Entscheidungsdatum: 03.07.2012
1. Die Gesetzgebungszuständigkeit für die §§ 13 bis 15 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (Bundesgesetzblatt I Seite 78) ergibt sich aus Artikel 73 Nummer 6 des Grundgesetzes in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28. August 2006 (Bundesgesetzblatt I Seite 2034) geltenden Fassung.
2. Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 des Grundgesetzes schließen eine Verwendung spezifisch militärischer Waffen bei einem Einsatz der Streitkräfte nach diesen Vorschriften nicht grundsätzlich aus, lassen sie aber nur unter engen Voraussetzungen zu, die sicherstellen, dass nicht die strikten Begrenzungen unterlaufen werden, die einem bewaffneten Einsatz der Streitkräfte im Inneren durch Artikel 87a Absatz 4 GG gesetzt sind.
3. Der Einsatz der Streitkräfte nach Artikel 35 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes ist, auch in Eilfällen, allein aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung als Kollegialorgan zulässig.
1. Der Zweite Senat hat mit Beschluss vom 19. Mai 2010 (2 BvF 1/05) gemäß § 48 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts beim Ersten Senat angefragt, ob dieser an den Rechtsauffassungen festhält, wonach
1. die Gesetzgebungszuständigkeit für § 13, § 14 Abs. 1, 2 und 4 und § 15 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (BGBl I S. 78) sich nicht auf Art. 73 Nr. 1 oder Art. 73 Nr. 6 GG, sondern allein auf Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG stützen lässt (BVerfGE 115, 118 <140 f.>),
2. Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG einen Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen nicht zulässt (BVerfGE 115, 118 <146 ff., 150 f.>), und
3. § 13 Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG mit Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbar sind, soweit sie eine Eilkompetenz des Bundesministers der Verteidigung auch für die Fälle des Art. 35 Abs. 3 GG vorsehen (BVerfGE 115, 118 <149 f.>).
2. Der Anfrage liegt zugrunde, dass der Zweite Senat in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle (2 BvF 1/05) auf Antrag der Bayerischen Staatsregierung und der Hessischen Landesregierung darüber zu entscheiden hat, ob § 13, § 14 Abs. 1, 2 und 4 und § 15 LuftSiG, die die Voraussetzungen und Modalitäten eines Einsatzes der Streitkräfte zur Abwehr besonders schwerer von Luftfahrzeugen ausgehender Unglücksfälle regeln, mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Der Normenkontrollantrag betraf ursprünglich die §§ 13 bis 15 LuftSiG. Nachdem § 14 Abs. 3 LuftSiG, der zum Abschuss eines gegen das Leben von Menschen eingesetzten Luftfahrzeugs ermächtigte, durch Urteil des Ersten Senats vom 15. Februar 2006 für nichtig erklärt wurde (BVerfGE 115, 118 <119>), haben die Antragstellerinnen ihren Antrag insoweit für erledigt erklärt. Damit stehen in dem Ausgangsverfahren nur noch § 13, § 14 Abs. 1, 2 und 4 und § 15 LuftSiG zur Prüfung. Der Zweite Senat möchte in diesem Verfahren abweichend von den genannten Rechtsauffassungen entscheiden (§ 16 BVerfGG, § 48 Abs. 2 GOBVerfG).
3. Der Erste Senat hat mit Beschluss vom 12. Oktober 2010 erklärt, dass er an seinen Rechtsauffassungen festhält.
4. Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat der Zweite Senat das Plenum angerufen.
5. Die Antragstellerinnen des Ausgangsverfahrens, der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung, das Bundesministerium des Innern und die (weiteren) Landesregierungen erhielten Kenntnis von der Vorlage. Stellungnahmen sind nicht eingegangen.
Das Plenum ist zur Entscheidung über die Vorlage berufen.
1. Die Anrufung des Plenums (§ 16 BVerfGG) ist geboten, wenn ein Senat von einer Rechtsauffassung des anderen Senatsabweichen möchte, die für die Entscheidung des anderen Senats tragend war (vgl. BVerfGE 4, 27 <28>; 77, 84 <104>; 96, 375 <404>; 112, 1 <23>; 112, 50 <63>). Die Rechtsauffassungen, auf die sich die vorliegende Anfrage bezieht, waren in dem Urteil des Ersten Senats, mit dem über die Gültigkeit der gesetzlichen Ermächtigung des § 14 Abs. 3 LuftSiG entschieden wurde, tragend im für die Anwendung des § 16 BVerfGG maßgebenden Sinne.
2. An der tragenden Qualität fehlt es diesen Rechtsauffassungen nicht deshalb, weil § 14 Abs. 3 LuftSiG in dem Urteil nicht allein auf ihrer Grundlage, sondern auch wegen Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1 GG für nichtig erklärt wurde. Tragend sind jedenfalls diejenigen Rechtsauffassungen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele (vgl. BVerfGE 96, 375 <404>). Der Urteilsausspruch des Ersten Senats zu § 14 Abs. 3 LuftSiG lautete, dass die Bestimmung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 87a Abs. 2 und Art. 35 Abs. 2 und 3 sowie in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig sei (BVerfGE 115, 118 <119>). Dieses im Urteilstenor ausgesprochene Entscheidungsergebnis hätte nicht dieselbe Gestalt, wenn der Erste Senat sich nicht über seine Auslegung des Art. 1 Abs. 1 GG hinaus auch auf Auslegungen des Art. 35 GG gestützt hätte, auf die sich die vorliegende Anfrage bezieht.
Allerdings wäre der Urteilsausspruch unverändert geblieben, wenn der Erste Senat seine Entscheidung allein auf die unter 1. und 2. der Anfrage aufgeführten Rechtsauffassungen gestützt hätte, nicht dagegen auch auf die Annahme, § 13 Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG seien mit Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbar, soweit sie eine Eilkompetenz des Bundesministers der Verteidigung auch für die Fälle des Art. 35 Abs. 3 GG vorsehen (Ziff. 3. der Anfrage). Diese letztere Annahme, die allein die Auslegung des Art. 35 Abs. 3 GG betrifft, kann hinweggedacht werden, ohne dass sich daraus Konsequenzen für den Urteilstenor ergäben. Denn dieser wird, soweit er Art. 35 Abs. 3 GG betrifft, zugleich durch die Rechtsauffassung gestützt, dass Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG einen Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen nicht zulasse (Ziff. 2. der Anfrage).
Dennoch ist auch die drittgenannte Rechtsauffassung für das Urteil des Ersten Senats vom 15. Februar 2006 tragend im hier maßgebenden Sinne. Wird das Kriterium, dem zufolge tragend diejenigen Rechtsauffassungen sind, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele, als nicht nur notwendiges, sondern hinreichendes, abschließend definierendes verstanden, so ist allerdings in Fällen, in denen das konkrete Entscheidungsergebnis auf mehrere voneinander unabhängige und jeweils selbständig tragfähige Rechtsauffassungen gestützt ist, keine dieser Rechtsauffassungen, für sich betrachtet, tragend. Ob und inwieweit ein solches Verständnis dem mit § 16 BVerfGG verfolgten Anliegen der Rechtsklarheit und den besonderen Erfordernissen der Kooperation zwischen den beiden Senaten des Bundesverfassungsgerichts im Allgemeinen gerecht wird, bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls wenn ein konkretes Ergebnis der Entscheidung eines Senats - wie im vorliegenden Fall der Tenor des Urteils des Ersten Senats vom 15. Februar 2006, soweit er Art. 35 Abs. 3 GG betrifft - sich auf mehrere selbständig tragfähige Rechtsauffassungen stützt und der andere Senat nicht nur von einer dieser Rechtsauffassungen, sondern von allen abweichen möchte, kann deren tragende Qualität nicht auf der Grundlage einer isolierten Betrachtung jeder einzelnen dieser Rechtsauffassungen nach dem genannten Kriterium verneint werden (vgl. zur Divergenzvorlage im einfachgesetzlichen Prozessrecht BFH, Beschluss vom 22. Juli 1977 - III B 34/74 -, BFHE 123, 112, Leitsatz 4). Eine Betrachtung, die jeder einzelnen der fraglichen Rechtsauffassungen für sich genommen die tragende Qualität mit Blick auf die Tragfähigkeit der jeweils verbleibenden anderen abspricht und so darauf hinausläuft, dass dem gefundenen Entscheidungsergebnis eine tragende Begründung im Ganzen abgesprochen wird, würde es in dieser Konstellation dem abweichungswilligen Senat ermöglichen, von Rechtsauffassungen des anderen Senats, die jedenfalls in der Gesamtbetrachtung tragend sind, insgesamt ohne Anrufung des Plenums abzuweichen. Dies kann schon deshalb nicht richtig sein, weil damit Divergenzen, die nicht einzelne Rechtsauffassungen, sondern Komplexe von selbständig tragfähigen Rechtsauffassungen betreffen, trotz Entscheidungserheblichkeit der Bereinigung durch das Plenum entzogen wären.
Zur ersten Vorlagefrage:
Die Gesetzgebungszuständigkeit für §13, § 14 Abs. 1, 2 und 4 und §15 LuftSiG ergibt sich nicht aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG, sondern als Annexkompetenz aus Art. 73 Nr. 6 GG in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I S. 2034) geltenden Fassung (Art. 73 Nr. 6 GG a.F.; heute Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG), der dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Luftverkehr zuweist. Ob und inwieweit daneben Art. 73 Nr. 1 GG a.F. (heute Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG) als Kompetenzgrundlage in Betracht kommt, bleibt offen.
1. Art. 35 Abs. 2 und 3 GG bieten für Bundesrecht, das den Einsatz der Streitkräfte im Katastrophennotstand regelt, keine ausdrückliche Kompetenzgrundlage. Ihrem Wortlaut nach regeln diese Bestimmungen, soweit sie den Einsatz der Streitkräfte betreffen, materielle und prozedurale Voraussetzungen für einen solchen Einsatz. Ungeschriebene Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes in Sachnormen außerhalb des VII. Abschnitts des Grundgesetzes (Art. 70 ff.) aufzusuchen, liegt auch in systematischer Hinsicht und nach dem Schutzzweck der föderalen Zuständigkeitsordnung, die grundsätzlich nicht durch die Normen des materiellen Verfassungsrechts, sondern durch gesonderte, strikt auszulegende (vgl. BVerfGE 12, 205 <228>; 15, 1 <17>) und in ihrer Reichweite von materiellrechtlichen Vorgaben unabhängige Kompetenzvorschriften bestimmt ist, nicht nahe. Gegen eine solche Kompetenzzuschreibung spricht zudem, dass sich aus ihr nur schwer Klarheit über die Rechtsnatur der zugeschriebenen Kompetenz - ausschließlich oder konkurrierend - gewinnen lässt.
2 a) Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die §§ 13 ff. LuftSiG folgt aus Art. 73 Nr. 6 GG a.F. (heute Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG), der dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für den Luftverkehr zuweist. Nach tradierter und im Grundsatz unbestrittener Auffassung steht dem Bund, soweit er für ein bestimmtes Sachgebiet die Gesetzgebungszuständigkeit hat, als Annexkompetenz auch die Gesetzgebungsbefugnis für die damit in einem notwendigen Zusammenhang stehenden Regelungen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in diesem Bereich zu (vgl. BVerfGE 3, 407 <433>; 8, 143, <150>; 78, 374 <386 f.>; 109, 190 <215>).
b) Dies gilt auch für das Sachgebiet "Luftverkehr". Die Gesetzgebungszuständigkeit für den Luftverkehr umfasst daher als Annex jedenfalls die Befugnis, Regelungen zur Abwehr solcher Gefahren zu treffen, die gerade aus dem Luftverkehr herrühren (vgl., mit im Einzelnen unterschiedlichen Abgrenzungen, jeweils aber mindestens die eben genannte Regelungskompetenz einschließend, BVerwGE 95, 188 <191>; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1996 - 1 C 33/94 -, NVwZ-RR 1997, S. 350 <351>; Laschewski, Der Einsatz der deutschen Streitkräfte im Inland, 2005,S. 130; Paulke, Die Abwehr von Terrorgefahren im Luftraum, 2005, S. 24; Burkiczak, NZWehrr2006, S. 89 <95>; Schenke, NJW 2006, S. 736 <737>; Odendahl, Die Verwaltung 38 <2005>, S. 425 <438>; Baldus, NVwZ 2004, S. 1278 <1279 f.>; Gramm, NZWehrr 2003, S. 89 <96>).
Allerdings bedarf die Notwendigkeit des Zusammenhangs zwischen einer dem Bund zugewiesenen Regelungskompetenz für ein bestimmtes Sachgebiet und einschlägigen Regelungen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung strenger Prüfung. Dies gilt erst recht, wenn die sachgebietliche Kompetenz zu den ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes, insbesondere also zu den in Art. 73 GG aufgeführten, gehört. Jedenfalls für die Abwehr derjenigen spezifisch aus dem Luftverkehr herrührenden Gefahren, auf die die Regelungen des Luftsicherheitsgesetzes zielen, ist der erforderliche notwendige Zusammenhang gegeben. Denn bei dezentraler Regelungskompetenz hätten unzureichend abwehrwirksame Regelungen eines einzelnen Landes erhebliche negative Folgen für die Sicherheit, die mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht im Wesentlichen auf das betreffende Land beschränkt wären.
aa) Art. 73 Nr. 6 GG a.F. scheidet als Kompetenzgrundlage für die §§ 13 ff. LuftSiG nicht deshalb aus, weil es sich bei diesen Bestimmungen nicht um eigenständiges Gefahrenabwehrrecht des Bundes, sondern allein um Verfahrens- und Mittelbereitstellungsregelungen für den Fall der Unterstützung von Gefahrenabwehrmaßnahmen der Länder handelte (vgl. BVerfGE 115, 118 <141>). Ungeachtet der Frage, ob dies eine Zuordnung zum Gefahrenabwehrrecht ausschlösse, beschränken sich die Vorschriften nicht auf das Vorfeld außenwirksamer Eingriffe. § 13 LuftSiG regelt nicht nur die Voraussetzungen für die unterstützende Bereitstellung von Streitkräften, sondern unmittelbar die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür, dass Streitkräfte, wenn auch in einer unterstützenden Funktion, "eingesetzt werden" können (Abs. 1), sowie die Zuständigkeiten zur Entscheidung über "einen Einsatz" (Abs. 2 und 3) und die normativen Rahmenbedingungen hierfür (Abs. 4: "Das Nähere wird zwischen Bund und Ländern geregelt. Die Unterstützung durch die Streitkräfte richtet sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes."). Auch § 14 und § 15 LuftSiG sind als materielle Eingriffsnormen gefasst. Sie regeln, dass die Streitkräfte Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben "dürfen" (§ 14 Abs. 1 LuftSiG), dass sie auf Ersuchen der zuständigen Flugsicherungsstelle im Luftraum Luftfahrzeuge "überprüfen, umleiten oder warnen" können (§ 15 Abs. 1 Satz 2 LuftSiG), welche "Maßnahmen" sie "auszuwählen" haben (§ 14 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG), welche sonstigen Maßgaben im Hinblick auf Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne einzuhalten sind (§ 14 Abs. 2 Satz 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 LuftSiG), und dass der Bundesminister der Verteidigung den Inspekteur der Luftwaffe ermächtigen kann, die fraglichen "Maßnahmen … anzuordnen" (§ 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG). Der zwischenzeitlich für nichtig erklärte § 14 Abs. 3 LuftSiG bestimmte, unter welchen Voraussetzungen die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt "zulässig" sein sollte. Auch § 21 LuftSiG, der mit Blick auf das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich festhält, dass - unter anderem - das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit "nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt" wird, spricht für eine unmittelbar eingriffsermächtigende Bedeutung der Regelungen zum Streitkräfteeinsatz.
bb) Die Gesetzgebungsgeschichte ergibt keine Anhaltspunkte, die diesen Befund in Frage stellen, sondern bestätigt, dass nicht etwa nur die Bereitstellung von Ressourcen für allein auf landesrechtlicher Grundlage wahrzunehmende Aufgaben der Gefahrenabwehr geregelt, sondern unmittelbares Eingriffsrecht geschaffen werden sollte. So heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfs, jenseits des von den Gefahrenabwehrbehörden der Länder Bewältigbaren sollten die Streitkräfte "ihre Maßnahmen" treffen (vgl. BTDrucks 15/2361, S. 20). § 14 LuftSiG regele "die Zwangsmittel der Streitkräfte, die ihnen zur Unterstützung der Polizei zur Verfügung stehen", und Absatz 3 verleihe "die Befugnis, unmittelbar mit Waffengewalt auf Luftfahrzeuge einzuwirken" (a.a.O., S. 21). In Bundesrat und Bundestag wurden die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen zum Streitkräfteeinsatz dementsprechend als "Befugnisnormen" verstanden, die zu Maßnahmen der Gefahrenabwehr "aus eigenem Recht" ermächtigen sollten (vgl. aus dem Bundesrat die Niederschrift der 812. Sitzung des Ausschusses für Innere Angelegenheiten des Bundesrates, vom 4. Dezember 2003 - In 0141 (812) - Nr. 52/03 -, S. 37 f.; aus dem Bundestag s. die hinsichtlich der Auslegung als eingriffsermächtigende Befugnisnormen unwidersprochenen Redebeiträge der Abgeordneten Bosbach, BTPlProt 15/89, S. 7884, und Binninger, a.a.O., S. 7891). Nach den Worten des damaligen Bundesinnenministers Schily sollte das Gesetz "Luftsicherheit aus einer Hand" und damit "Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, zumal für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr", gewährleisten (BTPlProt 15/89, S. 7881 f.). Auch damit war vorausgesetzt, dass die §§ 13 ff. LuftSiG nicht bloß innerföderale Bereitstellungsvorgänge regeln, sondern zugleich außenwirksame Eingriffsermächtigungen enthalten.
3. Da der Bund demnach gemäß Art. 73 Nr. 6 GG a.F. regelungszuständig war, bedarf keiner Entscheidung, ob darüber hinaus Art. 73 Nr. 1 GG a.F., der im Regierungsentwurf des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben als Kompetenzgrundlage für die §§ 13 ff. LuftSiG in Anspruch genommen wurde (BTDrucks 15/2361, S. 14), eine Gesetzgebungszuständigkeit für diese Bestimmungen kraft Sachzusammenhangs ihres Regelungsgegenstandes mit dem Verteidigungswesen begründete.
Zur zweiten Vorlagefrage:
Art. 35 Abs. 2Satz 2 und Abs. 3 GG schließen eine Verwendung spezifisch militärischer Waffen bei Einsätzen der Streitkräfte nach diesen Bestimmungen nicht grundsätzlich aus, lassen Einsätze aber nur unter engen Voraussetzungen zu, die insbesondere sicherstellen, dass nicht die strikten Begrenzungen unterlaufen werden, die nach Art. 87a Abs. 4 GG einem Einsatz der Streitkräfte zum Kampf in inneren Auseinandersetzungen gesetzt sind.
1. Außer zur Verteidigung dürfen nach Art. 87a Abs. 2 GG die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Die begrenzende Funktion dieser Regelung ist durch strikte Texttreue bei der Auslegung der grundgesetzlichen Bestimmungen über den Einsatz der Streitkräfte im Innern zu wahren (vgl. BVerfGE 90, 286 <356 f.>; 115, 118 <142>; BVerwGE 127, 1 <12 f.>).
Die Verfassung begrenzt einen Streitkräfteeinsatz im Inneren in bewusster Entscheidung auf äußerste Ausnahmefälle. Soweit es um den Schutz vor Straftätern und Gegnern der freiheitlichen Ordnung geht, stellt deshalb Art. 87a Abs. 4 GG für einen Einsatz der Streitkräfte strenge Anforderungen, die selbst im Fall des inneren Notstands gemäß Art. 91 GG noch nicht automatisch erreicht sind. Im Unterschied dazu erlauben Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG einen Streitkräfteeinsatz zur Unterstützung der Polizeikräfte bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall. Auch damit bindet die Verfassung den Einsatz der Streitkräfte an Anforderungen, die nicht immer schon dann erfüllt sind, wenn die Polizei durch das allgemeine Ziel der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung überfordert ist; dies zeigt sich bereits darin, dass in Fällen von besonderer Bedeutung gemäß Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich nur Unterstützung durch Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes angefordert werden kann.
Nicht zuletzt um diesen differenzierten und restriktiven Regelungen der Verfassung Rechnung zu tragen, sah der Erste Senat den Streitkräfteeinsatz im Rahmen des Art. 35 GG auf Mittel begrenzt, die nach dem Gefahrenabwehrrecht des Einsatzlandes der Polizei zur Verfügung stehen oder verfügbar gemacht werden dürfen. Hieran hält das Plenum nicht fest (2.). Die von der Verfassung gewollten engen Grenzen für einen Streitkräfteeinsatz im Inneren ergeben sich aus anderen Kriterien (3.).
2. Eine Beschränkung des Streitkräfteeinsatzes auf diejenigen Mittel, die nach dem Gefahrenabwehrrecht des Einsatzlandes der Polizei zur Verfügung stehen oder verfügbar gemacht werden dürften, ist durch den Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG und die Systematik des Grundgesetzes nicht zwingend vorgegeben; der Regelungszweck spricht eher gegen eine solche Beschränkung (a). Auch eine Gesamtbetrachtung der Gesetzesmaterialien zwingt nicht zu der Annahme, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber eine derartige Beschränkung beabsichtigt hat (b).
a) Nach Art. 35 GG kann unter den jeweils näher bezeichneten Voraussetzungen im regionalen Katastrophennotstand ein Land "Kräfte und Einrichtungen ... der Streitkräfte" anfordern (Abs. 2 Satz 2) und im überregionalen Katastrophennotstand die Bundesregierung "Einheiten ... der Streitkräfte" einsetzen (Abs. 3 Satz 1). Eine Beschränkung der damit zugelassenen Einsätze auf die Verwendung polizeilicher Einsatzmittel muss dem Wortlaut der Bestimmungen nicht entnommen werden. Sie ergibt sich insbesondere nicht zwingend daraus, dass Art. 35 GG den Einsatz der Streitkräfte nur zur "Unterstützung der Polizeikräfte" (Abs. 3 Satz 1) beziehungsweise zur polizeiunterstützenden "Hilfe" (Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1) vorsieht. Mit welchen Mitteln die Hilfe oder Unterstützung geleistet werden darf, ist damit noch nicht festgelegt.
Systematische Erwägungen sprechen dafür, dass aus der von Art. 35 Abs. 2 und 3 GG vorgegebenen unterstützenden Funktion der Streitkräfte keine Beschränkung auf die aktuell oder potentiell polizeirechtlich zulässigen Einsatzmittel folgt. Denn auch Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG lässt für den dort umschriebenen Fall des inneren Notstandes einen Einsatz der Streitkräfte nur "zur Unterstützung" der Landes- und der Bundespolizei zu, beschränkt damit aber anerkanntermaßen den dort geregelten Einsatz, jedenfalls soweit es um die Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer geht, nicht von vornherein auf die Mittel, die den unterstützten Polizeien zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 115, 118 <148>; BTDrucks V/2873, S. 2, 14; Hase, in: AK-GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2001, Art. 87a Abs. 4 Rn. 5; Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87a Rn. 169, 177 (Stand 10/2008); Baldus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 87a Abs. 4 Rn. 165; Kokott, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 87a Rn. 68; Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, 1971, S. 195 f., 197; Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze für den Einsatz der Streitkräfte im Staatsnotstand, 1974, S. 76; Baldus, NVwZ 2004, S. 1278 <1280>; Linke, AöR 129 <2004>, S. 489>). Die Identität der Formulierungen deutet trotz der unterschiedlichen Zusammenhänge, in denen sie verwendet werden, darauf hin, dass ihnen keine unterschiedliche Bedeutung zukommen sollte, zumal die Bestimmungen im Gesetzgebungsverfahren durch Aufspaltung einer ursprünglich einheitlichen Regelung entstanden sind und daher nicht davon auszugehen ist, dass dem Gesetzgeber die Übereinstimmung des Wortlauts nicht vor Augen stand.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Zulassung des Streitkräfteeinsatzes in den erfassten Katastrophenfällen eine wirksame Gefahrenabwehr ermöglichen soll. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG unterstreicht dies mit der Bezugnahme auf das zur "wirksamen Bekämpfung" Erforderliche. Daher sprechen nach Auffassung des Plenums die besseren Gründe für eine Auslegung, die unter den engen Voraussetzungen, unter denen ein Einsatz der Streitkräfte nach Art. 35 GG überhaupt in Betracht kommt (s.u. 3.), die Verwendung ihrer spezifischen Mittel nicht generell ausschließt.
b) Die Entstehungsgeschichte steht dem nicht entgegen. Dem verfassungsändernden Gesetzgeber stand allerdings als typischer Anwendungsfall der Verfassungsbestimmungen zum Katastrophennotstand nicht ein Einsatzfall wie der in § 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 LuftSiG geregelte, sondern vor allem die Erfahrung der norddeutschen Flutkatastrophe des Jahres 1962 vor Augen (vgl. BVerfGE 115, 118 <148, m.w.N.>). Auch wenn dieses Ereignis die Vorstellung der am Gesetzgebungsprozess Beteiligten von den Erfordernissen eines Streitkräfteeinsatzes in einer begrenzenden Weise geprägt haben mag, schließt das nicht aus, Art. 35 Abs. 2 und 3 GG auch auf andersartige von Wortlaut und Systematik der Vorschrift erfasste Bedrohungslagen anzuwenden, und zwingt nicht zu einer angesichts heutiger Bedrohungslagen nicht mehr zweckgerechten Auslegung des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG.
Die Gesetzesmaterialien geben zur Frage der zulässigen Einsatzmittel keine eindeutigen Aufschlüsse. Zwar ist der Gesetzgebungsgeschichte zu entnehmen, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber die Regelung des Katastrophennotstandes bewusst aus der Regelung des inneren Notstandes herausgelöst hat, um die Bekämpfung des Katastrophennotstandes von der des inneren Notstands deutlicher abzuheben. Auch finden sich Anhaltspunkte dafür, dass einzelnen am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten für den Einsatz der Streitkräfte nach Art. 35 GG, sei es generell oder für den Fall des regionalen Katastrophennotstandes nach Absatz 2, eine Beschränkung der zulässigen Einsatzmittel durch das Polizeirecht des Einsatzlandes vorschwebte. Insgesamt ergibt sich jedoch kein klares Bild, das die Annahme eines insoweit bestimmten Willens des verfassungsändernden Gesetzgebers stützen könnte.
aa) Nach dem Bericht des Rechtsausschusses, auf den die Gesetz gewordene Fassung der hier zu betrachtenden Grundgesetzbestimmungen zurückgeht, sollte mit dessen Vorschlägen zur Regelung des inneren Notstandes "die Schwelle für den Einsatz der Streitkräfte als bewaffnete Macht angehoben" und der bewaffnete Einsatz der Bundeswehr nur zugelassen werden, "wenn dies zur Bekämpfung militärisch bewaffneter Aufständischer erforderlich" sei (BTDrucks V/2873, S. 2
Die Erläuterungen zum vorgeschlagenen Art. 35 GG behandeln die Frage der einsetzbaren Mittel nicht. Zu Art. 35 Abs. 2 GG wird zwar unter anderem ausgeführt, dass die zur Verfügung gestellten Kräfte anderer Länder und des Bundes den Normen des im Einsatzland geltenden Landespolizeirechts unterstehen sollen (vgl. BTDrucks V/2873, S. 10); zu Art. 35 Abs. 3 GG findet sich dagegen keine entsprechende Erläuterung. Aus der Berichtsbegründung zu Art. 87a Abs. 4 GG geht hervor, dass der Ausschuss nach dem Ergebnis der durchgeführten Anhörungen die im Regierungsentwurf vorgesehene Formulierung, wonach die Streitkräfte "als Polizeikräfte" einsetzbar sein sollten, für zu eng befunden hatte, da eine Beschränkung etwa auf den Einsatz nichtmilitärischer Waffen nicht sachgerecht sei. Der Ausschuss schlug daher stattdessen vor, dass die Streitkräfte nur "zur Unterstützung der Polizei" eingesetzt werden dürften (a.a.O., S. 14). Dem folgte der verfassungsändernde Gesetzgeber. Die gleiche Abkehr von der ursprünglich vorgesehenen Formulierung ist aber auch in Art. 35 Abs. 2 und 3 GG erfolgt. Dieser gesetzgeberischen Entscheidung muss eine Bedeutung für die Auslegung des Art. 35 GG nicht deshalb abgesprochen werden, weil erst der Rechtsausschuss des Bundestages (vgl. BTDrucks V/2873) vorgeschlagen hat, die nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks V/1879) in Art. 91 GG angesiedelte Regelung des Streitkräfteeinsatzes bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen aus dem Zusammenhang der Bestimmungen zum inneren Notstand zu lösen und in Art. 35 Abs. 2 und 3 GG zu regeln. Umgekehrt lässt sich auch argumentieren, dass gerade diese Herauslösung aus dem ursprünglich vorgesehenen einheitlichen Regelungszusammenhang es nahegelegt hätte, für den Fall des nunmehr gesondert in Art. 35 GG geregelten Katastrophennotstandes einem etwaigen Willen, die Art und Weise des zulässigen Einsatzes enger zu bestimmen als für den Fall des inneren Notstandes, durch entsprechend unterschiedliche Formulierung der jeweiligen Regelungen Ausdruck zu geben.
Das Protokoll der Anhörung zum Thema "Der innere Notstand und der Katastrophennotstand", auf die ausweislich des Berichts des Rechtsausschusses (vgl. BTDrucks V/2873,S. 14) dessen Vorschlag zurückgeht, die Worte "als Polizeikräfte" durch die Gesetz gewordenen Formulierungen zu ersetzen, zeigt zudem, dass sowohl bei den angehörten Sachverständigen als auch auf Seiten der Abgeordneten, die sich an der Aussprache beteiligten, in der Frage der Zulässigkeit des Einsatzes militärischer Waffen unterschiedliche und häufig - unter anderem hinsichtlich des Zusammenhangs mit der Frage der maßgebenden einfachrechtlichen Eingriffsgrundlagen - auch unklare Auffassungen bestanden (vgl. Protokoll der 3. öffentlichen Informationssitzung des Rechtsausschusses und des Innenausschusses am 30. November 1967, Nr. 59, Nr. 75).
So wiesen etwa der schleswig-holsteinische Innenminister Dr. Schlegelberger und der hamburgische Innensenator Ruhnau unwidersprochen auf die Funktion des Streitkräfteeinsatzes hin, Einsatzmittel bereitzustellen, über die die Polizei nicht verfüge (a.a.O., S. 3, 6, 12), vertraten aber - im Zusammenhang mit Einsätzen im Fall des inneren Notstandes - zugleich die Auffassung, dass Einsätze sich auf der Grundlage "des Polizeirechts mit polizeilichen Mitteln" beziehungsweise "nach den Einsatzprinzipien und mit den Einsatzmitteln der Polizei" vollziehen müssten (a.a.O., S. 4, 6, 12). Dabei wurde zudem nicht deutlich, ob allein an das Landespolizeirecht (vgl. Ruhnau, a.a.O., S. 14) als Rechtsgrundlage gedacht war oder auch an Bundesrecht, das in verschiedenen Diskussionsbeiträgen als anwendbar vorausgesetzt wurde (vgl. zum UZwG des Bundes Ruhnau u.a., a.a.O., S. 7, 58; für den Fall überregionaler Einsätze auch S. 14). Verschiedene Äußerungen deuten darauf hin, dass man sich einen Einsatz der Streitkräfte im Katastrophennotstand vor allem in der Form des Objektschutzes und der Abwehr von Plünderungen vorstellte (a.a.O., S. 5, 27, 28, 57 f., 71). Zur Sprache kam anderseits aber auch der Fall der Sprengung eines Hauses oder einer Brücke (a.a.O., S. 63).
In der Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs, der neben dem Gesetzentwurf der Bundesregierung der Bericht des Rechtsausschusses (BTDrucks V/2873) zugrunde lag, fielen nur vereinzelt Äußerungen, die einen Bezug zum Inhalt der beschlossenen Regelungen in der Frage des bei Einsätzen der Streitkräfte anwendbaren Rechts oder unmittelbar in der Frage der bei solchen Einsätzen anwendbaren Mittel aufweisen. Auch diese Äußerungen sind nicht eindeutig und weisen, sofern sie überhaupt bestimmte Vorstellungen vom Inhalt der beschlossenen Regelungen zum Ausdruck bringen sollten, in unterschiedliche Richtungen (BTPlProt 5/174, S. 9313 f.; 5/175, S. 9437, 9452).
bb) Aus der Gesetzgebungsgeschichte wird danach weder ein eindeutiger Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers hinsichtlich der in den Fällen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG einsetzbaren Mittel noch eine klare Konzeption in der Frage des anwendbaren Rechts erkennbar. Angesichts dieses Befundes ist es nicht zwingend, im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG einen nach textlicher, systematischer und teleologischer Auslegung nicht ausgeschlossenen Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Mitteln - der, soweit es um die Abwehr von Gefahren durch ein als Angriffsmittel genutztes Luftfahrzeug geht, nur auf bundesrechtlicher Eingriffsgrundlage in Betracht kommt - allein deshalb für unzulässig zu halten, weil die konkreten Gefahrenfälle, die ihn erforderlich machen könnten, dem historischen verfassungsändernden Gesetzgeber noch nicht gegenwärtig waren.
3. Der Einsatz der Streitkräfte als solcher wie auch der Einsatz spezifisch militärischer Kampfmittel kommt allerdings nur unter engen Voraussetzungen in Betracht.
Bei der Auslegung und Anwendung der Voraussetzungen, unter denen Art. 35 Abs. 2 und 3 GG einen Einsatz der Streitkräfte erlaubt, sind der Zweck des Art. 87a Abs. 2 GG und das Verhältnis der den Katastrophennotstand betreffenden Bestimmungen zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Einsatz der Streitkräfte im inneren Notstand (Art. 87a Abs. 4 GG) zu berücksichtigen. Art. 87a Abs. 2 GG zielt darauf, die Möglichkeiten für einen Einsatz der Streitkräfte im Innern zu begrenzen (vgl. BVerfGE 115, 118 <142>). Art. 87a Abs. 4 GG unterwirft auf dem Hintergrund historischer Erfahrungen (vgl. Wieland, in: Fleck, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 167 <169 ff.>, m.w.N.) den Einsatz der Streitkräfte zur Bewältigung innerer Auseinandersetzungen besonders strengen Beschränkungen. Diese Beschränkungen dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass der Einsatz statt auf der Grundlage des Art. 87a Abs. 4 GG auf der des Art. 35 Abs. 2 oder 3 GG erfolgt. Das gilt erst recht für die Verwendung spezifisch militärischer Kampfmittel im Rahmen eines solchen Einsatzes.
a) Enge Grenzen sind dem Einsatz der Streitkräfte im Katastrophennotstand auf diesem Hintergrund durch das in Art. 35 Abs. 2 Satz 2GG ausdrücklich genannte und von Art. 35 Abs. 3Satz 1 GG in Bezug genommene Tatbestandsmerkmal des besonders schweren Unglücksfalls gesetzt.
aa) Die genannten Bestimmungen unterscheiden Naturkatastrophen und besonders schwere Unglücksfälle. Beide Ereignisarten wurden bereits im Gesetzgebungsverfahren unter dem Begriff der Katastrophe zusammengefasst (vgl. die Anhörung des Rechts- und des Innenausschusses zum Thema "Der innere Notstand und der Katastrophennotstand", Protokoll der 3. öffentlichen Informationssitzung des Rechtsausschusses und des Innenausschusses am 30. November 1967, Nr. 59, Nr. 75). Hieraus wie auch aus der normativen Parallelisierung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen in Art. 35 Abs. 2 und 3 GG wird deutlich, dass der hier verwendete Begriff des besonders schweren Unglücksfalls nur Ereignisse von katastrophischen Dimensionen erfasst (vgl. BVerfGE 115, 118 <143>). Insbesondere stellt nicht jede Gefahrensituation, die ein Land mittels seiner Polizei nicht zu beherrschen imstande ist, allein schon aus diesem Grund einen besonders schweren Unglücksfall im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG dar, der den Streitkräfteeinsatz erlaubte (vgl. Krings/Burkiczak, NWVBl 2004, S. 249 <252>). Besonders schwere Unglücksfälle sind vielmehr ungewöhnliche Ausnahmesituationen. Eine Betrauung der Streitkräfte mit Aufgaben der Gefahrenabwehr, die über die Bewältigung solcher Sondersituationen hinausgehen, kann daher nicht auf Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG gestützt werden.
bb) Die Voraussetzungen des besonders schweren Unglücksfalls gemäß Art. 35 Abs. 2 und 3 GG bestimmen sich zugleich in Abgrenzung zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Einsatz der Streitkräfte im inneren Notstand (Art. 87a Abs. 4 GG i.V.m. Art. 91 Abs. 2 Satz 1 GG).
(1) Art. 87a Abs. 4 in Verbindung mit Art. 91 Abs. 2 Satz 1 GG regelt den Einsatz der Streitkräfte zur Abwehr von Gefahren für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, die das Land, in dem die Gefahr droht, zu bekämpfen selbst nicht in der Lage oder nicht bereit ist. Dabei erlaubt Art. 87a Abs. 4 GG den Einsatz der Streitkräfte insbesondere zur Unterstützung der Polizei bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer. Die Regelung der Abwehr innerer Unruhen, die von nichtstaatlichen Angreifern ausgehen, hat damit ihren Platz in Art. 87a Abs. 4 in Verbindung mit Art. 91 GG gefunden (vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 35 Rn. 15; Wolff, ThürVBl 2003, S. 176 <177>). Insoweit entfaltet daher diese Vorschrift grundsätzlich eine Sperrwirkung für den Einsatz der Streitkräfte nach anderen Bestimmungen (vgl. auch Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, 2004, S. 326; Fischer, JZ 2004, S. 376 <381>; Sattler, NVwZ 2004, S. 1286 <1290>).
(2) Der Annahme eines besonders schweren Unglücksfalls steht bei einem Ereignis von katastrophischem Ausmaß nicht entgegen, dass es absichtlich herbeigeführt ist (vgl. BVerfGE 115, 118 <143 f.>). Angesichts der in Art. 87a Abs. 4 in Verbindung mit Art. 91 GG getroffenen Regelung der militärischen Bekämpfung nichtstaatlicher Gegner können die Streitkräfte auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 2 und 3 GG jedoch zur Bekämpfung eines Angreifers nur in Ausnahmesituationen eingesetzt werden, die nicht von der in Art. 87a Abs. 4 GG geregelten Art sind. So stellen namentlich Gefahren für Menschen und Sachen, die aus oder von einer demonstrierenden Menschenmenge drohen, keinen besonders schweren Unglücksfall im Sinne des Art. 35 GG dar, der es rechtfertigen könnte, Streitkräfte auf der Grundlage dieser Bestimmung einzusetzen. Denn nach Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG dürfen selbst zur Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer Streitkräfte auch dann, wenn das betreffende Land zur Bekämpfung der Gefahr nicht bereit oder in der Lage ist (Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG i.V.m. Art. 91 Abs. 2 Satz 1 GG), nur unter der Voraussetzung eingesetzt werden, dass Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes besteht (vgl. Arndt, DVBl 1968, S. 729 <731 f.>).
cc) Der Unglücksfall muss, wie im Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 deutlich zum Ausdruck kommt, bereits vorliegen, damit zu seiner Bekämpfung oder zur Bekämpfung seiner Schadensfolgen Streitkräfte eingesetzt werden dürfen. Das bedeutet nicht, dass auch Schäden notwendigerweise bereits eingetreten sein müssen (vgl. BVerfGE 115, 118 <144 f.>). Von einem Unglücksfall kann auch dann gesprochen werden, wenn zwar die zu erwartenden Schäden noch nicht eingetreten sind, der Unglücksverlauf aber bereits begonnen hat und der Eintritt katastrophaler Schäden unmittelbar droht. Ist die Katastrophe bereits in Gang gesetzt und kann sie nur noch durch den Einsatz der Streitkräfte unterbrochen werden, muss nicht abgewartet werden, bis der Schaden sich realisiert hat. Der Schadenseintritt muss jedoch unmittelbar bevorstehen. Dies ist der Fall, wenn der katastrophale Schaden, sofern ihm nicht rechtzeitig entgegengewirkt wird, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Kürze eintreten wird (vgl. BVerfGE 115, 118 <145>). Ein ins Vorfeld des Katastrophengeschehens verlagerter Einsatz der Streitkräfte ist unzulässig.
b) Der Einsatz der Streitkräfte wie der Einsatz spezifisch militärischer Abwehrmittel ist zudem auch in einer solchen Gefahrenlage nur als ultima ratio zulässig. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG sieht für den Fall des überregionalen Katastrophennotstandes ausdrücklich vor, dass die Streitkräfte nur eingesetzt werden dürfen, soweit es zur wirksamen Bekämpfung der durch eine Naturkatastrophe oder einen besonders schweren Unglücksfall veranlassten Gefahr erforderlich ist. Die Erforderlichkeitsklausel des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG zielt auf die Subsidiarität der Bundesintervention im Verhältnis zu den Ländern (vgl. Magen, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. I, 1. Aufl. 2002, Art. 35 Rn. 37; Bauer, in: Dreier, GG, Bd. II, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 32; v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Bd. 2, Art. 35 Rn. 79; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 35 Rn. 53; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 35 Rn. 29). Im Übrigen entspricht die strenge Beschränkung auf das Erforderliche - sowohl was das Ob als auch was das Wie, einschließlich der konkreten Einsatzmittel, angeht - für Einsätze nach Absatz 2 Satz 2 wie für Einsätze nach Absatz 3 Satz 1 des Art. 35 GG dem in Art. 87a Abs. 2 GG zum Ausdruck gebrachten Willen des Verfassungsgebers zur engen Begrenzung des zulässigen Streitkräfteeinsatzes im Innern (vgl. Knödler, BayVBl 2002, S. 107 <108>).
c) Im Ergebnis sieht Art. 35 GG differenzierte Möglichkeiten einer Verwendung der Streitkräfte zur Gewährleistung der Luftsicherheit vor.
aa) Aus Art. 87a Abs. 2 GG ergeben sich Grenzen hinsichtlich der Abwehr von Gefahren, die von einem als Angriffsmittel genutzten Flugzeug ausgehen, nur, soweit es sich um einen Einsatz handelt. Deshalb sind Maßnahmen der Streitkräfte in einer den Verursachern gegenüber rein unterstützenden und solche Unterstützung vorbereitenden Funktion - etwa zur Hilfe bei technisch oder durch gesundheitliche Probleme eines Piloten bedingten Orientierungsschwierigkeiten und zur Aufklärung, ob solche Hilfe benötigt wird - nicht ausgeschlossen. Art. 87a Abs. 2 GG bindet nicht jede Nutzung personeller und sächlicher Ressourcen der Streitkräfte an eine ausdrückliche grundgesetzliche Zulassung, sondern nur ihre Verwendung als Mittel der vollziehenden Gewalt in einem Eingriffszusammenhang (vgl. BTDrucks V/2873, S. 13; BVerwGE 132, 110 <119>; Brenneisen, in: ders./Staack/Kischewski, 60 Jahre Grundgesetz, 2010, S. 485 <488>; Wolff, in: Weingärtner, Die Bundeswehr als Armee im Einsatz, 2010, S. 171 <177>). Dementsprechend kann auf Luftzwischenfälle in rein technisch-unterstützender Funktion reagiert werden. Dies verbleibt im Rahmen des Art. 35 Abs. 1 GG und ist daher von den Beschränkungen, die für einen Einsatz der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 2 und 3 GG gelten, nicht betroffen. Allerdings liegt eine Verwendung in einem Eingriffszusammenhang nicht erst bei einem konkreten Vorgehen mit Zwang, sondern bereits dann vor, wenn personelle oder sachliche Mittel der Streitkräfte in ihrem Droh- oder Einschüchterungspotential genutzt werden (vgl. BVerwGE 132, 110 <119 f.>; Fehn/Brauns, Bundeswehr und innere Sicherheit, 2003, S. 38 f.; Senger, Streitkräfte und materielles Polizeirecht, 2011, S. 79 ff. <80>).
bb) Eine umfassende Gefahrenabwehr für den Luftraum mittels der Streitkräfte kann auf Art. 35 Abs. 2 und 3 GG nicht gestützt werden. Insbesondere berechtigt nicht jeder Luftzwischenfall, zu dessen Bewältigung eine technische Unterstützung nicht ausreicht, automatisch zum Einsatz der Streitkräfte. De constitutione lata ist der Einsatz der Streitkräfte nur bei besonders gravierenden Luftzwischenfällen zulässig, die den qualifizierten Anforderungen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG genügen.
Zur dritten Vorlagefrage:
Der Einsatz der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG ist, auch in Eilfällen, allein aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung als Kollegialorgan zulässig.
1. Das Grundgesetz unterscheidet systematisch zwischen Befugnissen und Zuständigkeiten der Bundesregierung und solchen einzelner Bundesminister (s. etwa einerseits Art. 84 Abs. 2, Art. 87a Abs. 4 Satz 1, Art. 91 Abs. 2 Satz 3, Art. 108 Abs. 7 GG, andererseits Art. 65 Satz 2, Art. 65a, Art. 95 Abs. 2, Art. 112 Satz 1 GG). Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG weist die Befugnis, im Fall des überregionalen Katastrophennotstandes Einheiten der Streitkräfte einzusetzen, der Bundesregierung zu. Die Bundesregierung besteht nach Art. 62 GG aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern. Der Einsatz der Streitkräfte im überregionalen Katastrophennotstand setzt danach einen Beschluss der Bundesregierung als Kollegium (vgl. BVerfGE 26, 338 <396>; 91, 148 <166>; 115, 118 <149>) voraus. Es gilt nichts anderes als für den Einsatz der Streitkräfte im Fall des inneren Notstandes, für den Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG ebenfalls die Entscheidungszuständigkeit der Bundesregierung vorsieht und der unstreitig nur aufgrund eines Kabinettsbeschlusses zulässig ist (s. statt vieler Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 87a Rn. 33; Baldus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 87a Rn. 160; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 87a Rn. 8; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 87a Rn. 37; Denninger, in: Benda/ Maihofer/Vogel, HdVerfR, 2. Aufl. 1994, § 16 Rn. 60).
Zu einer Delegation der zugewiesenen Beschlusszuständigkeit auf ein einzelnes Mitglied (vgl. Robbers, in: Öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 26. April 2004, ProtokollNr. 15/35, S. 54) ist die Bundesregierung nicht befugt. Staatsorganisationsrechtliche Kompetenzen stehen im Grundsatz nicht zur freien Disposition ihrer Träger (vgl. zum Verhältnis von Bundes- und Länderkompetenzen BVerfGE 1, 14 <35>; 39, 96 <109>; 41, 291 <311>; 63, 1 <39>). Sie sind daher grundsätzlich weder verzichtbar noch beliebig delegierbar. Darin unterscheiden sie sich von subjektiven Rechten, über die der Inhaber im Prinzip verfügen kann.
2. Eine Eilkompetenz für ein anderes als das regulär vorgesehene Organ, wie sie in verschiedenen Grundgesetzbestimmungen für den Fall der Gefahr im Verzug vorgesehen ist (Art. 13 Abs. 2, Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz GG; vgl. auch Art. 119 Satz 3 GG: Auswechselung des Weisungsadressaten bei Gefahr im Verzug), sieht Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vor; ermächtigt wird allein die Bundesregierung. Danach besteht eine Delegationsbefugnis der Bundesregierung oder eine Befugnis des Gesetzgebers zu abweichender Zuständigkeitsbestimmung auch für Eilfälle nicht (vgl. Bauer, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 32; v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Bd. 2, Art. 35 Rn. 79; Hömig, in: ders., GG, 9. Aufl. 2010, Art. 35 Rn. 10; Erbguth, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 35 Rn. 41; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 35 Rn. 8; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 35 Rn. 49; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 35 Rn. 29; Martínez Soria, DVBl 2004, S. 597 <603>; v. Danwitz, Rechtsfragen terroristischer Angriffe auf Kernkraftwerke, 2002, S. 56; Arndt, DVBl 1968, S. 729 <732>; Sattler, NVwZ 2004, S. 1286 <1289>; Lepsius, in: Festgabe für Dr. Burkhard Hirsch, 2006, S. 47 <57>).
Die Ressortzuständigkeit der Bundesminister (Art. 65 Satz 2 GG) und die Zuweisung der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte an den Bundesminister der Verteidigung (Art. 65a GG) können eine abweichende Auslegung (vgl. Epping, Schriftliche Stellungnahme im Rahmender öffentlichen Sachverständigenanhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 26. April 2004, ADrs 15(4)102B, S. 8) nicht begründen, weil Art. 35 Abs. 3 Satz 1GG für die Befugnis, über den Einsatz der Streitkräfte im überregionalen Katastrophennotstand zu entscheiden, eine demgegenüber speziellere Regelung trifft.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in einzelnen Bereichen Eilzuständigkeiten in Abweichung von einer grundsätzlich gegebenen Parlamentszuständigkeit anerkannt hat (vgl. BVerfGE 90, 286 <388> und BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Februar 2012 - 2 BvE 8/11 -, juris, Rn. 109 ff., 113, 150). Dies betraf Bereiche, für die die Entscheidungszuständigkeit im Grundgesetz gerade nicht ausdrücklich geregelt ist. Die Frage, ob und inwieweit Sonderkompetenzen für Eilfälle auch entgegen ausdrücklich - und ohne Ausnahme für den Eilfall -im Grundgesetz getroffenen Zuständigkeitsregelungen anerkennungsfähig sein könnten, ist damit nicht beantwortet.
Angesichts der nach Wortlaut und Systematik eindeutigen ausschließlichen Kompetenzzuweisung an die Bundesregierung kann eine abweichende Zuständigkeit nicht aus einem auf wirksame Gefahrenabwehr gerichteten Zweck des Art. 35 Abs. 3 GG (vgl. Franz, Der Staat 45 <2006>, S. 501 <530>; Franz/Günther, VBlBW 2006, S. 340 <343>; Schenke, NJW 2006, S. 736 <737 f.>; Palm, AöR 132 <2007>, S. 95 <104>; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, 2007, S. 252) oder aus staatlichen Schutzpflichten (Epping, a.a.O., S. 8) abgeleitet werden. Der Verfassungsgesetzgeber hat Einsätze der Streitkräfte bewusst nur unter engen Voraussetzungen zugelassen. Für die Auslegung der betreffenden Vorschriften, die in einer politisch hochumstrittenen Materie als Ergebnis ausführlicher, kontroverser Diskussionen zustande gekommen sind, gilt das Gebot strikter Texttreue (s.o. unter II.). Jedenfalls deshalb verbietet sich eine auf die Vermeidung von Schutzlücken gerichtete teleologische Verfassungsinterpretation, die vom bewusst und in Übereinstimmung mit der Systematik gewählten ausdrücklichen Wortlaut abweicht. Aus demselben Grund kann - unabhängig von der allgemeineren Frage des möglichen Stellenwerts von Notstandsgesichtspunkten, die in positiven Verfassungsbestimmungen gerade nicht aufgegriffen sind - auch auf ungeschriebene Sonderkompetenzen für Eil- und Notfälle (vgl. Wieland, in: Fleck, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 167 <179>; Epping, Schriftliche Stellungnahme, a.a.O., S. 8) jedenfalls bei Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG nicht zurückgegriffen werden.
Die Entscheidung des Plenums trage ich zur ersten und dritten Vorlagefrage mit, der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage stimme ich hingegen nicht zu.
Das Bundesverfassungsgericht wird gerne als Ersatzgesetzgeber bezeichnet; mit der nun getroffenen Entscheidung des Plenums läuft das Gericht Gefahr, künftig mit der Rollenzuschreibung als verfassungsändernder Ersatzgesetzgeber konfrontiert zu werden. Denn mit seiner Antwort auf die zweite Vorlagefrage schenkt das Plenum den Vorgaben des eigenen Gerichts zur Verfassungsinterpretation keine ausreichende Beachtung. Es wird weder der Wortlaut der einschlägigen Verfassungsnormen unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte hinreichend gewürdigt (dazu BVerfGE 88, 40 <56>), noch erfolgt eine systematische Auslegung mit Blick auf die Einheit der Verfassung (dazu BVerfGE 55, 274 <300>) als "vornehmstes Interpretationsprinzip" (so aber BVerfGE 19, 206 <220>). Im Ergebnis hat die Auslegung der Regelungen zum Katastrophennotstand, die der Plenarbeschluss bei seiner Antwort auf die zweite Vorlagefrage zugrunde legt, die Wirkungen einer Verfassungsänderung. Deshalb folge ich dem Plenarbeschluss insoweit nicht.
I.
Das Grundgesetz ist auch eine Absage an den deutschen Militarismus, der Ursache für die unvorstellbaren Schrecken und das
millionenfache Sterben in zwei Weltkriegen war. 1949 ist die Bundesrepublik Deutschland als Staat ohne Armee entstanden; schon
die Einfügung der Wehrverfassung in das Grundgesetz im Jahr 1956 wird zu Recht "eine Wende in der Entwicklung der Bundesrepublik"
genannt (Hofmann, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl., 2003, Bd. I, § 9 Rn. 51). Dabei wurde durch Art.
143 GG in der Fassung von 1956 klargestellt, dass im Zuge der "Wiederbewaffnung" eine Befugnis zum Einsatz der Streitkräfte
im Inneren selbst in Fällen des Notstandes nicht gegeben war (vgl. Meixner, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff/Graßhof, BK, Art. 143
Rn. 4
Auch und gerade seitdem nach der Notstandsgesetzgebung der Einsatz des Militärs im Inneren nicht mehr schlechthin unzulässig ist, bleibt strenge Restriktion geboten. Es ist sicherzustellen, dass die Streitkräfte niemals als innenpolitisches Machtinstrument eingesetzt werden. Abgesehen von dem extremen Ausnahmefall des Staatsnotstandes, in dem nur zur Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer als letztes Mittel auch Kampfeinsätze der Streitkräfte im Inland zulässig sind (Art. 87a Abs. 4 GG), ist die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit Aufgabe allein der Polizei. Ihre Funktion ist die der Gefahrenabwehr und nur über hierfür geeignete und erforderliche Waffen darf die Polizei verfügen; hingegen sind Kampfeinsätze der Streitkräfte auf die Vernichtung des Gegners gerichtet, was spezifisch militärische Bewaffnung notwendig macht. Beide Aufgaben sind strikt zu trennen. Hiermit zieht unsere Verfassung aus historischen Erfahrungen die gebotenen Konsequenzen und macht den grundsätzlichen Ausschluss der Streitkräfte von bewaffneten Einsätzen im Inland zu einem fundamentalen Prinzip des Staatswesens. Mit anderen Worten: Die Trennung von Militär und Polizei gehört zum genetischen Code dieses Landes (so Heinrich Wefing, in: Zeit-Online vom 14. Januar 2009, http://www.zeit.de/2008/42/Bundeswehr).
Wer hieran etwas ändern will, muss sich nicht nur der öffentlichen politischen Debatte stellen, sondern auch die zu einer Verfassungsänderung erforderlichen parlamentarischen Mehrheiten (Art. 79 Abs. 2 GG) für sich gewinnen. Im Anschluss an das Urteil des Ersten Senats war demgemäß eine Änderung des Grundgesetzes beabsichtigt, um den am 11. September 2001 deutlich gewordenen Gefahren des internationalen Terrorismus effektiv begegnen zu können. Das Vorhaben scheiterte, weil sich - trotz der damaligen "großen" Regierungskoalition - für die von der Bundesregierung beabsichtigte Zulassung "militärischer Mittel" generell in "besonders schweren Unglücksfällen" im Bundestag nicht die erforderliche Mehrheit fand und allenfalls eine Begrenzung militärischer Kampfeinsätze zur Abwehr von Angriffen aus der Luft oder von See aus hätte erreicht werden können (vgl. Zeit-Online vom 14. Januar 2009, http://www.zeit.de/online/2008/42/bundeswehr-grundgesetz). Der Plenarbeschluss gibt nun das, was für die Bundesregierung vor drei Jahren gegen einen der Koalitionspartner - und auch gegen die Stimmverhältnisse im Bundesrat - nicht durchsetzbar war. Selbst wenn man es unerträglich empfindet, dass die Streitkräfte hiernach bei terroristischen Angriffen untätig in der Rolle des Zuschauers verharren müssen, ist es nicht Aufgabe und nicht Befugnis des Bundesverfassungsgerichts korrigierend einzuschreiten.
II.
Nach meiner Ansicht schließt das Grundgesetz in seiner gegenwärtigen Fassung den Kampfeinsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen sowohl in Fällen des regionalen (Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG) wie in Fällen des überregionalen (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG) Katastrophennotstandes aus; insoweit ist also an der Auffassung des Ersten Senats im Urteil vom 15. Februar 2006 (BVerfGE 115, 118 <146 ff., 150 f.>) festzuhalten. Hierbei kann dahinstehen, ob die Wortlautargumente, die im Urteil des Ersten Senats in den Vordergrund gestellt wurden, den Argumenten des Plenarbeschlusses Stand halten und die ihnen beigelegte tragende Bedeutung weiterhin beanspruchen können. Denn es lässt sich auch mit einer historischen Verfassungsinterpretation, vor allem aber mit einer systematischen Auslegung des Grundgesetzes begründen, dass ein Einsatz der Streitkräfte mit militärischer Bewaffnung in beiden Fällen des Katastrophennotstandes nicht erlaubt und damit aufgrund des Art. 87a Abs. 2 GG von Verfassungs wegen untersagt ist.
1. Der Plenarbeschluss will zwar davon ausgehen, dass sich aus den Gesetzgebungsmaterialien "insgesamt kein klares Bild" für einen bestimmten Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers ergebe. Bei vollständiger Ausschöpfung der verfügbaren Quellen und bei Würdigung der dort dokumentierten Erklärungen im Zusammenhang vermag ich diese Einschätzung allerdings nicht zu teilen.
a) Unklarheiten können, anders als der Plenarbeschluss ausführt, nicht aus dem Protokoll über die gemeinsame Informationssitzung des Rechtsausschusses und des Innenausschusses des Bundestages am 30. November 1967 (BTDrucks V/1879 und V/2130) hergeleitet werden. Zwar trifft es zu, dass die dort festgehaltenen Äußerungen der verschiedenen angehörten Sachverständigen unterschiedliche Meinungen zur Zulässigkeit des Einsatzes militärischer Waffen wiedergeben; ferner ist auch zutreffend, dass diese Anhörung Grundlage für den Bericht des Rechtsausschusses wurde, der wiederum Grundlage für den Gesetzesbeschluss des Bundestages zur Verfassungsänderung geworden ist. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, sondern ist schon im Ansatz fernliegend, dass das uneinheitliche Meinungsbild einer Anhörung unverändert in die Beschlussfassung des Rechtsausschusses eingeflossen ist. Das Gegenteil ist richtig. Der Rechtsausschuss musste - jedenfalls mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder - eine klare Entscheidung treffen und hat dies auch getan.
Die Auffassung des Rechtsausschusses steht allerdings der Einschätzung des Plenums entgegen und findet in dessen Argumentation keine hinreichende Beachtung: Nachdem die Sachverständigen Kluncker und Kuhlmann in der gemeinsamen Informationssitzung des Innen- und des Rechtsausschusses angeregt hatten, den waffenlosen Einsatz der Bundeswehreinheiten im Katastrophen- und Unglücksfall zum Ausdruck zu bringen (vgl. Protokoll der 3. öffentlichen Informationssitzung des Rechtsausschusses und des Innenausschusses vom 30. November 1967, a.a.O., S. 42, 50), nimmt der schriftliche Bericht des Rechtsausschusses diese Hinweise auf, zieht daher den Einsatz militärisch bewaffneter Streitkräfte überhaupt nur für den Fall des Art. 87a Abs. 4 GG in Betracht und beschränkt ihn zugleich auf den Staatsnotstand als eine besonders gefährdende Situation des inneren Notstandes. Im Bericht des Rechtsausschusses heißt es unmissverständlich (BTDrucks V/2873, S. 2):
"Der Hauptunterschied zur Regierungsvorlage liegt darin, dass die Schwelle für den Einsatz der Streitkräfte als bewaffnete Macht angehoben worden ist. Der Rechtsausschuss schlägt vor, den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr nur dann zuzulassen, wenn dies zur Bekämpfung von Gruppen militärisch bewaffneter Aufständischer erforderlich ist (Artikel 87a Abs. 4)."
Entgegen der Ansicht des Plenums, das die Bedeutung dieser Äußerung ins Ungewisse stellt ("… muss nicht dahin verstanden werden …"), wird damit ein bewaffneter Einsatz auch in den Fällen des Katastrophennotstandes ausgeschlossen; denn diese Passage findet sich unter der Überschrift "Innerer Notstand" in dem Abschnitt des Berichts, der sich eingehend dazu verhält, dass die zuvor in der Regierungsvorlage zusammenfassend geregelten "Fälle des Inneren Notstandes" nunmehr nach ihrem "sachlichen Inhalt" getrennt in eigenen Vorschriften normiert werden sollen. Da angesichts der Zusammenfassung im Regierungsentwurf seinerzeit in den Begriff des "Inneren Notstandes" auch die Fälle des Katastrophennotstandes einbezogen wurden (vgl. Lenz, Notstandsverfassung des Grundgesetzes - Kommentar, 1971, Art. 35 Rn. 2), war der Ausschluss spezifisch militärischer Waffen ersichtlich auch und gerade für die nun in Art. 35 Abs. 2 und 3 GG gesondert zu regelnden Einsätze bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen gewollt.
b) Dies wird - entgegen der Ansicht des Plenums - durch weitere Quellen bestätigt. Ein anderes Verständnis trifft nicht die historischen Gegebenheiten im Umfeld der Verfassungsänderung des Jahres 1968. Das Plenum lässt völlig außer Acht, dass zur Zeit der Notstandsgesetzgebung eine weitergehende Zulassung des Einsatzes militärisch bewaffneter Einheiten der Streitkräfte im Inneren politisch nicht durchsetzbar gewesen wäre. Seit dem Bundestag im Jahre 1960 ein erster Entwurf vorgelegt worden war, kam es über Jahre hinweg zu grundlegenden politischen Diskussionen in der - angesichts der Erfahrungen mit der deutschen Geschichte - sensibilisierten Öffentlichkeit, die sich im Zuge der abschließenden Beratungen noch erheblich verschärften (vgl. etwa Scheuner, in: Lenz, a.a.O., Einleitung, S. 13). So richtete sich der vor allem von den Gewerkschaften getragene Widerstand gegen die Notstandsverfassung in Sonderheit gegen die zutreffend erkannte Gefahr eines Einsatzes der Streitkräfte als innenpolitisches Machtinstrument gegen die Bevölkerung namentlich bei Arbeitskämpfen (vgl. Hoffmann, in: Sterzel, Kritik der Notstandsgesetze, 1968, S. 87 f.). Als Beispiel für die mit der Notstandsgesetzgebung verknüpften Befürchtungen mag das von Ekkehart Stein und Helmut Ridder schon 1963 verfasste Memorandum der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler "Der permanente Notstand" (abgedruckt in Ridder, Gesammelte Schriften, 2010, S. 563 <566>) dienen, in dem es heißt:
"Das Friedensrecht darf nicht vom Kriegsrecht material unterwandert werden, d.h. im Frieden dürfen keine Maßnahmen zugelassen werden, die in einem Krieg zur Bewältigung dieser extremen Gefahrenlage entwickelt wurden und nur im Kriegsfall zu rechtfertigen sind."
Vor diesem Hintergrund stellte der Abgeordnete Dr. Lenz (CDU/CSU) als Berichterstatter des Rechtsausschusses bei den abschließenden Beratungen im Bundestag die restriktiven Ziele beim Einsatz bewaffneter Streitkräfte klar (PlProt 5/174, S. 9311 <9313>):
"Es ist nicht wahr, dass durch diese Vorlage der Bürgerkrieg vorbereitet wird. Sowohl bei der Formulierung des staatsbürgerlichen Widerstandsrechts als auch bei der Möglichkeit der Bundesregierung, im äußersten Notfall Truppen gegen militärisch bewaffnete Aufständische einzusetzen, hat der Rechtsausschuss sich bemüht, klarzustellen, dass dies nur die Ultima ratio, das letzte Mittel sein dürfte, wenn alle anderen Mittel versagt haben."
2. Diese historisch fundierte Ausgangsprämisse des verfassungsändernden Gesetzgebers findet deutlichen Niederschlag in der Systematik, die das Grundgesetz mit der Implementierung der "Notstandsverfassung" durch das 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968 (BGBl I S. 709) erfahren hat. Der Plenarbeschluss geht hierauf nicht ein.
Gerade wegen der starken öffentlichen Kritik, die sich an dem Streitkräfteeinsatz im Fall des inneren Notstandes entzündet hatte, wandte sich der Rechtsausschuss gegen eine zusammenfassende Regelung, wie sie in dem vorangegangenen Regierungsentwurf vorgeschlagen worden war. Die Trennung der - als unproblematisch angesehenen - Regelung des Katastrophennotstandes einerseits von der des inneren Notstandes andererseits erfolgte, um die entstandene Debatte zu entpolitisieren und den Verdacht auszuräumen, dass mit dem Katastrophennotstand auch der innere Notstand bekämpft werden solle (vgl. Kurzprotokoll der 71. Sitzung des Rechtsausschusses vom 15. Februar 1968, dort S. 10). Dies belegt einmal mehr, dass diese beiden Fälle des Streitkräfteeinsatzes im Inneren völlig unterschiedliche, sich nicht überschneidende Anwendungsbereiche haben und deshalb nicht durch die Zulassung spezifisch militärischer Bewaffnung auch in Fällen des Katastrophennotstandes vermengt werden dürfen. Demgemäß führt der Berichterstatter des Rechtsausschusses, der Abgeordnete Dr. Lenz, in dem von ihm 1971 verfassten Kommentar zur Notstandsverfassung bei Art. 35 Abs. 2 GG (a.a.O., Art. 35 Rn. 9) aus:
"Die Anforderung geschieht 'zur Hilfe'. Damit ist ein unbewaffneter - dies ist vor allem im Hinblick auf die Streitkräfte von Bedeutung - technischer Hilfseinsatz gemeint."
In Einklang damit steht der Hinweis in dem abschließenden Bericht des Rechtsausschusses, dass die im Fall des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG zur Verfügung gestellten Kräfte anderer Länder und des Bundes "den Rechtsnormen des im Einsatzland geltenden Landespolizeirechts" unterstehen (BTDrucks V/2873, S. 10). Zu Art. 35 Abs. 3 GG verweist der Bericht ausdrücklich auf die Ausführungen zu Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG (BTDrucks V/2873, S. 10). Für beide Fälle des Katastrophennotstandes wurden also mit der Maßgeblichkeit des Landespolizeirechts die Voraussetzungen für die Einbindung der Streitkräfte in den zivilen Katastrophenschutz geschaffen und damit nur polizeiliche Maßnahmen, nicht aber militärische Kampfmaßeinsätze ermöglicht (vgl. auch Cl. Arndt, DVBl 1968, S. 729 f.). Auch die im Bericht des Rechtsausschusses im Einzelnen angeführten Beispiele für den Einsatz der Streitkräfte in den Fällen von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, nämlich "Absperrungen von gefährdeten Grundstücken und Verkehrsregelungen" (BTDrucks V/2873, S. 10), sprechen deutlich für einen Einsatz der Streitkräfte, der hinsichtlich der einsetzbaren Mittel nicht über die im jeweiligen Landespolizeirecht der Länder vorgesehenen hinausgehen darf. In der Begründung des Rechtsausschusses zu Art. 87a Abs. 4 GG findet sich demgegenüber die Aussage, dass für den dort geregelten Einsatzfall militärische Mittel nicht von vornherein ausgeschlossen werden sollten, wobei konsequenterweise nicht auf die Anwendbarkeit des jeweiligen Landespolizeirechts verwiesen wird (BTDrucks V/2873, S. 14).
3. Weiteres kommt hinzu. Im Rahmen der systematischen Auslegung ist auch zu beachten, dass im Fall des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG allein der Bundesregierung eine Initiativbefugnis zusteht, sie demnach - wie auch der Plenarbeschluss in Bestätigung der Rechtsauffassung des Ersten Senats (BVerfGE 115, 118 <149 f.>) zur dritten Vorlagefrage zutreffend erkennt - nur als Kollegialorgan über den Einsatz der Streitkräfte in überregionalen Katastrophen- oder Unglücksfällen zu befinden vermag. Diese Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers für das Initiativrecht nur der Bundesregierung als Kollegialorgan ist auch für die Zulässigkeit eines bewaffneten Einsatzes der Streitkräfte im Inneren von Belang; denn sie gibt auch Aufschluss über den als zulässig angesehenen und der Regelung daher zugrunde gelegten Mitteleinsatz.
Entscheidungen eines Gremiums erfordern naturgemäß einen größeren zeitlichen Vorlauf; das Verfahren ist schwerfälliger als das einer ministeriellen Einzelentscheidung und bringt daher schwerwiegende Effektivitätsnachteile mit sich. Diese können bis zur Erfolglosigkeit einer Maßnahme infolge Zeitablaufs reichen, wenn es sich um eine Gefahrenlage handelt, die ein sofortiges Eingreifen zwingend erfordert. Hingegen zeichnen sich die Naturkatastrophen und Unglücksfälle, für die in Art. 35 Abs. 2 und 3 GG ein Einsatz der Streitkräfte vorgesehen wurde, typischerweise dadurch aus, dass sie einen gewissen, wenn auch eng begrenzten zeitlichen Spielraum lassen. Unglücksfälle treten generell, Naturkatastrophen bisweilen so plötzlich ein, dass nur noch eine Bekämpfung hinsichtlich der Folgen möglich ist, was aufgrund der Notwendigkeit, Einsatzkräfte und Material heranzuführen, ohnehin geraume Zeit in Anspruch nehmen muss. Ansonsten weisen Naturkatastrophen in ihrer Entstehung oder Folgeentwicklung eine zeitliche Streckung zumindest über Stundenzeiträume auf. All diese Umstände erlauben die Befassung eines Kollegialorgans wie der Bundesregierung, ohne hierdurch die Wirksamkeit des Streitkräfteeinsatzes ernsthaft zu gefährden.
Hingegen ist ein unausweichlicher Druck zur Entscheidung innerhalb kürzester Frist gerade für solche Gefahren typisch, denen effektiv nur mit dem Einsatz solcher Waffen begegnet werden kann, die in ihrer zerstörenden Wirkung über die polizeirechtlich zulässige Bewaffnung hinausgehen. Spezifische Militärwaffen sind mit ihrer zerstörerischen Kraft auf die Vernichtung des Gegners angelegt. Ist außerhalb einer kriegerischen Auseinandersetzung zur Gefahrenabwehr der Einsatz solcher Vernichtungskraft im Sinne der Verhältnismäßigkeitsmaxime angemessen und insbesondere auch erforderlich, so wird typischerweise - wie eben bei der Entführung von Flugzeugen zum Einsatz als Anschlagswaffe ("Renegade"-Fälle) - ein Verlauf bereits eingeleitet sein, der bei ungehindertem Fortgang in kürzester Zeit den Verlust zahlreicher Menschenleben oder ungeheuere Schäden erwarten lässt und daher nur durch den Einsatz massivster Mittel endgültig gestoppt werden kann. Solche Gefährdungslagen sind also dadurch gekennzeichnet, dass ihrer Beseitigung jede zeitliche Verzögerung abträglich ist. Dann wäre aber die Betrauung eines in der Entscheidungsfindung vergleichsweise schwerfälligen Kollegialorgans mit der Initiativbefugnis zum Einschreiten geradezu dysfunktional und als Zuständigkeitsentscheidung mit Blick auf die vom verfassungsändernden Gesetzgeber angestrebte "wirksame Bekämpfung" fernliegend. Wenn daher - wie in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG geschehen - der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Bundesregierung einem Kollegialorgan die Zuständigkeit für die Einsatzentscheidung zuweist, kann hieraus nur der Schluss gezogen werden, dass er von vornherein den Einsatz spezifisch militärischer Waffen nicht für erforderlich hielt und damit auch nicht legitimieren wollte.
III.
Dem geschilderten Ergebnis einer historischen und systematischen Auslegung des Grundgesetzes entspricht die Rechtsauffassung des Ersten Senats im Urteil vom 15. Februar 2006, wonach "auch im Fall des überregionalen Katastrophennotstandes ein Einsatz der Streitkräfte mit typisch militärischen Waffen von Verfassungs wegen nicht erlaubt ist" (BVerfGE 115, 118 <150>). Ihm ließe sich aber auch noch dadurch Rechnung tragen, dass die im Plenarbeschluss dargestellte "Sperrwirkung" des Art. 87a Abs. 4 GG als unüberwindliche Schranke des Einsatzes militärischer Waffen im Inland strikt eingehalten wird. Damit wäre der Einsatz militärspezifischer Waffen in Katastrophenfällen namentlich gegen Sachen - wie etwa bei dem gängigen Beispiel des Bombardierens von Deichen zur Herbeiführung einer kontrollierten Überflutung - zu rechtfertigen. Das Plenum will diesen Weg zwar beschreiten und bringt dies scheinbar auch im Beschlusstenor mit der Antwort auf die zweite Vorlagefrage zum Ausdruck. Allerdings erfährt der Tenor durch die anschließenden Gründe des Beschlusses eine entscheidende Ausdehnung, die als tragende Begründung letztlich für das Verständnis und die Wirkungen der Entscheidung des Plenums maßgeblich ist (vgl. BVerfGE 3, 261 <264>; 36, 342 <359 f.> jeweils zu Art. 100 Abs. 3 GG). Damit macht das Plenum den Ansatz einer "strikten Begrenzung" durch Art. 87a Abs. 4 GG selbst zur Makulatur; denn der "Sperrwirkung" wird nur "grundsätzlich" Geltung beigelegt, was es ermöglicht, Inlandseinsätze der Streitkräfte mit militärischer Bewaffnung auch dann zuzulassen, wenn es gilt, einem "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Kürze" eintretenden "katastrophalen Schaden" entgegenzuwirken, der auch durch absichtliches Handeln verursacht sein kann.
1. Vieles spricht dafür, dass die Vorstellungen des verfassungsändernden Gesetzgebers bei Regelung des Katastrophennotstandes in Art. 35 Abs. 2 und 3 GG neben Naturkatastrophen - wie der Hamburger Sturmflut 1962 - nur auf besonders schwere Unglücksfälle im Sinne schicksalhafter, zufälliger Verläufe gerichtet waren (vgl. etwa die Beispiele bei Lenz, a.a.O., Art. 35 Rn. 6 "Explosionsunglück" oder "Kollision von Öltankern in Küstennähe"). Der Erste Senat hat den Begriff des Unglücksfalls jedoch auch für solche Schadensereignisse geöffnet, die "von Dritten absichtlich herbeigeführt werden" (BVerfGE 115, 118 <144>). Erst damit konnte es zu Überschneidungen mit der Regelung des (inneren) Staatsnotstandes in Art. 87a Abs. 4 GG kommen, der unter engen Voraussetzungen einen Waffeneinsatz der Streitkräfte nur gegen organisierte und militärisch bewaffnete Aufständische erlaubt.
Will man daher mit dem Ersten Senat den Einsatz militärischer Waffen in den Fällen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG nicht schon generell untersagen, so ist zur Wahrung der in der Verfassung angelegten strikten Trennung zwischen Katastrophennotstand einerseits und innerem Notstand andererseits ein geeignetes Kriterium zu finden, das Umgehungen der streng restriktiven Regelung für Kampfeinsätze in Art. 87a Abs. 4 GG zwingend und effektiv vermeidet. Dazu ist es notwendig, den Zweck der verfassungsrechtlichen Trennung beider Einsätze ernst zu nehmen. Es ging darum, den Katastrophenschutz durch Unterstützung der Streitkräfte zu verbessern, gleichzeitig aber die damit faktisch auch eröffnete Möglichkeit zu verschließen, das Militär als innenpolitisches Machtinstrument zu nutzen (vgl. Kurzprotokoll der 71. Sitzung des Rechtsausschusses vom 15. Februar 1968, dort S. 10). Selbst wenn Gewalttätigkeiten oder Unruhen drohen sollten, die in ihren Folgen das Ausmaß besonders schwerer Unglücksfälle erreichen, dürfen bewaffnete Streitkräfte im Inneren nicht etwa dazu eingesetzt werden, um allein schon durch ihre Präsenz die Bevölkerung etwa bei Demonstrationen einzuschüchtern. Um dieses Ziel zu erreichen, muss Art. 87a Abs. 4 GG eine Sperrwirkung beigelegt werden, die es verhindert, dass bewaffnete Streitkräfte gegen Menschen zum Einsatz kommen, die vorsätzlich die öffentliche Sicherheit gefährden, selbst wenn sie sich absichtlich und in aggressiver Weise gegen den Staat wenden und sich hierbei strafbar machen sollten. Die Bekämpfung solcher Gefährdungen ist selbstverständlich zulässig und geboten, aber sie ist nach dem geltenden Verfassungsrecht in Deutschland eine ausschließlich polizeiliche, nicht jedoch eine militärische Aufgabe. Dies bestätigt die Verfassung selbst durch Art. 91 GG. Denn sogar wenn es zu einer Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kommt, sieht Art. 91 GG für diesen Fall des inneren Notstandes nur den Einsatz von Polizeikräften anderer Länder oder der Bundespolizei vor, nicht aber den Einsatz der Streitkräfte. Deren Heranziehung macht Art. 87a Abs. 4 GG schon für den bloßen Objektschutz vielmehr von weiteren Voraussetzungen abhängig, wobei der Einsatz von Waffen in jedem Fall nur gegen organisierte und militärisch bewaffnete Aufständische zulässig ist (vgl. Lenz, a.a.O., Art. 87a Rn. 18). Mit den Waffen des Militärs dürfen also nur Personengruppen bekämpft werden, die selbst militärisch bewaffnet sind, sich gegen den Staat erhoben haben und über ein System der Einsatzleitung verfügen (vgl. Lenz, a.a.O., Art. 87a Rn. 19).
2. Der Plenarbeschluss geht darüber hinaus. Er ist zwar von der redlichen und anerkennenswerten Absicht getragen, den bewaffneten Einsatz der Streitkräfte im Inneren restriktiv zu halten, setzt sich aber über die selbst erkannte Sperrwirkung hinweg und kann daher mit den von ihm entwickelten Kriterien eine Umgehung der engen Voraussetzungen des inneren Notstandes nach Art. 87a Abs. 4 GG durch die weniger strengen Voraussetzungen des Katastrophennotstandes nicht verhindern. Durch den Versuch der weiteren Einhegung des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG durch das Erfordernis eines zwar nicht das "Vorfeld" eines Unglücksfalls erfassenden, gleichwohl aber "unmittelbar bevorstehenden" Schadenseintritts "von katastrophischen Dimensionen" wird die Rechtsanwendung zwar um neue Begrifflichkeiten bereichert, nicht aber um die nötige Klarheit und Berechenbarkeit. Es handelt sich um gänzlich unbestimmte, gerichtlich kaum effektiv kontrollierbare Kategorien, die in der täglichen Anwendungspraxis viel Spielraum für subjektive Einschätzungen, persönliche Bewertungspräferenzen und unsichere, wenn nicht gar voreilige Prognosen lassen. Jedenfalls bei Inlandseinsätzen militärisch bewaffneter Streitkräfte ist das nicht hinnehmbar. Im Schatten eines Arsenals militärischer Waffen kann freie Meinungsäußerung schwerlich gedeihen. Wie ist beispielsweise zu verhindern, dass im Zusammenhang mit regierungskritischen Großdemonstrationen - wie etwa im Juni 2007 aus Anlass des "G8-Gipfels" in Heiligendamm - schon wegen befürchteter Aggressivität einzelner teilnehmender Gruppen "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Kürze" eintretende massive Gewalttätigkeiten mit "katastrophalen Schadensfolgen" angenommen werden und deswegen bewaffnete Einheiten der Bundeswehr aufziehen? Der bloße Hinweis des Plenums, dass Gefahren, die "aus oder von einer demonstrierenden Menschenmenge drohen", nicht genügen sollen, kann in diesen Fällen die selbst definierten Einsatzvoraussetzungen kaum wirksam suspendieren.
3. Dass die vom Plenarbeschluss entwickelte Lösung einer überzeugenden dogmatischen Grundlage entbehrt, kommt hinzu. Wie es angesichts der auch im Plenarbeschluss anerkannten Sperrwirkung zulässig sein kann, diese gleichwohl -und sei es auch nur in besonders qualifizierten Unglücksfällen - bei Seite zu schieben und den Einsatz bewaffneter Streitkräfte auch dann zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Art. 87a Abs. 4 GG nicht vorliegen, erschließt sich nicht und wird in der Entscheidung nicht begründet. Eine Begründung lässt sich auch schwerlich finden; denn wenn - bildlich gesprochen - das Öffnen einer Tür verboten ist, dann kann es nicht erlaubt sein, sie auch nur einen Spalt weit zu öffnen.
IV.
Letztlich wirft der Plenarbeschluss auch die Frage auf, was durch den nun erweiterten Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Inneren an Vorteilen für den Schutz der Bevölkerung namentlich vor terroristischen Angriffen erreicht werden kann. Die Antwort lautet: wenig bis nichts.
1. Angesichts des beim Zweiten Senat anhängigen Normenkontrollverfahrens wird darüber zu befinden sein, welche Vorschriften des Luftsicherheitsgesetzes zur Abwehr besonders schwerer Unglücksfälle durch den Einsatz bewaffneter Einheiten der Streitkräfte verfassungsrechtlichen Bestand haben können. Auf der Grundlage des Plenarbeschlusses mag es de lege lata zulässig sein, dass Kampfflugzeuge unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 LuftSiG "Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben". Die erfolgreiche Gefahrenabwehr durch solche Maßnahmen wird allerdings insbesondere in "Renegade"-Fällen deshalb wenig wahrscheinlich sein, weil Konsequenzen in Form eines Abschusses unzulässig sind, nachdem die - eine "unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt" gestattende - Vorschrift des § 14 Abs. 3 LuftSiG durch das Urteil des Ersten Senats für verfassungswidrig und nichtig erklärt worden ist (BVerfGE 115, 118). De lege ferenda mag ohne Verfassungsänderung eine gesetzliche Neuregelung möglich sein, diese könnte jedoch eine unmittelbare Einwirkung mit militärischer Waffengewalt nur gegen ein unbemanntes Luftfahrzeug erlauben oder ausschließlich gegen die Personen gerichtet sein, die das Luftfahrzeug als Tatwaffe gegen das Leben von Menschen einsetzen wollen (vgl. BVerfGE 115, 118 <160>). Hingegen kann der deutsche Gesetzgeber den Abschuss solcher Flugzeuge nicht erlauben, in denen sich - wie bei den terroristischen Angriffen am 11. September 2001 - Passagiere und Besatzungsmitglieder befinden, die selbst Opfer der Luftpiraten geworden sind. Insoweit hat auch der Plenarbeschluss nichts daran geändert, dass die den Umständen nach wahrscheinliche Tötung dieser Menschen mit dem Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) in Verbindung mit der Garantie der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) unvereinbar ist. Es kommt hinzu, dass - auch nach der Auffassung des Plenums - ohne Verfassungsänderung allein die Bundesregierung nach Maßgabe des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG über den Einsatz militärischer Waffen gegen Luftfahrzeuge befinden kann, was angesichts des vergleichsweise kleinen deutschen Luftraums kaum jemals rechtzeitig zu einer Maßnahme nach § 14 Abs. 1 LuftSiG oder - nach gesetzlicher Neuregelung - zu einem eingeschränkt zulässigen Abschuss eines Luftfahrzeugs führen wird. Soll danach der Rahmen, den das materielle Verfassungsrecht für eine effektive Abwehr von Gefahren aus dem Luftraum lässt, genutzt werden, so ist trotz der erweiterten Zulässigkeit von Kampfeinsätzen nach der Entscheidung des Plenums eine Verfassungsänderung gleichwohl unvermeidlich.
2. Es lässt sich nicht leugnen und ist positiv zu bewerten, dass die Antwort des Plenums deutlich hinter dem aus der Vorlagefrage ersichtlichen Anliegen des Zweiten Senats zurückbleibt, das auf eine Umgestaltung der Regelungen des Katastrophennotstandes hin zu einer subsidiären allgemeinen Gefahrenabwehr mit militärischen Waffen zielte. Gleichwohl hat das Plenum aber zugunsten eines geringen, praktisch kaum realisierbaren Gewinns an Sicherheit die Zulässigkeit des Einsatzes der Streitkräfte im Inneren mit Hilfe derart unbestimmter Rechtsbegriffe erweitert, dass militärische Einsätze zu innenpolitischen Zwecken nicht ausgeschlossen werden können. Für einen kaum messbaren Nutzen wurden fundamentale Grundsätze aufgegeben. Daher wäre es ein fataler Fehler, sich angesichts der Entscheidung des Plenums damit zu trösten, dass der Berg gekreißt, aber nur eine Maus geboren hat.