Entscheidungsdatum: 08.08.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2015 215 821
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 8. August 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Akintche und der Richterin Seyfarth
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 8. Januar 2018 aufgehoben.
Die Eintragung der angegriffenen Marke 30 2015 215 821 ist wegen der Widersprüche aus den Marken UM 012 177 366 und UM 005 227 251 zu löschen.
I.
Die Wort-/Bildmarke (schwarz, weiß, rot) Nr. 30 2015 215 821
der Beschwerdegegnerin ist am 9. August 2015 angemeldet und am 1. März 2016 als Marke in das beim Deutschen Patent und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Dienstleistung der
Klasse 35: Event-Marketing
eingetragen worden.
Gegen die Eintragung der Marke, die am 1. April 2016 veröffentlicht wurde, hat die Beschwerdeführerin aus zwei Unionsmarken Widerspruch erhoben, nämlich
1. aus ihrer in schwarz, weiß und rot ausgestalteten Marke UM 012 177 366
die am 19. Februar 2014 für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 16: Papier und Schreibwaren, nämlich Notizbücher, Schreibstifte und Bleistifte, Aufkleber mit Kleberücken;
Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier; Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette;
Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatzmittel; Reis; Tapioka und Sago; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Zucker, Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;
Klasse 39: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen;
Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung; Beherbergung von Gästen;
Klasse 45: Dienstleistungen in Bezug auf soziale Online-Netze.
eingetragen worden war und
2. aus ihrer (schwarz-weiß) Marke UM 005 227 251
die am 24. Juli 2008 eingetragen worden war für die Dienstleistungen der
Klasse 35: Verkaufsförderung im Auftrag Dritter; Verkaufsförderung in Form von Online-Unterhaltung und -Bildung; Verkaufsförderung in Form der gemeinsamen Nutzung von Multimediainhalten über das Internet und andere Computer- und Kommunikationsnetze;
Klasse 38: Ausstrahlung, nämlich Hochladen, Versenden, Anzeigen, Markieren, Bloggen, gemeinsames Nutzen oder sonstiges Bereitstellen von elektronischen Medien oder Informationen über das Internet oder andere Kommunikationsnetze; Rundfunk- und Fernsehdienste; Webcasting; Bereitstellung eines Portals zur gemeinsamen Nutzung von Videos; elektronischer Kommunikationsdienst; Übertragung von Nachrichten, Daten und Inhalten über das Internet und andere Computer- und Kommunikationsnetze; Bereitstellung von Online-Foren, Chatrooms, Journalen, Blogs und Listenservern für die Übertragung von Nachrichten, Kommentaren und Multimedia-Inhalten zwischen Benutzern; Übertragung von elektronischen Medien, Multimediainhalten, Videos, Spielfilmen, Bildern, Texten, Fotografien, Spielen, von Benutzern erzeugten Inhalten, Audioinhalten und Informationen über das Internet und andere Computer- und Kommunikationsnetze; Bereitstellung von Online-Gemeinschaftsforen für Benutzer zum Bekanntmachen, Suchen, Betrachten, gemeinsamen Nutzen, Kritisieren, Bewerten und Kommentieren von Videos und anderen Multimedia-Inhalten; Vertrieb digitaler Programme für Audio- und Videosendungen über ein weltweites Computernetz; Bereitstellung eines Portals zur gemeinsamen Videonutzung für Unterhaltungs- und Bildungzwecke;
Klasse 41: Ausbildung zur Bereitstellung von elektronischen Medien oder Informationen über das Internet oder andere Kommunikationsnetze; Unterhaltung, nämlich Bereitstellung von Multimedia-Inhalten oder Informationen über das Internet und/oder andere Kommunikationsnetze; Unterhaltungsdienstleistungen; Erziehung und Unterricht; Unterhaltung und Bildung mit elektronischen Medien, Multimediainhalten, Videos, Spielfilmen, Bildern, Texten, Fotografien, Spielen, von Benutzern erzeugten Inhalten, Audioinhalten und Bereitstellung von diesbezüglichen Informationen über Computer- und Kommunikationsnetze; Unterhaltungs- und Erziehungsdienste; Veröffentlichung von digitaler Video-, Audio- und Multimediaunterhaltung; digitale Online-Verlagsdienstleistungen;
Klasse 42: Dienstleistungen eines Anwendungsdiensteanbieters; Bereitstellung des Zugangs zu nicht herunterladbarer Software; Bereitstellung des Zugangs zu nicht herunterladbarer Software zur Ermöglichung des Hochladens, Herunterladens, der Erfassung, Bekanntgabe, Darbietung, Bearbeitung, des Abspielens, Streaming, Betrachtens, Betrachtens der Vorschau, der Anzeige, Markierung, des Blogging, der gemeinsamen Nutzung, Bearbeitung, Verbreitung, Veröffentlichung, Wiedergabe oder anderweitigen Bereitstellung von elektronischen Medien, Multimediainhalten, Videos, Spielfilmen, Bildern, Texten, Fotografien, Spielen, von Benutzern erzeugten Inhalten, Audioinhalten und Informationen über das Internet oder andere Kommunikationsnetze; Bereitstellung des Zugangs zu nicht herunterladbarer Software zur Ermöglichung des Austausches von Multimediainhalten und Kommentaren zwischen Benutzern; Bereitstellung des Zugangs zu nicht herunterladbarer Software zur Ermöglichung der Verfolgung von Multimediainhalten durch Inhalteanbieter; Hosting von Multimediainhalten für Dritte; Hosting von Multimediaunterhaltung und Bildungsinhalten für Dritte.
Die Widersprechende macht geltend, dass die angegriffene Marke in unzulässiger Weise die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der bekannten Widerspruchsmarken ausnutze, so dass der Löschungsgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG greife. Zum Nachweis der Bekanntheit der älteren Marken hat die Widersprechende umfangreiche Unterlagen, u. a. eine eidesstattliche Versicherung eingereicht. Die Widersprechende stützt ihren Widerspruch ferner auch auf den Löschungsgrund der Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Mit Beschluss vom 8. Januar 2018 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA den Widerspruch zurückgewiesen. Zwischen den Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr. Zwar könnten sich die Marken teilweise, z. B. die Widerspruchsmarke UM 005 227 251 hinsichtlich der Klasse 35, auf identischen Dienstleistungen begegnen, zumindest lägen sie aber in einem engen Ähnlichkeitsbereich. Die in Frage stehenden Dienstleistungen richteten sich auch an breite Verkehrskreise; da es sich aber teilweise um besondere Dienstleistungen, die einen speziellen Zweck erfüllen sollen, handle, würden sie mit einer gewissen Sorgfalt oder nach Beratung bzw. Information in Anspruch genommen. Zugunsten der Widersprechenden könne bezüglich der Dienstleistungen der Klassen 38, 42 und 45 von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft ausgegangen werden; diese seien allerdings nicht im Verzeichnis der angegriffenen Marke enthalten. Bei Anwendung einer gewissen Sorgfalt bei der Inanspruchnahme der Dienstleistungen, die sich verwechslungsmindernd auswirke, seien diesbezüglich an den einzuhaltenden Abstand keine allzu strengen Maßstäbe zu stellen. Dieser zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr erforderliche Abstand werde von der angegriffenen Marke eingehalten.
Der Verkehr messe bei Wort-/Bildmarken in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zu, so dass die angegriffene Marke mit „YouPot“ und die Widerspruchsmarken mit „YouTube“ benannt würden. Die Unterschiede in dem zweiten Wort führten zu einer unterschiedlichen Vokalfolge und einem anderen Sprech- und Betonungsrhythmus. Es bestehe ferner kein Anlass, einen dieser Begriffe der jeweiligen Marken wegzulassen oder zu vernachlässigen, insbesondere sei nicht ersichtlich, warum die Marken auf den Bestandteil „You“ reduziert werden sollten. Insgesamt seien die Unterschiede der Klangbilder so deutlich, dass Verwechslungen in klanglicher Hinsicht ausgeschlossen seien. Die unterschiedliche Bedeutung von „Pot“ für „Topf, Tiegel, Kanne“ und „Tube“ für „Röhre, Tunnel, Fernsehen“ trage zusätzlich dazu bei, die Marken besser auseinander halten zu können und Hör- und Merkfehler zu vermeiden. Eine schriftbildliche Verwechslung könne aufgrund der typischen Umrisscharakteristik der Bestandteile „Pot“ gegenüber „Tube“ ebenfalls ausgeschlossen werden. Zudem würden bei Wahrnehmung der Marken diese insgesamt betrachtet, also mit ihren grafischen Bestandteilen. Bei der Widerspruchsmarke UM 005 227 251 sei die Ausgestaltung zudem schwarz-weiß und nicht farbig.
Für andere Arten der Verwechslung sei nichts ersichtlich. Insbesondere gingen die angesprochenen Verkehrskreise auch nicht davon aus, dass es sich bei der jüngeren Marke um ein weiteres Produkt der Widersprechenden handle, weil die Marken – auch aufgrund der Grafik – unterschiedlich gebildet seien. Der gemeinsame Bestandteil „You“ reiche zur Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht aus. Da auch andere Firmen „You“ in ihren Marken verwendeten, weise dieser nicht zwingend auf die Widersprechende hin. Ob der eher beschreibende Begriff „You“ für „Dich/Sie“ überhaupt als Stammbestandteil geeignet sei, könne deshalb dahingestellt bleiben. Auch seien die beiden in dem angegriffenen Zeichen enthaltenen Bestandteile „You“ und „Pot“ in einer die selbstständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils „You“ entgegenwirkenden Art und Weise miteinander zu einer gesamtbegrifflichen Aussage verbunden. Auch für einen Löschungsgrund unter dem Aspekt des Sonderschutzes der bekannten Marke gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG seien keine Anhaltspunkte gegeben. Zwar sei den Widerspruchsmarken eine Bekanntheit zuzugestehen, jedoch werde das angegriffene Zeichen noch nicht einmal als deren Abwandlung aufgefasst werden, weil Wortbildungen mit „You“ nicht als Hinweis auf die Widersprechende zu sehen seien und zudem die grafischen Gestaltungen hinlänglich unterschiedlich seien. Während der Bestandteil „Pot“ mit einem leuchtend roten Kreis unterlegt sei, sei dies bei den Bestandteilen „Tube“ der älteren Marken länglich und ein dunkleres Rot bzw. schattiertes Grau. Eine Ausnutzung der Wertschätzung einer im Inland bekannten Marke könne darin nicht gesehen werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Januar 2018 aufzuheben und die Eintragung der Marke 30 2015 215 821 zu löschen.
Sie vertritt die Ansicht, dass die angegriffene Marke die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der bekannten Widerspruchsmarken ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG ausnutze. Bei den Widerspruchsmarken handele es sich um weltweit und insbesondere in Deutschland und der Europäischen Union bekannte Marken, die aufgrund ihrer umfassenden Benutzung und Bewerbung über eine deutlich erhöhte Kennzeichnungskraft und damit einen erheblich erweiterten Schutzumfang verfügten. Die Widersprechende biete unter den Widerspruchsmarken das Online-Video-Portal YouTube an, das weltweit mehr als 1 Milliarde aktive Nutzer habe. Zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken bestehe hochgradige Zeichenähnlichkeit. In jedem Falle entspreche der Gesamteindruck des jüngeren Zeichens demjenigen der Widerspruchsmarken. Die Unionsmarke 012 177 366 sei dadurch gekennzeichnet, dass sie aus zwei separaten Wortelementen bestehe, wobei das erste Element, das Wort „You“ in schwarzer Schrift vor weißem Hintergrund und der zweite Bestandteil, das Wort „Tube“ in weiß vor einem roten Hintergrund gestaltet sei. Genau diese kennzeichnenden Elemente habe die jüngere Marke übernommen. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass der Schutz der bekannten Marke nicht voraussetze, dass der Grad der Markenähnlichkeit so hoch sei, dass auch eine Verwechslungsgefahr bestehe. Es genüge vielmehr eine gedankliche Verknüpfung, die hier im Hinblick auf die gleichen Strukturmerkmale der Vergleichsmarken stattfinde. Hinzu komme, dass sich die Marken auf teilweise identischen Dienstleistungsbereichen begegneten. Schließlich bestehe zwischen den Vergleichsmarken angesichts der Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit sowie der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken auch eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Die Beschwerdegegnerin hat sich im Amts- wie auch im Beschwerdeverfahren weder zur Sache geäußert noch Anträge gestellt. Auch zu dem Verfahrenshinweis des Senats vom 29. März 2018 hat sie keine Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat auch in der Sache Erfolg.
A) Die Beschwerdeführerin kann ihr Löschungsbegehren mit Erfolg auf § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG stützen. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin bei Benutzung der angegriffenen Marke für die Event-Marketing-Dienstleistungen die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der bekannten Widerspruchsmarken in unzulässiger Weise ausnutzt, so dass der angegriffene Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen waren, §§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 125 b MarkenG.
1. Die angegriffene Marke ist am 9. August 2015 angemeldet worden, so dass der Bekanntheitsschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden kann (§ 158 Abs. 2 MarkenG).
2. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch nach §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG – (auch) im Bereich unähnlicher Waren und Dienstleistungen – zu löschen, wenn sie mit einer prioritätsälteren, im Inland bekannten Marke identisch oder ähnlich ist und ihre Benutzung geeignet ist, die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der Widerspruchsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen sind bei im Rahmen von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG zu unterstellender markenmäßiger Benutzung der jüngeren Marke für die Dienstleistungen „Event-Marketing“ - entgegen den Ausführungen der Markenstelle, die in Teilen ohnehin kaum nachvollziehbar sind - gegeben.
a) Bei den Widerspruchsmarken handelt es sich um in der Union bekannte Marken im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG i. V. m. § 125 b Nr. 1 MarkenG. Voraussetzung für das Vorliegen einer bekannten Marke ist, dass das jeweilige Zeichen als Marke einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, welches von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind. Insgesamt muss erkennbar sein, dass die Marke durch erfolgreiche wirtschaftliche Anstrengungen des Markeninhabers einen wirtschaftlichen Wert erlangt hat, der – auch branchenübergreifend – einer unlauteren Ausbeutung oder Beeinträchtigung durch Dritte zugänglich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Bekanntheit nicht auf das Zeichen als solches beschränken darf, sondern die Bekanntheit der Marke, also als Herkunftszeichen für die betreffenden Waren und/oder Dienstleistungen notwendig ist (BGH GRUR 2004, 235, 23 – Davidoff II). Bei der Prüfung, ob eine Marke bekannt ist, sind alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen. Zu den maßgeblichen Bekanntheitsfaktoren zählen dabei neben der Bekanntheit im demoskopischen Sinne der Marktanteil der Marke, die Intensität ihrer Benutzung (Umsatzstärke), die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat, wie z. B. Werbeaufwendungen (vgl. EuGH GRUR 2009, 1158 Rn. 25 – PAGO/Tirolmilch; BGH GRUR 2017, 75 Rn. 37 – WUNDERBAUM II; GRUR 2015, 1214 Rn. 20 – Goldbären; GRUR 2015, 1114 Rn. 10 – Springender Pudel).Tatsachen, aus denen sich die Bekanntheit einer Marke ergibt, können allgemein geläufig und deshalb offenkundig im Sinne des § 291 ZPO sein. Dazu rechnet auch, dass die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (vgl. BGH GRUR 2011, 1043 Rn. 49 – TÜV II; GRUR 2014, 378 Rn. 27 – OTTO Cap).
Dass den Widerspruchsmarken nach diesen Kriterien eine entsprechende Bekanntheit in der Union zukommt, ist gerichtsbekannt, wird aber auch glaubhaft gemacht durch die von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen, u. a. zahlreiche Presseartikel, eine statistische Übersicht über die Besucherzahlen der TOP 20 Videoportale im März 2012 in Deutschland (danach ist YouTube mit 34 Millionen Besuchern [Unique Visits] das beliebteste Videoportal) sowie eine eidesstattliche Versicherung der „Senior Trademark Counsel“ B… vom 13. Dezember 2016; die Bekanntheit bzw. die Tatsachen, aus denen sich die Bekanntheit ergibt, sind von der Inhaberin der jüngeren Marke im Übrigen auch nicht bestritten worden.
Die Widersprechende und Beschwerdeführerin betreibt seit dem Jahr 2005 unter den Widerspruchsmarken eine Online-Videoplattform, die das kostenlose Einstellen, Suchen, Ansehen und Kommentieren von Videoclips aller Art ermöglicht. Das Portal verfügt aktuell weltweit über 1 Milliarde aktive Nutzer, d. h. solche, die die Plattform mindestens einmal im Monat besuchen. Jeden Tag wird YouTube weltweit hunderte Millionen Stunden lang genutzt und finden Milliarden sogenannte „Views“, d. h. einzelne Videoaufrufe, statt. Bei den Widerspruchsmarken, die von Haus aus mindestens durchschnittliche Kennzeichnungskraft besitzen, handelt es sich im Hinblick auf die äußerst intensive und lange Benutzung hierfür – mithin im Bereich der Dienstleistungen der Klasse 45 bezüglich der Marke UM 012 177 366 und der konkret auf eine Videoplattform bezogenen Dienstleistungen der Klassen 35, 38 und 42 bezüglich der Marke UM 005 227 251 – offenkundig um überragend bekannte Marken im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG. Das Markenzeichen wird insoweit als Logo umfassend benutzt und ist auch vielfach in den Medien präsent; die Nutzung des von der Widersprechenden farbig verwendeten Logos, das die Widerspruchsmarke UM 012 177 366 darstellt, kommt dabei auch der weniger präsenten schwarz-weiß eingetragenen Wort-/Bildmarke UM 005 227 251 zugute. Denn einer schwarz-weiß eingetragenen Wort-/Bildmarke kann grundsätzlich auch die durch Benutzung in irgendeiner anderen Farbe erworbene Kennzeichnungskraft zugerechnet werden, wenn sich durch die Wiedergabe in der anderen Farbgestaltung die Charakteristik der Marke nicht ändert (vgl. EuGH GRUR 2013, 922 Rn. 37-41 – Specsaver; BGH GRUR 2006, 859 Rn. 34 – Malteserkreuz); eine solche Fallgestaltung liegt hier vor, so dass auch der schwarz-weiß registrierten Widerspruchsmarke eine Bekanntheit im Rechtssinne zukommt (vgl. auch Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 9 Rn. 171).
Aufgrund der langjährigen und intensiven Benutzung sind die älteren Marken einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt, was sowohl für den Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke im August 2015 als auch für den heutigen Zeitpunkt offensichtlich ist; dem steht nicht entgegen, dass die Widersprechende ihr Logo im August 2017 verändert hat, so tritt sie seither wie folgt auf: . Die Bekanntheit der Widerspruchsmarken dürfte sich dadurch - allerdings nur geringfügig - verringert haben.
b) Die Klägerin kann sich auf den Bekanntheitsschutz in entsprechender Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG auch im Bereich identischer oder ähnlicher Waren und Dienstleistungen berufen (vgl. BGH a. a. O. Rn. 37 – WUNDERBAUM II; a. a. O. Rn. 24 – Goldbären; a. a. O. Rn. 14 – Springender Pudel).
c) Die Vergleichsmarken sind in für die Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG hinreichender Weise ähnlich. Diese Markenähnlichkeit ist im Ausgangspunkt nach den auch für § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG geltenden Grundsätzen zu beurteilen, mithin kann sie sich gleichermaßen aus Übereinstimmungen im Klang, im (Schrift)bild oder in der Bedeutung ergeben (vgl. BGH a. a. O. Rn. 34 – Goldbären; a. a. O. Rn. 23 – Springender Pudel), wobei es auch hier auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Marken ankommt. Besteht keine Markenähnlichkeit, scheidet der Bekanntheitsschutz aus (EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 68 – CK Calvin Klein; BGH GRUR 2009, 672 Rn. 49 – OSTSEE-POST).
Nicht Voraussetzung für den Bekanntheitsschutz ist, dass eine Verwechslungsgefahr oder eine Herkunftstäuschung besteht (vgl. EuGH GRUR 2009, 56 Rn. 58 – Intel/CPM; BGH a. a. O. Rn. 29 und 36 – Springender Pudel). Es genügt vielmehr, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem jüngeren Zeichen bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen und die Marke gedanklich miteinander verknüpfen (EuGH GRUR 2009, 56 Rn. 30 – Intel/CPM; GRUR 2004, 58 Rn. 29 und 31 – Adidas/Fitnessworld; GRUR 2008, 503 Rn. 41 – adidas/Marca; BGH a. a. O. Rn. 33 – Springender Pudel).
Die Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung zwischen zwei Marken stattfindet, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles zu beurteilen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke, ihre originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und (ohne dass dies erforderlich wäre) das Bestehen von Verwechslungsgefahr zählen (EuGH GRUR Int. 2011, 500 Rn. 56 – TiMi KINDERJOGHURT/KINDER; GRUR 2009, 56 Rn. 41 f. – Intel/CPM). Eine solche gedankliche Verknüpfung ist aus Sicht des Senats hier zweifellos zu bejahen, die angegriffene Marke stellt nicht lediglich allgemeine Assoziationen zu den bekannten Widerspruchsmarken her.
Ein Vergleich der Zeichen
und
bzw.
zeigt sehr deutlich, dass die Charakteristik, nämlich der Aufbau der älteren Marken in Schriftart und Anordnung in die angegriffene Marke übernommen wurde; das Wort „You“ ist in Schriftbild und Anordnung (nahezu) identisch, lediglich das Rechteck mit den abgerundeten Ecken ist durch einen Kreis, und das darin befindliche Wort „Tube“ ist durch das Wort „Pot“ ersetzt. Das angegriffene Zeichen erreicht gerade durch die Annäherungen an die Widerspruchsmarken bzw. Übereinstimmungen in der Markenstruktur die Aufmerksamkeit des angesprochenen Verkehrs, der Senat geht davon aus, dass dies von der Inhaberin der angegriffenen Marke bei ihrer Markengestaltung auch bewusst so angestrebt bzw. bezweckt wurde. Hinzu kommt, dass die angegriffene Marke in dem verwendeten Kreis die rote Farbgebung der Widerspruchsmarke UM 012 177 366 übernimmt. All dies ruft beim hier angesprochenen Verkehr sofort und unmittelbar die Widerspruchsmarken in Erinnerung, der Verbraucher wird die jüngere Marke gedanklich mit den Widerspruchsmarken verknüpfen.
d) Die Verwendung einer dermaßen ähnlichen jüngeren Marke würde die Wertschätzung und Unterscheidungskraft der bekannten Widerspruchsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen. Von der Ausnutzung der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke ist auszugehen, wenn ein Dritter durch Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, versucht, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne eigene Anstrengungen zu profitieren oder auf andere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung eines der bekannten Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist (vgl. EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 49 – L'Oréal/Bellure; BGH GRUR 2013, 1239 Rn. 54 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; GRUR 2014, 378 Rn. 33 – OTTO Cap). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, die Beschwerdegegnerin und Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich mit ihrem Zeichen zweifellos in den Bereich der Sogwirkung der bekannten Marke der Widersprechenden und Beschwerdeführerin begeben.
Einen rechtfertigenden Grund dafür hat sie weder im Amtsverfahren noch im Beschwerdeverfahren vorgetragen, noch ist ein solcher ansonsten ersichtlich.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden war der Beschluss der Markenstelle daher aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
B) Bei dieser Sach- und Rechtslage kann die Frage, ob darüber hinaus auch eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht, als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
C) Für eine Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.