Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.05.2012


BPatG 09.05.2012 - 28 W (pat) 612/11

Markenbeschwerdeverfahren - "Bueno Perro/PERRO (Wort-Bild-Marke)/Perro" – keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr - Organisationsverschulden - Verletzung der Sorgfaltspflicht


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
09.05.2012
Aktenzeichen:
28 W (pat) 612/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 058 489 .3

(hier: Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr)

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. Mai 2012 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Dorn und den Richter am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

1. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.

3. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.

Gründe

I.

1

Die am 1. Oktober 2009 angemeldete Wortmarke

2

Bueno Perro

3

ist am 2. März 2010 unter der Nummer 30 2009 058 489.3 für zahlreiche Waren der Klassen 5, 18 und 31 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 1. April 2010.

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Gegen die Eintragung hat der Beschwerdeführer am 8. Juni 2010 Widerspruch erhoben sowohl aus der am 15. Januar 2008 für zahlreiche Waren der Klassen 3, 5, 14, 16, 18, 20, 21, 28 und 31 eingetragenen Bildmarke EM 005766639

Abbildung

5

als auch aus der am 4. Mai 1993 für die Ware der Klasse 31 Tiernahrung eingetragenen Wortmarke DE 2 035 473

6

Perro.

7

Das DPMA, Markenstelle für Klasse 31, hat die Widersprüche durch Beschluss vom 29. Juli 2011 zurückgewiesen.

8

Gegen diesen, den Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 3. August 2011 zugestellten Beschluss, richtet sich die am 1. September 2011 beim DPMA eingegangene Beschwerde des Widersprechenden.

9

Mit gerichtlichem Schreiben vom 30. November 2011 wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die Beschwerdegebühr noch nicht eingegangen ist.

10

Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2012 hat der Beschwerdeführer wegen der Versäumung der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Eingegangen ist die Beschwerdegebühr beim DPMA am 21. Dezember 2011.

11

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

12

ihm wegen der Versäumung der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 31, vom 29. Juli 2011 aufzuheben, die Marke 30 2009 058 489.3 wegen des Widerspruchs aus den Marken 2 035 473 und EM 005 766 639 zu löschen und der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

13

Zur Begründung seines Antrags führt er aus, die Versäumung der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr beruhe auf einem Versehen der von seinem Verfahrensbevollmächtigten beauftragten Büroangestellten K… Die Über-wachung von Notfristen sei grundsätzlich so organisiert, dass der zuständige Rechtsanwalt vor Ausstellung eines Empfangsbekenntnisses auf dem Beschluss die Rechtsmittelfrist vermerke und den Vorgang zur Erfassung der jeweiligen Frist an die zuständige Büroangestellte weiterleite. Diese notiere die Frist in einem besonderen Fristenkalender und trage dort zusätzlich eine Woche vor Fristablauf eine Vorfrist ein, jeweils mit einem auffälligen Hinweis „Vorfrist Einbringung Beschwerde/Zahlung Beschwerdegebühr". Außerdem werde die Eintragung im Fristenkalender im jeweiligen Handakt vermerkt. Entsprechend des Fristenlaufes werde auch der Handakt mit einem Vermerk „Vorfrist, Einbringung Beschwerde/Zahlung Beschwerdegebühr" bzw. mit einem auffälligen Vermerk „Fristsache, Datum" versehen. Am Morgen des Tages des Fristablaufs werde die Erledigung überprüft und die Sache im Fall der Nichtbearbeitung nochmals persönlich mit einem auffälligen Vermerk „Fristsache, Datum" dem bearbeitenden Anwalt gesondert auf den Schreibtisch mit einem auffälligen Aufkleber „heute Fristablauf" vorgelegt und dieser persönlich an den Fristablauf erinnert. Erst wenn die Fristsache erledigt sei, werde die Frist gelöscht. Die Angestellte K… sei seit 1980 als Kanzleiassistentin tätig und eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, die den Kalender seit 1980 sorgfältig und fehlerlos geführt habe, wie regelmäßige Kontrollen durch den Verfahrensbevollmächtigten ergeben hätten. Zu ihrem Aufgabenbereich gehöre es, Zahlungsfristen zu vermerken und die fristgerechte Vornahme der Zahlungen selbst durchzuführen. Hier sei der mit der Beschwerde angegriffene Beschluss des DPMA vom 29. Juli 2011 am 3. August 2011 im Büro der Verfahrensbevollmächtigten in München eingegangen und am selben Tag an das Büro in Salzburg zur weiteren Bearbeitung durch den Verfahrensbevollmächtigten weitergeleitet worden. Die Führung des Fristenbuchs und die Durchführung der Überweisungen erfolgten zentral von dem Büro in Salzburg aus. Der Verfahrensbevollmächtigte habe die Angestellte K…angewiesen, die „Einspruchsfrist“ im Fristenkalender zu notieren und die Zahlungsfrist der Beschwerdegebühr zu vermerken. Diese habe die Vorfrist für die Einbringung des Beschlusses und die Bezahlung der Beschwerdegebühr und auch die Hauptfrist für die Einbringung des Beschlusses notiert, aber versehentlich die Vorfrist für die Einzahlung der Beschwerdegebühr nur als gewöhnliche Frist behandelt, was dazu geführt habe, dass der Verfahrensbevollmächtigte die Akte bei Ablauf der Vorfrist für die Bezahlung der Beschwerdegebühr ohne den sonst üblichen Fristvermerk erhalten habe. Somit sei der Verfahrensbevollmächtigte am Tag des Fristablaufes für die Einzahlung der Beschwerdegebühr nicht daran erinnert worden, „die Freigabe zur Überweisung“ durchzuführen. Aus der am 19. Oktober 2011 erhaltenen Mitteilung des Bundespatentgerichts vom 13. Oktober 2011 sei für den Verfahrensbevollmächtigten nicht ersichtlich gewesen, dass die Beschwerdegebühr nicht eingezahlt worden sei. Erst durch die Mitteilung des Bundespatentgerichts vom 30. November 2011 habe er Kenntnis davon erlangt, dass die Beschwerdegebühr nicht entrichtet worden sei.

14

Zur Glaubhaftmachung wird der vorgetragene Sachverhalt anwaltlich versichert und eine Versicherung an Eides Statt von Frau K… vom 20. De-zember 2011 vorgelegt.

15

Die Verfahrensbevollmächtigten der Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdegegnerin haben den Antrag auf Wiedereinsetzung am 29. Dezember 2011 erhalten und keine Stellungnahme abgegeben.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

17

Die Beschwerde gilt nach den §§ 82 Abs 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt, da die Beschwerdeführerin die Beschwerdegebühr nach § 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG nicht rechtzeitig gezahlt hat und Wiedereinsetzung nicht gewährt werden kann.

18

Nach § 66 Abs. 2 MarkenG ist die Beschwerde gegen die Entscheidung der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim DPMA einzulegen. Innerhalb der Beschwerdefrist ist nach den §§ 82 Abs 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG auch die Beschwerdegebühr in Höhe von 200 EUR zu zahlen (Gebührenverzeichnis Nr. 401 300). Die dem Beschluss vom 29. Juli 2011 beigefügte Rechtsmittelbelehrung weist darauf hin.

19

Diese Frist hat der Beschwerdeführer mit der am 21. Dezember 2011 eingegangenen Zahlung nicht gewahrt.

20

Der angefochtene Beschluss des DPMA vom 29. Juli 2011 ist den Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 3. August 2011 gemäß § 5 Abs. 4 VwZG zugestellt worden. Die einmonatige Beschwerdefrist begann deshalb am 4. August 2011 zu laufen und endete mit Ablauf des 5. September 2011, einem Montag (§§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, 222 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB).

21

Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden.

22

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr ist statthaft und zulässig (§ 91 Abs. 1 bis 3 MarkenG). In der Sache selbst hat der Wiedereinsetzungsantrag jedoch keinen Erfolg, da das Fristversäumnis nicht ohne Verschulden erfolgt ist.

23

Ohne Verschulden ist eine Frist versäumt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall zumutbar war (vgl. Kober-Dehm, in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, 2012, § 91 Rdn. 10 m. w. N.). Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich (§ 85 Abs. 2 ZPO). Dabei werden an die Sorgfalt eines Anwalts von der Rechtsprechung strenge Maßstäbe angelegt. Verletzt der anwaltliche Vertreter die bei der üblichen Bearbeitung von Fristsachen bestehenden Sorgfaltspflichten, so ist von einer verschuldeten Fristversäumung auszugehen. Der Anwalt muss dabei nicht jeden Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, einfachere Verrichtungen auf sein Büropersonal zu übertragen. Soweit Hilfskräfte mit Tätigkeiten betraut werden, muss es sich um für die jeweilige Aufgabe konkret bestimmtes, geschultes, zuverlässiges, erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal handeln (BGH NJW 2007, 1453). In einer Anwaltskanzlei müssen in diesem Zusammenhang ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen sein, dass die mündliche Einzelanweisung über die Eintragung oder Einhaltung einer wichtigen Frist nicht in Vergessenheit gerät (BGH NJW 2009, 1083, 1085; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 91 Rdn. 13, 14). Die Übertragung von Maßnahmen zur Fristüberwachung entbindet den Anwalt im übrigen nicht von einer eigenverantwortlichen begleitenden Überprüfung. Werden dem Anwalt die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, trifft ihn die Obliegenheit der Prüfung, ob die zu beachtende Frist und auch alle weiteren unerledigten Fristen in dem betreffenden Verfahren richtig notiert worden sind (BGH MarkenR 2009, 165; Kober-Dehm in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 91 Rn. 14). Für die Fristkontrolle eingeschaltete Angestellte sind in jedem Fall anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem sie sich anhand der Akte vergewissert haben, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (BGH NJW-RR 2008, 1160, 1161).

24

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Beschwerdeführer die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nicht ohne Verschulden versäumt.

25

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers geht nicht hervor, ob und inwieweit die grundsätzlich an zwei Orten zu notierende Frist vorliegend überhaupt Gegenstand von Kontrollmaßnahmen war und ferner, ob, weshalb und von welcher Person diese Frist als vermeintlich erledigt gelöscht wurde. Die Kanzleiangestellte K… hat zwar eidesstattlich versichert, dass „die Frist erst gelöscht werde, wenn die Fristsache erledigt sei“. Dem ist hier aber weder der Verfahrensbevollmächtigte selbst noch die Kanzleiangestellte nachgekommen, da die Nichtzahlung der Beschwerdegebühr dem Verfahrensbevollmächtigten sonst nicht erst durch die Mitteilung des Gerichts vom 30. November 2011 aufgefallen wäre.

26

Im Büro des Verfahrensbevollmächtigten war zum Zeitpunkt des Fristablaufs damit offenkundig nicht klar und unmissverständlich geregelt, welche konkreten Kontrollmaßnahmen der Eintragung einer Frist - hier zur Einzahlung der Beschwerdegebühr - zu folgen haben und welche Person diese Kontrollen vorzunehmen hat. Die Büroorganisation des Verfahrensbevollmächtigten war damit vorwerfbar nicht in einer Weise gestaltet, dass eine wirksame Kontrolle der Fristen erfolgt.

27

Neben diesem Organisationsverschulden ist dem Verfahrensbevollmächtigten und damit dem Beschwerdeführer auch der Vorwurf zu machen, nicht eigenverantwortlich geprüft zu haben, ob die Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr von der Kanzleiangestellten K… in der richtigen Weise notiert worden war, als ihm die Handakte in der Woche vor Ablauf der Frist auch zur Einlegung der Beschwerde vorlag. Dass dem Verfahrensbevollmächtigte in dieser Woche die Handakte tatsächlich vorlag, ergibt sich aus dem zweiundzwanzigseitigen von ihm am 1. September 2011 unterzeichneten und am gleichen Tag zur Wahrung der Frist zur Einlegung der Beschwerde an das DPMA übermittelten Beschwerdeschriftsatz. Darauf, ob dem Verfahrensbevollmächtigten die Handakte wegen der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr oder aus Anlass einer anderen fristgebundenen Prozesshandlung, wie hier der Einlegung der Beschwerde, vorgelegt wurde, kommt es nicht an. Denn der Anwalt muss im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung eigenverantwortlich stets auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen. Im Fall der Vorlage auf Vorfrist zur Bearbeitung entsteht die Prüfungspflicht mit Vorlage der Akten unabhängig davon, ob sich der Anwalt zur sofortigen Bearbeitung der Sache entschließt (BGH NJW 2008, 3439, 3440). Der Verfahrensbevollmächtigte hätte zu diesem Zeitpunkt, als die rechtzeitige Einzahlung der Beschwerdegebühr noch möglich gewesen wäre, also eigenständig prüfen müssen, ob die Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr richtig notiert ist. Der Beschwerdeführer kann sich also nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sein Verfahrensbevollmächtigter von seiner Kanzleiangestellten K… nicht gesondert auf den drohenden Ablauf der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr hingewiesen wurde.

28

Von einer unverschuldeten Fristversäumung kann also nicht ausgegangen werden.

29

Die Beschwerde gilt damit nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt, weshalb die verspätet gezahlte Beschwerdegebühr ohne Rechtsgrund gezahlt und mithin zurückzuzahlen ist (Knoll in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 66 Rn. 50). Mangels wirksam eingelegter Beschwerde war über die weiteren Anträge nicht zu entscheiden.