Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.11.2016


BPatG 09.11.2016 - 29 W (pat) 14/15

Markenbeschwerdeverfahren – "AdvoEurope/Advo (Unionswortmarke)" – nachträgliche Beschränkung des Widerspruchs – keine Befugnis des DPMA über die nicht mehr angegriffenen Dienstleistungen zu entscheiden - Dienstleistungsidentität und -ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft - klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
09.11.2016
Aktenzeichen:
29 W (pat) 14/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 044 958

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 9. November 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Akintche und des Richters Dr. von Hartz

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenstelle für die Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. Februar 2015 aufgehoben, soweit dort die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke 30 2012 044 958 im Umfang der Dienstleistungen

„Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Durchführen von Workshops und Seminaren im Bereich der wirtschaftlichen und/oder organisatorischen Beratung; Marketing; Erstellen von Werbe- und Marketingkonzepten; Herausgabe von Pressetexten für Werbezwecke; Herausgabe von Werbetexten; Marktforschung; Marktanalyse; Herausgabe von Verlagserzeugnissen für Werbezwecke“

angeordnet worden war.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

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AdvoEurope

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ist am 20. August 2012 angemeldet und am 9. April 2013 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien soweit sie in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);

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Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Eingabe von Daten in eine Datenbank; Durchführen von Workshops und Seminaren im Bereich der wirtschaftlichen und/oder organisatorischen Beratung; Marketing; Erstellen von Werbe- und Marketingkonzepten; Unternehmensberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Personalverwaltung; Sekretariatsdienstleistungen und Textverarbeitung (Schreibdienste); gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung; Herausgabe von Pressetexten für Werbezwecke; Herausgabe von Werbetexten; Marktforschung; Marktanalyse; Herausgabe von Verlagserzeugnissen für Werbezwecke; Beratung von Angehörigen der rechtsberatenden Berufe auf organisatorischem, betriebswirtschaftlichem sowie personellem Gebiet;

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Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Seminaren und/oder Workshops; Anfertigung von Übersetzungen; Konzeption, Organisation und Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen; Herausgabe von Pressetexten, ausgenommen für Werbezwecke; Herausgabe von Verlagserzeugnissen, ausgenommen für Werbezwecke;

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Klasse 45: rechtliche Beratung; Rechtsberatung und -vertretung; Dienstleistungen eines Anwaltsbüros; Durchführung von Schutzrechts- und Benutzungsrecherchen; Vermittlung von Rechtsanwälten.

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Gegen die Eintragung der Marke, die am 10. Mai 2013 veröffentlicht wurde, hat die Inhaberin der am 15. Juli 2011 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) angemeldeten und am 21. März 2013 in das dortige Register eingetragenen Unionswortmarke 010126969

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Advo

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die für die Dienstleistungen der

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Klasse 35: Zusammenstellung und Systematisieren von Daten in Datenbanken, Aktualisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken; Erteilung von Auskünften (Informationen) in Handels- und Geschäftsangelegenheiten; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet, insbesondere im Bereich des Forderungsmanagements;

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Klasse 36: Versicherungswesen; Vermittlung von Versicherungen; Finanzwesen; Ausgabe von Kreditkarten;

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Klasse 38: Sammeln und Liefern von Nachrichten;

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Klasse 45: Rechtliche Beratung; Nachforschungen in Rechtsangelegenheiten; juristische Dienstleistungen;

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geschützt ist, zunächst beschränkt gegen alle Dienstleistungen der Klassen 35 und 45 der angegriffenen Marke Widerspruch eingelegt. Mit Schreiben vom 30. Januar 2014 hat die Widersprechende ihren Widerspruch weiter eingeschränkt; ihr Widerspruch richtet sich danach nur noch gegen folgende Dienstleistungen der angegriffenen Marke:

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Klasse 35: Eingabe von Daten in eine Datenbank; Unternehmensberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Beratung von Angehörigen der rechtsberatenden Berufe auf organisatorischem, betriebswirtschaftlichem sowie personellem Gebiet;

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Klasse 45: rechtliche Beratung; Rechtsberatung und -vertretung; Dienstleistungen eines Anwaltsbüros; Durchführung von Schutzrechts- und Benutzungsrecherchen; Vermittlung von Rechtsanwälten.

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Die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA hat in ihrem Beschluss vom 19. Februar 2015 diese Beschränkung nicht berücksichtigt und auf den Widerspruch aus der Unionsmarke die angegriffene Marke teilweise, nämlich im Umfang der Dienstleistungen der

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Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Eingabe von Daten in eine Datenbank; Durchführen von Workshops und Seminaren im Bereich der wirtschaftlichen und/oder organisatorischen Beratung; Marketing; Erstellen von Werbe- und Marketing-konzepten; Unternehmensberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Herausgabe von Pressetexten für Werbe-zwecke; Herausgabe von Werbetexten; Marktforschung; Marktanalyse; Herausgabe von Verlagser-zeugnissen für Werbezwecke; Beratung von Angehörigen der rechtsberatenden Berufe auf organisatorischem, betriebswirtschaftlichem sowie personellem Gebiet;

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Klasse 45: rechtliche Beratung; Rechtsberatung und -vertretung; Dienstleistungen eines Anwaltsbüros; Durchführung von Schutzrechts- und Benutzungsrecherchen; Vermittlung von Rechtsanwälten;

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gelöscht und im Übrigen den Widerspruch zurückgewiesen. Ferner hat sie den Kostenantrag des Inhabers der angegriffenen Marke zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen im Umfang der Löschungsanordnung identisch bzw. eng ähnlich seien. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte verfüge die Widerspruchsmarke über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Zwar lasse der Adressatenkreis der aufgeführten Dienstleistungen ob der erheblichen finanziellen Konsequenzen eine gewisse Sorgfalt bei deren gezielten Inanspruchnahme walten, der erforderliche deutliche Abstand werde allerdings auch bei Berücksichtigung dieser verwechslungsmindernden Aspekte nicht mehr eingehalten. Denn der Bestandteil „Europe“ der angegriffenen Marke „AdvoEurope“ weise lediglich auf ein Tätigkeitsgebiet in Europa hin und werde eher weggelassen, da der Verkehr bei längeren Marken erfahrungsgemäß zu Verkürzungen neige. Zudem handle es sich bei „Advo“ um keine offizielle Abkürzung für „Advokat“, so dass dieser im Hinblick auf den weiteren als geografischen Hinweis fungierenden und damit kennzeichnungsschwachen Bestandteil als für die Gesamtmarke prägend angesehen werde. Damit stünden sich die identischen Markenworte „Advo“ gegenüber, weshalb in klanglicher Hinsicht eine Verwechslungsgefahr zu erwarten sei. Hinsichtlich der übrigen Dienstleistungen sei keine Ähnlichkeit zu den Widerspruchsdienstleistungen gegeben, da diese von anderen Anbietern angeboten oder erbracht würden, andere Adressatenkreise hätten und anderen Zwecken dienten.

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Gegen diesen Teillöschungsbeschluss richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke.

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Er ist der Auffassung, dass der Verkehr das mit zehn Buchstaben gegenüber dem Widerspruchszeichen „Advo“ deutlich längere Wortzeichen „AdvoEurope“ in seiner Gesamtheit wahrnehme. Für den Verkehr bestehe keine Veranlassung für eine zergliedernde Betrachtungsweise. „Advo“ und „AdvoEuropa“ zeigten damit in schriftbildlicher und auch klanglicher Hinsicht deutliche Unterschiede. Zudem scheide auch eine gedankliche Verwechslungsgefahr unter anderem deshalb aus, weil die Bezeichnung „Advo“ entgegen der Ansicht der Markenstelle als überaus häufig am Markt benutztes Zeichen kennzeichnungsschwach und verbraucht sei, was an der Vielzahl der den Bestandteil „Advo“ aufweisenden, beim DPMA oder beim EUIPO gelisteten Marken gesehen werden könne. Weiter stelle, entgegen der Ansicht der Markenstelle, „Advo“ die Abkürzung für „Adovcat“ dar, was dem Internetverzeichnis „abkuerzungen.de“ entnommen werden könne. Die Widerspruchsmarke sei daher beschreibend für die anwaltlichen Dienstleistungen der Klasse 45. Zudem richteten sich die Bezeichnungen an den Fachverkehr bzw. Verbraucher, der hochpreisige Dienstleistungen wünsche und dessen Aufmerksamkeit hinsichtlich der Zeichenunterschiede daher erhöht sei.

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Der Inhaber der angegriffenen Marke und Beschwerdeführer hatte mit Schriftsatz vom 30. März 2015 beim EUIPO Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß Art. 7 Abs. 1 b) und c) UMV für die Dienstleistungen aus den Klassen 35, 36, 38 und 45 gestellt. Mit Beschluss vom 10. März 2016 hat die Löschungsabteilung des EUIPO den Löschungsantrag der hiesigen Beschwerdeführerin gegen die Widerspruchsmarke bestandskräftig zurückgewiesen.

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Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 vom 19. Februar 2015 aufzuheben und den Widerspruch aus der Unionsmarke 010126969 vollumfänglich zurückzuweisen.

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Die Widersprechende und Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

30

Sie ist der Auffassung, dass eine Verwechslungsgefahr bestehe und das DPMA zu Recht die Teillöschung der angegriffenen Marke angeordnet habe. Die von dem Beschwerdeführer als Beleg, dass es sich bei „Advo“ um eine Abkürzung für Advokat handle, angeführte Website „abkuerzungen.de“ sei ohne jede Aussagekraft, da diese keine verlässliche Quelle sei, sondern eine derartige „Maschine für Abkürzungen“ rein zufällige Ergebnisse liefere. Zudem habe sowohl die deutsche als auch die europäische Rechtsprechung wiederholt bestätigt, dass der Bestandteil „Advo“ unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig sei. Verwiesen werde diesbezüglich auf ihre erfolgreichen Widersprüche gegen die Markenanmeldungen „Advo Finance“ (HABM 05, Bk R 360/2004-4), „advoplus“ (Nr. 307 74 416), „advocompany“ (Nr. 307 08 897) und zudem auf die Entscheidung der 1. Beschwerdekammer des EUIPO vom 30. Juni 2016, mit der im parallelen Widerspruchsverfahren vor dem EUIPO die Beschwerde der Unionsmarkenanmelderin und hiesigen Beschwerdeführerin gegen die (Teil-) Zurückweisung ihrer Anmeldung zurückgewiesen worden war.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

32

Die gemäß § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

33

A) Der Widerspruch richtete sich nach ausdrücklicher Erklärung der Widersprechenden in ihrem Schriftsatz vom 30. Januar 2014 nur noch gegen einen Teil der Dienstleistungen aus den Klassen 35 und 45, nämlich

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Klasse 35: Eingabe von Daten in eine Datenbank; Unternehmensberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Beratung von Angehörigen der rechtsberatenden Berufe auf organisatorischem, betriebswirtschaftlichem sowie personellem Gebiet;

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Klasse 45: rechtliche Beratung; Rechtsberatung und -vertretung; Dienstleistungen eines Anwaltsbüros; Durchführung von Schutzrechts- und Benutzungsrecherchen; Vermittlung von Rechtsanwälten.

36

Diese Beschränkung des Widerspruchs, in der die Rücknahme des Widerspruchs für die darüber hinausgehenden Dienstleistungen zu sehen ist, geht eindeutig aus dem Schriftsatz der Widersprechenden hervor (vgl. Bl. 92 d. VA., Seite 3 des Schriftsatzes: „Ferner richtet sich der Widerspruch nur noch gegen die Dienstleistungen […].). Offensichtlich hat die Markenstelle diese Beschränkung übersehen. Gem. § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG i. V. m. § 308 Abs. 1 ZPO war die Markenstelle aber nicht befugt, über Waren und Dienstleistungen zu entscheiden, die nicht mit dem Widerspruch angegriffen worden sind. Die Löschungsanordnung für diejenigen – im Tenor genannten – Dienstleistungen, die gar nicht mehr angegriffen waren, ist allein schon deshalb aufzuheben (vgl. hierzu BPatG, Beschluss vom 28.05.2008, 29 W (pat) 52/07).

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B) Für die übrigen - zuletzt noch angegriffenen - Dienstleistungen der jüngeren Marke ist dagegen eine Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG gegeben. Diesbezüglich verbleibt es bei der Entscheidung der Markenstelle, mit der Folge, dass die Beschwerde insoweit zurückzuweisen ist.

38

Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2010, 933 - BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2013, 833 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2016, 382 - BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr.

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Die Dienstleistungen der Klasse 45 der angegriffenen Marke sind identisch zu den Widerspruchsdienstleistungen aus dieser Klasse. Im Falle der Dienstleistung „Rechtliche Beratung“ besteht Wortgleichheit. Die angegriffenen Dienstleistungen „Rechtsberatung und –vertretung; Dienstleistungen eines Anwaltsbüros“, „Vermittlung von Rechtsanwälten“ werden von dem Oberbegriff „juristische Dienstleistungen“ der Widerspruchsmarke umfasst, so dass auch insoweit Identität vorliegt. Die Dienstleistung der angegriffenen Marke „Durchführung von Schutzrechts- und Benutzungsrecherchen“ ist zudem identisch zu der Widerspruchsdienstleistung „Nachforschungen in Rechtsangelegenheiten“.

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Auch im Umfang der angegriffenen Dienstleistung „Eingabe von Daten in eine Datenbank“ der Klasse 35 ist von Identität zu den Dienstleistungen „Zusammenstellung und Systematisieren von Daten in Datenbanken“ und „Aktualisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken“ der Widerspruchsmarke auszugehen.

41

Schließlich liegen die Dienstleistungen „Unternehmensberatung, betriebswirtschaftliche Beratung; Beratung von Angehörigen der rechtsberatenden Berufe auf organisatorischem, betriebswirtschaftlichem sowie personellem Gebiet“ aus Klasse 35 der angegriffenen Marke im Ähnlichkeitsbereich zu den Widerspruchsdienstleistungen „rechtliche Beratung“ (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, S. 350 re. Sp. und S. 351 li. Sp., Stichwort: Rechtsberatung) und „Finanzwesen“ (vgl. BPatG, Beschluss vom 20.11.2007, 33 W (pat) 37/06 sowie Richter, Stoppel, a. a. O., S. 338 Stichwort: Finanzwesen), nämlich teilweise im geringen, teilweise im mittleren bis höheren Bereich.

42

Der Widerspruchsmarke „Advo“ kann nicht durchgehend eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zugebilligt werden. In Bezug auf die Dienstleistungen, die von einem Anwalt erbracht werden können, ist die Kennzeichnungskraft geschwächt (vgl. hierzu schon BPatG, Beschluss vom 21.05.2014, 29 W (pat) 59/12 – Advotipp/Advo). Zwar ist „Advo“ keine lexikalisch erfasste Abkürzung für den Begriff „Advokat“, der Begriffsanklang an „Advokat“ ist jedoch deutlich erkennbar. „Advokat“ bezeichnet bildungssprachlich einen (Rechts)Anwalt (vgl. DUDEN unter www.duden.de). Der Begriff „Advokat“ wird mittlerweile wieder vielfach als Synonym für „Anwalt/Rechtsanwalt“ allgemein verwendet (anders noch BPatG, Beschluss vom 08.03.2006, 29 W (pat) 25/04 -adv§katphone./.Advophone). Es handelt sich damit bei „Advokat“ um einen beschreibenden Hinweis auf den Dienstleistungserbringer. Bei der Verkürzung des Sachbegriffs Advokat auf „Advo“ bleibt der Bedeutungsgehalt ohne weiteres erkennbar, im Übrigen deutlich klarer als in Bezug auf die lexikalisch erfasste, mehrdeutige Abkürzung „Adv.“. Das Markenwort „Advo“ besitzt daher beschreibende Anklänge für rechtsberatende Dienstleistungen im weitesten Sinne (so schon BPatG, Beschluss vom 30.05.2006, 24 W (pat) 239/04 - advoContact./.ADVOcontract; Beschluss vom 28.07.2004, 32 W (pat) 356/02 - ADVOBOX./.Advofax). Bei einer für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar engen Anlehnung eines Markenworts an einen beschreibenden Begriff verfügt das Zeichen aber regelmäßig nur über unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft (vgl. BGH GRUR 2008, 905, 907 Rn. 16 - Pantohexal).

43

Hinsichtlich der hier relevanten Dienstleistungen der Klassen 35 und 45 sind angesprochene Verkehrskreise die Allgemeinheit der Verbraucher wie auch Fachverkehrskreise. Insoweit ist von einer zumindest normalen Aufmerksamkeit des Publikums, wenn nicht sogar im Hinblick auf die Art und die Bedeutung der Dienstleistungen von einer erhöhten Aufmerksamkeit auszugehen. Die im Ähnlichkeitsbereich liegenden Dienstleistungen der Klasse 35 richten sich an ein unternehmerisch tätiges Fachpublikum, so dass insoweit ohnehin ein erhöhter Aufmerksamkeitsgrad anzusetzen ist (vgl. BPatG, Beschluss vom 21.05.2014, 29 W (pat) 59/12).

44

Bei dieser Ausgangslage hat die angegriffene Marke zum sicheren Ausschluss einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr einen recht deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke einzuhalten.

45

Die Marken „AdvoEurope“ und „Advo“ in ihrer Gesamtheit unterscheiden sich wegen des zusätzlichen Wortbestandteils „Europe“ in der angegriffenen Marke in schriftbildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht ausreichend deutlich voneinander.

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Dennoch ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr gegeben, weil die angegriffene Marke jedenfalls in klanglicher Hinsicht von ihrem Wortbestandteil „Advo“ geprägt wird, der identisch mit der Widerspruchsmarke ist.

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Bei dem übereinstimmenden Bestandteil „Advo“ handelt es sich – wie bei der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgeführt – um eine für Rechts-Dienstleistungen unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftige Angabe, die gleichwohl aber schutzfähig ist. Der weitere in der angegriffenen Marke enthaltene Bestandteil „Europe“ ist dagegen eine schutzunfähige Angabe, weil sie nur einen geografischen Herkunftshinweis bezüglich der angebotenen Dienstleistungen benennt (vgl. BPatG, Beschluss vom 6. Juli 2016, 29 W (pat) 11/15, SKY Deutschland/SKY). Der angesprochene Verkehr wird - selbst mit erhöhter Aufmerksamkeit - in „Europe“ nur einen solchen beschreibenden Hinweis auf eine europaweite Tätigkeit und nur in „Advo“ den eigentlich herkunftshinweisenden Bestandteil sehen und die Marke auch nur so benennen. Anders als in dem vom erkennenden Senat entschiedenen Fall 29 W (pat) 59/12 - Advotipp/Advo, liegt nämlich auf Seiten der angegriffenen Marke keine gesamtbegriffliche Aussage vor.

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Damit stehen sich mit „Advo“ und „Advo“ klanglich identische Marken gegenüber, so dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.

49

C) Für eine Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.