Entscheidungsdatum: 13.03.2012
I.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist eine in der Hauptverhandlung gegenüber einem Verteidiger ergriffene sitzungspolizeiliche Maßnahme.
1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und trat in einer Hauptverhandlung vor der Strafkammer als Verteidiger auf. Er trug Robe und weißes Hemd, jedoch keine Krawatte. Nach Aufforderung des Vorsitzenden Richters, eine Krawatte anzulegen, und darauf erfolgter zweifacher Weigerung des Beschwerdeführers wies ihn der Vorsitzende als Verteidiger zurück. Die gegen die Zurückweisung zum Oberlandesgericht erhobene Beschwerde blieb erfolglos. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht im Beschluss aus, der Beschwerdeführer sei zu Recht nach § 176 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) zurückgewiesen worden, weil er seine Pflicht verletzt habe, vor Gericht Amtstracht zu tragen. Gewohnheitsrechtlich gehöre in Bayern zur Amtstracht eine "weiße Halsbinde". Daran habe die Regelung der Berufstracht in § 20 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) nichts ändern können. Der Beschwerdeführer habe eine von dieser berufsrechtlichen Bestimmung unabhängige verfahrensrechtliche Pflicht zum Tragen des Langbinders verletzt, die nach breitem Konsens und Übung der Organe der Rechtspflege noch gelte. Der Verstoß des Beschwerdeführers sei schwerwiegend und rechtfertige die Zurückweisung als Verteidiger.
2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG.
II.
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer sich gegen die prozessual überholte Entscheidung des Landgerichts wendet (vgl. BVerfGK 7, 312 <316>). Mangels hinreichender Begründung ist die Verfassungsbeschwerde ferner unzulässig, soweit mit ihr ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG gerügt wird.
2. Hinsichtlich der Rüge einer Verletzung der Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers (Art. 12 Abs. 1 GG) ist die Verfassungsbeschwerde dagegen zulässig und auch nicht offensichtlich unbegründet. Sie genügt allerdings nicht den Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG.
a) Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG; vgl. dazu BVerfGE 90, 22 <24 f.>). Die mit ihr aufgeworfenen Fragen zu § 176 GVG (vgl. BVerfGE 28, 21 <32, 35>; 50, 234 <241 f.>; 63, 266 <288 f.>), zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; stRspr), zu Art. 72 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 1, 283 <296>; 7, 342 <347>; 98, 265 <300 f.>; 102, 99 <114>; 109, 190 <230>), zu § 59b Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (<BRAO>; vgl. BVerfGE 101, 312 <323 f.>) sowie zu Satzungen öffentlichrechtlicher Körperschaften (vgl. BVerfGE 10, 20 <49 f.>) sind durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt. Es ist nicht ersichtlich, dass der vorliegende Fall weitere Klärung erfordert, zumal aufgrund der Regelung in § 20 BORA regelmäßig Einvernehmen über die "Berufstracht" eines Rechtsanwalts hergestellt und im Übrigen ein Auftreten in unangemessener Kleidung durch sitzungspolizeiliche Maßnahmen verhindert werden kann.
b) Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist ferner nicht zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Eine Annahme zur Entscheidung ist dann angezeigt, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existentieller Weise betrifft. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine geltend gemachte Verletzung hat ferner dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht oder rechtsstaatliche Grundsätze krass verletzt. Eine existentielle Betroffenheit des Beschwerdeführers kann sich vor allem aus dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung oder seiner aus ihr folgenden Belastung ergeben (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).
Hiernach kommt der behaupteten Grundrechtsverletzung kein besonderes Gewicht zu. Dem Oberlandesgericht war erkennbar daran gelegen, eine am Maßstab der Grundrechte und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 28, 21) sachlich begründete Entscheidung mit geringer Eingriffsintensität zu treffen. Die vom Oberlandesgericht bestätigte Zurückweisung als Verteidiger stellte das im Hinblick auf das Gewicht des Eingriffs am wenigsten schwerwiegende Mittel dar (vgl. BVerfG 28, 21 <35>). Der Beschwerdeführer kann ähnliche Maßnahmen künftig abwenden, indem er eine Krawatte anlegt. Dies stellt für ihn - auch mit Blick auf die Interessen seines Mandanten an einem zügigen Prozessverlauf - keine unzumutbare Belastung dar (vgl. BVerfGE 34, 138 <139>). Die angegriffene sitzungspolizeiliche Maßnahme mag im Hinblick auf die möglicherweise erschöpfende Regelung des § 59b Abs. 2 Nr. 6 BRAO rechtlich bedenklich und als Reaktion auf das Verhalten des Beschwerdeführers überzogen erscheinen, betrifft ihn aber weder nach ihrem Gegenstand noch wegen der aus ihr folgenden Belastung in existentieller Weise. Die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers wurde außerhalb des Hauptverhandlungstermins, in dem die Zurückweisung erfolgte, nicht beschränkt. Ausweislich des der Verfassungsbeschwerde beigefügten Sitzungsprotokolls ist seine Ladung zu einem neuen Hauptverhandlungstermin angeordnet worden. Ein über das Erscheinen zu dem neu anberaumten Termin hinausgehender Nachteil ist nicht ersichtlich.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.