Entscheidungsdatum: 25.04.2018
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 24. Oktober 2017 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 111.350 Euro, davon in Höhe von 3.150 Euro als Gesamtschuldner, angeordnet wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Wohnungseinbruchdiebstahls in drei Fällen, gefährlicher Körperverletzung und Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und die Einziehung von Wertersatz - berichtigt durch Beschluss des Landgerichts vom 19. Dezember 2017 - in Höhe von 111.350 € angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechts-mittel hat den aus dem Urteilstenor ersichtlichen geringen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte reiste erstmals im Februar/März 2016 nach Deutschland ein; der deutschen Sprache ist er „kaum mächtig“. Er entschloss sich, seinen Lebensunterhalt in Deutschland mit der Begehung von Straftaten zu verdienen.
Im April 2016 brachen der Angeklagte und ein unbekannter Mittäter in ein in B. gelegenes Wohnhaus ein und entwendeten Bargeld und Gegenstände im Wert von 3.000 € (Fall II. 1. der Urteilsgründe).
Im September 2016 hebelte der Angeklagte in G. die Terrassentür eines Wohnhauses auf und entwendete aus den Räumlichkeiten u.a. Schmuck im Wert von 3.900 € (Fall II. 2. der Urteilsgründe).
Einen Monat später überfiel der Angeklagte, der sich zuvor mit einer Flasche Wodka Mut angetrunken hatte, einen Juwelierladen in G. . Er packte den Ladeninhaber unvermittelt von hinten an den Hals und nahm ihn in den Würgegriff. Sodann versetzte der Angeklagte, der mehrere Jahre erfolgreich Boxsport betrieben hatte, dem Geschädigten mehrere schwere Fausthiebe in das Gesicht; dieser ging daraufhin zu Boden. Auf den auf dem Boden Liegenden schlug der Angeklagte abwechselnd wuchtig mit den Fäusten gegen das Gesicht und den Kinn- und Halsbereich, so dass jener wiederholt das Bewusstsein verlor. Der Angeklagte erbeutete Schmuck im Wert von 95.300 €. Der Geschädigte erlitt aufgrund von mindestens 18 schweren Fausthieben u.a. eine Nasenbeinfraktur und weitere schwerwiegende Verletzungen am Kopf; auf dem linken Ohr ist seine Hörleistung nur noch minimal vorhanden (Fall II. 3. der Urteilsgründe).
Im Februar 2017 hebelte der Angeklagte in G. die Terrassentür eines Wohnhauses auf und entwendete Schmuck und Münzen im Gesamtwert von 9.000 € (Fall II. 4. der Urteilsgründe).
Im April 2017 überfielen der Angeklagte und ein unbekannter Mittäter eine Tankstelle in G. . Der Angeklagte nahm den dort tätigen Mitarbeiter in den Würgegriff, während der unbekannte Mittäter mehrmals mit seinen Fäusten in das Gesicht und gegen den Kiefer des Geschädigten schlug. Als sie ein Fahrzeug auf dem Tankstellengelände bemerkten, verließen sie den Tatort ohne Beute (Fall II. 5. der Urteilsgründe).
Einen Monat später ließen sich der Angeklagte und ein unbekannter Mittäter mit einem Taxi von F. nach G. fahren. Sie beabsichtigten, das Entgelt nach der Ankunft in G. nicht zu entrichten; der Angeklagte verfügte zudem nicht über die erforderlichen Barmittel. Nach der Ankunft in G. stieg der Angeklagte aus dem Taxi und fiel aufgrund seiner erheblichen Alkoholisierung zu Boden. Als der Taxifahrer dem Angeklagten helfen wollte, sprühte dieser ihm mit einem Reizstoffsprühgerät in das Gesicht. Der Angeklagte und der unbekannte Mittäter entfernten sich, ohne das Beförderungsentgelt zu bezahlen (Fälle II. 6. und II. 7. der Urteilsgründe).
2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Lediglich die Einziehungsentscheidung ist klarzustellen.
Bei seiner Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, die sich gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 872) eingeführten und am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen neuen Regelungen der §§ 73 ff. StGB richtet, hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass mehrere Tatbeteiligte, die - wie hier der Angeklagte und sein unbekannter Mittäter in den Fällen II. 1. und II. 6. der Urteilsgründe - aus einer rechtswidrigen Tat etwas erlangt haben, als Gesamtschuldner haften (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 46 f.; Beschlüsse vom 25. September 2012 - 4 StR 137/12, NStZ 2013, 401 und vom 22. März 2016 - 3 StR 517/15, NStZ 2016, 412, 413; Senat, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 2 StR 12/18, juris Rn. 2).
Der Kennzeichnung der Haftung als gesamtschuldnerisch im Urteilstenor bedarf es auch nach neuem Recht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2018 - 4 StR 57/18, juris Rn. 3; Senat, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 2 StR 12/18, juris Rn. 2; zu § 73a StGB aF BGH, Beschluss vom 23. November 2011 - 4 StR 516/11, wistra 2012, 147 mwN). Damit wird ermöglicht, dass den Beteiligten das aus der Tat Erlangte entzogen wird, aber zugleich verhindert, dass dies mehrfach erfolgt (vgl. zur früheren Verfallsregelung der §§ 73, 73a StGB BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 46 ff. mwN; Beschlüsse vom 10. September 2002 - 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199 und vom 5. Juli 2011 - 3 StR 129/11, StraFo 2011, 413, 414). Die anteilige gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten hat der Senat im Tenor klargestellt; hierfür ist die Angabe eines Namens des jeweiligen Gesamtschuldners nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2013 - 4 StR 280/13).
3. Soweit das Landgericht von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abgesehen hat, hält auch diese Entscheidung rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Strafkammer hat, dem psychiatrischen Sachverständigen folgend, beim Angeklagten einen langjährigen Alkoholmissbrauch festgestellt und einen Hang im Sinne des § 64 StGB sowie zumindest in den Fällen II. 3. und II. 7. der Urteilsgründe einen symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und jenen Taten bejaht. Es hat auch prognostiziert, dass der Angeklagte zukünftig infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde.
Es hat von der Maßregelanordnung indessen abgesehen, weil es an einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg im Sinne von § 64 Satz 2 StGB fehle. Angesichts der nur rudimentären Beherrschung der deutschen Sprache sei die Unterbringungsmaßnahme aussichtslos, weil Selbst-reflektion und Therapiegespräche nicht möglich seien.
b) Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt erweist sich als nicht rechtsfehlerhaft. Das sachverständig beratene Landgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Aussicht auf einen hinreichend konkreten Therapieerfolg verneint.
aa) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht allerdings Übereinstimmung dahin, dass es auch nach der Umgestaltung von § 64 StGB zur Soll-Vorschrift durch die Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) im Grundsatz dabei verbleiben soll, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - 5 StR 255/11, StV 2012, 281, 282; Senat, Beschluss vom 12. März 2014 - 2 StR 436/13, StV 2014, 545; BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 - 4 StR 124/17, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4, jeweils unter Bezugnahme auf den Bericht und die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). So genügt es regelmäßig für eine erfolgversprechende Maßregelanordnung, wenn der Betreffende zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 StR 209/01, NStZ-RR 2002, 7).
Hingegen muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm absehbar nur schwer oder gar nicht möglich sein wird (BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 - 5 StR 472/08, BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 2 und vom 17. August 2011 - 5 StR 255/11, StV 2012, 281, 282; Senat, Beschluss vom 12. März 2014 - 2 StR 436/13, StV 2014, 545; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 1 StR 254/16, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 9). Bei weitgehender Sprachunkundigkeit wird die Annahme fehlender Erfolgsaussicht nahe liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 3 StR 513/12, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 1). Im Übrigen beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Umgestaltung von § 64 StGB zu einer Soll-Vorschrift auch die Schonung der Behandlungskapazitäten, die bis dahin durch eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von in Anbetracht des Heilungszwecks weniger geeigneten Personen blockiert wurden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 411/07, StV 2008, 138). Deshalb sollte nach dem Willen des Gesetzgebers ein Absehen von der Maßregelanordnung insbesondere bei ausreisepflichtigen Ausländern ermöglicht werden, bei denen infolge erheblicher sprachlicher Verständigungsprobleme eine erfolgversprechende Therapie kaum vorstellbar ist (BT-Drucks. aaO).
Der Tatrichter hat anhand dieser Kriterien die für seine Entscheidung maßgeblichen Umstände im Urteil für das Revisionsgericht nachprüfbar darzulegen (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 5 StR 472/08, BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 2; Senat, Beschluss vom 12. März 2014 - 2 StR 436/13, StV 2014, 545; BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 - 4 StR 124/17, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4).
bb) Diesen vorgenannten Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung gerecht.
Die Feststellungen des Landgerichts bieten ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, die Ausgangsbedingungen für eine Therapie des Angeklagten im Maßregelvollzug seien wegen der fehlenden Kenntnisse der deutschen Sprache sehr ungünstig und erforderten daher einen nicht zu leistenden Aufwand.
Der Angeklagte ist in Litauen aufgewachsen, hat dort mit Ehefrau und dem gemeinsamen kleinen Sohn seinen Lebensmittelpunkt, hat keine Berufsausbildung absolviert und in seinem Heimatland zudem bereits zwei Freiheitsstrafen von insgesamt etwa vier Jahren verbüßt. Er ist erstmals im Februar/März 2016 - unmittelbar vor den von ihm begangenen Straftaten, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreiten wollte, - in die Bundesrepublik eingereist. Er ist der deutschen Sprache kaum mächtig; durchgehend musste - selbst für einfache Fragen - eine Sprachmittlung sowohl bei der Exploration durch den Sachverständigen wie auch in der Hauptverhandlung durch einen Dolmetscher stattfinden.
Soweit der Generalbundesanwalt zu Bedenken gibt, die Strafkammer hätte erwägen müssen, dass der Angeklagte zumindest grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache während der Dauer des Vorwegvollzugs erwerben könnte (vgl. auch Senat, Beschluss vom 12. März 2014 - 2 StR 436/13, StV 2014, 545), ist nicht zu besorgen, dass das Landgericht den von ihm anzuwendenden Prüfungsmaßstab verkannt hat.
Dass der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig ist, als litauischer Staatsangehöriger mit ständigem Wohnsitz im Ausland über keinerlei soziale Bindungen in Deutschland verfügt, sich hier lediglich vorübergehend mit dem ausschließlichen Ziel aufhielt, Straftaten zu begehen, hat das Landgericht erkennbar im Blick gehabt. Dass der Angeklagte grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache während der Dauer des Vorwegvollzugs erwerben könnte, ist hier fern liegend und bedurfte deswegen keiner ausdrücklichen Erörterung. Dafür spricht auch, dass der Angeklagte zwar in der - zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils bereits fünf Monate andauernden - Untersuchungshaft mit einem Deutschkurs begonnen hat, gleichwohl aber nach wie vor jegliche Verständigung - auch mit dem Sachverständigen während seiner Exploration - nur mit Hilfe eines Dolmetschers möglich war. Hinzu kommt, dass dem Angeklagten gemäß § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die Ausweisung droht.
Nach alledem ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht hier von der Anordnung der Unterbringung abgesehen hat.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Angesichts des nur geringfügigen Teilerfolgs zur Einziehungsentscheidung ist es nicht unbillig, dem Angeklagten die Kosten ungeschmälert aufzuerlegen.
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