Entscheidungsdatum: 15.09.2014
Der Verfassungsbeschwerde kommt eine grundsätzliche Bedeutung, deretwegen sie zur Entscheidung anzunehmen wäre (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) nicht zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG); insbesondere entsteht dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache kein besonders schwerer Nachteil.
I.
1. a) Der strafgefangene Beschwerdeführer beantragte gemäß § 109 StVollzG unter Vorbehalt die Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt, in der er untergebracht ist, zur - von ihr abgelehnten - Anfertigung von Kopien aus den Krankenunterlagen, die er für ein laufendes sozialgerichtliches Verfahren in einer Rentensache benötige. Den Vorbehalt formulierte der Beschwerdeführer wie folgt: "Diese vorgenannten Antrag werden hiermit nur unter Vorbehalt, der Bewilligung, der Prozesskostenhilfe bestellt" (sic).
Das Landgericht lehnte mit angegriffenem Beschluss den Prozesskostenhilfeantrag ab, wies den Sachantrag zurück, setzte den Wert des Verfahrensgegenstandes auf 500,- Euro fest und entschied zulasten des Beschwerdeführers über die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen. Der Beschwerdeführer habe aus näher dargelegten Gründen keinen Anspruch auf Anfertigung der Kopien. Im Sachbericht des Beschlusses ist aus dem Antragsvorbringen des Beschwerdeführers unter anderem wiedergegeben, "den Antrag stelle er ausdrücklich unter Vorbehalt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe".
b) Der Beschwerdeführer legte gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung sofortige Beschwerde ein. Außerdem erhob er gegen den Beschluss des Landgerichts, wiederum vorbehaltlich der Bewilligung zugleich beantragter Prozesskostenhilfe, zur Niederschrift des Rechtspflegers Rechtsbeschwerde. Er sei in seinen Rechten verletzt, weil sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim Landgericht nur unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt gewesen sei, das Gericht aber trotz Ablehnung der Prozesskostenhilfe über den Antrag entschieden habe. Gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe habe er bereits sofortige Beschwerde eingelegt. Wegen der Krankheiten, die er erst im Lauf der Haft bekommen habe, habe er bei der zuständigen Ärztin Antrag auf Aushändigung von Kopien der Krankenakte gestellt, um nach Entlassung diese seiner Hausärztin vorlegen zu können.
Das Oberlandesgericht wies mit angegriffenem Beschluss - hinsichtlich des Aktenzeichens der angefochtenen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer und der in männlicher Form angegebenen Amtsbezeichnung der Vorsitzenden Richterin des Senats berichtigt durch Beschluss vom 29. August 2013 - den Prozesskostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussicht zurück. Die Rüge des Beschwerdeführers, die Strafvollstreckungskammer habe nach Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrages nicht über seinen Antrag nach § 109 StVollzG entscheiden dürfen, sei unbegründet. Zwar könnte angesichts der Formulierung im Schreiben des Beschwerdeführers vom 18. Juli 2012 davon ausgegangen werden, dass er eine inhaltliche Entscheidung über seinen Antrag nur für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beanspruche. Die Formulierung sei aber nicht eindeutig, da sie auch dahin verstanden werden könne, dass nur die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang die (weitere) Verfahrensdurchführung, die die Einlegung des Antrags gemäß § 109 StVollzG voraussetze, von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig gemacht werde, nicht hingegen die Einlegung selbst, und dass der Beschwerdeführer sich für den Fall der Versagung der Prozesskostenhilfe die Rücknahme seines Antrags vorbehalte. Für Letzteres spreche, dass der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde auch inhaltliche Ausführungen zur Frage seines Anspruchs auf Aushändigung von Kopien von Krankenunterlagen mache. Die Strafvollstreckungskammer habe den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht als - zumindest derzeit - unbegründet zurückgewiesen.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung zahlreicher Grundrechte. Er benötige die verlangte Kopie auch für den Entlassungsfall, um sie seiner Hausärztin vorlegen zu können. Den Antrag beim Landgericht habe er eindeutig nur unter dem Vorbehalt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Das Landgericht hätte ihm daher keine Kosten auferlegen dürfen.
3. a) Die Verfassungsbeschwerde wurde gemäß § 94 BVerfGG dem Justizministerium des Landes Baden-Württemberg zugestellt. Dieses hat von einer Stellungnahme abgesehen.
b) Aus der beigezogenen Akte des fachgerichtlichen Verfahrens ergibt sich Folgendes:
aa) Gegen die im angegriffenen Beschluss des Landgerichts enthaltenen Entscheidungen über die Kosten und Auslagen und zur Festsetzung des Gegenstandswerts (Nr. 2 und Nr. 3 des Beschlusstenors) erhob der Beschwerdeführer unter dem 21. Juni 2013 "sofortige Beschwerde". Er habe den Antrag ausdrücklich nur unter dem Vorbehalt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.
bb) Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts erhob der Beschwerdeführer unter dem 23. August 2013 ebenfalls "sofortige Beschwerde". Der Vorbehalt, unter dem sein Antrag vor der Strafvollstreckungskammer gestellt gewesen sei, sei entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eindeutig gewesen. Er beantrage deshalb, dass das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts aufhebe oder entscheide, dass gemäß § 21 Abs. 1 GKG Kosten nicht erhoben würden.
cc) Mit Schreiben vom 2. September 2013 wandte das Oberlandesgericht sich an die Strafvollstreckungskammer. Da der Beschwerdeführer sich mit seiner Beschwerde hauptsächlich gegen die Kostenentscheidung des Beschlusses des Landgerichts vom 11. Juni 2013 wende, nachdem er eine Sachentscheidung wohl nur unter dem Vorbehalt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe habe beantragen wollen, jeweils aber auch in der Sache entschieden worden sei, werde angeregt, entsprechend den Entscheidungen in zwei näher bezeichneten anderen Verfahren zu prüfen, ob eine Niederschlagung der im vorliegenden Beschluss verfügten Kosten nach § 21 GKG in Betracht komme. Es werde gebeten, das Ergebnis der Prüfung mitzuteilen, da anderenfalls "die - unzulässige - Beschwerde des Verurteilten gegen den hiesigen Beschluss vom 14. August 2013, der wohl unter einem falschen Az. des Landgerichts erging", dem Bundesgerichtshof vorgelegt werden müsse.
dd) Mit Beschluss vom 11. September 2013 schlug das Landgericht gemäß § 21 Abs. 1 GKG - wonach Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben werden (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG) - die Kosten des Verfahrens 9 StVK 835/12 HN nieder. Der nur unter dem Vorbehalt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellte Antrag sei seitens der Kammer irrtümlich auch in der Hauptsache entschieden worden, und es seien dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen auferlegt worden. Die Voraussetzungen des § 21 GKG lägen vor, da die Kammer nach Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrages nicht in der Sache hätte entscheiden dürfen.
ee) Mit Beschluss vom 25. September 2013 wies das Oberlandesgericht "den Antrag des Gefangenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerden gegen Nr. 2 und Nr. 3 des Beschlusses des Landgerichts … vom 11. Juni 2013" mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Beschwerden (§ 114 Satz 1 ZPO) zurück. Aufgrund des Niederschlagungsbeschlusses vom 11. September 2013 sei der Beschwerdeführer nicht mehr beschwert; die Beschwerden seien daher unzulässig. Der Senat lege das Schreiben des Antragstellers vom 21. Juni 2013 in Verbindung mit der Erklärung zu Protokoll des Rechtspflegers vom 16. Juli 2013 dahin aus, dass die Beschwerden erst gestellt werden sollten, wenn der Antrag auf Prozesskostenhilfe positiv beschieden worden sei. Da dies nicht der Fall sei, bedürfe es keiner Entscheidung über die Beschwerden.
ff) Eine Entscheidung über die "sofortige Beschwerde" gegen den angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts ist, soweit ersichtlich, nicht ergangen.
4. Mit Berichterstatterschreiben vom 26. Februar 2014 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass - auf Anregung des Oberlandesgerichts - das Landgericht mit Beschluss vom 11. September 2013 die aufgrund des Beschlusses vom 11. Juni 2013 entstandenen Kosten gemäß § 21 Abs. 1 GKG niedergeschlagen habe. Deshalb dürfe eine materielle Beschwer durch die angegriffenen Beschlüsse, soweit sie die Behandlung des vom Beschwerdeführer im fachgerichtlichen Verfahren geltend gemachten Vorbehalts der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beträfen, nicht mehr bestehen. Der Beschwerdeführer erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme, von der er keinen Gebrauch machte.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Rüge, die sich gegen die Behandlung des Vorbehalts der Prozesskostenbewilligung durch die angegriffenen Beschlüsse richtet, zulässig. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der beigezogenen Akte ist sie jedoch auch insoweit nicht zur Entscheidung anzunehmen.
1. Zwar dürften die angegriffenen Entscheidungen unter Verstoß - zumindest - gegen Art. 103 Abs. 1 GG ergangen sein. Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung den Vorbehalt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe übergangen, unter den der Beschwerdeführer seinen Antrag ausdrücklich gestellt hatte. Damit hat es in - jedenfalls hinsichtlich der Kosten und Auslagen - entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. BVerfGE 54, 86 <92>). Das Oberlandesgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss, die Schritte zur Abhilfe, zu denen es aufgerufen war, nicht unternommen und damit den Gehörsverstoß perpetuiert (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2009 - 1 BvR 2355/08 -, NJW 2009, S. 3779 <3780>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Dezember 2012 - 2 BvR 1294/10 -, NJW 2013, S. 925; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. August 2013 - 2 BvR 425/12 -, juris). Die zugrundeliegende Annahme, dass die vom Beschwerdeführer gewählte Formulierung nicht eindeutig gewesen sei und dahin habe verstanden werden können, dass nur die weitere Durchführung des Verfahrens, nicht aber der Antrag selbst von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig gemacht werde, und dass der Beschwerdeführer sich für den Fall der Versagung der Prozesskostenhilfe die Rücknahme des Antrags vorbehalte, ist schon angesichts des eindeutigen Wortlauts des Antragsvorbringens nicht nachvollziehbar. Selbst wenn insoweit Auslegungsspielraum bestünde, wäre im Übrigen zu berücksichtigen gewesen, dass das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG die Gerichte zu zweckentsprechender Auslegung von Anträgen verpflichtet (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>; BVerfGK 7, 403 <408>; 18, 152 <157>). Diesem Gebot kommt gerade bei der Auslegung von Anträgen nicht anwaltlich vertretener Gefangener, die typischerweise für den Umgang mit den Kompliziertheiten der Rechtsordnung schlecht gerüstet sind (vgl. BVerfGK 10, 509 <516>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2012 - 2 BvR 166/11 -, NStZ-RR 2013, S. 120), besondere Bedeutung zu. Unabhängig davon geht der Versuch des Oberlandesgerichts, das Vorgehen des Landgerichts mit der dargestellten Auslegungsmöglichkeit des Antragsvorbringens zu rechtfertigen, schließlich auch daran vorbei, dass das Landgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers gerade nicht in der vom Oberlandesgericht für rechtfertigungsfähig gehaltenen Weise ausgelegt, sondern ausweislich der expliziten Feststellung im Sachbericht seines Beschlusses erkannt hatte, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag "ausdrücklich unter Vorbehalt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe" gestellt hatte.
2. Unter Berücksichtigung des Beschlusses, mit dem das Landgericht die Kosten des Verfahrens vor der Strafvollstreckungskammer niedergeschlagen hat, ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung jedoch nicht mehr angezeigt. Zwar ist damit eine Selbstkorrektur durch fachgerichtliche Entscheidung (vgl. zur Bedeutung für das Rechtsschutzbedürfnis BVerfGE 38, 26 <28 f.>) nur seitens des Landgerichts erfolgt. Entfallen ist in der Sache aber auch die Beschwer, gegen die der Beschwerdeführer sich mit seiner unter den Vorbehalt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellten, allein die Missachtung des gleichartigen Vorbehalts in der Vorinstanz rügenden Rechtsbeschwerde gewandt hat und hinsichtlich derer sein Rechtsschutzbegehren allein Erfolg haben konnte. Zugleich hat der Sache nach auch die Berechtigung seines vor dem Oberlandesgericht verfolgten Anliegens eine gerichtliche Anerkennung gefunden. Damit hat der Beschwerdeführer, auch soweit seitens des Oberlandesgerichts ein krasser Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze vorgelegen haben mag, der die Annahme der Verfassungsbeschwerde unabhängig von materieller Beschwer angezeigt erscheinen lassen könnte (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>; BVerfGK 18, 209 <210>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 2010 - 2 BvR 2553/09 -, juris; vom 14. Juni 2011 - 2 BvR 431/09 -, juris; vom 14. August 2013 - 2 BvR 1548/13 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 13. März 2012 - 1 BvR 210/12 -, NJW 2012, S. 2570), ausreichend Genugtuung erfahren.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.