Entscheidungsdatum: 02.07.2014
Der Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 8. August 2013 - StVK 113/10 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 18. September 2013 - 1 Ws 880, 881/13 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 18. September 2013 - 1 Ws 880, 881/13 - wird aufgehoben. Damit ist der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 29. November 2013 - 1 Ws 900/13 - gegenstandslos. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.
Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus.
1. a) Mit Urteil des Landgerichts Augsburg vom 7. Juli 2009 wurde im Rahmen eines Sicherungsverfahrens die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.
Der Unterbringung lagen Beleidigungs-, Verleumdungs- und Körperverletzungshandlungen sowie ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zugrunde. Die Taten standen im Zusammenhang mit einem Konflikt des Beschwerdeführers mit seiner ehemaligen psychologischen Beraterin, mit der er sich überworfen hatte. Der Beschwerdeführer hatte Schreiben mit die Betreuerin beleidigendem Inhalt verschickt, diese selbst beleidigt, ihr am 25. November 2008 einen vereisten Schneeklumpen aus geringer Entfernung ins Gesicht geschleudert, ein Handy aus der Hand geschlagen und nach ihr zu treten versucht. Zudem hatte er sich seiner Festnahme widersetzt, die dabei anwesenden Polizeibeamten bespuckt, als "Nazis" bezeichnet und nach ihnen getreten und geschlagen, wobei er jedoch niemanden getroffen hatte.
b) Der Beschwerdeführer befand sich zunächst in der Zeit vom 17. Februar 2009 bis zum 15. April 2009 in Untersuchungshaft. Seitdem befand er sich - zunächst aufgrund einer vorläufigen Unterbringung gemäß § 126a StPO - in der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie des Bezirkskrankenhauses G.
Mit Beschluss vom 24. März 2014 setzte das Landgericht Memmingen die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung aus. Der Beschwerdeführer wurde zwischenzeitlich aus der Maßregelvollzugseinrichtung entlassen.
2. Mit vorangegangenem Beschluss vom 8. August 2013 hatte das Landgericht Memmingen - nach Anhörung des Beschwerdeführers - die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, da nicht zu erwarten gewesen sei, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen werde.
Obwohl der Beschwerdeführer sich mittlerweile gut in den Behandlungsrahmen einfüge, sich in den gewährten Lockerungen zuverlässig und verantwortungsbewusst gezeigt habe und auch regelmäßig an der Therapie teilnehme, sei der Behandlungsverlauf noch nicht frei von impulshaften Durchbrüchen als Folge der fortbestehenden chronisch-wahnhaften Störung (ICD-10: F 22.0). Ebenso sei ein Fortbestehen der Tendenz abnormer Bedeutungszumessung von Alltagssituationen zu verzeichnen, wobei der Beschwerdeführer einer medikamentösen Unterstützung zur Dämpfung seiner Impulsivität weiterhin skeptisch gegenüberstehe. Es sei jedoch zu erwarten, dass es zu einer (weiteren) Rückläufigkeit impulshafter Momente durch das Fortdauern des am 1. Juli 2013 begonnenen "Probewohnens" in einer geeigneten Einrichtung kommen werde.
Die Fortdauer der Unterbringung sei im Hinblick auf die durch den Beschwerdeführer begangenen Taten auch noch verhältnismäßig.
3. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde hatte das Oberlandesgericht München mit angegriffenem Beschluss vom 18. September 2013 unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen landgerichtlichen Beschlusses als unbegründet verworfen, nachdem eine Begründung der sofortigen Beschwerde bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt war.
4. Auf die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge des Beschwerdeführers hin stellte das Oberlandesgericht München mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 29. November 2013 fest, dass es bei dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 18. September 2013 sein Bewenden habe.
a) Zwar erweise sich die Anhörungsrüge als begründet, weil der Beschwerdeführer aufgrund einer verzögert gewährten Akteneinsicht an der rechtzeitigen Begründung seiner sofortigen Beschwerde gehindert gewesen sei. Die Gehörsrüge führe jedoch in der Sache - auch unter Berücksichtigung des nunmehr vorliegenden Beschwerdevorbringens - zu keinem von dem Beschluss vom 18. September 2013 abweichenden Ergebnis.
Das fortbestehende Krankheitsbild des Beschwerdeführers lasse weitere Straftaten des Beschwerdeführers im Falle seiner Entlassung befürchten. Nach dem eingeholten externen Sachverständigengutachten bestehe eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung erneuter Beleidigungs- und Verleumdungsdelikte sowie eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer Körperverletzungsdelikte. Für letztere Annahme spreche auch, dass sowohl der diesem Verfahren zugrunde liegenden Verurteilung als auch der letzten Vorverurteilung aus dem Jahr 2008 zu entnehmen sei, dass den anfänglich verbalen Attacken des Beschwerdeführers jeweils nicht nachvollziehbare Wutausbrüche gegenüber Außenstehenden gefolgt seien, welche zum Teil mit Körperverletzungen von erheblichem Gewicht für die Betroffenen verbunden gewesen seien. Die fortbestehende Erkrankung des Beschwerdeführers und der derzeitige Behandlungsstand ließen den Schluss zu, dass von dem Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit infolge seines Zustandes die Begehung gleichartiger erheblicher Delikte zu erwarten sei und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei.
b) Das Oberlandesgericht verkenne nicht, dass dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers mit zunehmender Dauer des Maßregelvollzugs, die nunmehr bereits vier Jahre betrage, ein immer stärkeres Gewicht zukomme. Der Unterbringungszeitraum sei aber in Anbetracht der von dem Beschwerdeführer begangenen Anlasstaten und seines fortbestehenden unveränderten psychischen Zustandsbildes nicht als unverhältnismäßig zu bewerten. Insofern sei insbesondere zu berücksichtigen, dass dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz derzeit dadurch Rechnung getragen werde, dass der Beschwerdeführer durch die Verlegung in eine geeignete Einrichtung zum "Probewohnen" auf ein Leben außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung vorbereitet werde. Zudem beabsichtige das Landgericht bei weiterhin positivem Verlauf der Erprobung eine vorzeitige Prüfung der weiteren Unterbringung.
Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Beschlüsse in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt.
Es fehle an einer nachvollziehbaren Feststellung der Gefahr solcher rechtswidriger Taten, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichten, die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung zu tragen. Daneben werde nicht dargelegt, dass die von dem Beschwerdeführer ausgehende Gefahr das angesichts der Dauer der Unterbringung zunehmende Gewicht seines Freiheitsanspruchs aufzuwiegen vermöge. Schließlich fehle auch eine Befassung mit der Frage, ob dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit nicht durch den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen Rechnung getragen werden könne.
1. a) Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält die Verfassungsbeschwerde für aussichtsreich. Die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Memmingen vom 8. August 2013 und des Oberlandesgerichts München vom 18. September 2013 genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der Begründung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
aa) Sie führten bereits nicht näher aus, dass von dem Beschwerdeführer zukünftig erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne von § 63 StGB zu erwarten seien. Das Gewicht der durch den Beschwerdeführer in der Vergangenheit begangenen Beleidigungen und Verleumdungen, die aufgrund ihrer Strafandrohung nicht ohne Weiteres dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen seien, reiche ohne das Hinzutreten - vorliegend nicht erkennbarer - spezifischer Besonderheiten nicht aus, um eine den Beschwerdeführer erheblich belastende Freiheitsentziehung durch eine zeitlich potentiell unbegrenzte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen. Ebenso sei nicht näher dargelegt, in welchem Umfang die Gefahr künftiger Körperverletzungen von erheblichem Gewicht bestehe. Die durch das Oberlandesgericht insofern geschilderten Handlungen des Beschwerdeführers könnten nicht ohne Weiteres als erhebliche Taten im Sinne des § 63 StGB gewertet werden.
Zudem fehle es an einer fundierten Darstellung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts künftiger Körperverletzungshandlungen. Das Oberlandesgericht gehe zwar von einer hohen Wahrscheinlichkeit für die Begehung entsprechender Straftaten aus, lasse aber unerörtert, dass es sich bei der Auseinandersetzung mit der früheren Therapeutin des Beschwerdeführers um einen persönlichen Konflikt gehandelt habe, der nicht ohne Weiteres den Schluss zulasse, der Beschwerdeführer werde Körperverletzungen entsprechender Intensität auch gegenüber Dritten begehen.
bb) Schließlich fehle es an einer hinreichenden Darlegung der weiteren Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung. Zum einen sei aufgrund der knappen Ausführungen zu besorgen, dass die Fachgerichte der bisherigen Dauer der Unterbringung - mit dem daraus für die Abwägung folgenden stärkeren Gewicht des Freiheitsgrundrechts - nur unzureichend Rechnung getragen hätten. Zum anderen habe es einer Prüfung und Darlegung bedurft, ob sich der nötige Schutz der Allgemeinheit nicht schonender im Wege der Führungsaufsicht erreichen lasse.
b) Der Freistaat Bayern hat von einer Stellungnahme abgesehen.
2. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten 406 Js 144493/08 der Staatsanwaltschaft Augsburg vorgelegen.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen an die Anordnung der Fortdauer langandauernder Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 70, 297) und die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die weitere Vollstreckung der Maßregel zwischenzeitlich mit Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 24. März 2014 zur Bewährung ausgesetzt und der Beschwerdeführer aus dem Maßregelvollzug entlassen worden ist. Denn die angegriffenen Entscheidungen waren Grundlage eines tiefgreifenden Eingriffs in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 128, 326 <389>). Der Beschwerdeführer hat daher ein fortbestehendes schutzwürdiges Interesse an einer nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung und gegebenenfalls einer hierauf bezogenen Feststellung der Verfassungswidrigkeit dieses Grundrechtseingriffs durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 9, 89 <92 ff.>; 32, 87 <92>; 53, 152 <157 f.>; 91, 125 <133>; 104, 220 <234 f.>).
Die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Memmingen vom 8. August 2013 und des Oberlandesgerichts München vom 18. September 2013 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, weil sie den Anforderungen, die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ergeben, nicht genügen.
1. a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann "die Freiheit der Person" und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).
Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>); zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen. Das gilt auch für die Regelung der Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (vgl. BVerfGE 70, 297 <307>).
b) Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG hat auch verfahrensrechtliche Bedeutung. Unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 <230>).
c) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser lässt sich für die Entscheidung über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (vgl. BVerfGE 70, 297 <311>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in die Prüfung der Aussetzungsreife der Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB einzubeziehen (integrative Betrachtung). Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297 <312 f.>).
Abzustellen ist auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, auch die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin "erheblich" im Sinne des § 63 StGB sein.
Die Beurteilung hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten sind zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist aber auch auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (vgl. BVerfGE 70, 297 <314 f.>; BVerfGK 16, 501 <506>).
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es zudem, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur solange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel dies unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen nicht genügen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann es daher auf die voraussichtlichen Wirkungen der im Falle der Aussetzung der Maßregelvollstreckung zur Bewährung kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB) und der damit verbindbaren weiteren Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe (vgl. §§ 68a, 68b StGB), insbesondere also die Tätigkeit eines Bewährungshelfers und die Möglichkeit bestimmter Weisungen, ankommen (vgl. BVerfGE 70, 297 <313 f.>).
d) Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges. Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung wirkt sich bei langdauernden Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auch auf die an die Begründung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Dem lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass der Richter seine Würdigung eingehender abfasst, sich also nicht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag. Zu verlangen ist mithin vor allem die Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen, und deren Deliktstypus (vgl. BVerfGE 70, 297 <315 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 442/12 -, NStZ-RR 2013, S. 72).
Genügen die Gründe einer Entscheidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnlich lange währenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus diesen Maßstäben nicht, so führt dies dazu, dass die Freiheit der Person des Untergebrachten auf solcher Grundlage nicht rechtmäßig eingeschränkt werden kann; sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt, weil es an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt (vgl. BVerfGE 70, 297 <316 f.>).
2. Mit diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben sind die Beschlüsse des Landgerichts Memmingen vom 8. August 2013 und des Oberlandesgerichts München vom 18. September 2013 nicht zu vereinbaren. Die Beschlüsse genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung der Anordnung einer Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers nicht. Es fehlt bereits an der ausreichenden Konkretisierung der Art und des Grades der Wahrscheinlichkeit der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr künftiger rechtswidriger Taten (a). Daneben wird in den angegriffenen Beschlüssen nicht ausreichend dargelegt, dass die von dem Beschwerdeführer ausgehende Gefahr das angesichts der Dauer der Unterbringung zunehmende Gewicht seines Freiheitsanspruchs aufzuwiegen vermag (b). Schließlich fehlt auch eine Befassung mit der Frage, ob dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit nicht auch durch den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen Rechnung hätte getragen werden können (c).
a) Die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten kann den angegriffenen Beschlüssen nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang entnommen werden.
aa) Das Landgericht Memmingen macht im Rahmen des angegriffenen Beschlusses vom 8. August 2013 keinerlei Angaben dazu, welche konkreten rechtswidrigen Taten zukünftig von dem Beschwerdeführer zu erwarten sind. Dementsprechend fehlt es auch vollständig an Ausführungen zu der Schwere zu erwartender Taten im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der "Erheblichkeit" im Sinne von § 63 StGB und zu dem Grad der Wahrscheinlichkeit, mit dem solche Taten zu erwarten sind.
bb) Das Oberlandesgericht München nimmt im angegriffenen Beschluss vom 29. November 2013 Bezug auf das Gutachten des beauftragten Sachverständigen, der eine "große Wahrscheinlichkeit" weiterer Straftaten und eine "erhöhte Wahrscheinlichkeit" neuer Körperverletzungshandlungen festgestellt hatte. Daraus folgert das Oberlandesgericht eine "hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung gleichartiger erheblicher Delikte".
Dem Erfordernis, Art und Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger erheblicher rechtswidriger Taten im Sinne des § 63 StGB unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles eigenständig zu bestimmen und nachvollziehbar darzulegen, ist damit jedoch nicht Rechnung getragen.
(1) Dem Beschluss des Oberlandesgerichts lässt sich bereits nicht entnehmen, ob es die Fortdauer der Unterbringung lediglich aufgrund künftig zu erwartender Körperverletzungsdelikte oder auch aufgrund künftig möglicher Beleidigungs- und Verleumdungstaten als gerechtfertigt ansieht. Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 63 StGB liegen aber nur vor, wenn diese mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht sind, können daher nicht mehr ohne Weiteres dem Bereich der Straftaten mit erheblicher Bedeutung zugerechnet werden (vgl. BVerfGE 70, 297 <312>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2013 - 2 BvR 298/12 -, juris, Rn. 21). Daher hätte das Oberlandesgericht, falls es die Fortdauer der Unterbringung auf die Gefahr weiterer Beleidigungs- oder Verleumdungsdelikte stützen wollte, darlegen müssen, aufgrund welcher besonderen Umstände diese vorliegend als Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 63 StGB angesehen werden können. Daran fehlt es. Daher haben diese Delikte als Grundlage der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus außer Betracht zu bleiben.
(2) Soweit das Oberlandesgericht von einer hohen Wahrscheinlichkeit künftiger Körperverletzungsdelikte ausgegangen sein sollte, setzt es sich mit den besonderen Umständen des vorliegenden Falles unzureichend auseinander.
(a) Insoweit ist zunächst zu beachten, dass die behandelnde Klinik bereits im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 23. November 2010 ausgeführt hat, dass zwar die Wahrscheinlichkeit für einschlägige Straftaten im Sinne des Verfassens von Schreiben und Briefen beleidigenden Inhalts bei gegebener Frustration des Beschwerdeführers weiterhin als hoch einzuschätzen sei. Die Häufigkeit von Körperverletzungshandlungen sei jedoch aus gutachterlicher Sicht weiter als eher gering einzuschätzen. Auch im Folgejahr hielt sie an dieser Einschätzung fest. In der Stellungnahme im vorliegenden Verfahren vom 22. Mai 2013 beschränkt sie sich auf den Hinweis, dass querulatorische Verhaltensweisen des Beschwerdeführers auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden könnten.
Soweit das Oberlandesgericht daher in Abweichung von diesen seit mehreren Jahren eindeutigen Stellungnahmen der behandelnden Klinik zu der Annahme gelangt, dass weiterhin eine "erhöhte Wahrscheinlichkeit" für die Begehung erneuter Körperverletzungshandlungen besteht, wäre diese Annahme, die sich alleine auf das externe Sachverständigengutachten stützt, jedenfalls begründungsbedürftig gewesen.
(b) Dabei hätte das Oberlandesgericht berücksichtigen müssen, dass das in Bezug genommene Sachverständigengutachten bereits am 11. April 2012 erstattet wurde. Der Beschwerdeführer, der bereits zuvor durch die behandelnde Klinik als zuverlässig und absprachefähig eingestuft worden ist, war zwischenzeitlich am 1. Juli 2013 in eine externe Einrichtung zur weiteren Entlassungsvorbereitung verlegt worden und hatte sich dort positiv bewährt. Inwieweit diese Entwicklung nicht der zuvor angestellten, ohnehin im Widerspruch zu den Ausführungen der behandelnden Klinik stehenden Gefahrenprognose des Sachverständigen entgegenstand, führt das Oberlandesgericht in keiner Weise aus.
(c) Schließlich ist nicht erkennbar, dass das Oberlandesgericht sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, welche Bedeutung hinsichtlich der Erheblichkeit und der Wahrscheinlichkeit künftiger Körperverletzungshandlungen insbesondere dem Umstand zukommt, dass sämtliche Aggressionshandlungen des Beschwerdeführers in der Vergangenheit auf den Konflikt mit seiner früheren psychologischen Beraterin zurückzuführen sind.
b) Da die Bestimmung der Art und des Grades der Wahrscheinlichkeit künftiger erheblicher rechtswidriger Taten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, fehlt es bereits an einer ausreichenden Grundlage für die gebotene Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit. Auch im Übrigen genügen die angegriffenen Beschlüsse den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine nachvollziehbare Begründung der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
Die Gerichte stellen lediglich fest, dass die weitere Unterbringung - trotz ihrer bisherigen Dauer von bereits mehr als vier Jahren - im Hinblick auf die begangenen und noch zu erwartenden Taten nicht unverhältnismäßig sei, zumal sich der Beschwerdeführer nunmehr zur Entlassungsvorbereitung in einer geeigneten Einrichtung zum "Probewohnen" befinde und eine vorzeitige erneute Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung angedacht sei. Sie setzen sich dabei in keiner Weise mit der individuellen Entwicklung des Beschwerdeführers, etwa dessen bereits längerfristiger Bewährung in Lockerungen und dem stabilen Behandlungsverlauf, auseinander. Auch fehlt es vollständig an einer Gegenüberstellung der bereits durch den Beschwerdeführer im Maßregelvollzug verbrachten Zeiten mit den unterschiedlichen Strafrahmen der der Anlassverurteilung zugrunde liegenden oder zukünftig zu erwartenden Delikte. Dass vorliegend die von dem Beschwerdeführer ausgehende Gefahr das aufgrund der Dauer der Unterbringung zunehmende Gewicht seines Freiheitsanspruchs aufzuwiegen vermag, kann den angegriffenen Beschlüssen daher nicht entnommen werden.
c) Schließlich verhalten sich die angegriffenen Beschlüsse auch nicht zu der Frage, ob im Falle einer Aussetzung des Maßregelvollzugs zur Bewährung den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit durch Maßnahmen der kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht und der damit verbindbaren weiteren Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe (§§ 68a, 68b StGB) hinreichend hätte Rechnung getragen werden können. Dies wäre jedoch insbesondere im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass sich die Aggressionen des Beschwerdeführers, der sich nunmehr zuverlässig in den Behandlungsrahmen einfügt, ersichtlich nur auf einzelne Personen bezogen haben und sich dieser zudem bereits seit längerer Zeit in Lockerungen befindet, die er ohne Beanstandungen durchlaufen hat.
1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 18. September 2013 ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht München zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
2. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.