Entscheidungsdatum: 18.12.2012
Bösgläubige Nichtbenutzung
1. Die für die Gegenstandswert-Bestimmung vor dem Bundespatentgerichtgeltenden Maßstäbe sind auch für Verfahren vor dem DPMA heranzuziehen.
2. Besteht der Löschungsgrund Bösgläubigkeit nach § 8 Abs 2 Nr 10 MarkenG in der fehlenden Benutzungsabsicht, kann die Nichtbenutzung nicht zu einem geringeren Gegenstandswert führen.
3. Die Erklärung zur Vorsteuerabzugsberechtigung nach § 104 Abs 2 Satz 3 ZPO unterliegt keiner Nachprüfung.
4. Dem Kostengläubiger kann die Umsatzsteuer vom Kostenschuldner auch dann verlangen, wenn er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke…)
(hier Kostenfestsetzung)
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner am 18. Dezember 2012
beschlossen:
I. Die Beschwerde des Kostenschuldners gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen.
III. Der Gegenstandswert wird auf 1.239,15 € festgesetzt.
I.
Gegen die Wort-Bildmarke … L… hat der Beschwerdegegner Löschungsantrag gestellt. Auf diesen Antrag hin hat die Markenabteilung3.4. die angegriffene Marke wegen Bösgläubigkeit gelöscht und dem Markeninhaber die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Löschung ist u. a. damit begründet, die Anmeldung sei in der Absicht erfolgt, den ehemaligen Kompagnon zu behindern. Einer eigenen Benutzung durch den Anmelder habe eine Konkurrenzklausel entgegengestanden.
Nachdem der Löschungsantragsteller eine Kostenfestsetzung auf der Basis eines Streitwerts von 50.000€ beantragt hatte, hat der Markeninhaber ausgeführt, der Antragsteller habe vor dem LG Frankfurt / Main den Unterlassungsanspruch selbst nur mit 25.000€ angegeben. Außerdem sei der Antragsteller vorsteuerabzugsberechtigt.
Die Markenabteilung hat die vom Beschwerdeführer zu erstattenden Kosten für das Löschungsverfahren S192/11 am 25. Juli2012 antragsgemäß auf 1.941.96 € festgesetzt.
Das hat sie damit begründet, der Gegenstandswert sei nach §8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO (jetzt §23 Abs. 3 Satz2 RVG) nach billigem Ermessen zu bestimmen, weil es insoweit an Wertvorschriften für die Anwaltsgebühren fehle. Grundlage für die Bewertung des Gegenstandswertes im Markenlöschungsverfahren sei das Interesse der Allgemeinheit an der Löschung. Das folge aus dem Popularcharakter des Löschungsantrags, den nach §54 Abs. 1 Satz2 MarkenG jedermann ohne Nachweis eines eigenen Interesses stellen könne.
Maßstab für die Bewertung dieses Interesses seien die wirtschaftlichen Nachteile, die für die Allgemeinheit in dem Fall der Rechtsbeständigkeit der angegriffenen Marke zu erwarten seien. Je stärker die Marke benutzt werde und je weiter der vom Schutz der Marke umfasste Waren- und Dienstleistungsbereich sei, desto höher liege das von einer Marke ausgehende Behinderungspotential.
Bei einer unbenutzten Marke gingen die Senate des Bundespatentgerichts im Löschungsverfahren nunmehr generell von 50.000,- € aus.
Für ein Abweichen davon seien keine Umstände ersichtlich. Dem Verfahren vor dem LG Frankfurt / Main hätten andere Anspruchsgrundlagen zugrunde gelegen (Unterlassungssache). Vorliegend sei der zu Grunde gelegte Gegenstandswert von 50.000,- € angemessen.
Soweit der Kostenschuldner behaupte, dass der Kostengläubiger zum Vor-steuerabzug berechtigt sei, lasse die eindeutige gesetzliche Regelung im §104 Abs. 2 Satz3 ZPO nach entsprechender Erklärung des Kostengläubigers keinen Raum für eine Nichtfestsetzung der beantragten Mehrwertsteuer.
Folgende Kosten der Vertreter des Kostengläubigers würden als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung anerkannt:
1,3 Geschäftsgebühr § 13 RVG - Nr. 2300 VV |
1.359,80 |
€ |
(ausgehend von 50.000 Euro Streitwert) |
||
Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV |
20,00 |
€ |
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV |
262,16 |
€ |
Löschungsantragsgebühr |
300.00 |
€ |
insgesamt |
1.941,96 |
€ |
Hiergegen richtet sich die vom Markeninhaber und Kostenschuldner persönlich eingelegte Beschwerde vom 3. August2012, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 8. August2012.
Er ist der Ansicht, der Gegenstandswert sei zu hoch angesetzt. Für die Festlegung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren sei nicht der Wert der Widerspruchsmarke, sondern das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke an deren Erhalt maßgeblich. Eine Anhebung des Gegenstandswertes sei nur auf Grund deutlich erhöhten Interesses des Antragstellers gerechtfertigt, das hier fehle. Es lägen keine Gründe vor, die ein Abweichen vom Regelgegenstandswert begründen würden Zum einen habe er die inzwischen gelöschte Marke noch nicht verwendet. Zudem habe der Löschungsantragsteller mit dem Gesellschaftsvertrag argumentiert und so vorgebracht, dass die Marke der Gesellschaft gehört habe und somit nach dem Ausschluss eines Gesellschafters vom Verbleibenden übernommen worden sei. Der Gesellschaft seien allerdings keine Kosten für die Entwicklung der Geschäftsbezeichnung entstanden. Es seien auch in der Bilanz der Gesellschaft keine Kosten oder Werte für die Bezeichnung eingetragen.
Der Markeninhaber und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die von ihm zu erstattenden Kosten auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 4.000,- € festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und ist der Ansicht, das Deutsche Patent- und Markenamt habe die Kosten zutreffend auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 50.000,- € festgesetzt.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Kostenschuldners, über die ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (BPatG, Beschl. v. 20.10.2010 - 35W (pat) 49/09, BeckRS 2010, 28264 – Wert eines Gebrauchsmusters), hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Der Senat hält einen Gegenstandswert von 50.000,- € für angemessen.
Entgegen der Auffassung des Markeninhabers sieht der Senat keine Anhaltspunkte für einen geringeren Gegenstandswert.
Grundlage für eine Berechnung der Kosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ist auch in administrativen Schutzrechtsverfahren der Gegenstands- oder Streitwert der Sache. Im administrativen Verwaltungsverfahren ist der Gegenstandswert, soweit sonstige Anhaltspunkte fehlen, nach billigem Ermessen zu bestimmen (BVerfG GRUR 2003, 723).
Echte Regelstreitwerte sind in administrativen Verfahren um gewerbliche Schutz-rechte nicht möglich. Zu verschieden sind die jeweiligen Fallkonstellationen, zu unterschiedlich die Faktoren, die eine Schätzung des Wertes beeinflussen. Allerdings spricht nichts dagegen, die bekannten Maßstäbe der Schätzungsfindung vor dem Bundespatentgericht auch in den Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zu berücksichtigen.
Bei Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzunfähigkeit (§§ 50, 54 MarkenG) ist im Hinblick auf den Popularcharakter des Löschungsantrags das Interesse der Allgemeinheit an der Löschung der Marke maßgeblich (BPatGE 21, 140; BPatGE 41, 100 - Cotto). Dieses steht weder dem Interesse des Antragstellers an der Markenlöschung gleich, noch deckt es sich ohne weiteres mit dem Interesse des Markeninhabers am Fortbestehen des Markenschutzes. Maßstab für die Bewertung sind vielmehr die wirtschaftlichen Nachteile, die für die Allgemeinheit mit Rechtsbeständigkeit der angegriffenen Marke zu erwarten sind. Je stärker die Marke benutzt wird und je weiter der vom Schutz der Marke umfasste Waren- und Dienstleistungsbereich ist, desto höher ist nach der Rechtsprechung das von der Marke ausgehende Behinderungspotential (BPatG MarkenR 2006, 172, 175). Als Orientierung gelten unter Verweis auf die Markenwert-Entscheidung des Bundesgerichtshofs 50.000 € für unbenutzte und 100.000 € für benutzte Marken (BPatG, Beschl. v. 21.02.011, 29 W (pat) 39/09 - Andernacher Geysir (rechtskräftig); Beschl. v. 26.02.2008, 27 W (pat) 57/07 - Maui Sports; Beschl. v. 07.02.2012, 27 W (pat) 15/11 - KHR).
Besteht der Löschungsgrund Bösgläubigkeit gerade darin, dass die angegriffene Marke nicht benutzt werden, sondern von vornherein nur dazu eingesetzt werden sollte, einen Mitbewerber wettbewerbswidrig zu behindern, wirkt sich das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der von der Rechtsordnung missbilligten Beeinträchtigung und Störung des Wettbewerbs durch die angegriffene Marke sogar werterhöhend aus (BPatG, Beschl. v. 28.04.2011 - 28 W (pat) 95/10, Mitt. 2012, 94 (LS) = BeckRS 2011,16238).
Damit ist der von der Markenabteilung zu Grunde gelegte Wert von 50.000 € am unteren Bereich der angemessenen Spanne.
2.
Nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO unterliegt die Erklärung des Kostengläubigers, nicht vorsteuerabzugsberechtigt zu sein, keiner Nachprüfung, es sei denn, sie wäre offensichtlich falsch, wofür vorliegend nichts spricht, auch nicht die Rechtsform.
Es ist aber ohnehin kein Rechtsgrund dafür ersichtlich, dass der Kostengläubiger eine anderweitige Ersatzmöglichkeit bezüglich eines einzelnen Kostenbestandteils gegenüber einem nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten (Fiskus) seinem Kostenerstattungsanspruch gegen den Kostenschuldner entgegenhalten lassen müsste. Es ist nicht außergewöhnlich, dass ein Lebensvorgang Ansprüche gegen verschiedene Rechtssubjekte mit verschiedener rechtlicher Begründung auslöst. Ist aber keine gesetzliche Rangfolge und kein gesetzlicher Forderungsübergang vorgesehen, so muss es dem Gläubiger unbenommen bleiben, zu entscheiden, welchen Anspruch er welchem Schuldner gegenüber zuerst geltend machen will (vgl. OLG Frankfurt/M, NJW 1969, 1679; BFH NJW 1991, 1702; vgl. OLG München AnwBI. 1991, 162; KG NJW 1991, 573; Albrecht / Hoffmann, Die Vergütung des Patentanwalts, 2. Aufl. 2012, Rn. 393; Hoffmann / Kleespies, FK Markenrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 3083).
3.
Die Kostenentscheidung orientiert sich gemäß § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO am Erfolg. Es handelt sich nämlich um ein kontradiktorisches Streitverfahren.
Nach § 15 Abs. 1 und 2 RVG gelten die Gebühren grundsätzlich die gesamte Tätigkeit des Anwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit ab, und der Anwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. In gerichtlichen Verfahren kann er die Gebühren allerdings in jedem Rechtszug fordern.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 RVG gehören zu einem Rechtszug oder Verfahren zwar alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen; dies gilt aber nur, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 eine besondere Angelegenheit ist. Dessen Nr. 5 macht jedes Beschwerdeverfahren und jedes Verfahren über eine Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers zu einer besonderen Angelegenheit. Das Kostenfestsetzungsverfahren zählt noch zum Rechtszug und ist mit den dort verdienten Gebühren abgegolten. Nur wenn es zu einer Überprüfung des Kostenfestsetzungsbeschlusses durch die nächste Instanz kommt, fallen die im Rahmen der Verfahren vor den Streitgerichten gewährten Zusatzgebühren an. Um zu einem wirtschaftlich sinnvollen Ergebnis zu kommen, ist dabei eine Kostenauferlegung geboten.
§ 66 Abs. 8 GKG betrifft nur Gerichtskosten; dort ist das Verfahren gebührenfrei, und Kosten werden nicht erstattet. Wo aber Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend gelten, ist § 97 Abs. 1 ZPO Maßstab für die Kostentragung.
4.
Wert der vorliegenden Beschwerde ist der geltend gemachte Unterschiedsbetrag von 1.041,30 € zwischen einer 1,3-Gebühr nach Nr. 2300 W RVG aus 50.000 € (1.359,86 €) und der aus 4.000 € (318,50 €) sowie Mehrwertsteuer daraus (197,85 €) also 1.239,15 €.
5.
Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung nach § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird nicht zugelassen.