Entscheidungsdatum: 03.05.2017
1. Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Am 17. November 2015 ist das Zeichen
#darferdas?
für die nachfolgend genannten Waren der Klassen 14, 18, 21, 24, 25 und 27 zur Eintragung als Wortmarke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister angemeldet worden:
Klasse 14: Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Juwelierwaren; Schmuckwaren; Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Schlüsselanhänger [Fantasie- und Schmuckwaren]; Anstecknadeln; Pins und Medaillen [alles Schmuckwaren];
Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Taschen, Reise- und Handkoffer; Regenschirme; Sonnenschirme;
Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Glaswaren, Porzellan und Steingut [soweit in Klasse 21 enthalten]; Gläser (Trinkgefäße); Becher; Tassen; Kämme; Schwämme; Bürsten und Pinsel [ausgenommen für Malzwecke]; Sparbüchsen, nicht aus Metall;
Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken; Bett- und Tischwäsche [nicht aus Papier]; Hand- und Badetücher aus textilem Material; Textilstoffetiketten;
Klasse 25: Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts; Schuhwaren; Kopfbedeckungen;
Klasse 27: Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten [ausgenommen aus textilem Material].
Das DPMA, Markenstelle für Klasse 25, hat die Anmeldung mit Beschluss vom 3. Februar 2016, zugestellt am 11. Februar 2016, wegen fehlender Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die angemeldete Wortfolge „#darferdas?“ werde vom angesprochenen allgemeinen Publikum im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren allein als „typischer Fun-Spruch“, der als charakteristisches Ausstattungselement integraler Bestandteil dieser Waren sei, aufgefasst. An der ohne Leerzeichen, im Übrigen grammatikalisch aber korrekt gestalteten Frage, der ein Rautezeichen vorangestellt sei, sei „Ungewöhnliches“ nicht erkennbar. Das Rautezeichen werde heutzutage vielfach verwendet, um ein Schlüsselwort (einen sog. „Hashtag“) zu markieren. Auch die Zusammenschreibung ändere nichts daran, dass die Frage in ihrem Bedeutungsgehalt von den angesprochenen Verkehrskreisen sofort erfasst werde.
Eine herkunftshinweisende Funktion komme der Frage nicht zu. Sämtliche beanspruchten Waren würden auch als Kommunikationsmittel, vor allem als Werbefläche, als Erkennungszeichen, als Medium politischer oder sonstiger Äußerung dienen. Die angemeldete Wortfolge erschöpfe sich in einem auf originelle Selbstdarstellung angelegten „Fun-Spruch“. Mit derartigen Funsprüchen oder bekenntnishaften Aussagen seien die angesprochenen Verkehrskreise bereits deutlich vor dem Anmeldezeitpunkt vertraut gewesen.
Bei der Prüfung der Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens sei nicht auf jede praktisch bedeutsame und naheliegende, sondern allein auf die wahrscheinlichste Form der Benutzung abzustellen. Vorliegend bestehe die wahrscheinlichste Verwendung des angemeldeten Zeichens in einer mehr oder minder exponierten Darstellung des Schriftzugs an der Außenseite der Waren, z. B. eines Bekleidungsstücks, einer Tasche, einer Fußmatte oder eines Schlüsselanhängers. Dies ergebe sich aus der Natur des spezifischen Zeichens, das als Fun-Spruch auf Kommunikation nach außen abziele. Dem Vortrag der Anmelderin, das angemeldete Zeichen auf einem Etikett anbringen zu wollen, komme im Rahmen der Prüfung der Schutzfähigkeit keine Bedeutung zu, da diese Absicht der beschränkten Verwendung in der Anmeldung nicht zum Ausdruck komme. Die schutzsuchende Wortfolge beinhalte eine ohne Weiteres verständliche Frage, die in der zwischenmenschlichen Kommunikation als Ausdruck persönlicher Gefühle und Empfindungen gebräuchlich sei. Die Frage sei lediglich geeignet, die Gefühle des Käufers abzufragen oder zum Ausdruck zu bringen, wobei davon auszugehen sei, dass der Erwerb der mit diesem Wortzeichen versehenen Waren allein aufgrund des Spruchs „#darferdas?“ erfolgen werde. Die Wortfolge vermittle jedoch keine Vorstellung über die Herkunft dieser Waren aus einem bestimmten Unternehmen.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde vom 11. März 2016.
Sie führt zur Begründung ihrer Beschwerde aus, die angemeldete Wortfolge „#darferdas?“ sei sehr wohl schutzfähig.
Die Anmelderin sei von dem von ihr vertretenen bekannten Künstler Chris Tall beauftragt worden, die von diesem komponierte und durch den vorangestellten Hashtag sowie die Zusammenschreibung in Kleinbuchstaben als ungewöhnlich anzusehende Zeichenfolge für die labelmäßige Verwendung umfassend zu schützen. Dabei solle die Bezeichnung „#darferdas?“ auf Hinweisschildern bzw. Etiketten an Produkten – wie beispielsweise Schmuck- und Juwelierwaren, Kleidungs-, Heimtextilien-, Taschen- und Gepäck-, Haushaltswaren- und Innenausstattungs-Linien – bzw. als Aufdruck auf den jeweiligen Verpackungen angebracht werden und so auf die Herkunft der Produkte hinweisen. Die Art der Verwendung ergebe sich beispielhaft aus dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen T-Shirt mit der Wortfolge „#DARFERDAS?“ im eingenähten Etikett an der Innenseite.
Die Bezeichnung werde bereits erfolgreich als Werktitel eines Comedy-Programms des Künstlers Chris Tall verwendet, eine entsprechende Anzeige im Titelschutzjournal sei erfolgt.
Die angemeldete Wortfolge „#darferdas?“ stelle keinen typischen sog. „Fun-Spruch“ dar. Um typische Fun-Sprüche handele es sich vielmehr bei geläufigen oder witzigen Redewendungen bzw. bei persönlichen Meinungsäußerungen sowie Äußerungen von in der ersten Person („Ich-Form) kommunizierten, bekenntnishaft formulierten persönlichen Gefühlen. Demgegenüber sei die angemeldete Wortfolge als Frage in der dritten Person formuliert.
Sie sei zudem markenmäßig modern und griffig und präsentiere sich durch den Zusatz eines Hashtags und die ungewöhnliche Klein- und Zusammenschreibung der Wortzusammensetzung als nicht allgemein gebräuchlich, zudem weise sie auch schriftbildlich eine individuelle Anmutung auf.
Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die rein dekorative Nutzung der Wortzusammensetzung die wahrscheinlichste Form der Benutzung darstelle. Dies sei allenfalls für die nicht modifizierte Frage „DARF ER DAS?“ denkbar, nicht jedoch für die konkret angemeldete Wortfolge „#darferdas?“. Das angemeldete Zeichen sei aufgrund der Zusammenschreibung in kleinen Lettern nicht auf Anhieb lesbar. Zudem stehe die Voranstellung eines Rautezeichens (Hashtags) nach den eigenen Recherchen des DPMA für die „Beschleunigung des Internets“ sowie für eine Verankerung in der Jugend- und Internetkultur. Mangels sofortiger Erkenn- und Lesbarkeit und aufgrund der Voranstellung eines Zeichens mit einer eigenen Bedeutung (#) sei die angemeldete Zeichenfolge daher nicht zur flüchtigen Kommunikation geeignet, was eine dekorative Verwendung als bekenntnishafte Aussage ausschließe.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 25, vom 3. Februar aufzuheben.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat sie mit Schriftsatz vom 29. Mai 2017 zudem erklärt, dass sie beantrage,
1. das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Anmeldung unter Zurücknahme der nachstehenden Klassen 14, 18, 21, 24 und 27 auf die Klasse 25 zu beschränken, und
2. unter Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle vom 3. Februar 2016 die Eintragung der Marke „#darferdas?“ für die Waren der Klasse 25 zu beschließen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die Schriftsätze der Anmelderin und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere gem. § 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 1 MarkenG statthafte und gem. § 66 Abs. 2 MarkenG fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
In Ziff. 1. des von der Anmelderin zuletzt gestellten Antrags ist ein Verzicht auf die Waren der Klassen 14, 18, 21, 24 und 27 zu sehen, so dass der Senat über die Schutzfähigkeit der beanspruchten Wortfolge lediglich in Bezug auf die in Klasse 25 weiterhin beanspruchten Waren zu entscheiden hat.
Dass die Anmelderin diesen „Antrag“ erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt hat, ist unbedenklich, da eine (teilweise) Einschränkung des in der Anmeldung enthaltenen Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen gem. § 39 Abs. 1 MarkenG zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens möglich ist und somit auch zu einem Zeitpunkt nach Schluss der mündlichen Verhandlung und vor Zustellung des Beschlusses an Verkündungs Statt.
Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „#darferdas?“ steht in Bezug auf die in Klasse 25 beanspruchten Waren das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung gem. § 37 Abs. 1 MarkenG zu Recht zurückgewiesen hat.
1. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schließt von der Eintragung als Marke Zeichen aus, denen für die in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH, GRUR 2010, 228, Rn. 33 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; EuGH, GRUR 2004, 428, Rn. 30, 31 – Henkel; BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 9 – OUI; BGH, GRUR 2014, 569, Rn. 10 – HOT; BGH, GRUR 2013, 731, Rn. 11 – Kaleido; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 7 – Starsat; BGH, GRUR 2012, 270, Rn. 8 – Link economy; BGH, GRUR 2009, 952, Rn. 9 – DeutschlandCard; BGH, GRUR 2006, 850, Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006).
Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH, GRUR 2008, 608, Rn. 66 – EUROHYPO; EuGH, GRUR 2006, 229, Rn. 27 – BioID; BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 9 – OUI; BGH, GRUR 2014, 565, Rn. 12 – smartbook; BGH, GRUR 2009, 952, Rn. 9 – DeutschlandCard). Dabei ist das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (EuGH, GRUR 2003, 604, Rn. 60 – Libertel; BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 9 – OUI; BGH, GRUR 2014, 565, Rn. 17 – smartbook).
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt enthalten, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht. Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht (BGH, GRUR 2014, 569, Rn. 10 – HOT; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 9 – Starsat; BGH, GRUR 2009, 952, Rn. 10 – DeutschlandCard; BGH, GRUR 2006, 850, Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006). Kann dagegen einem Wortzeichen für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch nicht um Angaben, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 12 – OUI; BGH, GRUR 2013, 731, Rn. 13 – Kaleido; BGH, GRUR 2012, 270, Rn. 11 – Link economy; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 9 – Starsat).
Die Bewertung der Verkehrsauffassung in Bezug auf die einschlägigen Waren und Dienstleistungen richtet sich insbesondere nach der Sicht des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (EuGH, GRUR 2006, 411, Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; EuGH, GRUR 1999, 723, Rn. 29 – Chiemsee; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 8 Rn. 42). Dieser wird die Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (BGH, GRUR 2012, 270, Rn. 12 – Link economy).
Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft kommt es auf das Verkehrsverständnis zum Zeitpunkt der Anmeldung des jeweiligen Zeichens an (BGH, GRUR 2013, 1143, Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die Unterscheidungskraft der angemeldeten Bezeichnung in Verbindung mit den hier beanspruchten Waren zu verneinen.
a) Zu den angesprochenen Verkehrskreisen der beanspruchten Waren gehören sowohl der Handel als auch der Endverbraucher. Aufmerksamkeit und Sorgfalt des Endverbrauchers sind beim Kauf preislich gehobener Produkte der Warenklasse 25, bei denen oftmals ein besonderes Markenbewusstsein an den Tag gelegt wird, etwas erhöht, bei sonstigen, häufig niedrigpreisigen Waren dieser Klasse ist demgegenüber von einem durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad auszugehen (vgl. auch BPatG, Beschluss vom 1.6.2016 – 29 W (pat) 64/14 – Inselkind).
b) Wie die Markenstelle bereits in ihrem Beschluss vom 3. Februar 2016 ausgeführt hat, handelt es sich zunächst beim reinen Wortbestandteil des angemeldeten Zeichens, „darferdas“, um eine in deutscher Sprache gehaltene unmittelbar verständliche Frage. Diese ist zudem mit dem entsprechenden Satzzeichen, dem Fragezeichen, als solche kenntlich gemacht.
Die Syntax dieser Frage ist grammatikalisch zutreffend, die einzelnen Wörter („darf“, „er“ und „das“) sind orthographisch korrekt. Nicht regelgerecht sind demgegenüber die Zusammenschreibung dieser Wörter sowie die Kleinschreibung des ersten Buchstabens „d“ zu Beginn der Frage. Sowohl bei der Kleinschreibung als auch bei der Zusammenschreibung von Wörtern handelt es sich jedoch um in der Werbung nicht unübliche stilistische Mittel, die der Verständlichkeit der konkreten Wortfolge keinen Abbruch tun. Vielmehr kann die nach dem Rautezeichen stehende Wortfolge „darferdas?“ von den angesprochenen Verkehrskreisen auf einen Blick als die Frage „Darf er das?“ erfasst werden, zumal es sich um eine kurze, ihrerseits aus nur drei ebenfalls kurzen Wörtern bestehende Zeichenfolge handelt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass – wie auch in der mündlichen Verhandlung angesprochen – Klein- und Zusammenschreibungen von Wortfolgen gerade nach einem Rautezeichen bzw. Doppelkreuz bei der Formulierung als Hashtag weit verbreitet sind.
Bei der maßgeblichen Beurteilung des angegriffenen Zeichens in seiner Gesamtheit – also unter Einbeziehung des der Wortfolge vorausgehenden Rautezeichens – wird der angesprochene Verkehr das vorangestellte Zeichen „#“ als Hinweis dahingehend verstehen, dass es um die schlagwortartige Bezeichnung eines Diskussionsthemas zu der Frage „Darf er das?“ handelt. Wie das DPMA im Beschluss 3. Februar 2016 ausgeführt und durch den dem Beschluss beigefügten Ausdruck eines Artikels vom 26. November 2015 auf www.deutschlandfunk.de belegt hat, wird das Rautezeichen bzw. Doppelkreuz vielfach verwendet, um ein Schlüsselwort zu markieren. Bei einem sog. Hashtag handelt es sich um mit dem Rautezeichen bzw. dem Doppelkreuz gekennzeichnete Begriffe oder Wortfolgen, die als Schlagworte bzw. zur Benennung von Diskussionsthemen beispielsweise in sozialen Medien wie Twitter dienen. Auch Kampagnen werden und wurden bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung des beschwerdegegenständlichen Zeichens durch einen Hashtag gekennzeichnet wie beispielsweise #aufschrei, #blacklivesmatter oder #jesuischarlie (vgl. den vom DPMA mit seinem Beschluss vom 3. Februar 2016 versandten Beleg vom 26. November 2015). Auf Nachrichtenseiten werden Hashtags ebenfalls genutzt.
Der vorliegende Hashtag „#darferdas?“ bezeichnet dementsprechend ein Diskussionsthema, nämlich ob ein nicht näher bezeichnetes Verhalten einer ebenfalls nicht näher bezeichneten männlichen Person („er“) beispielsweise rechtlich erlaubt oder auch sozial billigenswert sei.
Unter Zugrundlegung dieses Verständnisses der angesprochenen Verkehrskreise kann dem angemeldeten Zeichen insgesamt zwar ein beschreibender Gehalt in Bezug auf die beanspruchten Waren nicht entnommen werden. Auch ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren ist nicht ersichtlich.
Es handelt sich bei dem angemeldeten Wortzeichen jedoch um eine aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache zusammengesetzte Zeichenfolge, die vom angesprochenen Verkehr stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird.
c) Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren „Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts; Schuhwaren; Kopfbedeckungen“.
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren und Dienstleistungen üblicherweise verwendet werden, und insbesondere die Stelle, an der sie angebracht werden, zu berücksichtigen (BGH GRUR 2012, 1044, Rn. 20 – Neuschwanstein).
Die Markenstelle hat zutreffend ausgeführt, dass die beanspruchten Waren, beispielsweise Bekleidungsstücke, u. a. als Kommunikationsmittel dienen würden und oftmals mit „Fun-Sprüchen“ oder bekenntnishaften Aussagen versehen seien. Um eine derartige Aussage oder „Botschaft nach außen“ handelt es sich auch bei der angemeldeten Bezeichnung. Auch wenn der genaue Bedeutungsgehalt des angemeldeten Zeichens – beispielsweise welches bzw. wessen Verhalten in Frage gestellt wird – nicht aus sich heraus verständlich ist, so handelt es sich doch von der Art der Darstellung des Zeichens her, nämlich der Kennzeichnung mit dem Rautezeichen und der Formulierung als Frage, um die Bezeichnung eines Diskussionsthemas, ggf. auch einer (Medi- en-)Kampagne. Tatsächlich ist die Frage „Darf er das?“ Werktitel eines Comedy-Programms des Künstlers Chris Tall.
Im Hinblick auf den dargelegten Sinngehalt der angemeldeten Bezeichnung, die schlagwortartige Bezeichnung einer Frage als Diskussionsthema, ist in Bezug auf die zuletzt noch in Klasse 25 beanspruchten Waren „Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts; Schuhwaren; Kopfbedeckungen“ die Verwendung der Zeichenfolge „#darferdas?“ als deutlich sichtbarer Schriftzug auf der Vorder- oder auch der Rückseite der Bekleidungsstücke wie T-Shirts bzw. als erkennbarer Schriftzug auf Kopfbedeckungen oder Schuhwaren und somit als Motiv als die wahrscheinlichste und zugleich die praktisch bedeutsame Verwendungsform der angegriffenen Wortfolge anzusehen, die auch für die markenrechtliche Beurteilung maßgeblich ist.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die prüfende Stelle – in der dortigen Entscheidung das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM, nunmehr EUIPO) – nicht verpflichtet, im Rahmen der Prüfung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft die Prüfung auf andere Verwendungen der angemeldeten Marke zu erstrecken als diejenige, die sie mit Hilfe ihrer Sachkunde auf diesem Gebiet als die wahrscheinlichste erkennt (EuGH, GRUR 2013, 519 Rn. 54-56 – Deichmann/HABM [umsäumter Winkel]; anders wohl noch BGH in der Entscheidung GRUR 2010, 825 – Marlene-Dietrich-Bildnis II, nach der es für die Annahme der Unterscheidungskraft ausreichend sei, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gebe, das Zeichen bei den Waren und Dienstleistungen, für die es Schutz beansprucht, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne Weiteres als Marke verstanden werde).
Im Hinblick auf die Art und den Sinngehalt der angemeldeten Wortfolge ist im Zusammenhang mit den in Klasse 25 beanspruchten Waren von einer dekorativen Verwendung bzw. von einer „nach außen gerichteten“ Anbringung der Zeichenfolge an exponierter Stelle der Waren in Form eines gut sichtbaren Schriftzugs als wahrscheinlichster Verwendung auszugehen. Hingegen ist nicht auf ebenfalls denkbare – aber weniger wahrscheinliche und auch praktisch nicht so bedeutsame – anderweitige Verwendungen des angemeldeten Zeichens, beispielsweise in einem Etikett eines Kleidungsstücks, abzustellen. Hieran ändert auch die tatsächliche Verwendung der Zeichenfolge durch die Antragstellerin im Etikett von Kleidungsstücken nichts, wie sie aus dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen und in Augenschein genommenen T-Shirt ersichtlich ist. Bei der Prüfung der Schutzfähigkeit der angemeldeten Zeichenfolge kann nicht lediglich die vorgetragene konkrete Verwendungsabsicht der Anmelderin, die in der Anmeldung als solcher – anders als bei der Anmeldung einer Positionsmarke – nicht zum Ausdruck kommt, zugrunde gelegt werden; vielmehr ist die Unterscheidungskraft des jeweiligen Zeichens in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren und unter Berücksichtigung der nach der Sachkunde und den Recherchen des Senats auf dem jeweiligen Warengebiet wahrscheinlichsten Verwendungsform zu beurteilen.
Bei der vorstehend dargelegten Benutzung der Zeichenfolge als „Botschaft nach außen“ handelt es sich um die im Vordergrund stehende Verwendungsform (vgl. auch die Entscheidung BGH, GRUR 2014, 1204, Rn. 21 – DüsseldorfCongress, die sich mit einer Anmeldung für Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 43 befasst).
Bei einer derartigen Verwendung werden die angesprochenen Verkehrskreise das angemeldete Zeichen „#darferdas?“ dahingehend verstehen, dass dieses die Personen, denen der Träger des Kleidungsstücks begegnet, zu Überlegungen oder Diskussionen zum Thema „Darf er das?“ anregen möchte, oder dass der Träger des Kleidungsstücks seinerseits das Verhalten einer anderen Person in Frage stellt, auch wenn das Diskussionsthema nicht genauer bezeichnet wird.
Dem steht nicht entgegen, dass Hashtags ursprünglich aus dem Bereich der sozialen Medien stammen. Denn Hashtags werden – und wurden auch bereits im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung des beschwerdegegenständlichen Zeichens – im analogen Bereich ebenfalls verwendet, und zwar auch in dekorativer Form auf Bekleidungsstücken. So wurden bereits im März 2015 beispielsweise T-Shirts mit sog. Hashtags (z. B. #offline) als großflächigem Aufdruck vertrieben, wie sich aus dem in der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2017 übergebenen Beleg ergibt.
Auch die Tatsache, dass die Wortfolge „#darferdas?“ nicht als Ich-Aussage formuliert ist, steht der Annahme einer nach außen gerichteten Kommunikation nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei deutlich sichtbar auf Bekleidungsstücken angebrachten Fun-Sprüchen oftmals um in der ersten Person formulierte Botschaften. Dies ist aber nicht zwingend der Fall wie beispielsweise der vorgenannte T-Shirt-Aufdruck „#offline“ zeigt (vgl. wiederum den in der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2017 übergebenen Beleg).
Durch einen gut sichtbaren Aufdruck der angemeldeten Zeichenfolge „#darferdas?“ auf einem Bekleidungsstück, einer Kopfbedeckung oder Schuhen in der Art eines Motivs sollen die Aufmerksamkeit des Endverbrauchers geweckt und dessen Kaufanreiz gefördert werden, so dass der angesprochene Verkehr in diesem lediglich ein Gestaltungsmittel und keinen Herkunftshinweis erblickt (s. auch BPatG 26 W (pat) 508/15 – Bildmarke „Monna Lisa“; 28 W (pat) 523/12 – Märchenprinzen; 29 W (pat) 2/13 – positive way at work; 27 W (pat) 521/14 – MIR REICHT’S. ICH GEH SCHAUKELN).
3. Der Umstand, dass der Künstler Chris Tall das angemeldete Zeichen „#darferdas?“ bereits als Werktitel eines Comedy-Programms verwendet, ändert nichts daran, dass dem angemeldeten Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt. Eine Überwindung des Schutzhindernisses wäre allenfalls im Wege der Verkehrsdurchsetzung gem. § 8 Abs. 3 MarkenG möglich. Dies wurde jedoch nicht geltend gemacht.
4. Die Rechtsbeschwerde war gem. § 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zuzulassen, da der Senat im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des EuGH von Aussagen des Bundesgerichtshofs, nach denen einem Zeichen Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zukomme, wenn das Publikum es in einer praktisch bedeutsamen und naheliegenden Verwendungsmöglichkeit als Marke aufnehme (vgl. insbesondere BGH GRUR 2010, 825 - Marlene Dietrich II; BGH, GRUR 2012, 1044 - Neuschwanstein), abweicht. Der Rechtsfrage kommt zudem grundsätzliche Bedeutung zu gem. § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, da sich die Rechtsfrage, ob jede praktisch bedeutsame und naheliegende Verwendungsform bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke zugrunde zu legen ist, oder nur die wahrscheinlichste Verwendungsform, in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entscheidungspraxis berührt.
Soweit sich der Bundesgerichtshof zuletzt in der Entscheidung BGH, GRUR 2014, 1204, Rn. 21 – DüsseldorfCongress mit der Frage befasst hat, welche Verwendungsform bei der Prüfung des Schutzhindernisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zugrunde zu legen ist, so hat diese Entscheidung eine grundlegende Klärung noch nicht herbeigeführt. Zum einen war dort eine Dienstleistungsmarke betroffen, während es vorliegend um die Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Zeichens geht, das für Waren der Klasse 25 angemeldet wurde; zum anderen sind Bedeutung und Reichweite dieser Entscheidung und hier insbesondere die Frage, wann von einer im Vordergrund stehenden Verwendungsform und nicht von mehreren praktisch bedeutsamen Verwendungsformen auszugehen ist, weiterhin offen.
Gerade im Bekleidungssektor ist zumindest denkbar, dass durch die konkrete Art der Verwendung eines Zeichens beispielsweise an der Innenseite eines Kleidungsstücks in einem Etikett eine herkunftshinweisende Bedeutung eines Zeichens forciert wird.