Entscheidungsdatum: 16.01.2012
1. Trifft der Bundesminister der Verteidigung im Wehrbeschwerdeverfahren die Entscheidung, dass die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer zu erstatten sind, so werden diese auf Antrag durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts festgesetzt. Über die hiergegen gerichtete Erinnerung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.
2. Dem im Wehrbeschwerdeverfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt steht neben der Vergütung für das Beschwerdeverfahren eine gesonderte Vergütung für das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der Vollziehung zu.
3. Die hierbei aus der Rahmengebühr der Nr. 2400 VV-RVG nach billigem Ermessen zu bestimmende Gebühr hat insbesondere den Umfang und die Schwierigkeit der neben der gesondert vergüteten Tätigkeit im Beschwerdeverfahren erfolgten Tätigkeit angemessen zu berücksichtigen. Dabei entspricht es regelmäßig der Billigkeit, die mit der vergüteten Tätigkeit im Beschwerdeverfahren einhergehende Verringerung des Tätigkeitsumfangs im Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der Vollziehung in Anlehnung an die nach einer Tätigkeit im Beschwerdeverfahren für die Tätigkeit im Verfahren der weiteren Beschwerde vorgesehene Rahmengebühr und den hierzu bestimmten Schwellenwert (Nr. 2401 VV-RVG) zu berücksichtigen.
Die Beschwerdeführerin war mit ihrer Beschwerde gegen eine Maßnahme des Personalamts der Bundeswehr in der Sache erfolgreich. Ihrem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Maßnahme wurde gemäß § 3 Abs. 2 WBO stattgegeben und der Beschwerde abgeholfen. Nach der hierauf getroffenen Kostenentscheidung waren der Beschwerdeführerin die ihr zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Zugleich wurde die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt.
Ihren Antrag, für das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung Anwaltskosten in Höhe von 321,30 € festzusetzen, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung hat das Bundesverwaltungsgericht seine Zuständigkeit bejaht und die der Beschwerdeführerin für das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der Vollziehung zu erstattenden Kosten auf 166,60 € festgesetzt.
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Auf die zulässige Erinnerung ist der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 17. August 2011 abzuändern und sind die der Beschwerdeführerin für das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung nach § 3 Abs. 2 WBO zu erstattenden Kosten auf 166,60 € festzusetzen.
1. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 17. August 2011 ist zulässig (§ 16a Abs. 6 WBO i.V.m § 142 Satz 2 WDO entsprechend). Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig.
Sind dem Beschwerdeführer notwendige Aufwendungen nach der im vorgerichtlichen Beschwerdeverfahren gemäß § 16a Abs. 2 bis 5 WBO getroffenen Kostenentscheidung zu erstatten, so findet für die nachfolgende Kostenfestsetzung die Bestimmung des § 142 WDO entsprechende Anwendung (§ 16a Abs. 6 WBO). Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Truppendienstgerichts die Höhe der zu erstattenden Kosten fest (§ 142 Satz 1 WDO); auf Erinnerung entscheidet der Vorsitzende der Truppendienstkammer endgültig (§ 142 Satz 2 WDO). Für den Fall, dass der Bundesminister der Verteidigung die Kostenentscheidung getroffen hat, enthält § 16a Abs. 6 WBO zwar nicht die Maßgabe, dass an die Stelle des Truppendienstgerichts das Bundesverwaltungsgericht tritt, wie dies in § 16a Abs. 5 Satz 4 WBO für die Anfechtung der Kostenentscheidung und in § 21 Abs. 2 Satz 2 WBO für die Kostenfestsetzung nach einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 21 WBO vorgesehen ist. Die Regelung des § 16a Abs. 6 WBO macht mit der angeordneten "entsprechenden" Anwendung des § 142 WDO jedoch deutlich, dass diese Vorschrift nicht wörtlich, sondern sinngemäß anzuwenden ist.
Nach der Systematik der Wehrbeschwerdeordnung ist bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen des Bundesministers der Verteidigung die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gegeben (§ 21 Abs. 1 WBO). Diese erstreckt sich auf die in diesem Zusammenhang stehenden Nebenentscheidungen (§ 21 Abs. 2 Satz 2 WBO). Der Gesetzgeber hat dieses Privileg ausdrücklich auch für die mit dem Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz 2008 - WehrRÄndG 2008) vom 31. Juli 2008 (BGBl I S. 1629) eingeführte Kostenentscheidung im vorgerichtlichen Beschwerdeverfahren vorgesehen (§ 16a Abs. 5 Satz 4 WBO). Darüber hinaus verweist die Gesetzesbegründung zu § 16a WBO darauf, dass die "Vorschriften ... bei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts" sinngemäß anzuwenden seien (BTDrucks 16/7955 S. 35). Diese Aussage erfasst zwar in erster Linie die Situation, in der das Bundesverwaltungsgericht auf Anfechtung gemäß § 16a Abs. 5 WBO über die Kosten entschieden hat. Sie bezieht sich aber auf die Regelung des § 16a WBO insgesamt und damit auch auf § 16a Abs. 6 WBO. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass einheitlich die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts dann gegeben sein soll, wenn nach einer Kostenentscheidung des Bundesministers der Verteidigung die Kosten festzusetzen sind. Dem entspricht auch die Systematik der Wehrbeschwerdeordnung. Entsprechend erfolgt in diesen Fällen die Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts. Über die hiergegen gerichtete Erinnerung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht und dies - ebenso wie das Truppendienstgericht - ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 16a Abs. 6 WBO i.V.m. § 142 Satz 2 WDO entsprechend; Beschluss vom 9. April 2010 - BVerwG 1 WDS-KSt 6.09 - Buchholz 450.1 § 20 WBO Nr. 3 Rn. 9 f.).
2. Die Erinnerung ist auch insoweit begründet, als die Beschwerdeführerin auf der Grundlage der Kostenentscheidung des Bundesministers der Verteidigung im Beschwerdebescheid vom 19. Januar 2011 für das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der Vollziehung nach § 3 Abs. 2 WBO einen Anspruch auf Erstattung von notwendigen Aufwendungen in Höhe von 166,60 € hat. Die weitergehende Erinnerung ist unbegründet.
Zu den notwendigen Aufwendungen gehören die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten wären (§ 16a Abs. 6 WBO i.V.m. § 140 Abs. 8 Nr. 2 WDO). Erstattungsfähig sind danach die gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO), wie sie sich aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ergeben. Danach steht der Beschwerdeführerin für das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der Vollziehung als eigene Angelegenheit eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV-RVG zu.
Den Abgeltungsbereich einzelner Gebühren bestimmt § 15 Abs. 1 und 2 RVG durch den Rechtsbegriff "derselben Angelegenheit". Nähere Bestimmungen hierzu finden sich im 3. Abschnitt "Angelegenheit" des Gesetzes, das in § 16 RVG Verfahren aufzählt, die als "dieselbe Angelegenheit" anzusehen sind, während § 17 RVG "verschiedene Angelegenheiten" definiert.
Maßgeblich für die in Rede stehende Tätigkeit der Bevollmächtigten ist die Regelung verschiedener Angelegenheiten in § 17 Nr. 1 RVG. Eingeleitet durch das Wort "jeweils" folgt eine durch Kommata oder das Wort "und" gegliederte Reihung, die sowohl das "Verfahren über die Beschwerde" als auch das "Verwaltungsverfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung" enthält. Diese Reihung kann nicht so verstanden werden, dass die aufgezählten Verfahren nur gegenüber einem gerichtlichen Verfahren, nicht aber untereinander selbstständig sind (a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2006 - L 5 KA 5567/05 - juris Rn. 34 ff.) Hiergegen spricht bereits das einleitende Wort "jeweils", dass die je gegeneinander abgrenzende Funktion der Aufzählung hervorhebt. Betrachtet man die hier maßgeblichen Elemente der Reihung, so lautet die Regelung "Verschiedene Angelegenheiten sind jeweils ... das Verfahren über die Beschwerde und die weitere Beschwerde, das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung ... der sofortigen Vollziehung ... und ein gerichtliches Verfahren". Dafür, dass die einzelnen Glieder nicht jeweils untereinander verschiedene Angelegenheiten sind, sondern lediglich gegenüber einem gerichtlichen Verfahren verschieden sein sollen, spricht weder Wortlaut noch Systematik der gesetzlichen Regelung. Auch steht einer solchen Auslegung der erklärte Wille des Gesetzgebers entgegen. Mit § 17 RVG wollte der Gesetzgeber zweifelhafte Fälle klarstellen beziehungsweise neu regeln. Ausdrücklich gilt dies für die Selbstständigkeit der Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung gegenüber Beschwerdeverfahren und anderen vorgerichtlichen Verfahren, die in der zuvor geltenden Regelung des § 119 Abs. 3 BRAGO gesetzlich als eine Angelegenheit definiert waren. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das behördliche Aussetzungsverfahren gemäß § 17 Nr. 1 RVG nunmehr als eigene Angelegenheit vergütet werden (Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BTDrucks 15/1971 S. 191 <2. Fallbeispiel>; vgl. Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 6. Aufl. 2012, § 17 Rn. 2, 4 und 8, Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, Anhang IV. Rn. 10, 25). Dem steht auch § 16 Nr. 1 RVG nicht entgegen. Diese Vorschrift definiert lediglich verschiedene Varianten des vorläufigen Rechtsschutzes untereinander als eine Angelegenheit.
Ob die damit einhergehende gesonderte Vergütung für das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung in allen Einzelfällen als angemessen erscheint, mag dahin stehen. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung ist hinzunehmen. Den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls kann jenseits dieser Vorgabe im Rahmen des Vergütungsrechts (Rahmengebühr, Festsetzung des Streitwerts) Rechnung getragen werden.
Die für das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der Vollziehung nach § 3 Abs. 2 WBO der Beschwerdeführerin zu erstattende Geschäftsgebühr ergibt sich auf der Grundlage der Rahmengebühr der Nr. 2400 VV-RVG, denn die Voraussetzungen des speziellen Gebührentatbestandes der Nr. 2401 VV-RVG sind nicht gegeben. Dieser Tatbestand sieht in dem hier maßgeblichen Zusammenhang lediglich für das Verfahren der weiteren Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung eine reduzierte Rahmengebühr vor. Allerdings lässt die Vorschrift und parallel Nr. 2301 VV-RVG die Wertung erkennen, dass die hier mit einer vergüteten Vorbefassung im Verwaltungsverfahren einhergehende Verringerung des Tätigkeitsumfangs gebührenrechtlich zu berücksichtigen ist. Dort, wo dies bereits durch eine verringerte Rahmengebühr geschieht, muss es damit sein Bewenden haben (vgl. Nr. 2401 Abs. 1 VV-RVG). In Fällen, in denen - wie hier - als Annex des Beschwerdeverfahrens die Aussetzung der Vollziehung beantragt wird, ist der Rechtsgedanke gegebenenfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen.
Die von der Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin auf der Grundlage der Rahmengebühr der Nr. 2400 VV-RVG bestimmte Geschäftsgebühr ist nicht verbindlich, denn sie ist unbillig. ...
Darüber hinaus ist aber zu beachten, dass die Tätigkeit für den Antrag nach § 3 Abs. 2 WBO neben der Tätigkeit im Beschwerdeverfahren stand und kaum eigenständiges Gewicht hatte. Es ist geboten, diesen Umstand bei der Würdigung des Umfangs und der Schwierigkeit der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren der Aussetzung der Vollziehung zu berücksichtigen. Dies lässt die erfolgte Bestimmung der Schwellengebühr der Nr. 2400 VV-RVG in Höhe von 240 € außer Acht. Sie ist daher unbillig und nicht verbindlich. Es entspricht vielmehr der Billigkeit, die Gebühr in Anlehnung an Nr. 2301 und Nr. 2401 Abs. 1 VV-RVG mit der Hälfte der Schwellengebühr der Nr. 2400 VV-RVG (120 €) zu vergüten. ...