Entscheidungsdatum: 29.05.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2009 015 493
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 29. Mai 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann
beschlossen:
1. Der Antrag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
2. Die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom 6. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
I
Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt am 10. November 2010 die Löschung der für den Antragsgegner seit dem 8. Juni 2009 für Waren der Klassen 8, 11 und 21 eingetragenen Marke 30 2009 015 493 „KARACA“ mit der Begründung beantragt, der Anmelder sei bei der Anmeldung der Marke bösgläubig gewesen (§§ 54 Abs. 1, 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG). Der Antragsgegner hat der Löschung seiner Marke widersprochen (§ 54 Abs. 2 S. 2 MarkenG).
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag mit Beschluss vom 16. Februar 2012 zurückgewiesen. Gegen den Beschluss der Markenabteilung, der den seinerzeitigen Vertretern am 2. August 2012 zugestellt worden ist, haben diese für die Antragstellerin am 3. September 2012 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde innerhalb der Beschwerdefrist nicht entrichtet.
Nach einem Zwischenbescheid der Rechtspflegerin des Senats vom 12. November 2012 mit dem Hinweis, dass die tarifmäßige Beschwerdegebühr nicht bezahlt worden ist, ist – nachdem eine Reaktion der Antragstellerin auf diesen Bescheid innerhalb der eingeräumten Stellungnahmefrist nicht erfolgt ist - mit Beschluss vom 6. Februar 2013, der der Antragstellerin am 29. April 2013 zugestellt worden ist, festgestellt worden, dass die Beschwerde der Antragstellerin als nicht eingelegt gilt (§ 6 Abs. 2 PatKostG).
Am 28. März 2013 hat die Löschungsantragstellerin unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung dieser Gebühr beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie sei ohne Verschulden an der Zahlung der Beschwerdegebühr gehindert gewesen, weil sie von dem Beschluss der Markenabteilung des DPMA vom 16. Februar 2012 erst Anfang Februar 2013 Kenntnis erlangt habe. Grund hierfür sei, dass ihre früheren Vertreter sie unter massiver Verletzung der aus ihrem Mandatsverhältnis erwachsenen Pflichten nicht über den Beschluss der Markenabteilung unterrichtet hätten. Sie habe auch keine Kenntnis von der Einlegung der Beschwerde durch ihre früheren Vertreter gehabt. Diese hätten willkürlich über das Verfahren und seinen Fortgang verfügt. Die vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung seitens ihrer früheren Vertreter müsse sie sich nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Antragstellerin vom 28. März 2013 und 13. Mai 2013 Bezug genommen.
Am 13. Mai 2013 hat die Antragstellerin ferner gegen den Feststellungsbeschluss vom 6. Februar 2013 Erinnerung eingelegt.
Die Antragstellerin beantragt,
1. ihr wegen der Versäumung der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
2. den Beschluss vom 6. Februar 2013 aufzuheben,
3. hilfsweise: das Erinnerungsverfahren auszusetzen, bis über ihren Wiedereinsetzungsantrag entschieden worden ist.
Die Antragsgegnerin hat zu den Anträgen der Antragstellerin bisher nicht inhaltlich Stellung genommen.
II
1. Der Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin ist statthaft, da die Antragstellerin eine Frist versäumt hat, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Sie hat die zur rechtswirksamen Einlegung der Beschwerde gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG i. V. m. Nr. 401 100 Nr. 3 Anlage PatKostG erforderliche Zahlung der Beschwerdegebühr innerhalb der Beschwerdefrist versäumt, was nach § 6 Abs. 2 PatKostG gesetzlich zur Folge hat, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch zulässig. Er ist – bei zu Gunsten der Antragstellerin unterstellter Richtigkeit ihres Sachvortrags zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der unterbliebenen Zahlung der Beschwerdegebühr – innerhalb der Zweimonatsfrist des § 91 Abs. 2 MarkenG und innerhalb der Jahresfrist des § 91 Abs. 5 MarkenG gestellt worden. Die Antragstellerin hat innerhalb dieser Fristen auch die versäumte Handlung, nämlich die Zahlung der Beschwerdegebühr in der erforderlichen Höhe nachgeholt.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist jedoch unbegründet, weil die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nicht ohne Verschulden i. S. d. § 91 Abs. 1 S. 1 MarkenG versäumt worden ist.
Eine Fristversäumung ist nur dann ohne Verschulden erfolgt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall nach den subjektiven Umständen des Betroffenen zumutbar war. Die mangelnde Sorgfalt eines Verfahrensbevollmächtigten steht dabei dem Verschulden der Partei auch in Verfahren nach dem Patentgesetz und dem Markengesetz gleich (§ 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO; BGH GRUR 2000, 1010 - Schaltmechanismus; GRUR 2007 261 - Empfangsbekenntnis). Der Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO liegt der Gedanke zugrunde, dass die Partei, die einen Rechtsstreit oder ein sonstiges Verfahren durch einen Vertreter führen lässt, in jeder Weise so behandelt wird, als wenn sie das Verfahren selbst geführt hätte. Die Heranziehung eines Vertreters soll nicht zu einer Verschiebung des Verfahrensrisikos zu Lasten des Gegners führen (BGH RR 93, 131; BVerwG NVwZ 82,35). Das Verschulden umfasst deshalb, anders als von der Antragstellerin und in den von ihr zitierten erstinstanzlichen Entscheidungen zweier Verwaltungsgerichte vertreten, nach nahezu einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, jedes Verschulden des Prozessbevollmächtigten, also nicht nur Fälle leichter Fahrlässigkeit, sondern auch solche grober Fahrlässigkeit und solche von bedingtem und direktem Vorsatz sowie von Treuwidrigkeit (vgl. z. B. OLG Koblenz NJW-RR 1990, 960; Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage 2004, § 85 Rdn. 9). Es kommt auch regelmäßig nur auf das Verschulden des Prozessbevollmächtigten an und nicht auch darauf, dass auch den Auftraggeber ein eigenes Verschulden trifft (BGH VersR 84, 850).
Bei dieser Rechtslage kann nicht festgestellt werden, dass die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ohne Verschulden i. S. d. § 91 Abs. 1 S. 1 MarkenG versäumt worden ist. Die von der Antragstellerin im Löschungsverfahren zunächst beauftragten Rechtsanwälte, denen der Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 16. Februar 2010 mitsamt einer Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden ist, die einen Hinweis auf die Notwendigkeit der Zahlung einer Beschwerdegebühr in Höhe von 500 EUR innerhalb der Beschwerdefrist enthielt, traf die Verpflichtung, entweder selbst – ggf. auch vorsorglich - innerhalb der Beschwerdefrist für die rechtzeitige Zahlung der Beschwerdegebühr Sorge zu tragen oder ihre Mandantin – die Antragstellerin – so rechtzeitig von dem Beschluss der Markenabteilung und den laufenden Fristen zur Einlegung der Beschwerde und zur Zahlung der Beschwerdegebühr zu unterrichten, dass die Antragstellerin selbst für die Einhaltung der Fristen hätte sorgen oder rechtzeitig einen Auftrag zur Beschwerdeeinlegung und Einzahlung der Beschwerdegebühr an ihre seinerzeitigen Vertreter hätte erteilen können. Zweifelsfrei und von der Antragstellerin unbestritten steht fest, dass ihre ehemaligen Vertreter die Beschwerdegebühr nicht eingezahlt haben. Auf Grund des eigenen Sachvortrags der Antragstellerin in ihrem Wiedereinsetzungsantrag ist aber auch davon auszugehen, dass ihre seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten sie nicht über den im Löschungsverfahren ergangenen Beschluss der Markenabteilung unterrichtet und auf die Notwendigkeit der Einzahlung einer Beschwerdegebühr hingewiesen haben. Andererseits sind Tatsachen, die die Nichtzahlung der Beschwerdegebühr bzw. die unterbliebene Unterrichtung der Antragstellerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten entschuldigen könnten, weder glaubhaft gemacht noch vorgetragen worden. Bei dieser Sachlage fehlt es - unabhängig von der rechtlichen Bewertung der Tätigkeit der seinerzeitigen Vertreter der Antragstellerin, die sich nach dem Sachvortrag im Wiedereinsetzungsgesuch eher als Nachlässigkeit denn als bewusste und vorsätzliche Schädigung der Antragstellerin darstellt - an einem Wiedereinsetzungsgrund i. S. v. § 91 Abs. 1 S. 1 MarkenG, weshalb der Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg haben kann.
Auf Grund der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags ist der von der Antragstellerin weiterhin gestellte Antrag auf Verkürzung der dem Antragsgegner gesetzten Frist zur Stellungnahme auf den Wiedereinsetzungsantrag gegenstandslos geworden, so dass es einer Entscheidung über diesen Antrag nicht mehr bedarf.
2. Auch die zulässige Erinnerung der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Senats vom 6. Februar 2013 ist unbegründet.
Der bereits vor der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags vom 28. März 2013 ergangene Beschluss wies zum Beschlusszeitpunkt keine Unrichtigkeit auf und ist auch nicht nachträglich unrichtig geworden, da der Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin der Beschwerde nicht zur Wirksamkeit zu verhelfen vermag. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung zu 1. verwiesen. Anderweitige Tatsachen bzw. Gründe, die eine Aufhebung des Beschlusses vom 6. Februar 2013 rechtfertigen könnten, sind weder von der Antragstellerin dargetan worden noch sonst ersichtlich, so dass die Erinnerung keinen Erfolg haben kann.
Der hilfsweise gestellte Antrag auf Aussetzung des Erinnerungsverfahrens bis zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin ist mit der Entscheidung zu 1. gegenstandslos geworden.
Für eine von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, wonach jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, abweichende Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens (einschließlich des Wiedereinsetzungs- und Erinnerungsverfahrens) aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG gibt weder die Sach- und Rechtslage noch das Verhalten der Verfahrensbeteiligten Anlass.