Entscheidungsdatum: 26.07.2012
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 307 81 454.8
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2012 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende, der Richterin Dorn und des Richters am Amtsgericht Backes
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Zeichen PILLOLA ist als Wortmarke für „Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Gynäkologika sowie Sexualhormone und ihre Hemmstoffe“ zur Eintragung in das Register angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Erstbeschluss vom 29. April 2009 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass das italienische Wort „pillola“ im Deutschen „Tablette, Pille“ bedeute und von den beteiligten deutschen Verkehrskreisen aufgrund des gleichen Wortstamms verstanden werde; hinzu komme, dass unter die beanspruchten Waren auch Antibabypillen fallen könnten, welche umgangssprachlich mit „Pille“ bezeichnet würden. „PILLOLA“ werde daher als Angabe zur Beschaffenheit und Anwendung der angemeldeten Waren aufgefasst. Darüber hinaus bestehe auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, welches das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolge, beschreibende Angaben allen Mitbewerbern zur freien Verfügung offen zu halten. Dabei seien nicht notwendig die Sprachkenntnisse des inländischen Durchschnittsverbrauchers entscheidungserheblich. Beachtlich sei vielmehr, ob die beschreibende Bedeutung für die am Handel mit den betroffenen Waren, insbesondere für die am zwischenstaatlichen Handelsverkehr beteiligten Fachkreise erkennbar sei. Im Warenverkehr mit Italien und im Rahmen von mehrsprachigen Produktbeschreibungen, Gebrauchsanleitungen oder Beipackzetteln könne „PILLOLA“ zur Bezeichnung der Beschaffenheit der beanspruchten Waren dienen und werde deshalb für Zwecke des Im- und Exports als Sachhinweis benötigt. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung hat die Markenstelle durch Beschluss vom 20. Januar 2011 zurückgewiesen, weil der angemeldeten Bezeichnung als Sachhinweis jegliche Unterscheidungskraft fehle und sich zur Begründung insoweit - im Wesentlichen - auf die Begründung im Erstbeschluss bezogen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist mit näheren Ausführungen der Auffassung, dass das Zeichen unterscheidungskräftig sei. Das angesprochene deutsche Publikum besitze nicht so ausreichende Italienischkenntnisse, um der angemeldeten Bezeichnung „PILLOLA“ eine Bedeutung zuzumessen. Es werde keine analysierende Betrachtung oder Übersetzung vornehmen, sondern die Marke schlicht als Phantasiebegriff betrachten. Da das Zeichen keinen beschreibenden Inhalt aufweise, unterliege es auch keinem Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die Verwendung von Wörtern der italienischen Sprache sei im hier maßgeblichen Warenbereich weder üblich noch naheliegend. Auch habe das italienische Markenamt die Marke „LA PILLOLA DELL´AMORE“ eingetragen und somit selbst für Italien keine Eintragungshindernisse gesehen.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. April 2009 und vom 20. Januar 2011 aufzuheben,
hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist gemäß § 66 MarkenG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der beanspruchten Waren oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 265). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 30, 31 - Chiemsee; GRUR 2004, 674, Rn. 56 - Postkantoor). Hierbei schließt § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG alle Beschaffenheitsangaben vom Schutz aus und betrifft nicht nur solche, die wichtige Eigenschaften der Waren beschreiben (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 323 m. w. N.).
Dies kann auch bei im Inland unbekannten fremdsprachlichen Wörtern der Fall sein, deren beschreibende Bedeutung von den inländischen Durchschnittsverbrauchern nicht ohne weiteres erkannt wird, wenn eine beschreibende Verwendung des Wortes im Geltungsbereich des MarkenG ernsthaft in Betracht zu ziehen ist - z. B. bei mehrsprachigen Gebrauchsanleitungen oder Beipackzetteln und beim Export von Waren (vgl. Ströbele/Hacker , MarkenG, 10. Aufl., § 8, Rn. 391 m. w. N.).
Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 29 - Chiemsee; GRUR 2006, 411, Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, und für die Beurteilung des beschreibenden Charakters fremdsprachiger Marken nicht notwendig die - teilweise sehr beschränkten - Fremdsprachen- und Branchenkenntnisse der inländischen Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Waren entscheidungserheblich sind (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 8 Rn. 100; Ströbele MarkenR 2006, 433, 435).
Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 35 - Chiemsee; GRUR 2004, 674, Nr. 56 - Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 30 - Chiemsee; GRUR 2004, 146, Nr. 32 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, Nr. 98 - Postkantoor).
Als eine in diesem Sinn Merkmale der beanspruchten Waren beschreibende Angabe, an deren freien ungehinderten Verwendung die Mitbewerber der Anmelderin ein berechtigtes Interesse haben, ist die angemeldete Marke zu beurteilen.
Zutreffend hat die Markenstelle festgestellt, dass das italienische Wort „Pillola“ im Deutschen „Pille, Tablette“ bedeutet (Sansoni, Wörterbuch der italienischen deutschen Sprache, 2. Aufl., Bd. 1, S. 972). Eine Tablette ist eine Darreichungsform eines Arzneistoffs. In dieser Bedeutung ergibt sich eine unmittelbar beschreibende Angabe des italienischen Markenwortes „PILLOLA“ für die mit der Anmeldung beanspruchten Waren, die ohne Weiteres die Darreichungsform einer Tablette aufweisen können. Es kann davon ausgegangen werden, dass jedenfalls die am Handel mit den betroffenen Waren, insbesondere die am entsprechenden zwischenstaatlichen Handelsverkehr mit Italien beteiligten Fachkreise im Stande sind, den italienischen Begriff „PILLOLA“ als die beschreibende Beschaffenheitsangabe „Tablette“ zu erkennen. Dem Teil des inländischen Handels, der europaweit agiert, können entsprechende Sprachkenntnisse unterstellt werden.
Vor dem Hintergrund, dass die am Warenverkehr mit Italien beteiligten inländischen Händler für den Export dorthin bestimmte Waren der angemeldeten Art vor dem Versand noch im Inland mit den erforderlichen Sachangaben in italienischer Sprache versehen können oder Waren aus Italien mit italienischer Originalbeschriftung nach Deutschland einführen, kann mithin das italienische Markenwort „PILLOLA“ im - inländischen - Verkehr zur Bezeichnung der Beschaffenheit der mit der Anmeldung beanspruchten Waren dienen. Dasselbe gilt für mehrsprachige Produktbeschreibungen, Gebrauchsanleitungen usw., die regelmäßig auch in italienischer Sprache abgefasst sind. Da es insoweit auch nicht entscheidend darauf ankommt, wie groß die Zahl der Konkurrenten ist, die ein Interesse an der Verwendung der beschreibenden Angabe haben (vgl. EuGH a. a. O. Nr. 58 Postkantoor), genügt es bereits, dass die am Im- und Exporthandel mit Italien beteiligten Fachkreise das italienischsprachige Markenwort „PILLOLA“ in der dargelegten beschreibenden Bedeutung verstehen und ein Interesse daran haben, es im Rahmen des Handelsverkehrs mit dem EU-Mitglied Italien ungehindert von Monopolrechten Einzelner zur Beschreibung einsetzen zu können. Unerheblich ist, ob sich die Mitbewerber hierzu noch anderer - italienischer oder deutscher - Begriffe bedienen können, da ihnen grundsätzlich die freie Wahl zwischen allen unmittelbar beschreibenden Angaben erhalten bleiben muss (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Nr. 55, 56 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, Nr. 36 - BIOMILD; BPatG 24 W(pat) 110/05 - BAGNO; 24 W(pat) 558/11 - VENTAS).
Da die angemeldete Bezeichnung nach § 8 Abs. 2. Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist, kommt es nicht darauf an, ob auch ein Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG besteht. Es kann deshalb dahinstehen, ob der gemeinsame Wortstamm zum deutschen Wort „Pille“ vom allgemeinen Verkehrskreis erkannt und „PILLOLA“ deswegen beschreibend verstanden wird.
Darauf, dass die Bezeichnung „LA PILLOLA DELL´AMORE“ in Italien für Waren der Klassen 5, 29 und 30 als Marke eingetragen worden ist, kommt es für das in Deutschland angemeldete Zeichen „PILLOLA“ nicht an (Ströbele/Hacker, MarkenR, 10. Aufl., § 8, Rn. 45, 46 m. w. Nw.). Maßgeblich für ein im Inland angemeldetes Wortzeichen ist zudem allein der übliche Sprachgebrauch in den betreffenden Adressatenkreisen in Deutschland (vgl. EUGH, GRUR 2001, 1145-1148 - Baby-dry; GRUR 2006, 411, 412 Nr. 26 - Matratzen Concord/Hukla).
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass. Das Vorliegen der Zulassungsgründe nach § 83 Abs. 2 MarkenG ist weder ersichtlich noch ist hierzu von der Anmelderin etwas vorgetragen.