Entscheidungsdatum: 24.07.2013
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 24. November 2011 - 1 Ws 1013, 1014/11 - und der Beschluss des Landgerichts Deggendorf vom 13. Oktober 2011 - StVK 66/98 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.
Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
1. Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Landshut vom 2. April 1998 wegen Schuldunfähigkeit vom Vorwurf des sechsmaligen Hausfriedensbruchs und der Nötigung freigesprochen. Zugleich wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.
Dem Urteil lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im November 1997 in die Wohnung der Geschädigten eingedrungen war, indem er seine Hand in den geöffneten Türspalt gezwängt und die Haustür gewaltsam aufgedrückt hatte. Sodann hatte er die Geschädigte an beiden Handgelenken festgehalten und verlangt, geküsst zu werden. Erst nach einigen Minuten hatte er sein Vorhaben aufgegeben und das Haus verlassen. Im Dezember 1997 hatte der Beschwerdeführer außerdem fünf Mal trotz eines ausdrücklichen Hausverbotes den Friseursalon, in welchem die Geschädigte arbeitete, betreten und auch auf Aufforderung nicht wieder verlassen.
Das Landgericht stellte fest, dass die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers aufgrund eines einseitig ausgebildeten Liebeswahns in Verbindung mit seiner unterdurchschnittlichen Intelligenz und seiner unreifen Persönlichkeit zu den Tatzeitpunkten aufgehoben gewesen sei. Die Anordnung der Unterbringung begründete das Gericht insbesondere mit der Gefahr, dass der Beschwerdeführer über die bisher begangenen Taten hinaus auch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Geschädigten verüben werde. Auch müsse mit massiven tätlichen Aggressionshandlungen gerechnet werden.
2. Am 6. April 2000 wurde die Vollstreckung der Unterbringung des Beschwerdeführers gemäß § 67d Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt. Im Oktober 2001 ergänzte das Gericht den Bewährungsbeschluss um die Weisung, der Geschädigten auch nicht mit dem Fahrrad hinterherzufahren sowie sie nicht mehr anzurufen. Am 21. Februar 2002 erfolgte der Widerruf der Aussetzung der Unterbringung des Beschwerdeführers wegen Verstößen gegen diese Weisung, so dass die Maßregel anschließend erneut vollstreckt wurde.
3. Das bisher letzte externe psychiatrische Sachverständigengutachten aus dem September 2009 kam zu dem Ergebnis, bei dem Beschwerdeführer liege eine paranoide Schizophrenie vor, zu deren Symptomen inhaltliche Denkstörungen in Form eines Wahns zählten. Unter der Voraussetzung einer erfolgreichen medikamentösen Behandlung sei eine Viktimisierung Fremder unwahrscheinlich. Doch sei die prognostische Bewertung ungünstig.
4. In einer Stellungnahme des Klinikums Mainkofen vom August 2011 wurde ausgeführt, dass im psychopathologischen Zustandsbild des Beschwerdeführers weiterhin emotional instabile und impulsive Strukturanteile dominierten. Da der Beschwerdeführer eine "medikamentöse Compliance" ablehne, könne keine günstige Legalprognose gestellt werden. In der richterlichen Anhörung im Oktober 2011 erklärte der Beschwerdeführer, er wolle keine Medikamente einnehmen. Der Oberarzt der Klinik gab an, solange der Beschwerdeführer keine Depotmedikamente nehme, bestehe eine erhebliche Rückfallgefahr in psychotische Verhaltensweisen.
5. Mit angegriffenem Beschluss vom 13. Oktober 2011 ordnete das Landgericht Deggendorf die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Mangels wesentlicher Therapiefortschritte sei zumindest mit deliktsanalogen Taten zu rechnen. Die weitere Vollstreckung der Maßregel sei noch verhältnismäßig. Die Kammer habe dabei berücksichtigt, dass es sich um relativ geringfügige Straftaten mit Strafrahmen lediglich bis zu drei Jahren sowie beim Hausfriedensbruch um ein absolutes Antragsdelikt handele. Jedoch sei der Hausfriedensbruch sechs Mal verwirklicht worden. Ferner habe die zur Bewährung ausgesetzte Maßregel bereits einmal widerrufen werden müssen. Auch wenn das Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers im Hinblick auf die lange Unterbringungsdauer besonders gewichtet werden müsse, sei die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit noch nicht erreicht. Es liege vor allem am Beschwerdeführer selbst, durch Mitarbeit in der Therapie weitere Therapieerfolge zu erzielen. "In nicht allzu ferner Zukunft" werde die Maßregel allerdings auch ohne Therapiebereitschaft aus Verhältnismäßigkeitsgründen für erledigt zu erklären sein.
6. Mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 24. November 2011 verwarf das Oberlandesgericht München die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde. Die Fortdauer sei weiterhin verhältnismäßig, auch wenn mit zunehmender Dauer strengere Maßstäbe anzulegen seien. Doch sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den vom Beschwerdeführer begangenen Taten keinesfalls nur um leichte Kriminalität gehandelt habe, da diese auf "einem einseitigen Liebeswahn mit einer gewissen sexuellen Komponente" beruhten. Zudem sei es im Verlauf der Nötigung zu massiven Zudringlichkeiten mit nicht unerheblicher Gewaltanwendung gekommen. Im Februar 2011 seien beim Beschwerdeführer verbotene pornographische Magazine aufgefunden worden, wozu der Beschwerdeführer sich gegenüber der Klinik zunächst wahrheitswidrig geäußert habe. Der Maßregelverlauf sei mit einer eher ungünstigen Persönlichkeitsentwicklung einhergegangen, weil es an Krankheitseinsicht und Therapiemotivation gefehlt habe.
7. Mit Beschluss vom 30. Oktober 2012 erklärte das Landgericht Deggendorf die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt. Zwar seien vom Beschwerdeführer nach wie vor rechtswidrige Taten zu erwarten, doch wirke sich die lange Unterbringungsdauer bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit so auf die Abwägung aus, dass den Freiheitsgrundrechten des Beschwerdeführers nunmehr der Vorrang einzuräumen sei.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer vor allem eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Die Anlasstaten seien nicht gravierend, wie deren Strafrahmen und die Stellung des Hausfriedensbruchs als absolutes Antragsdelikt zeigten. Eine "sexuelle Komponente" der Nötigung sei nicht erkennbar. Bei den angeblich massiven Zudringlichkeiten und der laut dem Oberlandesgericht nicht unerheblichen Gewaltanwendung sei nicht einmal die Schwelle zur Körperverletzung überschritten worden. Wegen der langen Unterbringung überwiege sein Freiheitsinteresse auch bei einem höheren Rückfallrisiko. Den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen sei daher nicht genügt.
1. Der Generalbundesanwalt hat zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Diese sei aussichtsreich. Es hätte in den angegriffenen Beschlüssen einer genaueren Beschreibung von Art und Schwere der zu besorgenden Taten bedurft. Soweit das Oberlandesgericht auf eine "gewisse sexuelle Komponente" sowie "massive Zudringlichkeiten" mit einer "nicht unerheblichen Gewaltanwendung" abstelle, werde dies nur bedingt von den zu den Anlasstaten getroffenen Feststellungen getragen. Zu unmittelbar sexualbezogenen körperlichen Übergriffen sei es gerade nicht gekommen. Es bleibe unklar, ob das Oberlandesgericht auf eine vom Beschwerdeführer drohende Gefahr weitergehender (Sexual-) Straftaten abgestellt habe. In diesem Fall hätte die Gefahrenprognose wegen des neuen Deliktstypus näher belegt werden müssen. Auch sei die Wahrscheinlichkeit der Begehung gravierenderer Taten als des Hausfriedensbruchs nicht hinreichend bestimmt worden. Welche Schlüsse aus dem Fund pornographischer Magazine gezogen worden seien, bleibe unklar.
Jedenfalls habe im Hinblick auf die - lediglich - den Anlasstaten entsprechenden zu besorgenden Taten Anlass bestanden, die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer besonders sorgfältig darzulegen. Dies sei nicht hinreichend geschehen, obwohl die für die Anlasstaten geltenden Höchststrafen um ein Mehrfaches überschritten worden seien.
2. Das Vollstreckungsheft hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die anzulegenden Maßstäbe bei der Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 70, 297 ff.). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer zwischenzeitlich aus dem Maßregelvollzug entlassen wurde. Denn die angegriffenen Entscheidungen waren Grundlage eines tiefgreifenden Eingriffs in das Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 128, 326 <389>). Der Beschwerdeführer hat daher ein fortbestehendes, schutzwürdiges Interesse an einer nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung und gegebenenfalls einer hierauf bezogenen Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 9, 89 <92 ff.>; 32, 87 <92>; 53, 152 <157 f.>; 91, 125 <133>; 104, 220 <234 f.>).
2. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann "die Freiheit der Person" und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).
Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Die gesetzlichen Eingriffstatbestände haben dabei zugleich freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen (vgl. BVerfGE 70, 297 <307>; 75, 329 <341>; 126, 170 <195>; 130, 372 <391>). Dies gilt auch für die Regelung der Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (vgl. BVerfGE 70, 297 <307>).
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser lässt sich für die Entscheidungen über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (vgl. BVerfGE 70, 297 <311>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist daher in die Prüfung der sogenannten Aussetzungsreife der Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB einzubeziehen (integrative Betrachtung). Die dem Richter auferlegte Prognose erfordert eine wertende Entscheidung. Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297 <312 f.>).
Es ist auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten abzustellen, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, auch die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin "erheblich" im Sinne des § 63 StGB sein (vgl. BVerfGE 70, 297 <313>). Eine Straftat von erheblicher Bedeutung liegt vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind daher nicht mehr ohne Weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen. Hierzu gehören beispielsweise das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB), die Beleidigung, die üble Nachrede und die nichtöffentliche Verleumdung (§§ 185 bis 187 StGB), das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB), die fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), die Nötigung (§ 240 StGB) sowie die Verbreitung pornographischer Schriften einschließlich gewalt- oder tierpornographischer Schriften (§§ 184 und 184a StGB) (vgl. BVerfGE 124, 43 <64>).
Die Beurteilung hat sich demnach darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrigen Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten ist zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist vor allem aber auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann es auf die voraussichtlichen Wirkungen der im Falle der Aussetzung der Maßregelvollstreckung zur Bewährung kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB) und der damit verbindbaren weiteren Maßnahme der Aufsicht und Hilfe ankommen (vgl. §§ 68a, 68b StGB), insbesondere also die Tätigkeit eines Bewährungshelfers und die Möglichkeit bestimmter Weisungen (vgl. BVerfGE 70, 297 <313 f.>).
Da es sich bei der Gesamtwürdigung der für die Frage der Aussetzung (§ 67d Abs. 2 StGB) maßgeblichen Umstände um eine wertende Entscheidung unter Prognosegesichtspunkten handelt, kann das Bundesverfassungsgericht sie nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen, insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen. Je länger aber die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs sein. Das Freiheitsgrundrecht gewinnt wegen des sich verschärfenden Eingriffs immer stärkeres Gewicht für die Wertungsentscheidung des Strafvollstreckungsrichters. Der im Einzelfall unter Umständen nachhaltige Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs wird jedoch dort an Grenzen stoßen, wo es im Blick auf die Art der von dem Untergebrachten drohenden Taten, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Untergebrachten in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 70, 297 <314 f.>).
Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung wirkt sich bei langdauernden Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auch auf die an die Begründung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Dem lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass der Richter seine Würdigung eingehender abfasst, sich also nicht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag. Zu verlangen ist mithin vor allem die Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen, und deren Deliktstypus (vgl. BVerfGE 70, 297 <315 f.>).
Die Frage, wann eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) als langdauernd bezeichnet werden kann, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Anhalt hierfür mögen die Strafrahmen derjenigen Tatbestände geben, die der Täter verwirklicht hat und an die seine Unterbringung anknüpft, aber auch diejenigen der von ihm drohenden Delikte (BVerfGE 70, 297 <316>).
Genügen die Gründe einer Entscheidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnlich lange währenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63, § 67d Abs. 2 StGB) diesen Maßstäben nicht, so führt das dazu, dass die Freiheit der Person des Untergebrachten auf solcher Grundlage nicht rechtmäßig eingeschränkt werden kann; sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt, weil es an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt (vgl. BVerfGE 70, 297 <316 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 442/12 -, NStZ-RR 2013, S. 72 ff.).
b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Deggendorf vom 13. Oktober 2011 und des Oberlandesgerichts München vom 24. November 2011 nicht. Es fehlt bereits an der nachvollziehbaren Feststellung der Gefahr solcher rechtswidriger Taten, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu tragen (aa, bb). Daneben beachten die Entscheidungen das aufgrund der Dauer der Unterbringung zunehmende Gewicht des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang (cc). Schließlich unterbleibt eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit vorliegend nicht auch durch Maßnahmen der im Falle einer Bewährungsaussetzung kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB) hinreichend hätte berücksichtigt werden können (dd).
aa) Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit künftiger rechtswidriger Taten geht das Landgericht Deggendorf davon aus, dass beim
Beschwerdeführer eine erhebliche Rückfallgefahr zur Begehung "deliktsanaloger" Taten bestehe, ohne auszuführen, um welche
Taten es sich dabei im Einzelnen handeln könnte. Dies genügt den Anforderungen an die Feststellung einer Gefahr erheblicher
Straftaten als Voraussetzung für die Fortdauer der Unterbringung nicht. Der Beschwerdeführer hatte die Straftatbestände des
Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) in sechs Fällen sowie der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) in einem damit zusammentreffenden Fall
erfüllt. Da diese Straftaten im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von einem (§ 123 StGB) beziehungsweise drei Jahren (§ 240 Abs.
1 StGB) bedroht sind, sind sie nicht ohne Weiteres dem Bereich der erheblichen Straftaten zuzurechnen (vgl. BVerfGE 124, 43
<64>). Gleiches gilt, soweit das Verhalten des Beschwerdeführers nach heutiger Rechtslage dem Straftatbestand der Nachstellung
gemäß § 238 Abs. 1 StGB (eingeführt durch Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen - 40. StrÄndG - vom 22. März
2007
Die Annahme einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten hätte daher weitergehender Begründung bedurft. Der bloße Hinweis des Landgerichts, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des Hausfriedensbruchs mehrfach verwirklicht, genügt nicht, zumal es sich hierbei um ein Antragsdelikt handelt. Soweit im Ausgangsurteil des Landgerichts Landshut die Unterbringung des Beschwerdeführers über die begangenen Taten hinaus mit der Gefahr massiver Tätlichkeiten und der Begehung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begründet worden war, nimmt das Landgericht hierauf in keiner Weise Bezug.
bb) Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Feststellungen des Oberlandesgerichts München im Beschluss vom 24. November 2011. Dieses verweist zwar auf eine "gewisse sexuelle Komponente" der Taten des Beschwerdeführers, bei denen es zudem zu "massiven Zudringlichkeiten mit nicht unerheblicher Gewaltanwendung" gekommen sei. Es erschließt sich aus dem angegriffenen Beschluss jedoch nicht, ob das Oberlandesgericht von einer Gefahr der Begehung von über die Anlasstaten hinausgehenden Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die körperliche Unversehrtheit ausgeht. In diesem Fall hätte das Oberlandesgericht sich zumindest damit auseinandersetzen müssen, dass es lediglich bei der ersten Anlasstat zu einem körperlichen Übergriff gekommen war. Darüber hinaus lassen die Anlasstaten keine fortschreitende Dynamik erkennen. Während der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung des Beschwerdeführers von April 2000 bis Februar 2002 kam es bei weiteren Kontaktversuchen nicht zu aggressiven Handlungen gegenüber der Geschädigten oder dritten Personen. Soweit das Oberlandesgericht seiner Entscheidung die Gefahr von Straftaten, welche über die Intensität der Ausgangstaten hinausgehen, zugrunde gelegt haben sollte, hätten diese daher konkret bezeichnet, die Gefahrenprognose wegen des neuen Deliktstyps näher belegt und der Wahrscheinlichkeitsgrad konkretisiert werden müssen. Daran fehlt es. Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang dem Auffinden pornographischer Magazine beim Beschwerdeführer zukommen soll, ist nicht nachvollziehbar.
cc) Daneben lassen die angegriffenen Beschlüsse nicht erkennen, dass bei der gebotenen Abwägung zwischen den Sicherheitsbelangen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers dem sich verstärkenden Gewicht seines Freiheitsgrundrechts Rechnung getragen worden wäre.
Die Dauer der Unterbringung von mehr als elf Jahren übersteigt das Höchstmaß der Freiheitsstrafe für die Anlasstaten um ein Vielfaches. Aufgrund des vor diesem Hintergrund zunehmenden Gewichts des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers hätte es substantiierter Begründung bedurft, warum die von ihm ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch weiterhin aufzuwiegen vermag. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass hinsichtlich der Ausgangsdelikte zweifelhaft erscheint, ob diese überhaupt die Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu tragen geeignet sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 417/12 -, juris, Rn. 32 ff.). Daher genügt die bloße Feststellung in den angegriffenen Beschlüssen, auch unter Berücksichtigung der langen Dauer verstoße die weitere Vollstreckung der Unterbringung nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den verfassungsrechtlich gebotenen Begründungsanforderungen nicht.
dd) Schließlich fehlt auch eine Auseinandersetzung damit, ob den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit vorliegend durch geeignete Auflagen im Rahmen der im Falle der Bewährungsaussetzung kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB) hätte Rechnung getragen werden können.
3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München ist aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht München zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.