Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 24.04.2014


BPatG 24.04.2014 - 24 W (pat) 534/13

Markenbeschwerdeverfahren – "MIOD (IR-Marke)" – Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
24.04.2014
Aktenzeichen:
24 W (pat) 534/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 5 MAbk Madrid
Art 6quinquies Abschn B PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 1 097 184

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. April 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die seit 17. Oktober 2011 international registrierte Marke IR 1 097 184

2

MIOD

3

begehrt u. a. für die folgenden Waren und Dienstleistungen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland:

4

Klasse 3: Savons; parfumerie, huiles essentielles, cosmétiques, lotions pour les cheveux; dentifrices

5

Klasse 5: Produits pharmaceutiques pour êtres humains; emplâtres, matériel pour pansements; substances hygiénique; produits désinfectants; gels désinfectants

6

Klasse 44: Services médicaux; soins d'hygiène et de beauté pour êtres humains.

7

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 Internationale Markenregistrierung des Deutschen Patent- und Markenamts hat der international registrierten Marke IR 1 097 184 mit Beschluss vom 30. August 2013 teilweise, nämlich für die oben genannten Waren und Dienstleistungen, nach Beanstandung den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland verweigert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, einer Schutzrechtserstreckung stehe insoweit das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Zudem fehle „MIOD“ für diese Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Aus dem Polnischen in die deutsche Sprache übersetzt bedeute „MIOD“ „Honig“. Die genannten Waren der Klassen 3 und 5 könnten, so hat die Markenstelle unter Vorlage von Belegen ausgeführt, Honig als Wirkstoff enthalten. Die genannten Dienstleistungen der Klasse 44 könnten mit der Anwendung von Honigprodukten in Zusammenhang stehen. Daher stehe einer Schutzrechtserstreckung von „MIOD“ für die genannten Waren und Dienstleistungen als freihaltebedürftiger Bestimmungsangabe das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

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Gegen diese Entscheidung wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, bei „MIOD“ handele es sich um ein unterscheidungskräftiges und nicht freihaltebedürftiges Zeichen. Das polnische Wort „MIOD“ sei den beteiligten Verkehrskreisen im Inland nicht bekannt. Polnisch sei keine regelmäßig an Schulen im Inland unterrichtete Fremdsprache. Auch weise das Wort „MIOD“ hinsichtlich seines Wortstammes keinerlei Ähnlichkeit zu seinem deutschen Pendant „Honig“ auf.

9

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 Internationale Markenregistrierung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. August 2013 aufzuheben.

11

Mit Hinweisverfügung vom 22. Januar 2014 hat der Senat unter Übersendung weiterer Belege Zweifel an den Erfolgsaussichten der Beschwerde geäußert. Daraufhin hat die Anmelderin ihren ursprünglich auf die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung gerichteten Hilfsantrag zurückgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

12

Die zulässige, insbesondere nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG statthafte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Einer Schutzrechtserstreckung der Marke “MIOD“ auf die oben genannten Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5 und 44 auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Denn „MIOD“ stellt für diese Waren und Dienstleistungen eine freihaltebedürftige Merkmalsbeschreibung dar. Für die oben genannten Waren und Dienstleistungen hat die Markenstelle für Klasse 3 Internationale Registrierung dem schutzsuchenden Zeichen daher zu Recht die Schutzrechtserstreckung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland versagt, §§ 119, 124, 113, 37 Abs. 1 und Abs. 5, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B PVÜ.

13

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dürfen Marken nicht eingetragen werden, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, für welche die Eintragung beantragt wird; Schutzrechtserstreckungen Internationaler Registrierungen dürfen insoweit für die Bundesrepublik Deutschland nicht bewilligt werden. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 265). Es genügt also, wenn das schutzsuchende Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 30, 31 - Chiemsee; GRUR 2004, 674, Rn. 56 - Postkantoor).

14

Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 29 - Chiemsee; GRUR 2006, 411, Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, und für die Beurteilung des beschreibenden Charakters fremdsprachiger Marken nicht notwendig die Fremdsprachen- und Branchenkenntnisse der inländischen Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Waren entscheidungserheblich sind (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 8 Rn. 100; Ströbele MarkenR 2006, 433, 435). Für die Frage der Schutzrechtserstreckung eines Zeichens, das, wie „MIOD“ i. S. v. „Honig“, in der Sprache eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union für die betreffenden Waren und Dienstleistungen beschreibend ist, ist dabei entscheidend, ob die beteiligten Verkehrskreise in dem Mitgliedstaat, in dem die Eintragung bzw. Schutzrechtserstreckung beantragt wird, in relevantem Umfang im Stande sind, die Bedeutung des Zeichens zu erkennen (EuGH, B. v. 9. März 2006, GRUR 2006, 411, Rn. 26 u. 32 – Matratzen Concord/Hukla).

15

Die genannten Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5 und 44 richten sich an den inländischen Fachverkehr für Mittel zur Körper-, Schönheits- und Gesundheitspflege, für pharmazeutische Produkte sowie an die Erbringer medizinischer Dienstleistungen und solcher zur Körper- und Schönheitspflege.

16

Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 35 - Chiemsee; GRUR 2004, 674, Nr. 56 - Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 30 - Chiemsee; GRUR 2004, 146, Nr. 32 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, Nr. 98 - Postkantoor).

17

Als eine in diesem Sinn Merkmale der genannten Waren und Dienstleistungen beschreibende Angabe, an deren freier ungehinderter Verwendung die Mitbewerber der Markeninhaberin ein berechtigtes Interesse haben, ist die schutzsuchende Marke zu beurteilen.

18

Sie besteht aus dem zum polnischen Grundwortschatz gehörenden Wort „MIOD“ i. S. v. „Honig“ (vgl. Hueber-Verlag, Grundwortschatz Polnisch, 2008, S. 48; PONS, Klett-Verlag 2008, Wielki slownik, posko-niemiecki, S. 425, der Markeninhaberin mitgeteilt mit Hinweis vom 22. Januar 2014 (Bl. 17 d. A.)). Transkribiert entspricht es zugleich dem klanglich identischen Ausdruck „мёд“ für „Honig“ im Russischen (vgl. PONS, Kompaktwörterbuch Russisch-Deutsch Deutsch-Russisch, 1. Aufl. 2007, S. 308, der Markeninhaberin ebenfalls mitgeteilt mit Hinweis vom 22. Januar 2014 (Bl. 17 d. A.)).

19

Die in den Klassen 3 und 5 genannten Waren können Honig als Wirk- und Inhaltsstoff enthalten. Die bereits durch die Markenstelle übersandten Nachweise (Anlagen zum Beschluss vom 30. August 2013, Bl. 18 ff. der Patentamtsakte) beziehen sich auf die entzündungshemmende, beruhigende und heilungsfördernde Wirkung von Honig und belegen seine Verwendung in Gesichtsmasken, Badeölen, Badesalzen, Dusch-Gels, Körperlotionen, Deos, Eau's de Toilette, Reinigungsprodukten, Cremes, Shampoos, Spülungen und Haarkuren. Am Markt werden ätherische Öle der Geruchsrichtung „Honig“ und Zahnpflegemittel mit den Inhaltsstoffen Honig und Propolis angeboten. Seiner antiseptischen und desinfizierenden Wirkung wegen wird das Bienensekret als Wirkstoff bei der Herstellung von Pflastern und Wundauflagen genutzt. Honig kommt zudem bei der Behandlung von Darminfekten zum Einsatz, denn, so geht aus den Belegen der Markenstelle hervor, er vermag den Magenkeim Helicobacter pylori abzutöten, welcher als eine Hauptursache von Magengeschwüren und als Risikofaktor für Magenkrebs gilt. Auch die oben in der Klasse 44 genannten medizinischen Dienstleistungen und Dienstleistungen zur Gesundheits- und Schönheitspflege können mithin mithilfe von Honig als zentralem Wirkstoff erbracht werden.

20

Die hier angesprochenen Fachverkehrskreise, zu denen u. a. der Handel mit Drogeriewaren und hierauf bezogenen Anwendungen zählt, werden den Sachbegriff „Honig“ in Zusammenhang mit den genannten Waren und Dienstleistungen ausschließlich als Sachhinweis auf die Inhalts- und Wirkstoffe verstehen, die in den genannten Waren der Klassen 3 und 5 enthalten sein können und mithilfe derer die oben genannten Dienstleistungen der Klasse 44 erbracht werden können. Die beschriebenen und belegten Wirkungs- und Verwendungsweisen von Honig sind bei ihnen als bekannt vorauszusetzen. Wie die von der Markenstelle übermittelten Nachweise belegen (Anlagen zum Beschluss vom 30. August 2013, Bl. 18 ff. der Patentamtsakte), gehen Kenntnisse zur heilungsfördernden, antibakteriellen Wirkung von Honig bereits auf Hippokrates v. Kos (460 – 370 v. Chr.) zurück. Soweit diese Kenntnisse nicht ohnehin zum Allgemeinwissen zählen, gehören sie zum fachspezifischen Wissen dieser Verkehrskreise. Auch die Kenntnis zentraler Inhaltsstoffe im Inland gehandelter Mittel zur Körper-, Schönheits- und Gesundheitspflege und von pharmazeutischen Produkten wie „Honig“ gehört zu denjenigen berufsspezifischen Kenntnissen, über die der diesbezügliche Fachverkehr erfahrungsgemäß verfügt.

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Der hier angesprochene Fachverkehr nimmt an dem inzwischen regen Austausch von Kosmetika, Pharmazeutika, Pflegeprodukten und Dienstleistungen auf den Gebieten der Medizin, der Gesundheits- und Körperpflege zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland in relevantem Umfang teil. Wie sich aus den vorab durch den Senat übersandten Unterlagen (Anlagen zum Hinweis vom 22. Januar 2014, Bl. 20 ff. d. A.) ergibt, belegte Polen als größter Handelspartner in Mittel- und Osteuropa im Jahre 2010 in der deutschen Außenhandelsstatistik den zehnten Rang. Deutschland ist Polens wichtigster Handelspartner. 25% der polnischen Exporte sind für in Deutschland bestimmt, und 21% seiner Importe stammen aus Deutschland. Insbesondere ist Deutschland das führende Lieferland von Kosmetika nach Polen. So planen beispielsweise die Inhaber der deutschen Drogeriekette R…, die in Polen Ende des Jahres 2013 825 Filialen unterhielten, die Anzahl ihrer Standorte im Nachbarland bis 2018 nahezu zu verdoppeln.

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Die vorgenannten, durch den Senat übersandten Unterlagen belegen auch den internationalen Handel mit Honig als Grund- und Rohstoff für die Erzeugung der oben genannten Waren der Klassen 3 und 5 und die Erbringung der oben genannten Dienstleistungen der Klasse 44. Honig gehört zu denjenigen Naturstoffen, deren inländischer Bedarf sich nur durch Importe, u. a. aus Polen, decken lässt. In der Entwicklung der Bienenvölker und der Zahl der Imker innerhalb der Europäischen Union steht das Nachbarland Polen inzwischen jeweils an vierter Stelle.

23

Im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen den Nachbarländern Deutschland und Polen wird daher der polnische Sachbegriff „MIOD“ zur Etikettierung, Bewerbung und Beschreibung der oben bezeichneten Waren und Dienstleistungen sowie ihres Wirk-, Roh- und Inhaltsstoffs „Honig“ zur Beschreibung benötigt, so dass insoweit das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingreift (vgl. BPatG GRUR 1997, 286 – Vodni Stavni; BPatG 30 W (pat) 44/11, E. v. 26.07.2013 - PILLOLA). Die am Im- und Exporthandel mit Polen beteiligten Fachkreise werden das polnischsprachige Markenwort in der dargelegten beschreibenden Bedeutung in relevantem Umfang verstehen und ein Interesse daran haben, es im Rahmen des Handelsverkehrs mit dem EU-Mitglied Polen ungehindert von Monopolrechten Einzelner zur Beschreibung einsetzen zu können. Eine Monopolisierung könnte sich im grenzüberschreitenden, inner-europäischen Verkehr als Handelshemmnis erweisen, weil sie für Wettbewerber der Markeninhaberin mit zusätzlichen Kosten für Neu- und Umetikettierungen verbunden wäre. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob sich die Mitbewerber anstelle von „MIOD“ anderer - polnischer oder deutscher - Begriffe bedienen können, da ihnen grundsätzlich die freie Wahl zwischen allen unmittelbar beschreibenden Angaben erhalten bleiben muss (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Nr. 55, 56 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, Nr. 36 - BIOMILD; BPatG 24 W (pat) 110/05 - BAGNO; 24 W (pat) 558/11 - VENTAS). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, wie groß die Zahl der Konkurrenten ist, die ein Interesse an der Verwendung der beschreibenden Angabe haben (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 58 - Postkantoor).

24

Als beschreibende, jedenfalls für den internationalen Fachhandel mit Sitz in Deutschland als solche erkennbare Sachangabe ist „MIOD“ deswegen im Umfang der Schutzversagung durch das DPMA nicht schutzfähig i. S. v. §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B PVÜ. Die Beschwerde hatte daher keinen Erfolg.

25

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass. Das Vorliegen der Zulassungsgründe nach § 83 Abs. 2 MarkenG ist weder ersichtlich, noch hat die Markeninhaberin hierzu etwas vorgetragen.