Entscheidungsdatum: 04.07.2018
1. Das Urteil des Landgerichts Gera vom 30. November 2016 wird, soweit es den Angeklagten F. betrifft,
a) auf die Revision der Staatsanwaltschaft,
b) auf die Revision des Angeklagten, soweit er verurteilt worden ist,
jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten F. unter Freispruch im Übrigen wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Vom Vorwurf des banden- und gewerbsmäßigen Betruges in 40 Fällen und des Versuchs hiervon in neun Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, hat es den Angeklagten freigesprochen.
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich mit der Sach- und Verfahrensrüge insbesondere gegen den Freispruch. Das unbeschränkt eingelegte Rechtsmittel, mit dem die Staatsanwaltschaft etwa auch die rechtsfehlerhaft unterbliebene Verurteilung als Bandenmitglied gerügt hat, hat mit der Sachrüge den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg. Es führt auch zur Aufhebung des Schuldspruchs, da dieser zu Lasten des Angeklagten rechtsfehlerhaft ist (§ 301 StPO).
Auch die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft
1. Der Freispruch des Angeklagten
a) Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem Rechtsmittel gegen den Teilfreispruch des Angeklagten und begehrt dessen Verurteilung wegen „gemeinschaftlichen“ Betruges in Fall B.II.37 der Urteilsgründe sowie wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in zwei Fällen (Fälle B.II.1 und 2 der Urteilsgründe) jeweils tateinheitlich begangen mit Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug in 41 Fällen.
aa) Zum Vortatgeschehen hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte war seit 1995 im Bereich der Vermittlung von Vorratsgesellschaften und seit 1998 auch in der Vermittlung von Mantelgesellschaften tätig. Ab dem Jahr 2012 vereinbarte er mit dem Angeklagten M. diesbezügliche gemeinsame Geschäfte. F. s Aufgabe sollte dabei die Verkäuferakquise sein, während M. die Gewinnung und Betreuung der Käufer übernehmen sollte. Insbesondere vermittelten die Angeklagten M. und F. dabei auch Gesellschaften mit solider Bonität an Käufer, die eben diese Bonität nutzen wollten, um noch vor der registerrechtlichen Umsetzung des Inhaber- und Geschäftsführerwechsels Warenlieferungen oder den Abschluss von Leasingverträgen über die Firmenhülle zu tätigen. Einige dieser Geschäfte gerieten zum Rückschlag für M. und F. , so dass sich insbesondere der Mitangeklagte M. Mitte 2013 in einer prekären finanziellen Lage befand. Er und der Mitangeklagte K. kamen im Dezember 2013 mit dem Angeklagten A. überein, dauerhaft und fortgesetzt durch Warenbestellbetrug Geld zu erlangen.
bb) Keine sichere Überzeugung von einer Täterschaft des Angeklagten hat sich das Landgericht in den Fällen B.II.1 und 2 der Urteilsgründe verschaffen können, in denen M. , K. und A. den Verkäufer der Mantelfirma (Fall B.II.1 der Urteilsgründe) und einen beurkundenden Notar (Fall B.II.2 der Urteilsgründe) betrogen:
Als Hülle für die vorzunehmenden Bestellungen sollte die J. AG dienen, die über eine gute Bonität verfügte und die ihr Inhaber, der Zeuge S. verkaufen wollte. K. kam als Käufer nicht in Betracht, da der Zeuge S. nicht bereit war, an einen Ausländer zu verkaufen, so dass der vormals Mitangeklagte A. , handelnd unter dem Alias-Namen „A. “, M. begleitete und als Käufer auftrat. Entgegen vorheriger Absprache, jedoch wie von den Angeklagten geplant, zahlte M. S. nicht den Kaufpreis in Höhe von 10.000 Euro in bar, was weitere Treffen notwendig machte, in deren Verlauf die Angeklagten auf Drängen schließlich 7.000 Euro zahlten. Diese Teilzahlung nahmen sie allein vor, um die Aufdeckung bereits unter dem Firmenmantel getätigter Betrugshandlungen zu verhindern. Der Angeklagte F. nahm an zumindest einem dieser Treffen Anfang Januar 2014 teil und gab sich dabei gegenüber dem Zeugen S. sowie dem als Steuerberater und Aufsichtsratsvorsitzenden der J. AG tätigen Zeugen G. als Berater des neuen Eigentümers „A. “ namens „ B. “ aus. Bei diesem Treffen übergab der Zeuge G. Abschlusszahlen für 'das Jahr 2012 und einen von ihm unterschriebenen Umlaufbeschluss (Fall B.II.1 der Urteilsgründe für die Angeklagten M. und K. ).
Zwischen dem 3. und 9. Januar begleitete der Angeklagte F. den Mitangeklagten A. in das Notariat Fr. und H. nach W. , wo die Bestellung des „A. “ zum Vorstand der J. AG beglaubigt werden sollte. Wie von Anfang an geplant, wurde die Kostenrechnung des Notars über 146,43 Euro nicht beglichen (Fall B.II.2 der Urteilsgründe für die Angeklagten M. und K. ).
Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass auch der Angeklagte F. in jene Tathandlungen einbezogen war. Zwar habe dieser – nach dem bereits abgeschlossenen Kaufvertrag über die Anteile an der J. AG – die Zeugen S. und G. über seine Identität getäuscht, jedoch keinen Einfluss auf Ablauf oder Inhalt von Verhandlungen mit ihnen genommen.
Des Weiteren hat das Landgericht die Einlassung des Angeklagten F. , von den betrügerischen Absichten der Mitangeklagten keine Kenntnis gehabt und dem Mitangeklagten M. nur als Berater zur Seite gestanden zu haben, als unwiderlegt angesehen (UA S. 120 ff.). Der Aussage des Mitangeklagten M. , der Angeklagte F. sei in die Tatplanung eingeweiht gewesen, hat es keine Bedeutung beigemessen, weil es sich dabei um pauschale Behauptungen gehandelt habe, zu denen sich der Angeklagte M. auch nicht weiter eingelassen habe (UA S. 120, 123).
b) Der Freispruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
aa) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen; denn die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326; vom 16. August 2012 – 3 StR 180/12, juris Rn. 5). Dies ist hier der Fall.
bb) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht objektive Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Angeklagten verneint hat, lassen besorgen, dass es überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Darüber hinaus fehlt eine Gesamtwürdigung aller Indizien, die für eine Kenntnis des Angeklagten sprechen könnten. Das Landgericht hat vielmehr jedes festgestellte Indiz lediglich einzeln abgehandelt und verneint, dass es jeweils die Kenntnis belegt. Das Landgericht hätte jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung nachvollziehbar darlegen müssen, wieso der Angeklagte selbst unter einem Falschnamen auftrat und das Auftreten des A. – vor einem Notar – unter einem Falschnamen unwidersprochen hinnahm, ohne die betrügerische Absicht gegenüber dem Verkäufer und dem Notar wahrzunehmen. Auch wäre zu erörtern gewesen, welchen Zweck die Anwesenheit des Angeklagten bei den Terminen hatte, wenn nicht jenen, die Angeklagten in ihrem Tun zu unterstützen. Auch die Tatsache, dass der Angeklagte am selben Tag oder wenige Tage später mit derselben Alias-Identität eine Betrugshandlung unter dem Firmenmantel vornahm, hätte das Landgericht in seine Gesamtabwägung einbeziehen und darlegen müssen, wieso es sich dem im Tatzeitpunkt seit 15 Jahren in der Vermittlung von Mantelgesellschaften tätigen Angeklagten nicht erschloss, dass die übrigen Angeklagten den Aufwand des Erwerbs einer Mantelgesellschaft nicht nur für die eine Tat, für die er verurteilt wurde (Fall B.II.37 der Urteilsgründe), trieben.
c) Auf die Verfahrensrüge, mit der die Staatsanwaltschaft geltend macht, das Landgericht habe E-Mail-Verkehr zwischen den Angeklagten M. und F. nicht bzw. nicht umfassend in seine Beweiswürdigung einbezogen, kommt es damit nicht an; sie ist im Übrigen – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 15. Dezember 2017 zutreffend dargelegt hat – unzulässig, da sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StGB entspricht.
2. Die Verurteilung des Angeklagten
a) Soweit das Landgericht den Angeklagten verurteilt hat, liegen dem folgende Feststellungen zugrunde:
Am 9. Januar 2014 verhandelte der Angeklagte F. wiederum unter der Alias-Personalie „B. “ mit einem Mitarbeiter der D. GmbH über den Verkauf von 220 Fernsehgeräten sowie zweier kostenlos dazu gelieferter Geräte. Der Angeklagte wusste, dass die 220 Geräte nicht bezahlt und nach Abholung gewinnbringend weiterveräußert werden sollten. Er beabsichtigte, eines der beiden kostenfreien Geräte für sich zu verwenden. Nach durchgeführter Bonitätsprüfung bot die D. GmbH die Lieferung von 220 Geräten zum Preis von 71.995 Euro brutto bei einer Anzahlung von 50% des Kaufpreises an. Eine Lieferung erfolgte nicht (Fall B.II.37 der Urteilsgründe, UA S. 44 f.).
b) Die Angeklagten M. und K. hat das Landgericht wegen 37 (M. ) und 33 (K. ) weiterer, der Vorgehensweise im vorgenannten Fall B.II.37 der Urteilsgründe weitgehend entsprechender, zum Teil im Versuchsstadium verbliebener Taten verurteilt.
c) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen hält der Schuldspruch gegen den Angeklagten wegen Betruges in Fall B.II.37 der Urteilsgründe revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Den Feststellungen kann nicht eindeutig entnommen werden, dass es zu einer Vermögensverfügung der Geschädigten kam, die zu einer Vermögensgefährdung geführt hat. Wäre die Geschädigte durch den Abschluss eines Kaufvertrages eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zur Lieferung der Geräte eingegangen, wäre zwar eine Vermögensgefährdung insoweit eingetreten, als sie der J. AG als einem nicht erfüllungsbereiten oder erfüllungsfähigen Vertragspartner gegenüber vorleistungspflichtig war (vgl. BGH NStZ 1998, 85). Aus den Feststellungen ergibt sich aber nicht zweifelsfrei, dass ein entsprechender Kaufvertrag mit einer Pflicht zur zumindest teilweisen Vorleistung überhaupt zustande gekommen ist.
Die Kammer hat zwar festgestellt, der Angeklagte habe mit dem Zeugen Sc. eine „Vereinbarung“ über die Lieferung der Fernsehgeräte getroffen (UA S. 44), wobei sie davon ausgeht, dass er die Liefer- und Zahlungsbedingungen mit dem Zeugen ausgehandelt hat (UA S. 123). Das steht aber im Widerspruch dazu, dass nach den Feststellungen der Mitangeklagte M. die Firma D. erst im Nachgang zu dem Telefonat des Angeklagten um ein schriftliches Angebot gebeten hat. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass das daraufhin von der Firma D. abgegebene Angebot verbindlich war und nur noch der Annahme durch die Angeklagten bedurfte, lassen die weiteren Feststellungen aber offen, ob das Angebot - insbesondere die darin enthaltenen Zahlungsbedingungen — der mit dem Angeklagten getroffenen „Vereinbarung“ entsprach. Möglich ist nach den lückenhaften Ausführungen im Urteil auch, dass es gerade in dieser Hinsicht von der telefonisch getroffenen „Vereinbarung“ soweit abwich, dass eine Annahme von Seiten der Angeklagten ohnehin nicht in Betracht kam. Hierfür spricht der Umstand, dass die als Bedingung für eine Lieferung geforderte Anzahlung in Höhe von 50% des Kaufpreises durch die Angeklagten weder geleistet werden konnte, noch tatsächlich geleistet wurde (UA S. 44). Ob der Angeklagte schon durch die mit dem Zeugen Sc. getroffene Vereinbarung aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hatte, um eine Lieferung der Fernsehgeräte oder zumindest eine Teillieferung ohne Vorkasse zu erhalten, lässt sich den Urteilsgründen ebenfalls nicht zweifelsfrei entnehmen. Die im Urteil wiedergegebene Aussage des Zeugen Sc. , „bei Zustandekommen des Geschäftes“ seien zwei Gratisgeräte versprochen worden (UA S. 108), deutet vielmehr darauf hin, dass auch der Angeklagte nicht davon ausgegangen ist, bereits durch die telefonisch getroffene Vereinbarung sei eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zur Lieferung entstanden. Daher kommt auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen auch eine Verurteilung wegen versuchten Betruges nicht in Betracht.“
Dem schließt sich der Senat an.
II. Die Revision des Angeklagten
Aus den oben I.2 genannten Gründen hat auch die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten Erfolg.
Schäfer |
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Bartel |
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Wimmer |
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Grube |
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Schmidt |
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