Bundesarbeitsgericht

Entscheidungsdatum: 30.09.2010


BAG 30.09.2010 - 2 AZR 456/09

Kündigungsfrist


Gericht:
Bundesarbeitsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
30.09.2010
Aktenzeichen:
2 AZR 456/09
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend ArbG Halle (Saale), 28. März 2008, Az: 6 Ca 1821/07, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, 9. April 2009, Az: 3 Sa 205/08, Urteil
Zitierte Gesetze
EGRL 78/2000

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. April 2009 - 3 Sa 205/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch darüber, wann ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Kündigung der Beklagten geendet hat.

2

Die im Jahr 1979 geborene Klägerin war seit dem 1. August 1995 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zunächst im Rahmen einer fast dreijährigen Berufsausbildung und anschließend als Zahnarzthelferin tätig.

3

Mit Schreiben vom 9. September 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht „zum nächstmöglichen Termin“.

4

Die Klägerin hat, nachdem die Beklagte erklärt hatte, aus der fristlosen Kündigung keine Rechte mehr herleiten zu wollen, ihre gegen diese erhobene Klage bereits erstinstanzlich zurückgenommen. Hinsichtlich der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung hat sie nur geltend gemacht, die Beklagte habe die maßgebende Kündigungsfrist nicht eingehalten. Diese betrage fünf Monate zum Monatsende. Das habe die Folge, dass das Arbeitsverhältnis nicht, wie die Beklagte annehme, am 31. Oktober 2007, sondern erst am 29. Februar 2008 geendet habe. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer seien auch die Zeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahrs zu berücksichtigen.

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Die Klägerin hat zuletzt - sinngemäß - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 9. September 2007 nicht zum 31. Oktober 2007 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 29. Februar 2008 fortbestanden hat.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sei wirksam. Selbst bei einer Unionsrechtswidrigkeit sei die Vorschrift im Verhältnis von Privaten weiter anzuwenden. Zumindest dürfe die Ausbildungszeit der Klägerin nicht berücksichtigt werden.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist unbegründet. Die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende gesetzliche Kündigungsfrist beträgt nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB fünf Monate zum Monatsende. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer iSv. § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB sind auch die Zeiten zu berücksichtigen, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs der Klägerin liegen.

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I. Die Revision ist zulässig. Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts. Ihre Revisionsbegründung genügt, anders als die Klägerin meint, den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Zum einen ist zumindest § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB als verletzte Norm bezeichnet. Zum anderen ist die Angabe der verletzten Rechtsvorschrift oder des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dessen fehlerhafte Anwendung beanstandet wird, nicht zwingend erforderlich (Senat 12. März 2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 12, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 26).

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II. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Kündigung vom 9. September 2007 hat das Arbeitsverhältnis erst zum 29. Februar 2008 beendet. Zwar wäre der 31. Oktober 2007 der sich auf der Grundlage von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ergebende Kündigungstermin. Diese Vorschrift ist aber mit Unionsrecht nicht zu vereinbaren und im Streitfall nicht anzuwenden.

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1. Die Klage richtet sich unmittelbar gegen die Berufungsausübungsgemeinschaft S J und Dr. A J als solche. Die Berufsausübungsgemeinschaft ist als (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts rechts- und parteifähig. Sie ist auch passiv legitimiert. Ihr kam sowohl nach Auffassung der Parteien als auch materiellrechtlich die Arbeitgeberstellung zu. Dementsprechend hat die Klägerin ihre Klage zunächst ausdrücklich gegen die Berufsausübungsgemeinschaft erhoben. An der Parteistellung der Gesellschaft hat sich durch die in den Vorinstanzen erfolgte „Rubrumsberichtigung“ auf die beiden Gesellschafterinnen als vermeintlich beklagte Parteien nichts geändert.

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2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat bis zum 29. Februar 2008 bestanden.

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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht das Unionsrecht, insbesondere das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf einer Regelung wie § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegen, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahrs liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden (19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14). Dabei obliegt es dem nationalen Gericht im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergibt, sicherzustellen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, indem es erforderlichenfalls jede diesem Verbot entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07- [Kücükdeveci] Rn. 51, aaO; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 77, Slg. 2005, I-9981).

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b) An diese Rechtsprechung ist der Senat gebunden (so schon Senat 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 -; BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 18, NZA 2010, 1409). Die Entscheidung des Gerichtshofs beruht auf der ihm zukommenden Auslegung des Unionsrechts (Art. 19 Abs. 1 EUV, Art. 267 AEUV) und hält sich im Rahmen der ihm zugewiesenen Kompetenzen. Das betrifft sowohl die Herleitung des Verbots der Altersdiskriminierung aus einem entsprechenden allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts als auch die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Verbots durch die Richtlinie, zu deren effektiver Umsetzung die Mitgliedstaaten gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV iVm. Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet sind (vgl. BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - Rn. 71, 78, EzA TzBfG § 14 Nr. 66; BAG 26. April 2006 - 7 AZR 500/04 - Rn. 19, 24, BAGE 118, 76; Krois Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 S. 17, 28; Preis/Temming NZA 2010, 185, 187; Pötters/Traut ZESAR 2010, 267, 274). Dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB vom deutschen Gesetzgeber nicht zur Umsetzung der Richtlinie, sondern weit früher erlassen wurde, ist angesichts der durch die Richtlinie vermittelten Geltung des unionsrechtlichen Verbots der Altersdiskriminierung unbeachtlich.

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c) Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts (BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - Rn. 53, EzA TzBfG § 14 Nr. 66; 18. November 2008 - 1 BvL 4/08 - Rn. 12, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 6) führt dazu, dass sich die Kündigungsfrist allein nach § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB berechnet. § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nicht mehr anzuwenden.

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aa) Der Streitfall liegt im Anwendungsbereich des Unionsrechts. Die in Rede stehende Kündigung ging der Klägerin am 9. September 2007 zu. Zu diesem Zeitpunkt war die für die Bundesrepublik Deutschland ua. hinsichtlich des Diskriminierungsmerkmals „Alter“ bis zum 2. Dezember 2006 verlängerte Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG abgelaufen.

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bb) § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ist einer unionsrechtskonformen Auslegung, die grundsätzlich den nationalen Gerichten vorbehalten ist (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 48 mwN, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14), nicht zugänglich. Der Wortlaut der Vorschrift ist, was die ausnahmslos angeordnete Nichtberücksichtigung vor Vollendung des 25. Lebensjahrs liegender Beschäftigungszeiten anbelangt, eindeutig. Eine dem entgegenstehende Auslegung wäre nicht zulässig (vgl. BVerfG 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - zu D I der Gründe, BVerfGE 93, 37; BAG 18. Februar 2003 - 1 ABR 2/02 - zu B IV 3 b dd (1) der Gründe, BAGE 105, 32).

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cc) Die Nichtanwendung von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB beseitigt die mit der Regelung verbundene Altersdiskriminierung. Die Kündigungsfristenregelung des § 622 Abs. 2 BGB ist nicht insgesamt unanwendbar. Es entfällt lediglich die in § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB enthaltene Einschränkung ihres Anwendungsbereichs. Dies führt mittelbar zu einer „Anpassung nach oben“ und zur ausschließlichen Anwendung von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB (Senat 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 -; Bauer/v.Medem ZIP 2010, 449, 453; Krois Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 S. 17, 40; Preis/Temming NZA 2010, 185, 188; Thüsing ZIP 2010, 199, 201 f.). Eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zu einer etwaigen Neuregelung durch den Gesetzgeber kommt nicht in Betracht. Die gegenteilige Auffassung (Wackerbarth/Kreße EuZW 2010, 252) überzeugt schon deshalb nicht, weil sie mit der Bindung der Mitgliedstaaten an das Unionsrecht und der Verpflichtung zu dessen effektiver Umsetzung in Widerspruch steht. Im Übrigen bestehen angesichts der Gesetzessystematik keine Zweifel an einem mit § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verbundenen eigenständigen gesetzgeberischen „Anwendungsbefehl“.

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dd) Dieses Ergebnis widerspricht nicht Art. 20 Abs. 3 GG. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts ist verfassungsrechtlich durch Art. 23 Abs. 1 GG legitimiert und Teil des vom Grundgesetz gewollten Integrationsauftrags (BVerfG 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 ua. - Rn. 331 ff., BVerfGE 123, 267; 18. November 2008 - 1 BvL 4/08 - EzA BGB 2002 § 622 Nr. 6).

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ee) Der Nichtanwendung von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB steht kein der Beklagten zu gewährender Vertrauensschutz entgegen.

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(1) Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union, die in Vorabentscheidungsverfahren ergehen, wirken im Grundsatz auch für die Vergangenheit unbegrenzt. Die Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts durch den Gerichtshof beschränkt sich darauf zu erläutern und zu verdeutlichen, wie die Regelung seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist. Daraus folgt, dass die innerstaatlichen Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor der fraglichen Entscheidung entstanden sind, anwenden müssen (vgl. EuGH 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 66, Slg. 2005, I-2119). Der Gerichtshof kann die Möglichkeit, sich auf die Auslegung zu berufen, die er einer unionsrechtlichen Bestimmung gegeben hat, nur ausnahmsweise mit Wirkung für alle Betroffenen zeitlich beschränken (EuGH 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 68, Slg. 2009, I-731; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 67, aaO; BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 74, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16).

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(2) Für die Entscheidung über die zeitliche Begrenzung der Unanwendbarkeit einer gegen Primärrecht verstoßenden Norm ist mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts und die nötige einheitliche Anwendung in den Mitgliedstaaten allein der Gerichtshof zuständig. Äußert er sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens zu der Frage der Rückwirkung oder zeitlichen Begrenzung seiner Antwort nicht, schließt er damit unionsrechtlichen Vertrauensschutz regelmäßig aus (Senat 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 -; BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 77 mwN, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16).

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(3) Der Gerichtshof hat den Tenor seiner Entscheidung vom 19. Januar 2010 (- C-555/07 - [Kücükdeveci] AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14) zeitlich nicht begrenzt und damit keinen Vertrauensschutz gewährt (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 19, NZA 2010, 1409). Dafür spricht zudem, dass das Landesarbeitsgericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen ausdrücklich danach gefragt hat, ob § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB bei anzunehmendem Verstoß gegen Unionsrecht unangewendet zu lassen ist oder ob dem Vertrauen der Normunterworfenen in die Anwendung innerstaatlicher Gesetze durch eine zeitliche Begrenzung dieser Folge Rechnung getragen werden kann (LAG Düsseldorf 17. Februar 2010 - 12 Sa 1311/07 - LAGE BGB 2002 § 622 Nr. 5). Da der Gerichtshof die Frage klar in ihrer ersten Alternative bejahte, hat er zugleich gegen einen möglichen Vertrauensschutz erkannt.

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(4) Ein sekundärer Vertrauensschutz durch Ersatz eines Vertrauensschadens (dazu und zu möglichen Voraussetzungen BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - Rn. 80 ff., EzA TzBfG § 14 Nr. 66) ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, im Vertrauen auf die Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB Dispositionen getroffen zu haben, die sie im Wissen um ihre Unanwendbarkeit überhaupt nicht oder in anderer Form getroffen hätte.

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d) Hat danach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unangewendet zu bleiben, kommt es auf die Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht an.

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e) Bei Anwendung von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB und ausgehend von einer zwölfjährigen Beschäftigungsdauer der Klägerin beträgt die Kündigungsfrist fünf Monate zum Monatsende, § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB. Dass die ersten drei Beschäftigungsjahre in einem Ausbildungsverhältnis zurückgelegt wurden, steht dem nicht entgegen.

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aa) Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass bei der Berechnung der Kündigungsfrist auch die bei der vormaligen Inhaberin der Zahnarztpraxis zurückgelegten Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen sind. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Arbeitsverhältnis zum 1. Juli 2007 im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen ist.

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bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass Zeiten der Berufsausbildung im Rahmen von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB zu berücksichtigen sind, soweit die Ausbildung nach Vollendung des 25. Lebensjahrs des Auszubildenden erfolgte (BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 139/99 - AP BGB § 622 Nr. 57 = EzA BGB § 622 nF Nr. 60). Die verlängerten Kündigungsfristen honorieren letztlich die Betriebs- bzw. Unternehmenstreue und sollen der damit typischerweise einhergehenden Verminderung der Flexibilität des Arbeitnehmers Rechnung tragen. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob die Zeit im Betrieb bzw. Unternehmen in einem reinen Arbeitsverhältnis oder - sei es auch nur teilweise - in einem Ausbildungsverhältnis verbracht wurde. Diese Überlegungen treffen gleichermaßen auf Zeiten zu, die ein Arbeitnehmer vor Vollendung seines 25. Lebensjahrs in einem Ausbildungsverhältnis zurückgelegt hat.

29

III. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision fallen der Beklagten zur Last (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Dr. Roeckl    

        

    Baerbaum