Entscheidungsdatum: 22.01.2013
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 13. August 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die auf die - nicht ausgeführte - Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt ist. Das Rechtsmittel hat auf die Sachbeschwerde den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Indes kann das Urteil nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat. Die Prognose, es bestehe bei dem Angeklagten für eine Behandlung in einer Entziehungsanstalt keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB, ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.
a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, dass Anordnung und Vollzug der Maßregel die konkrete Aussicht voraussetzen, die süchtige Person zu heilen oder über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall in den Rauschmittelkonsum zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB). Erforderlich ist die Prognose, dass bei erfolgreichem Verlauf der Therapie die Gefährlichkeit aufgehoben oder deutlich herabgesetzt wird (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 64 Rn. 19 mwN).
b) Die sich daraus ergebenden rechtlichen Anforderungen an die Bejahung einer konkreten Erfolgsaussicht hat das Landgericht indes verkannt.
Bedenken bestehen bereits insofern, als die Strafkammer davon ausgeht, dass die Therapiekonzepte im Maßregelvollzug eine differenzierte intellektuelle und sprachliche Auseinandersetzung mit der Suchtproblematik erfordern, und die Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung des Angeklagten wegen seiner "intellektuellen Minderbegabung" ablehnt. Eine erhebliche intellektuelle Behinderung, die wegen ihrer Schwere dazu führen könnte, dass der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt nicht behandelbar wäre (vgl. MüKoStGB/van Gemmeren, 2. Aufl., § 64 Rn. 68), ist nicht festgestellt.
Auch der Hinweis der Strafkammer auf Defizite des Angeklagten in der Beherrschung der deutschen Sprache vermag die Ablehnung einer Erfolgsaussicht nicht zu tragen. Mangelnde Sprachkenntnisse von Ausländern haben zwar als in der Persönlichkeit des Täters begründete, nicht suchtbezogene Umstände für die Unterbringungsanordnung eine, wenn auch im Einzelnen hinsichtlich ihrer Erheblichkeit nicht einheitlich beurteilte, Bedeutung (vgl. MüKoStGB, aaO, Rn. 71 sowie LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 141 f., jew. mwN; BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1996 - 2 StR 528/96, StV 1998, 74; Urteil vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 411/07, StV 2008, 138, 139 sowie Beschluss vom 10. Juli 2012 - 2 StR 85/12, NStZ 2012, 689; vgl. auch BT-Drucks. 16/1344 S. 12 f.). Bei weitgehender Sprachunkundigkeit kann die Annahme, eine Behandlung habe keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht, nahe liegen (vgl. Fischer, aaO, Rn. 23a, 24 mwN). Derartige Sprachdefizite sind hier jedoch nicht festgestellt: Der - zunächst in Griechenland aufgewachsene - 31-jährige Angeklagte besuchte ab seinem 9. Lebensjahr eine Grund- und Hauptschule bzw. die Sonderschule sowie Berufsschulen in Deutschland und arbeitete hier mehrere Jahre lang. Danach liegt es nahe, dass er zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt; dies genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 StR 209/01, NStZ-RR 2002, 7). Darauf, dass der Angeklagte, wie das Landgericht in der Begründung seiner Prognoseentscheidung ausführt, weder die deutsche noch die griechische Schriftsprache beherrscht, kann es für die Beurteilung der Erfolgsaussicht nicht ankommen.
Die Erklärung des Angeklagten, dass er eine Behandlung im Maßregelvollzug ablehne, kann die Verneinung eines Therapieerfolges hier ebenfalls nicht begründen. Zwar kann fehlende Therapiebereitschaft, die der Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB weiterhin grundsätzlich nicht entgegensteht (vgl. LK, aaO, Rn. 138 ff.), ein gegen die erforderliche konkrete Erfolgsaussicht sprechendes Indiz sein (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2009 - 3 StR 516/09, NStZ-RR 2010, 141 sowie Beschluss vom 3. Juli 2012 - 5 StR 313/12, NStZ-RR 2012, 307). Vorliegend steht einer solchen Bedeutung indes entgegen, dass sich der Angeklagte bereit erklärt hat, bei Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG an einer Suchtbehandlung teilzunehmen. Angesichts dessen hätte die Verneinung einer Erfolgsaussicht der Maßregel im Sinne von § 64 StGB zumindest näherer Darlegung bedurft (vgl. MüKoStGB, aaO, Rn. 75). Der pauschale Hinweis des Landgerichts auf unterschiedliche Therapiekonzeptionen reicht dazu nicht aus. Die Therapie im Maßregelvollzug hat im Übrigen gegenüber der nach § 35 BtMG Vorrang (vgl. Fischer, aaO, Rn. 26).
2. Diese Rechtsmängel entziehen der negativen Prognose des Landgerichts zur Erfolgsaussicht einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt die Grundlage. Da der Angeklagte die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362), das Landgericht die Voraussetzungen der Maßregelanordnung gemäß § 64 Satz 1 StGB rechtsfehlerfrei bejaht hat und die Unterbringung nach den bisherigen Feststellungen auch nicht aus anderem Grunde von vornherein ausscheidet, bedarf die Frage ihrer Anordnung - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - der nochmaligen Prüfung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5 sowie Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 275/08, NStZ-RR 2009, 48).
3. Der Strafausspruch wird durch die Teilaufhebung des Urteils nicht berührt. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht im Falle der Unterbringung gegen den Angeklagten auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
Tolksdorf Pfister Hubert
Mayer Spaniol