Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 24.04.2018


BPatG 24.04.2018 - 25 W (pat) 581/17

Markenbeschwerdeverfahren – "Cookix/Coolix" – verspätete Zahlung der Beschwerdegebühr - Fiktion der Nichteinlegung der Beschwerde – zur Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr – Verletzung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht - Zurechnung des Verschuldens des Verfahrensbevollmächtigten - die Übertragung von Maßnahmen zur Fristenüberwachung entbindet den Anwalt nicht von einer eigenverantwortlichen begleitenden Überprüfung – zur funktionellen Zuständigkeit für die Feststellung der Nichteinlegung der Beschwerde – zur Statthaftigkeit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
24.04.2018
Aktenzeichen:
25 W (pat) 581/17
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:240418B25Wpat581.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2014 071 637

(hier: u.a. Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr)

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. April 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

1. Der Antrag der Markeninhaberin auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde der Markeninhaberin gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. März 2017 gilt als nicht eingelegt.

3. Die von der Markeninhaberin verspätet gezahlte Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.

Gründe

I.

1

Die am 14. November 2014 angemeldete Bezeichnung

2

Cookix

3

ist am 23. Januar 2015 unter der Nummer 30 2014 071 637 als Wortmarke für zahlreiche Waren der Klassen 5, 29 und 30 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 27. Februar 2015. Gegen die Eintragung hat unter anderem die Widersprechende und Beschwerdegegnerin als Inhaberin ihrer seit dem 12. August 2010 für Waren der Klasse 30 eingetragenen Wortmarke

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Coolix

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gestützt auf die Waren „feine Backwaren und Konditorwaren; Biskuits; Zuckerwaren“ Widerspruch erhoben. Der Widerspruch richtet sich gegen die Waren der Klasse 30 „feine Backwaren und Konditorwaren; Biskuits; Zuckerwaren“ der angegriffenen Marke.

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Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 6. März 2017 (Beamtin des gehobenen Dienstes) auf den Widerspruch der Widersprechenden hin die teilweise Löschung der angegriffenen Marke im beantragten Umfang nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, § 43 Abs. 2 MarkenG angeordnet, weil sich die Vergleichskennzeichen hochgradig ähnlich gegenüberstünden und insoweit Verwechslungsgefahr bestehe.

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Gegen diesen, den Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin am 9. März 2017 mit Empfangsbekenntnis zugestellten Beschluss, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, richtet sich die am 7. April 2017 vorab per Telefax beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde der Markeninhaberin, die sie mit Schriftsatz vom 10. Mai 2017 begründet hat. Mit gerichtlichem Schreiben vom 3. Juli 2017 wurden die Beteiligten darüber unterrichtet, dass die innerhalb der Rechtsmittelfrist zu entrichtende Beschwerdegebühr in Höhe von 200 Euro von der Beschwerdeführerin nicht gezahlt worden ist. Mit Überweisung vom 10. Juli 2017, auf dem Konto des DPMA eingegangen am 11. Juli 2017, hat die Markeninhaberin die Beschwerdegebühr in Höhe von Euro 200 gezahlt und darüber hinaus mit Schriftsatz vom 10. Juli 2017 beantragt,

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ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren.

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Die Markeninhaberin beantragt ebenso die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und regt gegebenenfalls die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

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Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags führt sie aus, der mit der Beschwerde angefochtene Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. März 2017 sei von dem Vertreter des Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin am 9. März 2017 entgegengenommen worden, der auch das Empfangsbekenntnis unterschrieben habe. Der Verfahrensbevollmächtigte selbst habe sich bis zum 18. März 2017 im Urlaub befunden. Der Vertreter des Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt D…, habe die Rechtsanwaltsfachgehilfin des Ver- fahrensbevollmächtigten gebeten, die Rechtsmittelfristen bzw. die in der Rechtsbehelfsbelehrung angegebenen Fristen zu notieren. Zwar habe diese die Rechtmittelfrist, nicht aber die Zahlungsfrist notiert. Sowohl bei dem den Verfahrensbevollmächtigten vertretenden Rechtsanwalt, als auch bei der Rechtsanwaltsfachangestellten handele es sich um hochqualifizierte und geschulte Personen, denen trotz des erfolgten Fristeneintrags ein Fehler unterlaufen sei. Warum die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nicht eingetragen worden sei, könne nicht mehr festgestellt werden. Das Versehen der Angestellten müsse sich der Verfahrensbevollmächtigte grundsätzlich nicht zurechnen lassen, da er bei der Auswahl, der weiteren Unterweisung und der Beaufsichtigung sowie der Übertragung der jeweiligen Aufgabe keine Obliegenheitsverletzung begangen habe. Auch den Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin selbst träfe kein Verschulden an dem Versäumnis, nachdem zum Zeitpunkt der Abgabe der Begründung der Beschwerde die damit einhergehende Überweisung der Beschwerdegebühr nicht notiert gewesen sei. Auch sei in dieser Zeit die Mutter des Verfahrensbevollmächtigten plötzlich und unerwartet am 27. April 2017 verstorben. Dadurch habe sich der Verfahrensbevollmächtigte der Markeninhaberin in einer für jeden nachvollziehbaren und verständlichen Stresssituation befunden, die zu einer Herabsetzung der Konzentration und Leistungsfähigkeit geführt habe. Deshalb sei es ihm nicht aufgefallen, dass die Zahlung der Beschwerdegebühr bisher nicht vorgenommen worden war. Die Wiedereinsetzung sei daher begründet.

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Zur Glaubhaftmachung des vorgetragenen Sachverhalts hat der Verfahrensbevollmächtigte der Markeninhaberin unter anderem eine eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts, der die Urlaubsvertretung übernommen hatte vom 10. Juli 2017 und eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin vom 10. Juli 2017 eingereicht.

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Mit der Verfügung vom 17. August 2017 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurückzuweisen, weil die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nicht als unverschuldet anzusehen sei. Denn ungeachtet des Versehens der Kanzleikraft, die die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nicht notiert habe, sei dem Verfahrensbevollmächtigten selbst ein Fehler unterlaufen. Denn spätestens bei der Unterzeichnung der Beschwerdeschrift am 7. April 2017 hätte der Verfahrensbevollmächtigte – auch unabhängig von den im Kalender eingetragenen Fristen – feststellen können und müssen, dass auch die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr am 10. April 2017 abläuft. Damit erscheine aber die Fristversäumung als nicht unverschuldet.

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Die Widersprechende hat sich der Auffassung des Senats zu der Frage der Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr angeschlossen und sinngemäß beantragt,

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den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen und entsprechend festzustellen, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt.

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Auf den Hinweis des Senats meint die Markeninhaberin, der Verfahrensbevollmächtigte habe sich darauf verlassen dürfen, dass die von den Anwaltsgehilfinnen üblicherweise festzuhaltenden Zahlungsfristen, notiert und eingehalten würden, zumal die Kanzleimitarbeiterinnen jahrzehntelang keine Frist versäumt hätten. Der Senat überspanne die den Verfahrensbevollmächtigten treffenden Sorgfaltspflichten, wenn verlangt werde, dass die Zahlungsfristen von diesem noch einmal persönlich überprüft werden. Diese Verschärfung der den Verfahrensbevollmächtigten treffenden Sorgfaltspflichten stünde nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, so dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde gerechtfertigt sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 vom 6. März 2017, die Schriftsätze der Beteiligten, die schriftlichen Hinweise des Senats vom 17. August 2017 und vom 10. Oktober 2017 und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die Beschwerde gilt nach § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt, weil die Beschwerdeführerin und Markeninhaberin die Beschwerdegebühr nach § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG nicht rechtzeitig gezahlt hat und der Antrag auf Wiedereinsetzung in Bezug auf die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr unbegründet ist. Die Beschwerdeführerin hat die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nicht ohne Verschulden im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 MarkenG versäumt, so dass die beantragte Wiedereinsetzung zurückzuweisen ist.

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1. Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG i. V. m. 66 Abs. 2 MarkenG ist die Beschwerde gegen die Entscheidung der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts (Beamtin des gehobenen Dienstes) innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses einzulegen. Innerhalb dieser Monatsfrist ist auch die Beschwerdegebühr in Höhe von 200 Euro zu bezahlen, § 66 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG i. V. m. Nr. 401 300 GebVerz. zu § 2 Abs. 1 PatKostG. Nachdem der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 vom 6. März 2017 den Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin laut Empfangsbekenntnis am 9. März 2017 zugestellt worden ist, lief die Monatsfrist am Montag, den 10. April 2017 ab, gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 222 Abs. 2 ZPO. Die von der Markeninhaberin am 7. April 2017 erhobene Beschwerde gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. März 2017 erfolgte zwar rechtzeitig, da sie innerhalb der Monatsfrist nach § 66 Abs. 2 MarkenG eingelegt wurde. Die Beschwerdegebühr hat die Markeninhaberin aber erst am 11. Juli 2017 entrichtet – im Anschluss an den gerichtlichen Hinweis vom 3. Juli 2017 zur fehlenden Gebührenzahlung – und damit mehr als drei Monate nach Ablauf der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr am 10. April 2017.

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2. Die beantragte Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden. Der Antrag der Markeninhaberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr ist statthaft und zulässig gemäß § 91 Abs. 1 bis 3 MarkenG, die versäumte Handlung der Zahlung der Beschwerdegebühr wurde auch nachgeholt, § 91 Abs. 4 Satz 1 MarkenG. In der Sache selbst hat der Wiedereinsetzungsantrag der Markeninhaberin jedoch keinen Erfolg, da das Fristversäumnis nicht ohne Verschulden erfolgt ist.

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Ohne Verschulden ist eine Frist versäumt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall nach den subjektiven Verhältnissen des Betroffenen zumutbar war (st. Rspr. vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 91 Rn. 10 m. w. N.). Das Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich, entsprechend § 85 Abs. 2 ZPO. Dabei werden an die Sorgfalt eines Anwalts von der Rechtsprechung strenge Maßstäbe angelegt (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 91 Rn. 13; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 91 Rn. 20; ebenso Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 233 Rn. 13), die aber nicht überspannt werden dürfen. Verletzt der anwaltliche Vertreter die bei der üblichen Bearbeitung von Fristsachen bestehenden Sorgfaltspflichten, so ist von einer verschuldeten Fristversäumung auszugehen. Der Verfahrensbevollmächtigte muss zwar nicht jeden Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, einfachere Verrichtungen auf sein Büropersonal zu übertragen. Die Übertragung von Maßnahmen zur Fristüberwachung entbindet den Anwalt im Übrigen aber nicht von einer eigenverantwortlichen begleitenden Überprüfung. Werden dem Rechtsanwalt die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, trifft ihn die Obliegenheit der Prüfung, ob die zu beachtende Frist und auch alle weiteren unerledigten Fristen in dem betreffenden Verfahren richtig notiert worden sind (vgl. BGH MarkenR 2009, 165 Rn. 10; Zöller, a. a. O., Rn. 23 Unterpunkt Fristenbehandlung Fristenprüfung im Zusammenhang mit Vorlage der Akten bei befristeter Prozesshandlung – Seite 706). Damit hätte der Verfahrensbevollmächtigte spätestens bei der Unterzeichnung der Beschwerdeschrift am 7. April 2017 unabhängig von den im Kalender eingetragenen Fristen feststellen können und müssen, dass auch die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr drei Tage später am 10. April 2017 abläuft. Üblicherweise werden in der weit überwiegenden Anzahl der Beschwerden zugleich mit der Beschwerdeschrift die entsprechenden SEPA-Lastschriftmandate zur Zahlung der Beschwerdegebühr eingereicht oder es wird auf die bereits getätigte Überweisung hingewiesen. Ausgehend davon hätte der Verfahrensbevollmächtigte bei der Unterzeichnung der Beschwerdeschrift unabhängig von den Eintragungen im Fristenkalender hinterfragen müssen, was mit der Zahlung der Beschwerdegebühr ist. Insoweit hätte er zu diesem Zeitpunkt, als die rechtzeitige Gebührenzahlung noch möglich gewesen wäre, eigenständig auch die Frist zur Gebührenzahlung überprüfen und entsprechende Vorkehrungen treffen müssen, um die rechtzeitige Zahlung zu gewährleisten bzw. den fruchtlosen Ablauf der Zahlungsfrist zu verhindern. Die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht werden damit keineswegs überspannt, vielmehr entspricht dies den Grundsätzen zur anwaltlichen Fristenkontrolle (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., § 233 Rn. 17 b).

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Vorliegend können damit mögliche Fehler von Hilfspersonen in der Kanzlei nicht als in erster Linie ursächlich für die Fristversäumung angesehen werden bzw. lassen diese Fehler ein für die Fristversäumung ursächliches Verschulden der Verfahrensbevollmächtigen ebenso wenig entfallen, wie der Vortrag, dass sich der Verfahrensbevollmächtigte nach dem Tod der Mutter in einem seelischen Ausnahmezustand befunden habe und seine Fristversäumnis deswegen als unverschuldet anzusehen sei. Die Mutter des Verfahrensbevollmächtigten ist laut der vorgelegten Sterbeurkunde am 27. April 2017 und damit mehr als zwei Wochen nach dem Ablauf der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr verstorben, wie der Markeninhabervertreter ausdrücklich ausführt ohne Krankheit plötzlich und unerwartet. Angesichts dieser Umstände ist nicht ersichtlich, wie sich der Tod der Mutter des Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin auf die Fristversäumung am 10. bzw. 11. April 2017 ursächlich ausgewirkt haben soll.

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3. Die Beschwerde gilt damit nach § 6 Abs. 2 PatKostG i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PatKostG als nicht eingelegt, weshalb die verspätet gezahlte Beschwerdegebühr ohne Rechtsgrund gezahlt und mithin zurückzuzahlen ist (Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 66 Rn. 53).

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4. Trotz der Vorschrift ist des § 23 Abs. 1 Nr. 4 RPflG, wonach der Rechtspfleger zur Feststellung der Nichteinlegung der Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PatKostG berufen ist, ist in den Fällen, in denen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Zahlung der Beschwerdegebühr beantragt wird, der Senat funktionell für die Frage der Wiedereinsetzung zuständig gemäß §§ 66 Abs. 1, 67 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 91 Abs. 6 MarkenG (vgl. dazu die Senatsentscheidung 25 W (pat) 89/12 vom 14. Mai 2013 = BlPMZ 2013, 355, 356f. – LORENZO; siehe dazu auch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. § 66 Rn. 50 und § 91 Rn. 30), woraus sich aus dem engen und unmittelbaren sachlichen Zusammenhang konsequenterweise gemäß § 6 RPflG auch die funktionelle Zuständigkeit des Senats für die Feststellung der Nichteinlegung der Beschwerde ergibt, wenn der Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen wird. Davon gehen die Senate des Bundespatentgerichts in ständiger Rechtsprechung aus.

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5. Über die Beschwerde und den Wiedereinsetzungsantrag der Markeninhaberin konnte entsprechend § 70 Abs. 2 MarkenG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Markeninhaberin hat im Schriftsatz vom 10. Mai 2017 zwar eine solche beantragt, § 69 Nr. 1 MarkenG und auch nach dem Hinweis des Senats vom 10. Oktober 2017, dass beabsichtigt sei, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, diesen Antrag aufrechterhalten. Ungeachtet dessen kann eine unzulässige Beschwerde aber gemäß § 70 Abs. 2 MarkenG ohne mündliche Verhandlung verworfen werden, und zwar auch dann, wenn dabei ein Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen wird (vgl. dazu auch Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 69 Rn. 9 und § 91 Rn. 33 m. w. N.). Der Verwerfung einer wegen Nichteinhaltung der Beschwerdefrist unzulässigen Beschwerde entspricht bei verspätet gezahlter Beschwerdegebühr, d. h. nicht innerhalb der Beschwerdefrist gem. § 66 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG gezahlter Beschwerdegebühr, die Feststellung, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt (vgl. dazu BPatGE 1, 132, 136). Wenn schon die Verwerfung der Beschwerde wegen Fristversäumung ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, muss dies erst recht gelten, wenn die per Gesetz eingetretene Rechtsfolge, wonach die Beschwerde wegen eines Fristversäumnisses als überhaupt nicht eingelegt gilt, festgestellt wird, zumal es sich beim markenrechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht um ein originär schriftliches Verfahren handelt (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 69 Rn. 1).

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6. Auch der Anregung der Markeninhaberin, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, war nicht zu folgen. Im vorliegenden Fall war weder eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung zu entscheiden, noch war zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich, § 83 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG. Der Senat hat die vorliegende Entscheidung unter Berücksichtigung der höchstrichterlich aufgestellten Rechtsgrundsätze und der allgemein anerkannten Erfahrungssätze getroffen und insbesondere auch die Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung und zum Verschulden bei Fristversäumnissen berücksichtigt.

26

7. Zur Auferlegung von Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.

III.

27

Nach Auffassung des Senats ist gegen die vorliegende Entscheidung eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 MarkenG nicht statthaft.

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Eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde ist statthaft, wenn sie sich gegen einen Beschluss richtet, durch die über eine Beschwerde nach § 66 MarkenG entschieden wird, und substantiiert einer der in § 83 Abs. 3 MarkenG aufgeführten Verfahrensfehler gerügt wird. Die vom I. Senat des BGH stets verwendete Formel, dass die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde statthaft ist, wenn substantiiert einer der in § 83 Abs. 3 MarkenG aufgeführten Verfahrensfehler gerügt wird, ist nach Auffassung des Senats unvollständig und missverständlich. Nach dem Wortlaut des Einleitungssatzes von § 83 Abs. 3 MarkenG im Zusammenhang mit § 83 Abs. 1 MarkenG ersetzt die substantiierte Verfahrensrüge nur die fehlende Zulassung der Rechtsbeschwerde, nicht jedoch die Voraussetzungen der Statthaftigkeit nach § 83 Abs. 1 MarkenG im Übrigen. Die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde dürfte demzufolge nur dann statthaft sein, wenn sie sich gegen rechtsbeschwerdefähige Beschlüsse richtet, also gegen solche Entscheidungen, durch die über eine Beschwerde nach § 66 MarkenG entschieden wird (siehe dazu auch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. § 83 Rn. 33 und 34).

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Bei der Entscheidung über die Nichteinlegung der Beschwerde handelt es sich zudem offensichtlich nicht um eine Entscheidung über eine Beschwerde i. S. d. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG. Denn die Entscheidung, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt, erfolgt nach § 6 Abs. 2 PatKostG i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PatKostG. Dabei wird über die eingelegte Beschwerde gerade nicht sachlich i. S. d. § 83 Abs. 1 Satz 1 MarkenG entschieden, sondern es wird nur festgestellt, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt. Bei regulärem Verfahrensgang ohne einen Antrag auf Wiedereinsetzung seitens des zahlungspflichtigen Beschwerdeführers entscheidet der Rechtspfleger nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 RPflG. Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers ist gemäß § 23 Abs. 2 RPflG innerhalb einer Frist von zwei Wochen die Erinnerung gegeben. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 7 RPflG gelten für die Erinnerung grundsätzlich die Vorschriften der ZPO über die sofortige Beschwerde, einschließlich der entsprechenden Vorschriften der ZPO über die Rechtsmittel. Ausgehend davon ist gegen die Entscheidung des Senats grundsätzlich die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, wenn sie zugelassen ist (siehe dazu auch die Senatsentscheidung 25 W (pat) 19/15 vom 20. Januar 2017 = GRUR 2017,1172 Rn. 20 – Cevita). Eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde sieht die ZPO – anders als § 83 Abs. 3 MarkenG – nicht vor.

30

Gleichwohl hat ein anderer Senat in einer vergleichbaren Lage ohne jede Einschränkung eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung erteilt (vgl. dazu BPatG 27 W (pat) 47/14 vom 3. Februar 2015), wobei der I. Senat des BGH ohne weiteres und ohne das Problem überhaupt anzusprechen von der Statthaftigkeit der dann eingelegten nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde ausgegangen ist und darüber auch sachlich entschieden hat (siehe dazu BGH I ZB 15/15 vom 25. Januar 2016).

31

Die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung zur zulassungsfreien Rechtsbeschwerde wird daher nur rein vorsorglich gegeben.