Bundesverfassungsgericht

Entscheidungsdatum: 23.07.2013


BVerfG 23.07.2013 - 2 BvQ 30/13

A-limine-Abweisung (§ 24 BVerfGG) einer "vorverlegten Wahlprüfungsbeschwerde" nach § 32 BVerfGG bei offensichtlicher Unzulässigkeit einer noch zu erhebenden Wahlprüfungsbeschwerde - Grundkonzeption nachträglichen Rechtsschutzes im Wahlverfahren gilt auch nach Einführung der Nichtanerkennungsbeschwerde fort


Gericht:
Bundesverfassungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
23.07.2013
Aktenzeichen:
2 BvQ 30/13
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2013:qs20130723.2bvq003013
Dokumenttyp:
Ablehnung einstweilige Anordnung
Zitierte Gesetze
§ 18 Abs 4a BWahlG
RSchWahlG

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass Frauen- und Geschlechterquoten sowie anders geartete Formen von Quotenregelungen bei der innerparteilichen Kandidatenaufstellung für Wahlen auf Bundes- und Landesebene gegen Art. 3, Art. 21 Abs. 1 Satz 3 und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen und den Anforderungen der §§ 26 und 28 Bundeswahlgesetz (BWG) nicht genügen. Er beantragt, dies im Wege einer vorverlegten Wahlprüfungsbeschwerde durch Erlass einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts festzustellen. Die begehrte einstweilige Anordnung hat ferner ein Einschreiten der von ihm als Antragsgegner bezeichneten Landeswahlleiter, Landeswahlausschüsse, Kreiswahlleiter und Kreiswahlausschüsse gegen die Parteien Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Die Linke und CDU mit dem aus dem Rubrum ersichtlichen Inhalt zum Ziel.

2

Zur Zulässigkeit seiner Anträge trägt der Antragsteller vor, eine in das Verfahren der einstweiligen Anordnung vorverlegte Wahlprüfung sei nach dem Wortlaut des § 32 BVerfGG nicht explizit ausgeschlossen und damit zulässig. Auch § 49 BWG stehe dem nicht entgegen, da die dort angeordnete Beschränkung der Anfechtbarkeit von Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur bereits erfolgte und nicht künftige Maßnahmen der Wahlorgane betreffe. Eine Befassung des Bundestages vor Stellung eines solchen Antrags beim Bundesverfassungsgericht sei entbehrlich, da es sich um eine wiederkehrende Rechtsverletzung von erheblicher Mandatsrelevanz handle, die bereits Gegenstand einer rechtlichen Würdigung durch den Bundeswahlleiter und den Wahlprüfungsausschuss gewesen sei. Es lägen damit besondere Umstände vor, die eine Vorverlegung des Rechtsschutzes erforderlich machten.

II.

3

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall - auch schon vor Anhängigkeit eines Verfahrens zur Hauptsache (vgl. BVerfGE 11, 339 <442>; 27, 152 <156>; 92, 130 <133>) - einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat jedoch keinen Erfolg, wenn der Antrag in der Hauptsache unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 111, 147 <152 f.>; stRspr).

4

Nach diesen Grundsätzen kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung hier nicht in Betracht. Eine noch zu erhebende Wahlprüfungsbeschwerde wäre unzulässig. Die Erhebung einer Wahlprüfungsbeschwerde durch einen Wahlberechtigten vor Durchführung der Wahl und des Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Bundestag findet im geltenden Recht keine Grundlage (vgl. Art. 41 GG, § 48 BVerfGG und § 49 BWG). Soweit der Antragsteller begehrt, den von ihm als Antragsgegner bezeichneten Wahlorganen im Wege der einstweiligen Anordnung konkrete Verpflichtungen aufzuerlegen, verfolgt er zudem ein Rechtsschutzziel, das er mit einer Wahlprüfungsbeschwerde nicht erreichen könnte.

5

Ist nach der gesetzlichen Konzeption Rechtsschutz im Wahlverfahren grundsätzlich erst nach der Durchführung einer Wahl zu erlangen, so schließt dies auch eine in das einstweilige Anordnungsverfahren vorverlegte Wahlprüfungsbeschwerde aus, die sich gegen Entscheidungen und Maßnahmen im Wahlverfahren richtet (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. September 2005 - 2 BvQ 31/05 -, NJW 2005, S. 2982; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Juli 2009 - 2 BvQ 45/09 -, juris). Daran hat die Schaffung einer Beschwerde von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG (BGBl 2012 I S. 1478) und durch das Gesetz zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen (BGBl 2012 I S. 1501) nichts geändert. Der Gesetzgeber hat vielmehr dadurch, dass er lediglich die Entscheidung des Bundeswahlausschusses, welche Parteien zur Einreichung von Wahlvorschlägen berechtigt sind (§ 18 Abs. 4 BWG), verfassungsgerichtlicher Überprüfung vor der Wahl unterworfen hat, deutlich gemacht, dass im Übrigen die bisherige Konzeption des Rechtsschutzes in Wahlangelegenheiten erhalten bleiben sollte (vgl. BTDrucks 17/9391, S. 5 f.).