Entscheidungsdatum: 01.03.2019
INJEKT/INJEX
Es wird trotz neuerer abweichender Aussagen des EuGH (u. a. in MarkenR 2016, 592 – KOMPRESSOR) daran festgehalten, dass der Schutz einer eingetragenen Marke, die sich an einen waren- oder dienstleistungsbeschreibenden Begriff eng anlehnt, nach Maßgabe ihrer Schutz begründenden Eigenart zu bemessen ist.
In der Beschwerdesache
…
…
betreffend die eingetragene Marke DE 30 2012 012 744
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung am 4. Oktober 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schmid und des Richters Dr. Söchtig
beschlossen:
1. Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen. |
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die am 1. Februar 2012 angemeldete Wortmarke DE 30 2012 012 744
INJEX
ist am 11. Juni 2012 für nachfolgende Waren der Klasse 10 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden:
Nadelloses Injektionssystem, medizinische Apparate und Instrumente, nadellose ärztliche Arzneiverabreichungssysteme, nämlich nadellose Injektionsapparate, nadellose Einwegampullen, angepasste Abkoch- und Tragebehältnisse für nadellose Injektionsapparate, angepasste Verbindungselemente für die Übertragung von Flüssigkeiten und Zubehör dafür, soweit diese Waren in Klasse 10 enthalten sind.
Gegen die Eintragung der angegriffenen Marke, die am 13. Juli 2012 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin aus nachfolgenden Marken Widerspruch erhoben:
1. Wortmarke DE 398 27 581
I N J E K T
Sie ist am 16. Mai 1998 angemeldet und am 5. Mai 2000 in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts für die Waren der Klasse 10
„Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente, Apparate und Geräte“
eingetragen worden.
2. Wortmarke IR 772 712
INJEKT
Der Widerspruch stützt sich auf den am 10. August 2011 nachbenannten Unionsanteil, der für folgende Waren der Klasse 10 eingetragen ist:
“Surgical, medical, dental and veterinary instruments, apparatus and utensils”.
Die Rechtsvorgängerin der Inhaberin der angegriffenen Marke, die I… AG, hat die Benutzung der Widerspruchsmarken mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2012 undifferenziert bestritten.
Mit Beschluss des Amtsgerichts C… vom 12. Februar 2015 wurde Rechtsanwalt W… zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und eine Verfügungsbeschränkung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO angeordnet. Mit Beschluss des Amtsgerichts C… ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Inhaberin der angegriffenen Marke am 1. Mai 2015 eröffnet worden und Herr Rechtsanwalt W… zum Insolvenzverwalter bestellt worden.
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 10, hat die Widersprüche aus den Marken DE 398 27 581 und IR 772 712 mit Beschluss vom 13. Januar 2016 zurückgewiesen. Sie führt aus, das Widerspruchsverfahren sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unterbrochen worden. Die Regelung des § 240 ZPO komme in patentamtlichen Schutzrechtsverfahren weder direkt noch analog zur Anwendung. Zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken bestehe keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Zu Gunsten der Widersprechenden könne von der Registerlage und damit von identischen Waren ausgegangen werden. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sei von Hause aus sehr gering. Die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen zur Verkehrsbekanntheit ihrer Marken ließen allenfalls eine Anhebung auf einen durchschnittlichen Kennzeichnungsgrad zu. Zwar würden die Streitmarken eine nicht unerhebliche klangliche, bildliche und begriffliche Ähnlichkeit aufweisen. Der Schutzumfang der Widerspruchsmarken beschränke sich jedoch aus Rechtsgründen auf ihre kennzeichnende Eigenprägung. Auf die glatt beschreibende englischsprachige Angabe „inject“ mit den Bedeutungen „spritzen“ bzw. „injizieren“ könne sich der Schutz der Widerspruchsmarken nicht beziehen. Die Schutz begründenden Merkmale der Streitmarken unterschieden sich deutlich voneinander. Bei den Widerspruchsmarken sei der Buchstabe „C“ der Sachangabe „INJECT“ durch den Buchstaben „K“ ersetzt. In der angegriffenen Marke finde sich hingegen der Buchstabe „X“ anstelle der Endung „CT“. Diese Unterschiede in den Abwandlungen fielen sowohl klanglich als auch visuell hinreichend deutlich auf. Aus diesem Grunde scheide eine Löschung der Eintragung der jüngeren Marke gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 MarkenG aus.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Das Deutsche Patent- und Markenamt habe eine Verwechslungsgefahr zu Unrecht verneint. Die Widerspruchsmarken seien über Jahrzehnte umfangreich für Einmalspritzen benutzt worden. Die Waren beider Widerspruchsmarken und die Waren der angegriffenen Marke seien identisch. Ferner bestehe hochgradige Ähnlichkeit zwischen den Streitmarken „INJEX“ und „INJEKT“. Die Widerspruchsmarken „INJEKT“ bildeten eine ungewöhnliche Kurzform des Substantivs „Injektion“. Die Schlusssilbe „JEKT“ sei von anderen deutschen Begriffen wie u. a. „Objekt“ entliehen. Eine Anlehnung an den englischen Begriff „inject“ liege für inländische Verkehrskreise fern. Die Schlusskonsonanten „X“ bzw. „KT“ seien klanglich nahezu identisch. Den Widerspruchsmarken gebühre angesichts ihrer durch umfangreiche Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft in Bezug auf ihre Eigenprägung ein erweiterter Schutz. Jedenfalls nach der für die Auslegung des Markengesetzes maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könne eine Verwechslungsgefahr auch auf einer Zeichenübereinstimmung im Bereich beschreibender Komponenten beruhen.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 10 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Januar 2016 aufzuheben und die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke DE 30 2012 012 744 auf Grund der Widersprüche aus den Marken DE 398 27 581 und IR 772 712 anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat mit Schriftsatz vom 16. Mai 2017 erklärt, das Beschwerdeverfahren als Beteiligte zu übernehmen, nachdem die angegriffene Marke am 3. Mai 2017 auf sie umgeschrieben wurde.
Mit weiterem Schriftsatz vom 26. Juni 2018 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke erneut die Benutzung der beiden Widerspruchsmarken bestritten. Selbst bei Anerkennung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarken für „zweiteilige Einmalspritzen“ bestünden erhebliche Unterschiede zu den für die angegriffene Marke eingetragenen Waren. Bei den relevanten Warengruppen sei von einer erhöhten Aufmerksamkeit der in erster Linie angesprochenen Ärzte und sonstigen Fachkreise auszugehen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sei angesichts der erkennbaren Anlehnung an die beschreibende Angabe „inject“ von Hause aus gering. Eine erhöhte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarken sei nicht nachgewiesen worden. Des Weiteren bestehe keine relevante Ähnlichkeit der beiderseitigen Marken. Die abweichenden Buchstaben „X“ und „KT“ unterschieden sich insbesondere klanglich und schriftbildlich ausreichend. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG seien ebenfalls nicht erfüllt, da die Widerspruchsmarken nicht die dafür erforderliche Verkehrsbekanntheit und Ähnlichkeit zu der jüngeren Marke aufweisen würden.
Ergänzend wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zwischen den Streitmarken besteht keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Widersprüche aus den Marken DE 398 27 581 und IR 772 712 daher jedenfalls im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
1. Die Beschwerdegegnerin, auf die die angegriffene Marke mit Wirkung zum 3. Mai 2017 umgeschrieben wurde, ist durch die Übernahmeerklärung vom 16. Mai 2017 gemäß § 28 Abs. 2 Satz 3 MarkenG wirksam als Beteiligte in das Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren eingetreten. In der Erklärung wird zwar nur das Beschwerdeverfahren angesprochen. Allerdings liegt ihm das Widerspruchsverfahren zugrunde, so dass von einer umfassenden Übernahme auszugehen ist.
2. In dem vorliegenden Beschwerdeverfahren kommen weder § 240 Satz 1 ZPO noch § 240 Satz 2 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 MarkenG zur Anwendung, so dass keine Unterbrechung eingetreten ist.
Die Anordnung der Verfügungsbeschränkung und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens waren zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde am 17. Februar 2016 (noch) wirksam. Es ist weiterhin davon auszugehen, dass der Insolvenzverwalter das Beschwerdeverfahren nicht aufgenommen hat. In seinem Schreiben vom 5. April 2017 lehnt er zwar ausweislich des im Betreff genannten Aktenzeichens nur die Aufnahme des Beschwerdeverfahrens 28 W (pat) 15/16 ab. Es ist jedoch die Antwort auf die gleichlautende Anfrage des Senats vom 6. März 2017, mit der geklärt werden sollte, ob der Insolvenzverwalter sowohl das Beschwerdeverfahren 28 W (pat) 15/16 als auch das Beschwerdeverfahren 28 W (pat) 29/16 aufnimmt. Eine ausdrückliche Mitteilung des Insolvenzverwalters zu vorliegendem Beschwerdeverfahren erfolgte zwar nicht. Da jedoch in der Anfrage selbst beide Beschwerdeaktenzeichen genannt sind und kein sachlicher Grund für eine abweichende Vorgehensweise des Insolvenzverwalters ersichtlich ist, spricht die Antwort vom 5. April 2017 dafür, dass der Insolvenzverwalter auch das gegenständliche Beschwerdeverfahren nicht aufnehmen wollte.
Die Beschwerdeführerin hat jedoch durch ihr Rechtsmittel zumindest konkludent das Widerspruchsverfahren gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO aufgenommen. Wird über das Vermögen des Inhabers einer jüngeren Marke das Insolvenzverfahren eröffnet, handelt es sich bei dem Widerspruchsverfahren um einen Passivprozess gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da es die Aussonderung der jüngeren Marke aus der Insolvenzmasse gemäß § 47 InsO betrifft. Das Widerspruchsverfahren kann in diesem Fall auch vom Widersprechenden aufgenommen werden (vgl. Ströbele/ Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Auflage, § 42, Rdnr. 75).
Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich die Anordnung der Verfügungsbeschränkung und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich auf das Vermögen der I… AG als ehemalige Inhaberin der angegriffenen Marke bezogen.
Die I1… GmbH als ihre jetzige Inhaberin und Beteiligte des Beschwerdeverfahrens ist von diesen Maßnahmen hingegen nicht betroffen.
3. Der angefochtene Beschluss ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht erheblichen Bedenken ausgesetzt. Es sprechen nämlich gewichtige Gesichtspunkte für eine entsprechende Anwendung des § 240 ZPO im amtlichen Widerspruchsverfahren (vgl. BPatG, Beschluss vom 3. Mai 2018, 30 W (pat) 28/15 – DNARIS; zur ergänzenden Anwendung der ZPO in kontradiktorischen Markenverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt vgl. auch BGH GRUR 2016, 500, Rdnr. 21 – Fünf-Streifen-Schuh). Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 13. Januar 2016 war die I… AG noch als Inhaberin der angegriffenen Marke im Registereingetragen, deren Vermögen ab dem 12. Februar 2015 einer Verfügungsbeschränkung unterlag und über deren Vermögen am 1. Mai 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Dessen ungeachtet hat die Markenstelle die Anwendung des § 240 ZPO verneint und eine Sachentscheidung getroffen. Der Senat sieht jedoch von einer Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt wegen dieses Verfahrensmangels gemäß 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ab. Bei Abwägung aller Umstände überwiegt das Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer raschen Beschwerdeentscheidung, zumal die Widersprüche entscheidungsreif sind und folglich eine Zurückverweisung mit zeitlichen Verzögerungen verbunden sein würde (vgl. hierzu auch Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 70, Rdnr. 8).
4. Beide Widersprüche sind zulässig.
Der zweite Widerspruch wurde auf die IR-Marke 772 712 gestützt, die u. a. Schutz in der Europäischen Union nach dem Madrider Protokoll beansprucht. Damit steht sie gemäß Art. 189 Abs. 2 UMV einer Unionsmarke gleich (vgl. auch Ströbele/ Hacker/Thiering, a. a. O., § 125 b, Rdnr. 41). Aus einer solchen ist gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG a. F. i. V. m. § 158 Abs. 3 und § 125b Nr. 1 MarkenG ein Widerspruch gegen die Eintragung einer jüngeren inländischen Marke statthaft.
5. Zwischen der angegriffenen Marke DE 30 2012 012 744
INJEX
einerseits und den Widerspruchsmarken DE 398 27 581
I N J E K T
sowie IR 772 712
INJEKT
andererseits besteht für das angesprochene Publikum keine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 a. F. i. V. m. § 158 Abs. 3 MarkenG.
Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR Int. 2000, 899, Rdnr. 40 – Marca Mode; GRUR 2010, 933, Rdnr. 32 – BARBARA BECKER; BGH GRUR 2013, 833, Rdnr. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2016, 382, Rdnr. 22 – BioGourmet). Von maßgeblicher Bedeutung sind hierbei insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr.
a) Zugunsten der Widersprechenden kann unter Berücksichtigung der eingereichten Unterlagen, insbesondere der eidesstattlichen Versicherungen, von einer rechtserhaltenden Benutzung ihrer beiden Widerspruchsmarken für die Waren „zweiteilige Einmalspritzen“ ausgegangen werden. Die von der Widersprechenden vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel sind auf diese Waren beschränkt.
Spätestens mit Schriftsatz vom 26. Juni 2018 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung beider Widerspruchsmarken undifferenziert bestritten.
(1) Für folgende Zeiträume ist die Benutzung der Widerspruchsmarken demzufolge glaubhaft zu machen:
(a) Bei der Widerspruchsmarke DE 398 27 581 ist zunächst gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 a. F. i. V. m. § 158 Abs. 5 MarkenG der Zeitraum von Juli 2007 bis Juli 2012 zu berücksichtigen, da sie am 5. Mai 2000 eingetragen und die angegriffene Marke am 13. Juli 2012 veröffentlicht worden ist. Darüber hinaus bedarf es gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 a. F. i. V. m. § 158 Abs. 5 MarkenG der Glaubhaftmachung der Benutzung für den Zeitraum von Oktober 2013 bis zur Entscheidung über den Widerspruch. Dies ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, also Oktober 2018.
(b) Die Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke IR 772 712 mit Benennung der Europäischen Union bestimmt sich nach § 125b Nr. 4 MarkenG, der auf § 43 Abs. 1 a. F. (§ 158 Abs. 5 MarkenG) und Art. 18 UMV verweist. Die Frage, ab wann eine international registrierte Marke mit Benennung der Europäischen Union in der Union gemäß Art. 18 UMV benutzt werden muss, ist in Art. 203 UMV i. V. m. Art. 190 Abs. 2 UMV geregelt. Gemäß Art. 203 UMV wird zur Festlegung des Datums, ab dem die Marke, die Gegenstand einer internationalen Registrierung mit Benennung der Europäischen Union ist, ernsthaft in der Europäischen Union benutzt werden muss, das Datum der Eintragung gemäß Art. 18 Abs. 1 UMV durch das Datum der Veröffentlichung gemäß Art. 190 Abs. 2 UMV ersetzt. Damit ist für den Beginn der Benutzungsschonfrist nicht auf den in § 43 Abs. 1 MarkenG a. F. genannten Zeitpunkt der Eintragung, sondern auf den der zweiten Nachveröffentlichung gemäß Art. 190 Abs. 2 UMV abzustellen. Diese erfolgt, wenn das EUIPO entweder eine Mitteilung der Schutzgewährung ausgesprochen oder eine vorläufige Schutzverweigerung zurückgenommen hat (vgl. BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 11. Edition, Stand: 01.10.2017, Art. 203 UMV, Rdnr. 1).
Die Gewährung des Schutzes der Widerspruchsmarke IR 772 712 wurde nach Ablauf der Widerspruchsfrist in der „Gazette OMPI des marques internationales“ Nr. 48/2012 am 20. Dezember 2012 veröffentlicht. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 13. Juli 2012 war die Schutzgewährung der Widerspruchsmarke folglich noch nicht fünf Jahre veröffentlicht, so dass die Benutzungsschonfrist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG a. F. nicht abgelaufen war. Damit ist die Einrede gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG a. F. unzulässig.
Demgegenüber greift die Einrede gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG a. F. durch, da zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (4. Oktober 2018) die Veröffentlichung der Schutzgewährung (20. Dezember 2012) über fünf Jahre zurücklag. Der entsprechende Benutzungszeitraum erstreckt sich somit von Oktober 2013 bis Oktober 2018.
(2) „Zweiteilige Einmalspritzen“ lassen sich unter die für die Widerspruchsmarken eingetragenen Waren „ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Geräte“ (Widerspruchsmarke DE 398 27 581) bzw. „medical, dental and veterinary instruments and utensils” (Widerspruchsmarke IR 772 712) subsumieren. Um die geschäftliche Bewegungsfreiheit der Inhaberin der Widerspruchsmarken nicht ungebührlich einzuengen, kann im Rahmen der Integration von der erweiterten Warenkategorie „medizinische Spritzen“ ausgegangen werden (vgl. BGH GRUR 2013, 833, Rdnr. 61 – Culinaria/Villa Culinaria).
b) Die Waren „medizinische Spritzen“ auf Seiten der Widerspruchsmarken werden von den Waren „Nadelloses Injektionssystem, medizinische Apparate und Instrumente, nadellose ärztliche Arzneiverabreichungssysteme, nämlich nadellose Injektionsapparate, soweit diese Waren in Klasse 10 enthalten sind“ auf Seiten der angegriffenen Marke umfasst. Insoweit besteht Warenidentität, da Spritzen nicht zwangsläufig eine Nadel aufweisen müssen. Die Waren „Nadellose Einwegampullen, angepasste Abkoch- und Tragebehältnisse für nadellose Injektionsapparate, angepasste Verbindungselemente für die Übertragung von Flüssigkeiten und Zubehör dafür, soweit diese Waren in Klasse 10 enthalten sind“ der jüngeren Marke werden zusammen mit medizinischen Spritzen verwendet. Es handelt sich um Teile, aus denen der zu injizierende Stoff entnommen wird, mit denen die Spritzen vorbereitet und transportiert werden oder mit denen die Flüssigkeit injiziert wird. In diesem Umfang besteht zumindest durchschnittliche Warenähnlichkeit, da die beiderseitigen Produkte aufeinander bezogen sind und gemeinsam vertrieben werden.
c) Nadelfreie Injektions-Geräte und medizinische Spritzen, insbesondere die von der Widersprechenden vertriebenen Einmalspritzen, werden in erster Linie in Krankenhäusern und Arztpraxen zur medizinischen Behandlung von Patienten verwendet (siehe auch die zur Glaubhaftmachung der Benutzung eingereichten Rechnungen als Anlage A1 zur eidesstattlichen Versicherung vom 16. Mai 2013). Diese Verkehrskreise pflegen Kennzeichnungen auf solchen Waren regelmäßig zumindest durchschnittliche Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Ihnen ist nämlich bewusst, dass Spritzen erhebliche Unterschiede bei der Indikation und/oder Verträglichkeit aufweisen und ein entsprechender Fehlgriff das Behandlungsziel gefährden und/oder schmerzhafte Nebenwirkungen nach sich ziehen kann.
d) Es besteht von Hause aus eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken „I N E J K T“ bzw. „INJEKT“ (zur Stufung der Kennzeichnungsgrade vgl. BGH GRUR 2013, 833, Rdnr. 55 – Culinaria/Villa Culinaria).
Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096, Rdnr. 31 – BORCO/HABM [Buchstabe α]; BGH GRUR 2016, 382, Rdnr. 31 – Bio Gourmet).
Die Markenstelle war von einer sehr geringen (weit unterdurchschnittlichen) originären Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ausgegangen. Dabei handelt es sich um den niedrigsten Kennzeichnungsgrad (vgl. BGH, a. a. O. – Culinaria/Villa Culinaria). Eine derartige Beschränkung auf einen minimalen Schutzbereich wird vorrangig bei eingetragenen Marken in Betracht kommen, die im maßgeblichen Kollisionszeitpunkt als schutzunfähig einzustufen sind, denen aber aufgrund der Bindungswirkung der Eintragung nicht jeder Schutz abgesprochen werden kann (vgl. BPatG, Beschluss vom 31. März 2009, 24 W (pat) 79/07 – THERMARIUM). Ob die Widerspruchsmarken zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke (vgl. Ströbele/ Hacker/Thiering, a. a. O., § 9, Rdnr. 224), also im Februar 2012 unter Umständen schutzunfähig gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG waren (bejahend EUIPO betreffend die Anmeldung UM 009644113; zur nationalen Rechtsprechung vgl. Ströbele/ Hacker/ Thiering, a. a. O., § 8, Rdnrn. 196 und 542), ist hier nicht entscheidungserheblich. In jedem Fall verfügen die Widerspruchsmarken jedoch über einen medizinische Spritzen erkennbar beschreibenden Anklang.
Die Bezeichnungen „I N J E K T“ bzw. „INJEKT“ weichen von dem englischsprachigen Verb „inject“ oder „INJECT“ mit den Bedeutungen „spritzen, injizieren“ lediglich durch den Buchstaben „k“ anstelle des Buchstabens „c“ ab (vgl. Pons, Großwörterbuch Englisch - Deutsch, 1. Auflage, Seite 455). Das Verb „inject“ bzw. „injizieren“ stellt eine gemäß 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG schutzunfähige Angabe über den Bestimmungszweck von Spritzen dar, der regelmäßig im Einbringen (Injizieren) einer Substanz in einen Organismus besteht. Die englischsprachige Herkunft der Widerspruchsmarken ändert hieran nichts, zumal die Bedeutung des Wortes „inject“ für inländisches professionelles Pflegepersonal auf Grund der sprachlichen Nähe zu den deutschen Begriffen „injizieren“ oder „Injektion“ auf der Hand liegt. Zugunsten der Widersprechenden kann unterstellt werden, dass der Austausch der Buchstaben „c“ und „k“ den Widerspruchsmarken eine geringe und damit Schutz begründende Eigenprägung verleiht. Dies lässt jedoch den erkennbar beschreibenden Anklang an das Wort „inject“ nicht entfallen. Die beiden Konsonanten „k“ und „c“ sind klanglich identisch. Zudem werden nach dem im Inland herrschenden Sprachempfinden die Buchstaben „c“ und „k“ häufig als gleichwertig wahrgenommen (vgl. „Cousine/Kousine“, „Cord/Kord“ oder „Calcium/Kalzium“). Jedenfalls beeinflusst der Austausch dieser Buchstaben regelmäßig nicht das Wortverständnis (vgl. „Creme/Kreme“ oder „Clown/Klown“), umso weniger als deutschsprachige Begriffe aus derselben Wortfamilie, insbesondere das Wort „Injektion“, auch mit „k“ geschrieben werden. Es liegt aus Sicht des Senats deshalb nicht fern, dass das inländische Publikum die Abwandlung entweder nicht wahrnimmt oder zwar als orthografisch unzutreffende, jedoch den Begriffsgehalt nicht verändernde Variation des Wortes „inject“ ansieht.
Dass die Widerspruchsmarken gegebenenfalls auch als Abwandlung des deutschen Wortes „Injektion“ aufgefasst werden können, mag ihnen eine geringe Eigenart verleihen, lässt jedoch das Verständnis einer erkennbaren Anlehnung an das Wort „inject“ nicht entfallen.
Damit kommt den älteren Marken auch bei Annahme einer Schutz begründenden Abwandlung keine durchschnittliche, sondern nur eine geringe originäre Kennzeichnungskraft zu (vgl. BGH GRUR 2012, 1040, Rdnrn. 29 und 39 – pjur/pure; GRUR 2011, 826, Rdnr. 13 – Enzymax/Enzymix; GRUR 2010, 729, Rdnr. 27 – MIXI).
e) Zugunsten der Widersprechenden kann unter Berücksichtigung der eingereichten Benutzungsunterlagen eine Steigerung der originär geringen Hinweisfunktion und damit im Ergebnis eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der älteren Marken für medizinische Spritzen in Deutschland zugrunde gelegt werden. Die vorgelegten Unterlagen lassen in ihrer Gesamtheit auf eine nicht unerhebliche Bekanntheit der Widerspruchsmarken bei den beteiligten Verkehrskreisen schließen.
Für das Vorliegen einer noch größeren und damit überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft bietet der Vortrag der Widersprechenden allerdings keine hinreichenden Anhaltspunkte. Auf der Grundlage der eidesstattlichen Versicherung des Senior Vice President G… der Widersprechenden vom 31. Januar 2014 kann zwar von jährlichen Umsätzen in Höhe von durchschnittlich … DM (ab dem Geschäftsjahr 1973/74) bzw. in Höhe von durchschnittlich … € (ab dem Jahr 2002) ausgegangen werden, die in der Bundesrepublik Deutschland mit Spritzen, die mit dem Wort „INJEKT“ gekennzeichnet sind, erzielt wurden. Diese Angaben alleine lassen jedoch noch keine Rückschlüsse auf eine größere Bekanntheit der Widerspruchsmarken im Inland zu (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9, Rdnr. 166). Insbesondere fehlen aussagekräftige Hinweise auf den Marktanteil von „INJEKT“-Spritzen. Die in diesem Zusammenhang in dem Parallelverfahren 28 W (pat) 15/16 vorgelegte Anlage 4 zum Schriftsatz der Widersprechenden vom 14. August 2013, die sich ausschließlich auf das Jahr 1997 bezieht, ist aus sich heraus kaum verständlich. Jedenfalls lässt sie nicht erkennen, von wem und auf welcher Grundlage der von der Widersprechenden vorgetragene Marktanteil für zweiteilige Einmalspritzen in Deutschland in Höhe von 64 % ermittelt worden ist.
Die vorgelegte Verkehrsbefragung in den Monaten Januar/Februar 2014 (Anlage A10 zum Schriftsatz der Widersprechenden vom 27. Februar 2014), nach der der Kennzeichnungsgrad der Widerspruchsmarken bei 37,8 % liegt, ist auf Grund methodischer Schwächen ebenfalls nicht verwertbar. Abgesehen davon, dass lediglich 212 Personen befragt wurden, ist sie im Wesentlichen auf spezialisierte Einkäufer und Apotheker beschränkt. Insbesondere Ärzte und Praxispersonal, die einen wesentlichen Teil des tatsächlich angesprochenen Publikums bilden, sind hingegen nicht befragt worden.
Die in dem Parallelverfahren 28 W (pat) 15/16 weiterhin mit Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 14. August 2013 als Anlage A3 vorgelegte Bestätigung des B… e. V., nach der diesem die Marke „INJEKT“ der Widersprechenden in Verbindung mit Einmalspritzen seit Jahren gut bekannt sei, reicht als solche ebenfalls nicht aus, die erhöhte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarken zu belegen. Es handelt sich um einen Wirtschaftsverband zur Förderung und Vertretung der Interessen von Unternehmen der Medizintechnologie. Als Abnehmer von Einmalspritzen kommt er damit kaum in Betracht. Zudem ist die Aussage nicht repräsentativ für alle angesprochenen Fachkreise. Vielmehr gibt sie allenfalls die Sichtweise eines einzigen Verkehrsteilnehmers wieder.
f) Zwischen den Vergleichsmarken besteht allenfalls eine weit unterdurchschnittliche klangliche oder schriftbildliche Ähnlichkeit, so dass eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG im Ergebnis zu verneinen ist.
Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die von ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (vgl. BGH GRUR 2009, 1055, Rdnr. 26 – airdsl).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Schutzumfang von eingetragenen Marken, die - wie die Widerspruchsmarken - an einen Begriff, der die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreiben kann, angelehnt sind, nach Maßgabe der Eigenprägung und der Unterscheidungskraft, die dem Zeichen die Eintragungsfähigkeit verleiht, zu bemessen. Darüber hinausgehende Rechte können nicht beansprucht werden, weil dies einem markenrechtlichen Schutz für eine beschreibende Angabe, deren freie Nutzung durch die Allgemeinheit möglich bleiben soll, gleichkäme (vgl. BGH GRUR 1989, 349, 350 – ROTH-HÄNDLE-KENTUCKY/Cenduggy;GRUR 1996, 198 – Springende Raubkatze; GRUR 2003, 963, 965 – AntiVir/AntiVirus; GRUR 2007, 1071, Rdnr. 36 – Kinder II; GRUR 2011, 826, Rdnr. 29 – Enzymax/Enzymix; GRUR 2012, 1040, Rdnr. 39 – pjur/pure; GRUR 2016, 382, Rdnr. 37 – Bio Gourmet; BPatG, Beschluss vom 8. August 2007, 32 W (pat) 63/06 – Vitaminis/ Vitaminos; Beschluss vom 25. März 2010, 25 W (pat) 46/09 – Panero/Panerie; Beschluss vom 26. August 2011, 25 W (pat) 83/08 – FRUUTA/Fructa).
Es bleibt damit anderen Wettbewerbern grundsätzlich unbenommen, sich mit ihren Kennzeichnungen an dieselbe beschreibende Angabe anzunähern. Eine markenrechtlich relevante Zeichenähnlichkeit ist folglich nur gegeben, soweit sich die Übereinstimmungen nicht auf die beschreibende oder sonst schutzunfähige Angabe selbst beschränken, sondern eine Identität oder Ähnlichkeit gerade im Bereich der konkreten Abwandlungen besteht (vgl. BPatG GRUR 2012, 67, Rdnr. 39 – Panprazol/PANTOZOL; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9, Rdnr. 194 f.). Dies ist hier auch unter Berücksichtigung der Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken auf Grund ihrer Benutzung nur sehr eingeschränkt der Fall. Die Stärkung der Widerspruchsmarken führt nämlich nur zu einem erweiterten Schutzumfang der ihre Eigenprägung bestimmenden Merkmale (vgl. Ströbele/ Hacker/Thiering, a. a. O., § 9, Rdnr. 203).
(1) Wie bereits unter d) ausgeführt, beruht die Schutzfähigkeit der Wortmarken „INJEKT“ und „I N J E K T“ im Zusammenhang mit medizinischen Spritzen allenfalls auf dem Austausch des Konsonanten „C“ der zugrunde liegenden beschreibenden Angabe „INJECT“ durch den Konsonanten „K“. Sofern die Widerspruchsmarken folglich wie diese, also „ɪndʒekt“ ausgesprochen werden, kann ihnen in klanglicher Hinsicht kein Schutz zukommen. Wenn sie wie ein deutsches Wort entsprechend beispielsweise den Begriffen „Januar“ oder „Jaguar“ wiedergegeben werden, so beschränkt sich ihr Schutzumfang auf diese Aussprachevariante, da davon auszugehen ist, dass allenfalls ein Teil des angesprochenen Verkehrs die an deutsche Sprachregeln angelehnte Artikulation des Buchstabens „J“ als Hinweis auf den Geschäftsbetrieb der Widersprechenden ansehen wird. Bei einer derartigen Wiedergabe stimmen die Widerspruchsmarken und die angegriffene Marke in der Lautfolge „INJEK-“ klanglich zwar überein, da der Buchstabe „X“ im Gesamtgefüge der jüngeren Marke wie „ks“ bzw. „kss“ klingt. Diesem Umstand kommt vorliegend jedoch nur eingeschränkte Bedeutung zu, da die Lautfolge „INJEK-“ in Verbindung mit medizinischen Spritzen auch bei der jüngeren Marke nur als Anlehnung an das beschreibende Wort „Injektion“ verstanden wird. Sie begründet somit nicht die kennzeichnende Eigenart der angegriffenen Marke. Diese liegt erkennbar vielmehr in der Wortendung „-X“. Der klangstarke Zischlaut „X“ tritt bei der jüngeren Marke deutlich hervor. Trotz des mitklingenden Konsonanten „k“ setzt sie sich damit - im Unterschied zu den Widerspruchsmarken - klar von den beschreibenden Angaben „INJECT“ oder „INJEKTION“ ab. Der kennzeichnende Schwerpunkt der jüngeren Marke am Zeichenende findet keine akustische Entsprechung in den älteren Marken, so dass zusammenfassend allenfalls eine weit unterdurchschnittliche klangliche Ähnlichkeit bejaht werden kann.
(2) Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen sind die Streitzeichen „INJEX“ einerseits und „I N J E K T“ bzw. „INJEKT“ andererseits auch in schriftbildlicher Hinsicht höchstens in sehr geringem Umfang ähnlich. Es ist nicht zu verkennen, dass sie in der Buchstabenfolge „INJE-“ übereinstimmen und - auch bei Kleinschreibung - die rechte Seite des Buchstabens „K“ der Widerspruchsmarken durch die schräg aufeinander zulaufenden Striche Gemeinsamkeiten mit der rechten Seite des Buchstabens „X“ der angegriffenen Marke aufweist. Allerdings fällt der in ihr nicht enthaltene Buchstabe „T“ am Ende der älteren Marken auf. Auch findet in ihnen die charakteristische Formung des Buchstabens „X“ keine Entsprechung, die trotz ihrer Positionierung am Wortende der jüngeren Marke hervortritt. Da auch im Rahmen der schriftbildlichen Ähnlichkeit von der den Schutzumfang beschränkenden Eigenprägung der Widerspruchsmarken auszugehen ist, reichen die angesprochenen Abweichungen in ihrer Gesamtheit aus, um Verwechslungen in rechtserheblichem Umfang ausschließen zu können.
(3) Eine begriffliche Ähnlichkeit ist vorliegend zu verneinen, da sich die Vergleichsmarken nur durch ihren auf den Angaben „inject“ oder „Injektion“ beruhenden Sinngehalt annähern können. Da diese jedoch - wie ausgeführt - die gegenständlichen medizinischen Spritzen unmittelbar beschreiben, kommt aus Rechtsgründen eine Verwechslungsgefahr nicht in Betracht.
6. Die Widersprechende kann ihr Löschungsbegehren auch nicht auf § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG stützen.
Der Vortrag der Widersprechenden lässt nicht die Feststellung zu, dass es sich bei den Widerspruchsmarken zu den maßgeblichen Zeitpunkten der Anmeldung der jüngeren Marke und der Entscheidung über die Widersprüche um bekannte Marken handelt. Bei der Prüfung, ob eine Marke bekannt ist, sind alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen, also insbesondere der Marktanteil der Marke, die Intensität, die geographische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat (vgl. BGH GRUR 2017, 75, Rdnr. 37 – Wunderbaum II). Wie bereits oben unter 5 d) und e) ausgeführt, lassen die vorgelegten Unterlagen trotz der über einen langen Zeitraum erfolgten beträchtlichen Benutzung ohne konkrete Angaben zum Marktumfeld und -anteil keine ausreichend belastbaren Aussagen zur Bekanntheit der Widerspruchsmarken zu.
7. Zur Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Grund.
8. Die Widersprechende weist zu Recht darauf hin, dass die oben im Rahmen der Verwechslungsgefahr erörterten Grundsätze zur Bemessung des Markenschutzes nach Maßgabe der Schutz begründenden Eigenart der älteren Marke nicht mehr umfassend im Einklang mit der Entscheidungspraxis des Gerichtshofs der Europäischen Union stehen (anders noch BGH GRUR 2012, 1040, Rdnr. 40 – pjur/pure unter Bezugnahme auf EuGH GRUR 2010, 1098, Rdnr. 45 – CK CREACIONES KENNYA und auf EuGH, Beschluss vom 8. Februar 2012, C 191/11, Rdnr. 43 – YORMA’S/NORMA). Der EuGH hat in neueren Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass die Unterscheidungskraft der älteren Marke nur einen der im Rahmen der umfassenden Beurteilung des Vorliegens von Verwechslungsgefahr zu berücksichtigenden Faktoren bilde und nicht zur Neutralisierung des Kriteriums „Markenähnlichkeit“ führen dürfe. Eine Monopolisierung beschreibender Angaben solle durch die Regelungen zu absoluten Schutzhindernissen, nicht auf der Grundlage relativer Schutzhindernisse verhindert werden. Die Gültigkeit eingetragener Widerspruchsmarken dürfe in Kollisionsverfahren nicht in Frage gestellt werden (vgl. EuGH MarkenR 2016, 592, Rdnr. 61 ff. – KOMPRESSOR; EuGH, Beschluss vom 19. November 2015, C-190/15 – Solidfloor/SOLID Floor; EuGH, Beschluss vom 30. Mai 2013, C-14/12 – AYUURI NATURAL/AYUR).
Der Senat vermag sich dieser Auffassung, die auch in der Verwaltungspraxis und Literatur auf breite Ablehnung stößt (vgl. Konvergenzprogramm KP 05 des Europäischen Netzwerks für Marken und Geschmacksmuster vom 20. Mai 2014, Relative Eintragungshindernisse - Verwechslungsgefahr, Auswirkungen nicht unterscheidungskräftiger/schwacher Markenbestandteile; Ströbele/Hacker/ Thiering, a. a. O., § 9, Rdnr. 205; Hacker, FS Bornkamm, Seiten 575 ff.; Büscher/ Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 3. Auflage, § 14, Rdnr. 350; Pohlmann, Das Recht der Unionsmarke, 2. Auflage, Seiten 129 f.), nicht anzuschließen. Der in der Rechtsprechung des EuGH zum Ausdruck kommende rein faktische Zeichenvergleich führt ohne normatives Korrektiv zu einer mit dem Zweck der absoluten Schutzhindernisse nicht vereinbaren Begünstigung schwacher Marken. Er kommt in der Sache einem Markenschutz der zugrunde liegenden schutzunfähigen Angabe selbst gleich (vgl. BGH GRUR 2012, 1040, Rdnr. 39 – pjur/pure). Die Bemessung des Schutzes nach Maßgabe der Eigenart steht entgegen der Meinung des EuGH nicht im Widerspruch zur Entscheidung über die Eintragung der Marke, sondern formt den Zuschnitt des Markenrechts in Abhängigkeit von der Schutz begründenden Eigenprägung aus. Insbesondere ist anerkannt, dass einer eingetragenen Marke im Widerspruchs- oder Verletzungsverfahren nicht jeglicher Schutz versagt werden kann (vgl. BGH GRUR 2016, 382, Rdnr. 38 – BioGourmet). Entgegen der Auffassung der EuGH lassen sich die Folgen seines Konzeptes auch nicht sachgerecht durch Nichtigkeitsverfahren, die auf absolute Schutzhindernisse gestützt werden, bewältigen. Dieser Ansatz wird auch der markenrechtlichen Beurteilung von Anlehnungen an beschreibende Angaben nicht gerecht. Diese unterfallen nämlich in der Regel nicht den geltenden Eintragungshindernissen und sind damit schutzfähig (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8, Rdnrn. 196, 542). Darüber hinaus können Widerspruchsmarken, die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke schutzunfähig sind, nicht uneingeschränkt für nichtig erklärt werden. Zum einen ist die Antragsfrist von 10 Jahren seit dem Tag der Eintragung gemäß § 50 Abs. 2 Satz 3 MarkenG (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG a. F.) zu beachten. Zum anderen setzt die Nichtigkeit die Schutzunfähigkeit auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Eintragung dieser Marke voraus (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
Der Senat kann der Auffassung des EuGH damit nicht beitreten. Allerdings erfordert diese abweichende Sichtweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.