Entscheidungsdatum: 22.01.2015
1. Die Anerkennung der Notwendigkeit des im Ausland gemieteten Wohnraums im Rahmen einer Entscheidung über die Gewährung eines Mietzuschusses nach § 57 BBesG 2002 bzw. § 54 BBesG kann auf der Grundlage sowohl einer individuellen Prüfung der konkreten Verhältnisse als auch der typisierenden Regelung einer Mietobergrenze erfolgen.
2. Der Dienstherr kann im Rahmen seiner Organisationsgewalt bestimmen, ob und welche wohnraumbezogenen Anforderungen mit der Wahrnehmung von Ämtern im Ausland verbunden sind (z.B. Arbeitszimmer, Empfänge in der Privatwohnung). Allerdings muss er die hierdurch verursachten Kosten tragen und darf sie nicht dem Beamten aufbürden.
3. Eine Wohnung ist auch dann im Hinblick auf den Familienstand angemessen, wenn der zu berücksichtigende Familienangehörige zwar nicht sofort mit dem Beamten die Wohnung im Ausland bezieht, aber doch so zeitnah nachzieht, dass es dem Beamten unzumutbar oder unmöglich ist, zunächst eine kleinere Wohnung für sich und ab dem Eintreffen des Familienangehörigen eine größere Wohnung für die Familie insgesamt zu mieten.
Der Kläger begehrt die Zahlung eines höheren Mietzuschusses für seine aufgrund der Verwendung im Ausland dort gemietete Wohnung.
Im September 2005 ordnete das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung den Kläger - damals noch im Amt eines Baudirektors (BesGr A 15 BBesO) - in den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes ab. Am 12. Oktober 2005 übertrug das Auswärtige Amt dem Kläger die mit der Besoldungsgruppe A 16 BBesO bewerteten Aufgaben des Wehrtechnischen Attachés an der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Paris mit Dienstbeginn am 1. November 2005.
Daraufhin mietete der Kläger zum 1. November 2005 für sich und seine Ehefrau eine Wohnung in Neuilly-sur-Seine zu einem monatlichen Mietzins in Höhe von zunächst 4 050 € zuzüglich eines Tiefgaragenplatzes zu 270 €. Die Wohnung war 150 Quadratmeter groß und umfasste neben dem Eingangs- und Wohn-/Essbereich drei weitere Zimmer, zwei Bäder, ein separates WC, eine Küche und einen Kellerraum. Die Ehefrau des Klägers traf am 21. Januar 2006 in Neuilly ein, nachdem sie ihr Beschäftigungsverhältnis zum Jahresende gekündigt hatte.
Die Beklagte gewährte dem Kläger ab November 2005 einen Mietzuschuss unter Zugrundelegung einer monatlichen Leerraummiete in Höhe von 3 288 € plus 250 € Euro für die Garage. Erst mit der Beförderung des Klägers zum Leitenden Baudirektor (BesGr A 16 BBesO) am 1. März 2006 sei ein Zimmer mehr anzuerkennen und von einer berücksichtigungsfähigen Miete in Höhe von 3 930 € auszugehen. Für den Zeitraum vor dem Eintreffen der Ehefrau habe als notwendig nur der Bedarf für Alleinstehende anerkannt werden können.
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage auf Gewährung des höheren Mietzuschusses schon für den Zeitraum vom 3. November 2005 bis Ende Februar 2006 hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Kläger im Hinblick auf die Notwendigkeit des Wohnraums schon vor seiner Beförderung wie ein Beamter der Besoldungsgruppe A 16 BBesO behandelt werden müsse. Denn der erhöhte Bedarf liege in seiner herausgehobenen dienstlichen Funktion, die die Wahrnehmung von Repräsentationspflichten in der Wohnung von Anfang an - also schon vor der Beförderung - erfordert habe. Auch die Ehefrau sei trotz ihres erst einige Wochen später erfolgten Umzugs von Anfang an zu berücksichtigen, weil derjenige Mietraum notwendig sei, dessen Anmietung vernünftig sei. Vernünftig sei es, eine auf eine größere Personenzahl ausgelegte Wohnung zu mieten, wenn der Zuzug der Familienangehörigen innerhalb eines Zeitraumes zu erwarten sei, in dem es unzumutbar wäre, vom Beamten zu verlangen, zunächst eine kleinere Wohnung für sich und dann ab dem Eintreffen der Familienangehörigen eine größere Wohnung für die Familie insgesamt zu mieten.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2012 und des Verwaltungsgerichts Köln vom 24. September 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist mit Bundesrecht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass bei der Höhe des dem Kläger zustehenden Mietzuschusses sowohl die Repräsentationspflichten als auch die einige Wochen später nachgezogene Ehefrau von Anfang an zu berücksichtigen sind.
1. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Mietzuschuss im hier fraglichen Zeitraum ist § 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3020), der dem derzeit geltenden § 54 Abs. 1 Satz 1 BBesG inhaltlich entspricht. Danach wird der Mietzuschuss gewährt, wenn die Miete für den als notwendig anerkannten leeren Wohnraum 18 % der Summe aus Grundgehalt, Familienzuschlag der Stufe 1, Amts-, Stellen-, Ausgleichs- und Überleitungszulagen mit Ausnahme des Kaufkraftausgleichs übersteigt. Er beträgt grundsätzlich 90 % des Mehrbetrags (§ 57 Abs. 1 Satz 2 BBesG 2002).
Sinn und Zweck des zur Auslandsbesoldung gehörenden Mietzuschusses (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BBesG 2002, § 1 Abs. 2 Nr. 6 BBesG; BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 2 C 56.09 - Buchholz 240 § 17 BBesG Nr. 1 Rn. 8 ff.) ist es, die durch die teilweise sehr hohe Wohnungsmiete im Ausland entstehenden Mehrbelastungen des Beamten auszugleichen; der im Ausland Dienst leistende und deshalb auch dort wohnende Beamte soll nur eine dem im Inland Dienst leistenden und wohnenden Beamten vergleichbare Mietbelastung selbst zu tragen haben (BVerwG, Urteile vom 21. August 1979 - 6 C 5.78 - Buchholz 235 § 57 BBesG 1975 Nr. 1 S. 5 und vom 25. September 1987 - 6 C 26.85 - Buchholz 240 § 57 BBesG Nr. 3 S. 2; BT-Drs. 4/1337 S. 3
§ 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG 2002 setzt für die Gewährung eines Mietzuschusses voraus, dass der Wohnraum als notwendig anerkannt worden ist. Mit der Tatbestandsvoraussetzung "als notwendig anerkannt" wird der Bewilligung des Mietzuschusses eine Zwischenentscheidung der Verwaltung über die Notwendigkeit des Wohnraums vorgeschaltet. Das Gesetz lässt für diese Anerkennung sowohl eine individuelle Prüfung der konkreten Verhältnisse als auch eine typisierende Regelung etwa durch Mietobergrenzen zu, bei deren Einhaltung der gemietete Wohnraum generell und ohne weitere Prüfung als notwendig anerkannt wird (vgl. nunmehr auch § 54 Abs. 2 Satz 1 BBesG). In beiden Fällen ist unter Fürsorgeaspekten wie unter Vertrauensschutzaspekten zu beachten, dass der Beamte bei Abschluss des Mietvertrages Klarheit darüber haben sollte, ob und inwieweit er mit einem Mietzuschuss rechnen kann. Dem tragen Mietobergrenzen in besonderer Weise Rechnung, weil sie dem Beamten bereits bei der Suche nach einer Wohnung Kenntnis darüber verschaffen, bis zu welcher Miethöhe eine Miete im Rahmen des Mietzuschusses in jedem Fall berücksichtigungsfähig ist und dass er einen darüber hinausgehenden Betrag selbst zu tragen hat, wenn er nicht dartun kann, im konkreten Fall keine Möglichkeit gehabt zu haben, angemessenen Wohnraum günstiger zu beschaffen.
Hinsichtlich der Anerkennung der Notwendigkeit des Wohnraums kommt der Verwaltung ein - allerdings durch das Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG) begrenzter - Entscheidungsspielraum zu. Dabei ist wie folgt zu unterscheiden:
Dienstbezogene Anforderungen hinsichtlich des häuslichen Wohnraums (z.B. Arbeitszimmer, Repräsentationsmöglichkeiten) kann der Dienstherr nach seinem Organisationsermessen bestimmen. Es ist Sache des Auswärtigen Amtes und unterliegt seinem Letztentscheidungsrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22>), festzulegen, welches Repräsentationsniveau bei dienstlich veranlassten Empfängen in der Privatwohnung als angemessen und "notwendig" angesehen wird. Ebenso unterliegt es der Organisationsgewalt des Dienstherrn, darüber zu befinden, welche Repräsentationspflichten der Inhaber eines bestimmten Funktionsamts hat und ob hierfür auch Privatempfänge erforderlich sind. Diese Entscheidungen sind einer gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich. § 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG 2002 knüpft an die Entscheidung über die Notwendigkeit des Wohnraums aber die dienstrechtlich gebotene Folge, dass hierdurch verursachte Kosten vom Dienstherrn getragen werden müssen. Soweit Anforderungen an die Wohnung dienstlich veranlasst sind, können sie nicht dem Beamten zur Finanzierung überlassen bleiben. Dies verstieße gegen das als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Alimentationsprinzip. Die Besoldung dient dazu, dass der Beamte seine private Lebensführung bestreiten kann, sie dient nicht zur Finanzierung dienstlicher Zwecke.
Es ist vorbehaltlich dies regelnder normativer Vorgaben auch der Entscheidung des Dienstherrn überlassen, ob er Repräsentationspflichten schon bei den Mietobergrenzen pauschalierend berücksichtigt oder ob er ihnen - ggf. auch nur für einige Status- oder Funktionsämter mit besonderen Repräsentationspflichten - durch eine Höherstufung bei den Mietobergrenzen oder individuell Rechnung trägt (vgl. nunmehr § 54 Abs. 2 BBesG; hierzu BT-Drs. 17/12455 S. 65).
Uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt dagegen die Frage, ob bei der Anerkennung der Notwendigkeit des Wohnraums die subjektiven Rechte des Beamten ausreichend berücksichtigt worden sind (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1
2. Nach diesen Maßstäben hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Mietzuschuss in der von ihm geltend gemachten Höhe bejaht.
a) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Beklagte für das Funktionsamt als Wehrtechnischer Attaché einen repräsentativen und auch für die Bewirtung von Gästen hinreichend großen Wohnraum für notwendig gehalten und den vom Kläger gemieteten Wohnraum als hierfür geeignet angesehen. Die Beklagte hat nach diesen Feststellungen außerdem die Repräsentationsanforderungen für den gesamten Zeitraum ab dem Beginn der Tätigkeit des Klägers in Paris gestellt, also auch schon vor seiner Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe A 16 BBesO. Damit stand dem Kläger von Anfang an - und nicht erst mit der Beförderung - der Mietzuschuss aufgrund der das übliche Maß übersteigenden Repräsentationspflichten auf der Basis der erhöhten Mietobergrenze zu. Für ein vom Beklagten angenommenes Nebeneinander von - allein an den Status des Beamten anknüpfenden - Mietzuschuss einerseits und daneben zu gewährender Aufwandsentschädigung für höhere dienstbezogene Anforderungen an den Wohnraum andererseits gibt es nach der gesetzlichen Regelung des § 57 BBesG 2002 (und § 54 BBesG) weder einen Bedarf noch eine Rechtfertigung. Dem Gesetzeszweck dieser Norm kann und muss auch für einen dienstpostenbezogenen höheren - und damit denjenigen des Statusamts des Beamten übersteigenden - Repräsentationsaufwand durch Anwendung dieser Norm Rechnung getragen werden.
b) Soweit sich die Revision gegen den vom Oberverwaltungsgericht zugebilligten Mietzuschuss für Verheiratete bereits von Beginn der Tätigkeit des Klägers in Paris wendet, obwohl seine Ehefrau erst einige Wochen später nachgezogen ist, genügt das Vorbringen der Beklagten bereits nicht den Begründungsanforderungen aus § 139 Abs. 3 VwGO.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt § 139 Abs. 3 VwGO für die Revisionsbegründung eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung als nicht zutreffend erachtet (BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203> m.w.N.; Beschluss vom 12. Juni 2006 - 5 C 26.05 - NJW 2006, 3081).
Zu der Frage der Berücksichtigung des Familienmehrbedarfs enthält die ohnehin sehr knapp gehaltene Revisionsbegründung der Beklagten lediglich Ausführungen zu einer von mehreren Kontrollüberlegungen des Oberverwaltungsgerichts, nicht aber zu dessen Hauptbegründung, und verweist im Übrigen auf den Vortrag in der Vorinstanz. Die bloße Infragestellung einer Kontrollüberlegung und der Verweis auf Vorbringen in früheren Instanzen genügen den dargestellten Anforderungen des § 139 Abs. 3 VwGO nicht.
Ungeachtet dessen sind die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Wohnung ist auch dann im Hinblick auf den Familienstand angemessen, wenn der zu berücksichtigende Familienangehörige zwar nicht sofort mit dem Beamten die Wohnung im Ausland bezieht, aber doch so zeitnah nachzieht, dass es dem Beamten unzumutbar oder sogar unmöglich ist, zunächst eine kleinere Wohnung für sich und ab dem Eintreffen des Familienangehörigen eine größere Wohnung für die Familie insgesamt zu mieten.
Nichts anderes folgt daraus, dass die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz in Nr. 57.1.3 u.a. bestimmt: "Bezieht er (= der Besoldungsempfänger) eine Familienwohnung, bevor die Familie am ausländischen Dienstort eingetroffen ist, so kann nur der Bedarf eines Alleinstehenden als notwendig anerkannt werden. Dieser ist der Berechnung des Mietzuschusses zugrunde zu legen." Wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, erfasst diese Regelung nicht jeden Fall adäquat und ist - da es sich um eine nur die Verwaltung intern bindende Verwaltungsvorschrift handelt, die überdies mit der gebotenen Auslegung der Ausgangsnorm des Bundesbesoldungsgesetzes nicht in Einklang steht - vom Gericht unangewendet zu lassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.