Entscheidungsdatum: 07.06.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 10 2009 030 810.5
(hier: wegen Übersetzungserfordernis, § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG)
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 7. Juni 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel und des Richters Prof. Dr. Dr. Ensthaler
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts – Prüfungsstelle 51 – vom 12. August 2010 aufgehoben.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
I.
Die Anmelderin hat am 26. Juni 2009 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eine Erfindung mit der Bezeichnung „Beschichtung für einen optischen Reflektor“ zum Patent angemeldet. Die Anmeldungsunterlagen bestehen aus dem ausgefüllten amtlichen Anmeldeformular, einer Seite Zusammenfassung, 23 Seiten Beschreibung, zehn Patentansprüchen sowie sieben Blatt Zeichnungen (Fig. 1 bis 7). Die Beschreibung ist abwechselnd in deutscher und englischer Sprache (letzteres über insgesamt ca. 13 Seiten hinweg) abgefasst; auch in den Zeichnungen finden sich englischsprachige Begriffe wie „contact angle“ oder „O2flow“. Im Übrigen ist die Anmeldung auf Deutsch verfasst. Eine deutsche Übersetzung der fremdsprachigen Teile der Anmeldung hat die Anmelderin innerhalb von drei Monaten nach Einreichung der Anmeldung nicht zur Akte nachgereicht.
Nach entsprechendem Zwischenbescheid hat die Prüfungsstelle 51 des DPMA mit Beschluss vom 12. August 2010 festgestellt, dass die Anmeldung als nicht erfolgt gelte. Zur Begründung wird ausgeführt, die Anmelderin habe es versäumt, für die teilweise nicht in deutscher Sprache abgefassten Unterlagen fristgerecht eine Übersetzung einzureichen. Das Aktenzeichen werde daher gelöscht.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde.
Sie beantragt sinngemäß,
- den angefochtenen Beschluss aufzuheben,
- festzustellen, dass den beim DPMA eingegangenen Unterlagen der 26. Juni 2009 als Anmeldetag zukommt,
- das Aktenzeichen der Anmeldung nicht zu löschen und
- die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Zur Begründung beruft sich die Anmelderin auf Art. 4 A, B der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ), wonach es zur Begründung der Priorität ausreiche, dass eine im Hinblick auf die Vorschriften des jeweiligen Nationalstaats ordnungsgemäße Hinterlegung erfolgt sei. Hierfür komme es nur auf den Zeitpunkt der Hinterlegung und nicht auf das spätere Schicksal der Anmeldung an. Damit sei unvereinbar, dass eine fremdsprachige Anmeldung im Falle nicht rechtzeitiger Nachreichung der deutschen Übersetzung als von Beginn an unwirksam betrachtet werde. Durch die im angegriffenen Beschluss angeordnete Löschung des Aktenzeichens der eingereichten Patentanmeldung sei die Inanspruchnahme der Priorität dieser Patentanmeldung bei anderen Patentämtern unmöglich.
Außerdem sei die Anmelderin erst einen Monat nach Ablauf der durch § 35 PatG bestimmten Dreimonatsfrist auf den völligen Rechtsverlust hinsichtlich der Anmeldung hingewiesen worden. Dies stelle einen erheblichen Verstoß gegen das Amtsermittlungsprinzip und gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowie einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) dar, zumal es der Anmelderin leicht möglich gewesen wäre, eine Übersetzung der in englischer Sprache abgefassten Textstellen in die deutsche Sprache nachzureichen.
II.
Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Die von der Prüfungsstelle getroffene Feststellung, wonach die Anmeldung als nicht erfolgt gelte, erweist sich als unzutreffend.
1. Als Anmeldetag einer Patentanmeldung ist gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PatG der Tag anzusehen, an dem die Unterlagen nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PatG und Unterlagen, soweit sie jedenfalls Angaben enthalten, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen sind, nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 PatG beim Patentamt eingehen. Erforderlich für die Zuerkennung eines Anmeldetages ist somit, dass die an dem betreffenden Tag eingereichte Anmeldung den Namen (Firma) des Anmelders, einen Antrag auf Erteilung des Patents, in dem die Erfindung kurz und genau bezeichnet ist, sowie Ausführungen, die als Beschreibung der Erfindung angesehen werden können, enthält. Im Falle vollständig oder teilweise in einer fremden Sprache abgefasster Unterlagen ist jedoch gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG die Zuerkennung eines Anmeldetages zusätzlich davon abhängig, dass eine Übersetzung innerhalb der in § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG vorgesehenen dreimonatigen, mit Einreichung der Anmeldung beginnenden Frist nachgereicht wird.
2. Im vorliegenden Fall hat die Anmelderin am 26. Juni 2009 beim DPMA in deutscher Sprache, unter Nennung ihrer Firma sowie einer kurzen und genauen Bezeichnung der Erfindung, einen Antrag auf Erteilung eines Patents eingereicht. Im Hinblick auf die teilweise in englischer Sprache abgefassten Teile der Beschreibung (und möglicherweise auch im Hinblick auf die in den Figurenzeichnungen verwendeten englischen Begriffe, soweit diese überhaupt der Übersetzung bedürfen, vgl. hierzu Schulte/Rudloff-Schäffer, PatG, 8. Aufl., § 126 Rn. 8) hat die Anmelderin zwar dem in § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG festgelegten Erfordernis nicht genügt. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass die Anmeldung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG als nicht erfolgt gelten muss. Denn § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG ist in Zusammenhang mit § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG zu lesen. Die Rechtsfolge, die in der Nichtzuerkennung des Anmeldetages besteht, tritt somit nur dann ein, wenn solche Teile der Anmeldung ursprünglich in einer Fremdsprache eingereicht worden sind, die nach § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG für die Begründung des Anmeldetages unabdingbare Voraussetzung sind. Nur wenn diesbezüglich das Erfordernis der Nachreichung einer Übersetzung innerhalb von drei Monaten nicht erfüllt wird, kommt kein Anmeldetag zustande (BGH GRUR 2012, 91, 92 - Polierendpunktbestimmung; Senatsbeschluss vom 4. April 2012, 10 W (pat) 46/08, Mitt. 2012, 272 = BPatGE 53, 169 – Virtuelle Arbeitspunktbestimmung; Stortnik in: Fitzner u. a., Patentrechtskommentar, 4. Aufl., § 35 Rn. 52).
Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die in § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG festgelegte Rechtsfolge nicht eintritt, wenn eine Übersetzung geliefert wird, die zwar unvollständig ist, aber immerhin solche Teile der Anmeldung umfasst, die zu den Mindesterfordernissen für die Zuerkennung des Anmeldetages zählen. Dasselbe gilt, wenn im Nachgang zu einer teilweise fremdsprachigen Anmeldung innerhalb von drei Monaten überhaupt keine Übersetzung eingereicht wird, sofern die Mindesterfordernisse von vornherein durch deutschsprachige Teile der Unterlagen erfüllt worden sind.
3. Mit den am 26. Juni 2009 eingereichten Unterlagen sind die in § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG genannten Mindesterfordernisse für den Anmeldetag in deutscher Sprache erfüllt worden. Die Anmelderin hat nämlich nicht nur die Unterlagen gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PatG (Firma der Anmelderin, Erteilungsantrag mit kurzer und genauer Bezeichnung der Erfindung), sondern auch eine Beschreibung der Erfindung vorgelegt, die teilweise (nämlich über insgesamt ca. 10 Seiten) in deutscher Sprache verfasst ist. Im Sinne des Mindesterfordernisses gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG genügt es, wenn die ursprünglich in deutscher Sprache eingereichten Ausführungen als eine Beschreibung der Erfindung angesehen werden können und diese für sich genommen die Mindesterfordernisse erfüllen. Dies ist hier in Bezug auf die deutschsprachigen Teile der Beschreibung zweifelsohne der Fall. Damit ist am 26. Juni 2009 der Anmeldetag wirksam begründet worden.
4. Da der vorliegenden Patentanmeldung somit die Wirksamkeit nicht abgesprochen werden kann, wird das Anmeldeverfahren vom DPMA fortzuführen sein. Die Prüfungsstelle wird somit auf die Nachreichung veröffentlichungsfähiger Unterlagen hinzuwirken haben. Sie kann dies z. B. dadurch erreichen, dass sie die Anmelderin zur Nachreichung einer Übersetzung der englischsprachigen Teile der Beschreibung und ggf. auch der auf den Zeichnungsblättern verwendeten englischen Begriffe (sofern es sich hierbei nicht um üblich gewordene Fachbegriffe handeln sollte, die keiner Übersetzung bedürfen) auffordert.
Der Umstand, dass die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG trotz Ausbleibens einer vollständigen Übersetzung innerhalb der Dreimonatsfrist nicht ausgelöst wird, bedeutet nicht, dass ein Anmelder von der Vorlage einer deutschen Übersetzung für die fremdsprachigen Teile seiner Anmeldung befreit wäre. Die Pflicht, die gemäß § 34 Abs. 3 PatG erforderlichen (und auch sonstigen) Anmeldungsunterlagen in deutscher Sprache einzureichen, folgt unmittelbar aus § 126 PatG, wonach die Verfahrenssprache beim DPMA deutsch ist. Durch § 126 PatG wird klargestellt, dass nur Unterlagen in deutscher Sprache die Anforderungen des § 34 Abs. 3 PatG erfüllen. Die Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG bestimmt insoweit nur eine Ausnahme von dieser Regel, als sie dem Anmelder eine gesetzliche Nachfrist gewährt, innerhalb der er dem Gebot des § 126 PatG Genüge zu tun hat (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, a. a. O., § 35 Rn. 12). Durch § 126 PatG soll gewährleistet werden, dass für das gesamte Anmeldeverfahren eine deutsche Fassung der Anmeldung zur Verfügung steht und dass zur Unterrichtung der Öffentlichkeit in Deutschland sowohl die Offenlegungsschrift als auch die Patentschrift in deutscher Sprache erscheinen können (vgl. Senatsbeschluss a. a. O. – Virtuelle Arbeitspunktbestimmung).
Die Prüfungsstelle kann daher in jeder Lage des Anmeldeverfahrens auf fremdsprachige Teile in den Anmeldungsunterlagen und auf die Notwendigkeit zu deren Übersetzung hinweisen. Nach Ablauf der genannten dreimonatigen Nachreichungsfrist kann die Prüfungsstelle - wenn kein Fall des Anmeldetagverlusts nach § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG vorliegt - in unmittelbarer Anwendung von § 42 Abs. 1 i. V. m. § 126 PatG und § 34 Abs. 3 PatG in der Offensichtlichkeitsprüfung oder auch noch in einem späteren Prüfungsverfahren nach § 45 Abs. 1 i. V. m. § 126 PatG und § 34 Abs. 3 PatG das Vorhandensein von fremdsprachigen Teilen in den Unterlagen als einen Mangel der Anmeldung beanstanden und im Falle des fruchtlosen Ablaufs einer gesetzten Frist die Anmeldung nach Maßgabe des § 42 Abs. 3 PatG oder gegebenenfalls nach § 48 PatG zurückweisen.
5. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist nicht begründet. Eine Rückzahlung aus Billigkeitsgründen gemäß § 80 Abs. 3 PatG kommt nur dann in Betracht, wenn eine sachliche Fehlbeurteilung vorliegt und diese entweder völlig neben der Sache liegt, nicht nachvollziehbar ist oder z. B. von einer gefestigten Amtspraxis oder ständigen Rechtsprechung abweicht (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 130). Hier liegt zwar - wie ausgeführt - eine falsche Beurteilung des Sachverhalts vor, diese lag aber gemessen am Wortlaut des §35 Abs.1 Satz1 PatG („oder teilweise nicht in deutscher Sprache“) nicht so neben der Sache, dass eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gerechtfertigt wäre. Mangels einer (jedenfalls) zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung gefestigten Amtspraxis oder ständigen Rechtsprechung kann im vorliegend angegriffenen Beschluss des DPMA auch kein entsprechender Abweichungstatbestand erblickt werden.