Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.07.2014


BPatG 16.07.2014 - 26 W (pat) 86/13

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "stadtwerke hamburg (Wort-Bild-Marke)" – Täuschungsgefahr – Zulassung der Rechtsbeschwerde


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
16.07.2014
Aktenzeichen:
26 W (pat) 86/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 062 913 – S 20/12 Lösch

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 16. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Dr. Himmelmann

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. September 2013 aufgehoben. Auf den Löschungsantrag hin wird die Löschung der Marke Nr. 30 2008 062 913 angeordnet.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Markeninhaber hat am 30. September 2008 beantragt, die Wort-/Bildmarke

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für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 35, 39 und 40 in das Register einzutragen.

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Mit Bescheid vom 16. Februar 2009 hat die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts die angemeldete Marke wegen bestehender absoluter Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG beanstandet und mit Beschluss vom 4. März 2009 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die Markenanmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.

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Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 28. April 2011 auf die Erinnerung des Markenanmelders durch einen Beamten des höheren Dienstes den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 vom 4. März 2009 aufgehoben, weil dem Anmeldezeichen als Ganzes nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden könne.

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Durch Verfügung vom 29. Juli 2011 der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts ist daraufhin die Marke für die Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 35: Dienstleistungen einer Werbeagentur; Fernsehwerbung; Marketing (Absatzforschung); Marketing auch in digitalen Netzen; Merchandising (Verkaufsförderung); Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Plakatanschlagwerbung; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien für den Einzelhandel; Rundfunkwerbung; Versandwerbung; Verteilung von Werbemitteln; Werbung durch Werbeschriften; Werbung im Internet für Dritte; Zusammenstellung und Systematisierung von Nachrichten, Informationen, Bildern und Texten in Form von Dateien in Computerdatenbanken

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Klasse 39: Abschleppen von Fahrzeugen im Rahmen der Pannenhilfe; Abtransport und Lagern von Abfall- und Recyclingstoffen; Auskünfte über Transportangelegenheiten; Auslieferung von Paketen; Auslieferung von Waren; Austragen (Verteilen) von Zeitungen; Autovermietung; Beförderung von Passagieren; Beförderung von Personen; Beförderung von Personen mit Bussen (Autobusse, Omnibusse); Beförderung von Personen mit Vergnügungsdampfern; Beförderung von Reisenden; Befrachtung (Vermittlung von Schiffsladungen); Bergung von Schiffen; Betrieb von Eisbrechern; Blumenauslieferung; Buchung von Reisen; Chauffeurdienste; Dienstleistungen einer Spedition (Güterbeförderung); Dienstleistungen eines Fuhrunternehmers (Güterbeförderung); Dienstleistungen eines Transportmaklers; Durchführung von Umzügen; Durchleitung und Transport von elektrischem Strom, Heizwärme, Gas oder Wasser; Einlagerung von Booten; Einlagerung von Waren; Einpacken von Waren; Entladen von Frachten; Erteilung von Auskünften über Lagerhaltung; Flottensteuerung von Kraftfahrzeugen mittels elektronischer Navigations- und Ortungsgeräte; Frachtmaklerdienste; Frankieren von Postsendungen; Gepäckträgerdienste; Krankentransporte; Kurierdienste (Nachrichten oder Waren); Lagerung von Waren; Logistik-Dienstleistungen auf dem Transportsektor; Lotsendienst; Lufttransporte; Möbeltransporte; Nachrichtenüberbringung (Botendienst); Parkplatzdienste und Parkraumbewirtschaftung, nämlich Vermietung von Parkflächen; Personenbeförderung mit Straßenbahnen; physische Lagerung von elektronisch gespeicherten Daten und Dokumenten; Pipelinetransporte; Reisebegleitung; Reservierungsdienste (Reisen); Reservierungsdienste (Transportwesen); Rettungsdienste (Bergung); Rettungsdienste (Transport); Schifffahrtsdienste (Personen- und Güterbeförderung); Schiffsmaklerdienste; Schleusendienste; Seetransporte; Stauarbeiten (Schiffsbeladung); Taxidienste; Transport mit Binnenschiffen; Transport mit Eisenbahnen; Transport mit Fährschiffen; Transport mit Kraftfahrzeugen; Transport mit Lastkähnen; Transport mit Lastkraftwagen; Transport mit Schiffen; Transport und Lagerung von Müll; Transport von Gütern; Transport von Wertsachen; Veranstaltung von Besichtigungen; Verfrachten (Transport von Gütern mit Schiffen); Verkehrsinformationsdienste; Vermietung von Booten; Vermietung von Fahrzeugen; Vermietung von Garagen; Vermietung von Gepäckträgern für Fahrzeuge; Vermietung von Kraftfahrzeugen; Vermietung von Kühlschränken; Vermietung von Lagercontainern; Vermietung von Lagern; Vermietung von Parkplätzen; Vermietung von Pferden; Vermietung von Rennautos; Vermietung von Rollstühlen; Vermietung von Stellplätzen in Rechenzentren für Webserver zur externen Nutzung (Webhousing); Vermietung von Wagen; Vermietung von Waggons; Verpacken von Waren; Versorgung von Verbrauchern durch Anlieferung von Wasser; Verteilung von Elektrizität; Verteilung von Energie; Verteilung von Gas; Verteilung von Heizwärme; Verteilung von Wasser; Warenbefüllung für Verkaufsstände und -regale; Wasserversorgung (Transport), Sammeln von Recyclingmaterialien

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Klasse 40: Abfallverarbeitung (Umwandlung); Entgiftung von gefährlichen Materialien; Erzeugung von Energie; Luftauffrischung (Klimatisierung); Luftreinigung; Luftverbesserung (Desodorierung); Müll- und Abfallrecycling und -entsorgung, soweit in Klasse 40 enthalten; Sortierung von Müll und wieder verwertbaren Stoffen, insbesondere von Schrott und Papier; Stromerzeugung; Verbrennung von Müll und Abfall; Vermietung von Generatoren; Vermietung von Klimageräten; Vermietung von Raumheizgeräten; Vernichtung von Müll und Abfall; Wasserbehandlung; Abwasserbehandlung; Betrieb von Kläranlagen und Abwasseranlagen, nämlich Abwasserreinigung und Recycling (Umwandlung) von Abwasser

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am 3. August 2011 unter der Nr. 30 2008 062 913 in das Register eingetragen worden.

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Die Antragstellerin hat am 7. Februar 2012 die vollständige Löschung der Marke für alle eingetragenen Dienstleistungen beantragt, weil die Marke entgegen § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 MarkenG eingetragen worden sei. Zur Begründung hat sie vorgetragen, § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG komme auch dann zur Anwendung, wenn die Täuschung hinsichtlich der geschäftlichen Verhältnisse des Verwenders der Waren aus dem Bedeutungsinhalt der Marke entspringe. Davon erfasst sei auch der Fall, dass sich ein rein privates Unternehmen durch die Verwendung einer Marke der Stellung eines Unternehmens mit Beteiligung einer öffentlichen Trägerschaft berühme. Dies gelte erst recht, wenn der Markeninhaber – wie vorliegend – eine Privatperson sei, die den Eindruck erwecke, es handele sich bei ihm um ein von der öffentlichen Hand getragenes Unternehmen. Der Begriff „stadtwerke hamburg“ berge eine hinreichend schwerwiegende Gefahr der Irreführung des Verkehrs in sich. Denn ein „Stadtwerk“ sei seiner Definition nach ein von einer Stadt betriebenes Unternehmen und werde auch in der öffentlichen Diskussion als kommunaler Betrieb verstanden, der die Grundversorgung der Bevölkerung regle. Nach der Rechtsprechung des BPatG (Beschluss vom 15. September 2009, 27 W (pat) 166/09 - Stadtwerke Dachau) sei es irreführend, die Bezeichnung „Stadtwerke“ ohne eine Trägerschaft durch eine Kommune zu verwenden. Die durch die angegriffene Marke hervorgerufene Täuschung des Verkehrs beruhe auch darauf, dass durch den Begriff „stadtwerke hamburg“ falsche Vorstellungen über die geschäftlichen Verhältnisse des Markeninhabers hervorgerufen würden, und zwar insbesondere über die Autorität sowie über Größe, Verantwortung, Geschäftsumfang und Leistungsfähigkeit des Unternehmens, das hinter den angebotenen Dienstleistungen stehe, zumal der Verbraucher daran gewöhnt sei, dass die Daseinsvorsorge durch die Stadt selbst bzw. unter ihrer Beteiligung geregelt werde. Die Irreführung werde noch dadurch verstärkt, dass die angegriffene Marke zum größten Teil die Farbe Blau trage, die charakteristisch für diverse kommunale Unternehmen Hamburgs sei. Der angegriffenen Marke fehle zudem Unterscheidungskraft. Deren graphische Gestaltung könne keinen Herkunftshinweis begründen. Zudem sei der Begriff „stadtwerke hamburg“ rein beschreibend.

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Der Markeninhaber und Antragsgegner hat dem Löschungsantrag innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 S. 2 MarkenG widersprochen. Bei ihm handele es sich um eine natürliche Person, die am Tag der Markenanmeldung für die „local energy gmbh“, den größten ostdeutschen Stadtwerkeverbund, tätig gewesen sei und unter „www.kein-atomstrom.de“ eine Kampagne betreibe, die die Aufklärungsarbeit kleiner und mittelständische Energieversorger bundesweit bündele und Endverbraucher rund um den Atomausstieg sowie die Gewinnung erneuerbarer Energien informiere. Auf der Grundlage der angegriffenen Marke beabsichtige er die Errichtung eines Energieversorgungsunternehmens am Standort Hamburg unter Beteiligung kommunaler Unternehmen. Die angegriffene Marke werde beim Markteintritt bei ihrer erstmaligen Verwendung von einer juristischen Person benutzt werden, an der eine Kommune beteiligt sei. Er hat beantragt, den Löschungsantrag zurückzuweisen, weil die angegriffene Marke nicht geeignet sei, das Publikum zu täuschen und über die erforderliche Unterscheidungskraft verfüge.

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Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 4. September 2013 den Antrag auf Löschung zurückgewiesen. Die angegriffene Marke sei nicht entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG eingetragen worden. Eine Täuschungsgefahr liege selbst dann nicht vor, wenn man davon ausgehe, dass der von der Marke angesprochene Verkehr aus dem Markenbestandteil „Stadtwerke“ den Schluss ziehe, dass es sich bei dem Inhaber um einen kommunalen Betrieb der Daseinsvorsorge handele. Denn der Verkehr müsse damit nicht notwendig einem Irrtum unterliegen, weil es nicht von vorneherein ausgeschlossen sei, dass der Antragsgegner sich an einem solchen Unternehmen beteilige oder die Marke an ein solches Unternehmen übertrage oder lizenziere. Selbst wenn der Verkehr vom Antragsgegner als Markeninhaber ausgehe, bestehe keine Täuschungsgefahr i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG, weil die Täuschungsgefahr nicht von der Marke an sich ausgehe. Eine Irreführung würde erst und nur dann eintreten, wenn die Marke von einer Person benutzt würde, die nicht unter den Begriff „Stadtwerke“ eingeordnet werden könne. Dies wäre jedoch nach der Rechtsprechung des BPatG (BPatG PAVIS, 33 W (pat) 82/06 - DRSB Deutsche Volksbank) ein äußerer, nicht mehr zur Marke selbst gehörender Umstand. Eine Täuschungsgefahr für die hier in Rede stehenden Dienstleistungen scheide aus, da sich vorliegend eine mögliche Irreführung allenfalls auf eine rechtliche Eigenschaft des Antragsgegners, nicht aber auf eine solche der Marke selbst beziehe. Der angegriffenen Marke fehle auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Ob bereits der Wortbestandteil „stadtwerke hamburg“ als solcher unterscheidungskräftig sei, könne offen bleiben, weil die angegriffene Marke jedenfalls in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft aufweise.

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Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 4. September 2013 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die angegriffene Marke sei geeignet, das Publikum i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG zu täuschen. Der Gebrauch einer Geschäftsbezeichnung – so hat die Antragstellerin ausgeführt – könne irreführend sein, wenn ein Bestandteil der Firmierung geeignet sei, beim Verkehr unzutreffende Vorstellungen über die geschäftlichen Verhältnisse des Unternehmens hervorzurufen. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn mit einer Unternehmensbezeichnung oder ihr beigefügten Zusätzen ein Bezug zu staatlichen Stellen hergestellt würde, der in Wirklichkeit nicht bestehe. Zwar sollten diese wettbewerbsrechtlichen Grundsätze insbesondere nach der Entscheidung BPatG GRUR-RR 2009, 131, 133 – Deutsche Volksbank (Beschluss vom 17. Juni 2008, 33 W (pat) 82/06) keine Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung des absoluten Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG finden, da hier das Zeichen als solches in Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und nicht nur eine bestimmte Art der Verwendung irreführend sein müsse. Inhaberbezogene Umstände hätten nach dieser Rechtsprechung bei der Betrachtung außen vor zu bleiben, da eine Marke, die in Bezug auf den gegenwärtigen Anmelder oder Inhaber „falsch“ sei, jederzeit an einen anderen Verwender veräußert oder lizenziert werden könne, für den die Angabe dann „zutreffend“ sei. Diese Maßstäbe würden aber nicht für Marken gelten, die eindeutig auf eine staatliche Trägerschaft verweisen würden. Nach dem Beschluss des BPatG vom 22. Mai 2012 (27 W (pat) 51/11, GRUR-RR, 2013, 59, 61 – St. Petersburger Staatsballett) müsse dort, wo eine Marke beim Anbieter eine staatliche Trägerschaft erwarten lasse, schon im Eintragungsverfahren die Berechtigung dazu geprüft werden. Für die Berücksichtigung der Irreführung durch Berühmung staatlicher Trägerschaft schon im Eintragungsverfahren spreche nach Auffassung des BPatG (a. a. O.) auch der Gedanke des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG sowie des Art. 7 Abs. 1 lit. h GMV, staatliche Hoheitszeichen vom Markenschutz auszuschließen, wenn kein Berechtigungsnachweis vorliege. Inhaberbezogene Umstände und mit ihr die zur Irreführungsgefahr entwickelten wettbewerbsrechtlichen Grundsätze würden demnach durchaus Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung eines absoluten Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG finden, soweit mit der Markenanmeldung die Berühmung staatlicher Trägerschaft einhergehe. Die angegriffene Marke sei deshalb geeignet den Verkehr irrezuführen, weil ein „Stadtwerk“ seiner Definition nach ein von einer Stadt betriebenes Unternehmen sei und in der öffentlichen Diskussion als kommunaler Betrieb, der die Grundversorgung der Bevölkerung regele, verstanden werde. Dies würden die Entscheidungen des BPatG „Stadtwerke Bochum“ (Beschluss vom 20. Mai 2008, 33 W (pat) 118/06, GRUR 2009, 128, 129), „Stadtwerke Dachau“ (Beschluss vom 15. September 2009, 27 W (pat) 166/09) und „Stadtwerke Augsburg“ (Beschluss vom 11. September 2012, 27 W (pat) 83/12, GRUR 2013, 148, 149 f.) bestätigen. Der angemeldeten Marke fehle zudem die Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt,

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1. festzustellen, dass der beantragten Löschung der angegriffenen Marke nach §§ 54, 50 Abs. 1 MarkenG stattzugeben ist, und

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2. hilfsweise Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

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Der Antragsgegner und Beschwerdegegner beantragt die Beschwerde zurückzuweisen. Er hat zur Begründung vorgetragen, eine Täuschungsgefahr nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG bestehe nicht. Die Prüfung der absoluten Schutzhindernisse nach § 8 MarkenG im Eintragungsverfahren sei auf die angemeldete Marke als solche in der Ausgestaltung, für die ihre Eintragung beantragt werde, beschränkt, was der Auffassung des 33. Senats des BPatG (Beschluss vom 17. Juni 2008, 33 W (pat) 82/06 - DRSB Deutsche Volksbank) entspreche. Auch wenn der 27. Senat des BPatG (Beschluss vom 22. Mai 2012, 27 W (pat) 51/11, GRUR-RR, 2013, 59 – St. Petersburger Staatsballett) insoweit offenbar anderer Auffassung sei, habe er gleichwohl die Rechtsbeschwerde zugelassen. Unabhängig davon bestehe vorliegend aber keine Täuschungsgefahr. Der angegriffenen Marke komme zudem Unterscheidungskraft zu.

II.

18

Die nach § 66 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet. Zwar fehlt der angegriffenen Wort-/Bildmarke in ihrer Gesamtheit nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Doch ist die Marke nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG geeignet, das Publikum zu täuschen, weshalb sie nach § 50 Abs. 1 und 2 MarkenG gelöscht werden muss.

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1. Täuschungsgefahr, § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG

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Eine Täuschungsgefahr i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG muss von der angemeldeten Marke an sich ausgehen. Es muss also der Inhalt oder die Aussage der Marke selbst in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen irreführend sein. Auf die persönlichen oder rechtlichen Verhältnisse des jeweiligen Markenanmelders bzw. die Modalitäten einer bereits erfolgten oder zu erwartenden Markenbenutzung kommt es nicht an. Entscheidend sind die Eigenschaften, die die Marke selbst besitzt. Die Zurückweisung einer nicht täuschenden Marke kann deshalb nicht damit begründet werden, bei der Verwendung der Marke im Verkehr seien Irreführungen zu erwarten (EuG GRUR Int. 2005, 1017 Rn. 28, 29 - INTERTOPS; BGH GRUR 2002, 540, 541 – OMEPRAZOK; BPatG, Beschluss vom 28. Juni 2006, 26 W (pat) 139/104, GRUR 2007, 789, 790 Rn. 24 - Miss Cognac; Ströbele, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage 2012, § 8 Rn. 579 m. w. N.).

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In diesem Sinne hat der 33. Senat des BPatG mit Beschluss vom 17. Juni 2008 (GRUR-RR 2009, 131, 33 W (pat) 82/06 – DRSB Deutsche Volksbank), auf den die Markenabteilung 3.4 ihren Beschluss vom 4. September 2013 maßgeblich gestützt hat, entschieden, der Markenbestandteil „Deutsche Volksbank“ könne keine Täuschungsgefahr aus der Marke an sich begründen, weil die Möglichkeit bestehe, dass die Markeninhaber oder etwaige Rechtsnachfolger eine Volksbank gründen, erwerben oder dass sie ihre Marke an eine Volksbank veräußern oder lizenzieren würden. Eine Irreführung würde vielmehr erst und nur dann eintreten, wenn die Marke tatsächlich auch von einer Person benutzt würde, die keine deutsche Volksbank sei. Dies wäre jedoch ein äußerer, nicht mehr zur Marke selbst gehörender Umstand. Die restriktive Handhabung des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG im Löschungsverfahren folge nicht aus dem Erfordernis der Ersichtlichkeit nach § 37 Abs. 3 MarkenG im Eintragungsverfahren. Dass sich die Täuschungsgefahr ohne Ansehung der Person des Markeninhabers oder -anmelders aus der Marke selbst in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen ergeben müsse, folge zumindest für unternehmensbezogene Angaben aus dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG. Danach seien nur rein waren- und dienstleistungsbezogene Umstände erfasst, aber grundsätzlich keine, die den Anmelder, Inhaber oder seinen Geschäftsbetrieb beträfen. Auch sonstige außerhalb der Marke und ihrer Waren oder Dienstleistungen liegende Umstände, wie etwa die konkrete Markenverwendung, fielen nicht unter § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG, ohne dass hierzu auf das Ersichtlichkeitserfordernis zurückgegriffen werden müsse. Auf diese Weise werde vermieden, dass das Deutsche Patent- und Markenamt sowohl im Eintragungs- wie auch im Löschungsverfahren spekulative und nicht dem Charakter des Registerverfahrens entsprechende Erwägungen über den gegenwärtigen oder zukünftigen Inhaber der Marke und seine Eigenschaften oder Qualifikationen anstelle.

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Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG erfasst daher die Täuschung über den Geschäftsbetrieb grundsätzlich nicht. In dem Beschluss „St. Petersburger Staatsballett“ vom 22. Mai 2012 (27 W (pat) 51/11, GRUR-RR, 2013, 59, 61) hat dies der 27. Senat des BPatG aber nicht für unternehmensbezogene Angaben mit dem Anspruch hoheitlicher Rechte gelten lassen. Wo eine Marke beim Anbieter eine staatliche Trägerschaft erwarten lasse, müsse schon im Eintragungsverfahren die Berechtigung dazu geprüft werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Anmelder selbst vortrage, dass keine Beziehungen zu staatlichen Stellen bestehen würden. Der Begriff „Staatsballett“ sei üblich und verleite den Verbraucher zu besonderen Qualitätserwartungen. Damit sei diese Angabe geeignet, das Publikum in seinen wirtschaftlichen Entschlüssen zu beeinflussen. Für die Berücksichtigung der Irreführung durch Berühmung staatlicher Trägerschaft schon im Eintragungsverfahren spreche auch der Gedanke des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG sowie des Art. 7 Abs. 1 lit. h GMV, staatliche Hoheitszeichen vom Markenschutz auszuschließen, wenn kein Berechtigungsnachweis (§ 8 Abs. 4 S. 2 MarkenG, Art. 6ter Abs. 8 PVÜ) vorliege.

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Nach § 37 Abs. 3 MarkenG kann im markenrechtlichen Eintragungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt eine Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG nur zurückgewiesen werden, wenn die Eignung zur Täuschung ersichtlich, also ohne weiteres erkennbar ist, was umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen ausschließt (Ströbele, a. a. O., § 8 Rn. 597). Eine konkrete Prüfung der Beteiligungsverhältnisse zur Feststellung, ob ein Mindestumfang hoheitlicher Beteiligung erreicht wurde, kann deshalb wohl nicht im Registereintragungsverfahren geschehen. Aufwändige Ermittlungen sind dem Löschungsverfahren nach den §§ 50, 54 MarkenG vorbehalten (ebenso Hoffmann/Albrecht, „Stadtwerke“ als Marke und Betriebsbezeichnung, NVwZ 2013, 896, 900). In dem auf Antrag eingeleiteten Löschungsverfahren nach § 50 Abs. 1 MarkenG beansprucht das Merkmal der „Ersichtlichkeit“ keine Geltung (Umkehrschluss zu § 50 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG bei der Löschung von Amts wegen und zu § 37 Abs. 3 MarkenG).

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In dem auf Antrag eingeleiteten Löschungsverfahren nach § 50 Abs. 1 MarkenG sind deshalb die Beteiligungsverhältnisse zu prüfen. Berühmt sich der Markeninhaber durch die Marke selbst einer staatlichen bzw. kommunalen Trägerschaft, ist er aber weder zum Zeitpunkt der Eintragung der Marke noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Löschung der Marke in erforderlichem Umfang an dem staatlichen bzw. kommunalen Träger, auf den die Marke selbst hinweist, beteiligt, ist die Marke geeignet, das Publikum i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG zu täuschen.

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Die angegriffene Marke ist geeignet, hinsichtlich der für sie registrierten Waren und Dienstleistungen das Publikum zu täuschen. Denn zum Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke war die Freie und Hansestadt Hamburg, auf die die Marke hinweist, an der Inhaberschaft dieses Zeichens nicht beteiligt, weil es sich bei dem Markeninhaber eigenen Angaben zufolge um eine natürliche Person handelt, die lediglich beabsichtigt, ein Energieversorgungsunternehmen am Standort Hamburg unter Beteiligung kommunaler Unternehmen zu errichten. Nach § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG kann eine Marke, die entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG eingetragen worden ist, nur gelöscht werden, wenn das Schutzhindernis auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Löschung besteht. In dem Register des Deutschen Patent- und Markenamts ist als Inhaber der Marke 30 2008 062 913 am 16. Juli 2014 K…in B…, DE“ be- nannt, weshalb die Beteiligungsverhältnisse auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Widerspruch zur Markenaussage stehen.

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Eine Täuschungsgefahr i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG setzt nicht nur die Unrichtigkeit eines Zeichens oder einer Angabe voraus. Vielmehr muss das Zeichen bzw. die Angabe zusätzlich geeignet sein, die beteiligten Verkehrskreise in ihren wirtschaftlichen Entschlüssen zu beeinflussen (BGH GRUR 2003, 628, 630 - Klosterbrauerei; BPatGE 12, 233, 237 – SCOTCH-GRIP; Ströbele, a. a. O., § 8 Rn. 593 m. w. N.). Die Eignung der Angabe „stadtwerke hamburg“, das Publikum in seinen wirtschaftlichen Entschlüssen zu beeinflussen, ist zu bejahen, weil der durchschnittlich informierte Verbraucher unter einem mit „Stadtwerke“ bezeichneten Unternehmen einen kommunalen oder gemeindenahen Versorgungsbetrieb versteht, bei dem die Kommune einen bestimmenden Einfluss auf die Unternehmenspolitik hat, was eine unmittelbare oder mittelbare Mehrheitsbeteiligung der Gemeinde voraussetzt.

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Die angegriffene Marke ist deshalb nach §§ 50 Abs. 1 und 2 S. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG zu löschen. Der Beschwerde ist aus diesem Grund stattzugeben.

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2. Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

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Die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kommt der angegriffenen Marke in ihrer Kombination als Gesamtzeichen namentlich im Blick auf ihre graphische Ausgestaltung zu. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen der Markenabteilung 3.4 in ihrem Beschluss vom 4. September 2013 (dort Seiten 11 – 13) verwiesen werden.

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3. Zulassung der Rechtsbeschwerde, § 83 Abs. 2 MarkenG

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Die Rechtsbeschwerde ist nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zuzulassen, weil die Rechtsfrage, ob eine Marke, deren Inhaber sich fälschlicherweise staatlicher bzw. kommunaler Trägerschaft berühmt, im Löschungsverfahren auf Antrag wegen der Geeignetheit der Marke, das Publikum hinsichtlich der geschützten Waren und Dienstleistungen i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG zu täuschen, soweit ersichtlich höchstrichterlich nicht entschieden und von grundsätzlicher Bedeutung ist.