Entscheidungsdatum: 22.01.2015
Erhöhen sich die Mietobergrenzen, ist dies im Rahmen des Mietzuschusses nach § 57 BBesG 2002 bzw. § 54 BBesG nicht nur für Neuvermietungen, sondern auch für Bestandsmieten maßgeblich. Deshalb kann auch ein Beamter, der ursprünglich zu groß oder zu teuer gemietet hat, in spätere - höhere - Mietobergrenzen "hineinwachsen".
Der Kläger begehrt die Zahlung eines höheren Mietzuschusses für seine aufgrund der Verwendung im Ausland dort gemietete Wohnung.
Im September 2005 ordnete das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung den Kläger - damals noch im Amt eines Baudirektors (BesGr A 15 BBesO) - in den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes ab. Am 12. Oktober 2005 übertrug das Auswärtige Amt dem Kläger die mit der Besoldungsgruppe A 16 BBesO bewerteten Aufgaben des Wehrtechnischen Attachés an der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Paris mit Dienstbeginn am 1. November 2005.
Daraufhin mietete der Kläger zum 1. November 2005 für sich und seine Ehefrau eine Wohnung in Neuilly-sur-Seine zu einem monatlichen Mietzins in Höhe von zunächst 4 050 € zuzüglich eines Tiefgaragenplatzes zu 270 €.
Im April 2007 beantragte der Kläger die Neufestsetzung des ihm seit dem Beginn des Mietverhältnisses gewährten Mietzuschusses, weil die Mietobergrenzen für Paris mit Mietspiegel vom 1. April 2007 angehoben worden waren.
Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für Wehrverwaltung ab: Eine Fiktivmiete, wie sie dem Mietzuschuss zugrunde liege, könne nur angehoben werden, wenn sich die tatsächlichen Mieten allgemein oder in der überwiegenden Zahl der Mietverhältnisse am Dienstort erhöht hätten. Sei jedoch - wie im Fall des Klägers - zu teuer und/oder zu groß gemietet und deshalb die anerkannte Miete auf den zutreffenden Wert der Mietobergrenze festgesetzt worden, könne dieses allein im Verantwortungsbereich des Beamten liegende Handeln nicht zu einem späteren Zeitpunkt durch Anhebung der zu berücksichtigenden Miete an die für Neuanmietungen geltende Mietobergrenze angepasst werden.
Der Aufenthalt des Klägers in Paris endete mit Ablauf des 27. Juni 2009.
Der Widerspruch des Klägers blieb ebenso erfolglos wie die Klage in beiden Vorinstanzen. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die Regelung in Nr. 57.1.8 BBesGVwV zu Mietobergrenzen bleibe innerhalb des der Verwaltung in begrenztem Maß zukommenden Ausgestaltungsspielraums. Die Beurteilung der Notwendigkeit des Wohnraums müsse sich stets auf einen bestimmten Vergleichszeitpunkt beziehen. Dies sei grundsätzlich der Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung. Die Berücksichtigung nachträglicher Umstände bedürfe einer besonderen Rechtfertigung, die es hier nicht gebe.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2012 und des Verwaltungsgerichts Köln vom 24. September 2009 sowie den Bescheid des Bundesamts für Wehrverwaltung vom 18. April 2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum Ende seiner Abordnung in Paris (27. Juni 2009) Mietzuschuss nach § 57 Abs. 1 BBesG a.F. auf der Grundlage der mit Mietspiegeln des Auswärtigen Amtes für Paris vom 1. April 2007, 1. April 2008 und 1. April 2009 für die jeweils erfassten Teilzeiträume festgesetzten Mietobergrenzen in Höhe von 4 185 €, 4 294 € und 4 374 € für die Leerraummiete und jeweils 300 € für den Garagenplatz zu gewähren, jedoch nicht mehr als die jeweils gezahlte Miete.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die bei der Prüfung eines Anspruchs auf Mietzuschuss vorzunehmende Beurteilung der Notwendigkeit des Wohnraums sich auch bei späteren Veränderungen des Mietniveaus auf den Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung beziehe.
1. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Mietzuschuss im hier fraglichen Zeitraum ist § 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3020), der dem derzeit geltenden § 54 Abs. 1 Satz 1 BBesG inhaltlich entspricht. Danach wird der Mietzuschuss gewährt, wenn die Miete für den als notwendig anerkannten leeren Wohnraum 18 % der Summe aus Grundgehalt, Familienzuschlag der Stufe 1, Amts-, Stellen-, Ausgleichs- und Überleitungszulagen mit Ausnahme des Kaufkraftausgleichs übersteigt. Er beträgt grundsätzlich 90 % des Mehrbetrags (§ 57 Abs. 1 Satz 2 BBesG 2002).
Sinn und Zweck des zur Auslandsbesoldung gehörenden Mietzuschusses (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BBesG 2002, § 1 Abs. 2 Nr. 6 BBesG; BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 2 C 56.09 - Buchholz 240 § 17 BBesG Nr. 1 Rn. 8 ff.) ist es, die durch die teilweise sehr hohe Wohnungsmiete im Ausland entstehenden Mehrbelastungen des Beamten auszugleichen; der im Ausland Dienst leistende und deshalb auch dort wohnende Beamte soll nur eine dem im Inland Dienst leistenden und wohnenden Beamten vergleichbare Mietbelastung selbst zu tragen haben (BVerwG, Urteile vom 21. August 1979 - 6 C 5.78 - Buchholz 235 § 57 BBesG 1975 Nr. 1 S. 5 und vom 25. September 1987 - 6 C 26.85 - Buchholz 240 § 57 BBesG Nr. 3 S. 2; BT-Drs. 4/1337 S. 3
§ 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG 2002 setzt für die Gewährung eines Mietzuschusses voraus, dass der Wohnraum als notwendig anerkannt worden ist. Mit der Tatbestandsvoraussetzung "als notwendig anerkannt" wird der Bewilligung des Mietzuschusses eine Zwischenentscheidung der Verwaltung über die Notwendigkeit des Wohnraums vorgeschaltet. Das Gesetz lässt für diese Anerkennung sowohl eine individuelle Prüfung der konkreten Verhältnisse als auch eine typisierende Regelung etwa durch Mietobergrenzen zu, bei deren Einhaltung der gemietete Wohnraum generell und ohne weitere Prüfung als notwendig anerkannt wird (vgl. nunmehr auch § 54 Abs. 2 Satz 1 BBesG). In beiden Fällen ist unter Fürsorgeaspekten wie unter Vertrauensschutzaspekten zu beachten, dass der Beamte bei Abschluss des Mietvertrages Klarheit darüber haben sollte, ob und inwieweit er mit einem Mietzuschuss rechnen kann. Dem tragen Mietobergrenzen in besonderer Weise Rechnung, weil sie dem Beamten bereits bei der Suche nach einer Wohnung Kenntnis darüber verschaffen, bis zu welcher Miethöhe eine Miete im Rahmen des Mietzuschusses in jedem Fall berücksichtigungsfähig ist und dass er einen darüber hinausgehenden Betrag selbst zu tragen hat, wenn er nicht dartun kann, im konkreten Fall keine Möglichkeit gehabt zu haben, angemessenen Wohnraum günstiger zu beschaffen.
Hinsichtlich der Anerkennung der Notwendigkeit des Wohnraums kommt der Verwaltung ein - allerdings durch das Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG) begrenzter - Entscheidungsspielraum zu (vgl. hierzu im anderen Verfahren des Klägers: BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2015 - 2 C 14.13 - Rn. 12 ff.). Uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt allerdings die Frage, ob bei der Anerkennung der Notwendigkeit des Wohnraums die subjektiven Rechte des Beamten ausreichend berücksichtigt worden sind (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1
2. Nach diesen Maßstäben hat das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Anpassung des zuschussfähigen Mietanteils an die höheren Mietobergrenzen der Jahre 2007, 2008 und 2009 zu Unrecht verneint.
Übersteigt die tatsächliche Miete den in der Mietobergrenze festgesetzten Betrag, so kann der Beamte nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG 2002 nur einen Zuschuss für den Mietanteil erhalten, der als notwendig anerkannt worden ist. Bezugspunkt für den Mietzuschuss ist damit die "zuschussfähige Miete" (so ausdrücklich nunmehr § 54 Abs. 1 Satz 1 BBesG). Nur bis zum Betrag der Mietobergrenze ist die Miete als notwendig anerkannt und damit ansatzfähig. Erhöht sich der zuschussfähige Mietanteil im Rahmen der regelmäßigen Anpassung der Mietobergrenzen (vgl. § 29 Satz 3 GAD), ist auch der Mietzuschuss entsprechend nachzuführen. Maßgeblich für Besoldungsleistungen ist die Sach- und Rechtslage im Bezugszeitraum. Anhaltspunkte für eine abweichende Regelung im Sinne des vom Oberverwaltungsgericht angenommenen "Einfrierens" des zuschussfähigen Mietanteils auf die Sätze im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses enthält § 57 BBesG 2002 nicht. Deshalb kann auch ein Beamter, der ursprünglich zu groß oder zu teuer gemietet hat, in spätere - höhere - Mietobergrenzen "hineinwachsen".
§ 57 BBesG 2002 differenziert nicht zwischen Neuvermietungen und Bestandsmieten. Mietzuschuss kann jederzeit beantragt werden, auch z.B. erst Jahre nach Abschluss eines entsprechenden Mietvertrages. Die auf eine Auslandstätigkeit bezogenen Leistungen sind nach § 29 Satz 3 GAD (bei lediglich vorübergehend in den auswärtigen Dienst übernommenen Beamten: i.V.m. § 13 Abs. 1 GAD) regelmäßig auf ihre Angemessenheit zu überprüfen und, soweit erforderlich, anzupassen.
Aus dem Begriff der "Notwendigkeit" in § 57 BBesG 2002 lässt sich die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Unterscheidung ebenfalls nicht herleiten. Das könnte allenfalls dann der Fall sein, wenn Bestandsmieten - anders als bei Neuvermietung des Wohnraums - stets gleich blieben. Bestandsmieten bleiben aber nicht stabil, sie unterliegen ebenfalls Veränderungen, nicht nur in dem Fall, dass sie - wie im Fall des Klägers - von vornherein als Staffelmiete vereinbart sind. In der Regel werden Entwicklungen auf dem Mietwohnungsmarkt auch bei Bestandsmieten durch entsprechende Mietanpassungen bereits zu Beginn des Mietverhältnisses oder während des Mietverhältnisses nachvollzogen. Das gilt gleichermaßen für sinkende wie für steigende Mietpreise. Es mag sein, dass das Niveau der Veränderungen bei Bestandsmieten teilweise geringer ist als bei Neuvermietungen. Das rechtfertigt aber ohne entsprechende normative Regelung nicht die verwaltungsmäßige Ungleichbehandlung von Bestandsmietern mit nur teilweise berücksichtigungsfähiger Miete (weil ursprünglich zu groß oder zu teuer gemietet) einerseits mit erstens Neumietern und zweitens Bestandsmietern mit vollständig berücksichtigungsfähiger Miete (weil innerhalb der bei Anmietung geltenden Mietobergrenze geblieben) andererseits. Das hat das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 9. Dezember 1991 - 1 A 914/89 - (RiA 1992, 320) selbst noch zutreffend so gesehen, bevor es mit dem Berufungsurteil diese Rechtsprechung aufgegeben hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.