wörterbücher" ohne den Zusatz "in Printform" entwertet die Feststellungen des Gutachtens nicht. Wie der Senat schon in seiner Eintragungsentscheidung dargelegt hat, werden unter "Wörterbücher" in erster Linie gedruckte Wörterbücher verstanden. Da die Befragung nicht auf die Printform beschränkt wurde, sind die angesprochenen Verkehrskreise sogar erweitert worden, nämlich um die ausschließlichen Nutzer elektronischer Wörterbücher, was sich im Ergebnis, wenn überhaupt, nur zu Ungunsten der Anmelderin auswirkt.
ee)
Auch die angewendete Methodik, den Befragten ein Muster der konturlosen Farbmarke "Gelb" vorzulegen, ist korrekt. Bei der Frage der Verkehrsdurchsetzung abstrakter Einzelfarbmarken ist zu beachten, dass für diese Markenformen die Konturenunabhängigkeit ein Wesensmerkmal darstellt. Die erforderliche selbständige markenmäßige Bedeutung der Farbe ist grundsätzlich anhand isolierter Farbmuster festzustellen (vgl. Ströbele/Hacker Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rdnr. 474).
ff)
645 der 931 Nutzer bzw. Verwender erkannten in dem gelben Farbmuster im Zusammenhang mit zweisprachigen Wörterbüchern in Printform einen Hinweis auf einen bestimmten Verlag, den sie zudem mit "Langenscheidt" benennen konnten. Unter Berücksichtigung der Größe des befragten Verkehrskreises, einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 95 Prozent und der statistischen Schwankungsbreite liegt damit der Durchsetzungsgrad zwischen 66 und 72 Prozent.
Der Wert ist sogar noch höher anzusetzen, weil das Gutachten zu Ungunsten der Anmelderin alle 133 Antworten, bei denen eine Zuordnung zu einem ganz bestimmten Verlag erfolgte, der Verlag "Langenscheidt" aber nicht genannt wurde, als negative Antworten unberücksichtigt gelassen hat. Im Rahmen des negativen Ausschlussverfahrens stehen aber nur solche Antworten einer Verkehrsdurchsetzung des Anmelders entgegen, die die betreffende Marke einem konkreten anderen, in keiner rechtlichen oder tatsächlichen Verbindung zum Anmelder stehenden Unternehmen zuordnen (Ströbele/Hacker Markengesetz, § 8, Rdnr. 488), während die übrigen Antworten ("weiß nicht") dem Anmelder zuzuordnen sind.
gg)
In jedem Fall ist die untere Grenze von 50 Prozent + 1 der beteiligten Verkehrskreise überschritten. Für die Festsetzung des im Einzelfall erforderlichen Durchsetzungsgrades ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ohnehin nicht von festen Prozentsätzen auszugehen. Maßgeblich für die Feststellung der Verkehrsdurchsetzung ist vielmehr, dass ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise das Zeichen nicht mehr nur als beschreibende Angabe, sondern zumindest auch als Herkunftshinweis ansieht (EuGH GRUR 2005, 763 – HAVE A BREAK; a. a. O. – Philips). Ein Anteil von 10 % über der Mindestgrenze repräsentiert nach Auffassung des Senats in jedem Fall einen erheblichen Teil der beteiligten Verkehrskreise.
e)
Das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten der I… GmbH vom
Juli 2012 ist nicht geeignet, den Beweiswert des Gutachtens der G… zu erschüttern. Darin wird nämlich nicht nach der abstrakten Farbmarke "Gelb" gefragt, sondern ihr liegt die ebenfalls für die Markeninhaberin eingetragene farbige Bildmarke 39621857 "Blaues L auf gelbem Grund" zugrunde. Demgegenüber fordern Rechtsprechung und Literatur, dass im Rahmen der Demoskopie das isolierte angemeldete Zeichen abgefragt werden muss (BGH GRUR 2009, 766 – Stofffähnchen; Ingerl/Rohnke MarkenG, 3. Aufl. § 8 Rdnr. 321; Ströbele/Hacker a. a. O. Rdnr. 556). Dies gilt auch dann, wenn wie hier der Nachweises einer isolierten markenmäßigen Benutzung der Farbe im Marktauftritt wegen der besonderen Kennzeichnungsgewohnheiten nicht verlangt werden kann. Auch die Richtlinien des DPMA sehen die Vorlage der angemeldeten Marke und nicht eines Drittzeichens vor (Kapitel 5.17).
Darüber hinaus wird durch Zusatzfragen die Bedeutung des hier verfahrensgegenständlichen Farbelements zu ermitteln versucht. Die Zusatzfrage 5 an die Befragten, die das kombinierte Bildzeichen einem bestimmten Herausgeber zugeordnet haben, "Woran haben Sie erkannt, dass es sich …(um den Herausgeber)… handelt? Wie sind Sie darauf gekommen?" erfordert von dem Befragten eine nach dem Wiedererkennen des zusammengesetzten Bildzeichens anzustellende hypothetische Überlegung über den Grund seiner zunächst spontanen Antwort und ist deshalb nicht geeignet, die spontane Wahrnehmung und Einordnung der isolierten Farbe durch den Befragten zu ersetzen, sondern wirkt suggestiv auf den Befragten ein. Dies ist unzulässig. Zudem spricht ein weiterer methodischer Mangel gegen den Beweiswert des Gutachtens. In Frage 6 wird denjenigen, die auf die offene Frage 5 keine Antwort geben können, eine Auswahl an Merkmalen angeboten, deren Schwerpunkt eindeutig auf den Elementen "Buchstabe" und "Farbe Blau" liegt und dadurch ebenfalls Suggestivwirkung hat. Denn die Farbe Gelb wird hier erst an vierter Stelle nach "der Buchstabe", "die blaue Farbe", "das "L" genannt, gefolgt von der Alternative "das blaue "L"" sowie weiteren vier konkreten Möglichkeiten. Die weiteren Fragestellungen beziehen sich thematisch nicht auf das Löschungsverfahren, sondern zielen auf Verletzungsfragen ab.
2.
Der Umstand, dass die angegriffene Marke mit dem Zeitrang der Anmeldung 7. März 1996 ohne Prioritätsverschiebung gemäß § 37 Abs. 2 MarkenG eingetragen worden ist, obwohl sich das demoskopische Gutachten sich auf die Verkehrsdurchsetzung im Jahr 2009 bezieht, rechtfertigt die beantragte Löschung ebenfalls nicht (Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdnr. 12.).
a)
Nach Auffassung des Senats ist das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft bereits bei Anmeldung des Zeichens auch ohne demoskopischen Nachweis überwunden gewesen. Dies ergibt sich wie bereits unter Punkt 1. c) ausgeführt, aus dem jahrzehntelangen Marktauftritt der Beschwerdegegnerin mit der Farbe Gelb und ihrer Marktführerschaft für zweisprachige Wörterbücher. Aber auch wenn man dieser Auffassung nicht folgt, stellen diese Tatsachen deutliche Anhaltspunkte dafür dar, dass die Ergebnisse des Gutachtens aus dem Jahr 2009 auch Rückschlüsse auf den Bekanntheitsgrad der angegriffenen Marke im Zeitpunkt der Anmeldung im Jahr 1996 zulassen. Zwar wird überwiegend eine auf den Anmeldetag rückbezogene Feststellung der Durchsetzung jedenfalls dann abgelehnt, wenn die Durchsetzung erst mehrere Jahre nach der Anmeldung nachgewiesen wird. Allerdings sind unter besonderen Voraussetzungen auch Fallgestaltungen denkbar, in denen konkrete Anhaltspunkte rückblickende Schätzungen für die Vergangenheit ermöglichen (Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 10. Aufl., § 8 Rdnr. 539; BPatG 33 W (pat) 35/10 – TOTO für den umgekehrten Fall des Rückschlusses auf fehlende Verkehrsdurchsetzung im Anmeldezeitpunkt). So ist die Sachlage im vorliegenden Fall. Der eng begrenzte inländische Markt der zweisprachigen Wörterbücher war in den vergangenen Jahrzehnten geprägt durch eine langjährig gleichbleibende Präsenz weniger Anbieter und seit der durch die Verbreitung von mobilen Internetzugängen erleichterten Verfügbarkeit von elektronischen Wörterbüchern von einem Umsatzrückgang für gedruckte Wörterbücher. Die Beschwerdegegnerin behauptet sich bereits seit 1956 mit gelben zweisprachigen Wörterbüchern auf diesem Markt. Ihre Wörterbücher werden seit Jahrzehnten im Sprachunterricht an deutschen Schulen verwendet. Es ist daher für den Senat überaus naheliegend, dass die in der Verkehrsbefragung von 2009 festgestellte Bekanntheit auch im Zeitpunkt der Anmeldung bereits bestanden hat und das Hindernis der fehlenden Unterscheidungskraft bereits in diesem Zeitpunkt gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden war, sodass eine Prioritätsverschiebung gemäß § 37 Abs. 2 MarkenG nicht gerechtfertigt gewesen wäre (BPatG GRUR 2004, 62, 63 – BVerwGE).
b)
Darüber hinaus wäre ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift nach § 37 Abs. 2 MarkenG kein Löschungsgrund im Sinne von § 50 MarkenG.
§ 50 MarkenG zählt die Löschungsgründe abschließend auf. Für die hier einzig relevanten Löschungsgründe der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG enthält § 8 Abs. 3 MarkenG die Regelung, dass diese auch noch im Laufe des Eintragungsverfahrens durch Verkehrsdurchsetzung infolge Benutzung überwunden werden können. § 50 Abs. 2 MarkenG bestimmt zusätzlich, dass eine Löschung nur dann möglich ist, wenn das Schutzhindernis auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Löschung besteht. Die Vorschrift schließt damit eine Löschung selbst dann aus, wenn das Eintragungshindernis erst im Löschungsverfahren überwunden wird. Die Versäumung der nach § 37 Abs. 2 MarkenG vorgesehenen Verschiebung des Anmeldezeitpunkts bei nachträglichem Wegfall des Eintragungshindernisses ist als Löschungsgrund nicht aufgeführt.
Die Auffassung der Antragstellerin, der Verstoß gegen die Vorschrift des § 37 Abs. 2 MarkenG sei über die uneingeschränkte Verweisung auf § 8 MarkenG als Löschungsgrund in § 50 Abs. 1 MarkenG sanktioniert, verkennt, dass § 8 Abs. 3 keinen Löschungsgrund, sondern eine Möglichkeit zur Überwindung eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 MarkenG enthält.
3.
Der Senat sieht keine Veranlassung, die Entscheidung über den Löschungsantrag bis zu den Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlagebeschlüsse des 33. Senats in den Verfahren 33 W (pat) 103/09 und 33 W (pat) 31/12 auszusetzen.
Diese Verfahren sind nicht vorgreiflich im Sinne von § 148 ZPO, da die dortigen Verfahren keine Rechtsverhältnisse zum Gegenstand haben, von deren Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung im vorliegenden Verfahren abhängt.
Auch ein faktischer Stillstand bis zur Antwort des EuGH auf die dortigen Vorlagefragen erscheint dem Senat nicht erforderlich, da diese Fragen hier nicht entscheidungsrelevant sind.
a)
Wie bereits unter Punkt 1. b) hh) ausgeführt, geht der Senat im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs davon aus, dass der nachgewiesene bereinigte Durchsetzungsgrad von 66 % zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung der hier angegriffenen Farbmarke "Gelb" genügt. Der Fall ist mit den Verfahren des 33. Senats nicht vergleichbar. Zum einen ist das dort angegriffene Zeichen für eine Vielzahl von erklärungsbedürftigen Finanzdienstleistungen eingetragen, zum anderen liegen in dem dortigen Fall mehrere Verkehrsbefragungen vor, deren Ergebnisse erheblich divergieren. Hier hingegen erfüllt nur ein Gutachten die Anforderungen an die zum Nachweis erforderliche Fragestellung und kann deshalb als Beweismittel dienen. Zudem werden die Ergebnisse des Gutachtens durch die glaubhaft gemachte Marktführerschaft der Markeninhaberin auf dem Gebiet der zweisprachigen Wörterbücher und deren jahrzehntelangen Marktauftritt bestätigt, den auch die Mitglieder des Senats als angesprochene Verkehrskreise aus der Schul- und Studienzeit kennen. Ein vernünftiger Zweifel über die Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke besteht daher nicht. Selbst wenn der Europäische Gerichtshof die erste Frage nach der erforderlichen Mindestgröße des bereinigten Zuordnungsgrades verneinen sollte, hätte dies deshalb keine Auswirkungen auf die Entscheidung im hiesigen Verfahren.
b)
Hinsichtlich der zweiten Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erlangung der Unterscheidungskraft infolge Benutzung vermag der Senat der Auffassung des 33. Senats nicht zu folgen, dass die Bundesrepublik Deutschland von der in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie vorgesehenen Befugnis, eine erst nach der Anmeldung oder Eintragung erworbene Unterscheidungskraft ausreichen zu lassen, keinen Gebrauch gemacht habe. Angesichts des klaren Wortlauts in § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG ist diese Ansicht nicht nachvollziehbar. Dort wird für das Vorliegen der Unterscheidungskraft ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag und nicht auf den Zeitpunkt der Anmeldung abgestellt (Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 37, Rdnr. 6, § 50 Rdnr. 3).
c)
Die dritte Vorlagefrage nach der Verteilung der Beweislast bei nicht mehr klärbarer Benutzungslage ist für die hiesige Entscheidung ebenfalls nicht relevant, da sich die Frage der Beweislast im vorliegenden Fall nicht stellt. Denn die Verkehrsdurchsetzung ist zur Überzeugung des Senats bereits im Anmeldeverfahren nachgewiesen und auch durch das Vorbringen im Löschungsverfahren nicht in Frage gestellt worden.
5.
Gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG war die Rechtsbeschwerde zur Klärung der grundsätzlichen Rechtsfrage zuzulassen, welcher Durchsetzungsgrad zur Annahme der Verkehrsdurchsetzung einer konturunbestimmten Farbmarke erhöhten Freihaltebedürfnis – so z. B. bei dreidimensionalen Produktformmarken – ist seit der Entscheidung des EuGH zu Linde-Gabelstapler, Rado-Uhr und Winwards Industries (EuGH C 53/01 – C 55/01, GRUR 2003, 514 – 519) dahingehend beantwortet, dass an derartige Markenformen keine strengeren Anforderungen gestellt werden dürfen als an andere Markenformen. Die Annahme galt nach EuGH für alle nicht-konventionellen Markenformen. Die Tatsache einer Besonderheit dieser Markenformen hat der EuGH insoweit miteingestellt, als er die mangelnde Gewöhnung des Verkehrs an diese Markenformen betonte und deshalb forderte, dass ein spezifisches und sehr eingeschränktes Warengebiet vorliegen müsse. Zudem hat der EuGH in seiner Entscheidung zu Chiemsee (EuGH C-108/97, GRUR 1999, 723, 727) bei Prüfung der Verkehrsdurchsetzung der genauen Angabe von Prozentsätzen eine Absage erteilt (Rdnr. 48). Abweichend davon hat sich in der Rechtsprechung sowohl des BGH wie auch des BPatG eine Übung entwickelt, die wiederum von dem Abhängigkeitsverhältnis zwischen einem erhöhten Freihaltebedürfnis und der Höhe des Durchsetzungsgrades ausgeht (u.a. ausgehend von LOTTO = GRUR 2006, 760). Es stellt sich somit für den Senat die Frage bei der Einordnung der Schutzhindernisse, ob die Aussage des BGH zu Gattungsbegriffen wie LOTTO oder POST (BGH POST II GRUR 2009, 669, 671) auf Farben, insbesondere sogenannte Grundfarben, übertragen werden kann. Die Abhängigkeit des erforderlichen prozentualen Durchsetzungsgrades von Tatbestandsmerkmalen wie dem Begriff "glatt beschreibend" oder "Grundfarbe", deren Inhalt nicht eindeutig gesetzlich geregelt, sondern weitgehend Gegenstand richterlicher Rechtsfortbildung ist, birgt zudem die Gefahr divergierender und im schlimmsten Fall dem Anmelder willkürlich erscheinender richterlicher Entscheidungen. Sie können zu dem Ergebnis führen, dass es für den Anmelder nicht mehr vorhersehbar ist, welchen Kennzeichnungsgrad seine Marke erreicht haben muss, um den Schutz einer Markeneintragung zu erlangen. Der Senat hat Bedenken, ob dies in einem Bereich, in dem Eigentumsrechte vergeben werden, mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist.